Bringt Julian Reichelt die Familien anderer Menschen in Gefahr?

Julian Reichelt will nicht über Geld reden. Über sein eigenes jedenfalls nicht. Über das Geld anderer Leute reden und schreiben Reichelt und seine “Bild”-Kollegen liebend gern: So viel verdient Bundesliga-Star XY, das bekommt DAX-Manager Soundso, lesen Sie mal, wie viel Moderator Trallala kassiert. Kaum eine Woche, in der “Bild”, “Bild am Sonntag” und Bild.de nicht über das hohe Einkommen und das immense Vermögen einzelner Personen berichten.

Geht es allerdings um seine eigenes Gehalt, findet Julian Reichelt dieses Verhalten hochgradig gefährdend. Als das Medienmagazin “kress pro” in der Titelgeschichte seiner Oktoberausgabe über die Jahresgehälter von Verlagsmanagern und Chefredakteuren schrieb, kam darin auch der “Bild”-Oberchef vor:

Im nationalen Geschäft liegt die Schallmauer inzwischen bei 500.000 Euro, die aber nur eine Handvoll erreichen. “Spiegel”-Chef Klaus Brinkbäumer dürfte geschätzt in dieser Liga spielen, auch “FAZ”-Digitalchef Mathias Müller von Blumencron gilt als Kandidat. “Stern”-Chef Christian Krug und die “SZ”-Doppelspitze liegen geschätzt 50.000 bis 100.000 Euro darunter. Deutlich darüber liegen müssten Julian Reichelt, Chef der “Bild”-Gruppe, und “Zeit”-Chef Giovanni di Lorenzo. Reichelt verantwortet den umsatzstärksten Titel und offenbar zahlt Springer mit einem guten Anteil variabler Vergütung. Reichelts Vorgänger Kai Diekmann soll nach seinem Abgang eine deutlich siebenstellige Summe bekommen, was auf ein siebenstelliges Gehalt hinweist. Diekmann dürfte jahrelang der bestbezahlte Chefredakteur gewesen sein. Reichelt müsste also irgendwo zwischen 500.000 Euro und 1 Million liegen.

Diese wenigen, nüchtern gehaltenen Zeilen passten Reichelt offenbar überhaupt nicht. In der November-Ausgabe von “kress pro” schreibt Chefredakteur Markus Wiegand über “die Widersprüche des ‘Bild’-Chefs”:

Einige der Betroffenen kommentierten die Schätzung informell, die meisten verzichteten jedoch auf einen Kommentar.

Julian Reichelt war der einzige Chefredakteur, der uns bat, auf eine Schätzung zu verzichten. Er argumentierte, dass eine Schätzung seines Gehalts das Risiko finanziell motivierter Straftaten gegen seine Familie erhöhen würde.

Wir konnten die Argumentation nicht nachvollziehen, boten aber ein informelles Gespräch an, um den Fall zu klären. Reichelt lehnte dies ab.

Die Logik hinter Reichelts Argumentation scheint zu sein: Kriminelle, die bisher dachten, dass der Chef von “Bild”, “Bild am Sonntag”, Bild.de und “B.Z.” vielleicht 3000 oder 4000 Euro im Monat verdiene, dürften durch die Veröffentlichung einer groben Schätzung seines Gehalts verstanden haben, dass bei ihm deutlich mehr zu holen sein könnte.

Sollte dieser Gedanke stimmen, ergibt sich automatisch die Frage: Bringen Julian Reichelt und die “Bild”-Medien seit Jahren regelmäßig die Familien anderer Menschen in Gefahr?

Zum Beispiel die Familie von WDR-Intendant Tom Buhrow. Vor etwas mehr als zwei Monaten titelte Bild.de:

Screenshot Bild.de - Hammergehalt! Lesen Sie mal, was ein ARD-Boss verdient

Im dazugehörigen Artikel steht:

Angeführt wird die Liste von WDR-Intendant Tom Buhrow. Sein Verdienst: 399 000 Euro im 2016 — umgerechnet auf 12 Monate wären das 33 250 Euro!

Auf den folgenden Plätzen liegen:

• Ulrich Wilhelm, der Intendant des BR, mit 367 000 Euro
• NDR-Intendant Lutz Marmor, welcher 348 000 Euro verdiente.
Das niedrigste Gehalt der ARD-Bosse bezog bei 237 000 Euro Jahresvergütung der SR-Chef Thomas Kleist.

Oder die Familie von “Radio Bremen”-Intendant Jan Metzger.

Screenshot Bild.de - Kleinster Sender, großes Geld - Das verdient der Radio-Bremen-Intendant wirklich

Als Sender ist Radio Bremen der kleinste unter den neun ARD-Anstalten. Doch sein Chef ist beim Verdienen ganz vorne mit dabei.

242 000 Euro erhielt Intendant Jan Metzger im Jahr 2011. So zumindest steht es im Branchen-Nachrichtendienst “Funkkorrespondenz”.

Oder die Familie von TV-Moderator Günther Jauch.

Screenshot Bild.de - In der eigenen Sendung wurde er angegriffen - Verdient Jauch wirklich so viel mehr als die Kanzlerin?

Und wie viel verdient Jauch wirklich? Fakt ist: Ein Vielfaches vom jährlichen Bruttogehalt der Kanzlerin. Angela Merkel erhält 194 000 Euro im Jahr.

Die ARD überweist Jauchs Produktionsfirma “I & U” nach BILD-Informationen allein für die Talk-Sendungen 10,5 Mio. Euro im Jahr. Nach Branchenschätzungen sollen ihm davon mehr als 1 Million bleiben. Dazu kommen TV-Honorare für die RTL-Shows “Wer wird Millionär?” und “5 gegen Jauch”. Außerdem produziert er mit seiner Firma bis zu 130 weitere Sendungen im Jahr.

Oder die Familien verschiedener BBC-Moderatoren und -Moderatorinnen.

Screenshot Bild.de - BBC-Gehälterliste - Was man als Moderator so verdient

Das höchste Gehalt bei der BBC bezieht demnach der Moderator Chris Evans: Er bekam im vergangenen Jahr ein Gehalt von umgerechnet rund 2,5 Millionen Euro.

Der ehemalige Fußballstar und Sportmoderator Gary Lineker verdiente umgerechnet rund 2 Millonen Euro.

Die am besten verdienende Frau bei der BBC ist die TV-Moderatorin Claudia Winkleman — sie erhält ein jährliches Salär zwischen umgerechnet rund 509 000 und 565 000 Euro.

Oder die Familie von Fußballer Matija Nastasic.

Screenshot Bild.de - Schalkes neuer Star - Das verdient Nastasic im Monat

Schalkes Neuer verdient 250 000 Euro im Monat!

BILD enthüllt die Details des Nastasic-Vertrages:
► Der Nationalverteidiger erhält ein monatliches Grundgehalt von exakt 250 000 Euro, für das halbe Jahr also fixe 1,5 Mio Euro.
► Dazu kommt noch eine Prämie, wenn er mit Schalke die Champions League erreicht.

Oder die Familie von Daimler-Boss Dieter Zetsche.

Screenshot Bild.de - Gehaltserhöhung für Zetsche - So viel verdient der Daimler-Boss

Erfolg zahlt sich für ihn buchstäblich aus: Daimler-Chef Dieter Zetsche streicht erneut mehr Gehalt ein.

Nach mehr als 8,2 Millionen Euro im Vorjahr kassiert der Konzernlenker für 2014 knapp 8,4 Millionen Euro.

Oder die Familie von Zetsches Pendant bei BMW, Harald Krüger.

Screenshot Bild.de - BMW-Chef Harald Krüger - 6,2 Millionen Euro Einstiegsgehalt!

Oder die Familie von Tennisspieler Alexander Zverev.

Screenshot Bild.de - Karriere-Preisgelder verdreifacht - Rekord-Jahr! Zverev hat schon 3,7 Mio verdient

Oder die Familie von Fußballer Franck Ribéry.

Screenshot Bild.de - Ribery verdient 312500 Euro im Monat netto

Oder die Familie von Burkhard Jung, Oberbürgermeister in Leipzig.

Screenshot Bild.de - 148361,40 Euro brutto im Jahr - Das verdient OB Jung wirklich!

Oder die Familie von Fußballtrainer Jürgen Klopp.

Screenshot Bild.de - Jürgen Klopp beim FC Liverpool - 10 Millionen Gehalt! Nur Mourinho verdient mehr

Oder die Familie von Sängerin Taylor Swift.

Screenshot Bild.de - Bestbezahlter Popstar - Das verdient Taylor Swift am Tag

Oder die Familie von SAP-Chef Bill McDermott.

Screenshot Bild.de - SAP-Chef McDermott - So viel Geld verdient sonst keiner

Wir könnten diese Liste noch ewig weiterführen. Mit Bundesliga-Torwart René Adler, mit “Deutschlands Top-Managern”, mit HSV-Profi Bobby Wood, mit Fußballtrainer Carlo Ancelotti, mit den “wichtigsten Berlin-Managern”, mit “Promis in Politik, Wirtschaft, Show und Sport” und mit vielen, vielen anderen.

Einen Widerspruch zwischen dem, was er für sich selbst einfordert, und dem, was er und seine Kollegen Tag für Tag, Woche für Woche produzieren, scheint Julian Reichelt nicht erkennen zu können.

Erfundener Sexmob, Influencer-Hype, Bullshit-Man-of-the-Year

1. Anklage gegen First-In-Betreiber wegen erfundenem Sexmob
(hessenschau.de, Heike Borufka)
Ein Frankfurter Gastwirt und eine weitere Beteiligte hatten Anfang 2017 gegenüber einem Journalisten der “Bild”-Zeitung behauptet, bis zu 50 arabischstämmige junge Männer hätten in der Silvesternacht in Frankfurt Frauen belästigt, Schlägereien angezettelt und Gäste beklaut. Daraufhin veröffentlichte “Bild” einen Artikel mit der Überschrift: “Sex-Mob tobte in der Freßgass”. Rund 900 “größtenteils betrunkene Flüchtlinge” seien es gewesen. Schnell war klar: Alles war erfunden. Nun kommen der Gastwirt und seine Komplizin vor Gericht.

2. Whistleblower sind keine Verräter
(sueddeutsche.de, Heribert Prantl)
Werden Whistleblower von Gesellschaft und Politik zutreffend wahrgenommen und angemessen behandelt? Heribert Prantl hat seine Zweifel: “Whistleblower sind keine Verräter, sie leiden aber oft am schlechten Ruf, den Denunzianten und Wichtigtuer haben. Whistleblower sind Leute, die in den Zeitungen oft als die Heldinnen und Helden des Alltags gefeiert werden. Aber wenn der Whistleblower der Hinweise wegen, die er öffentlich gemacht hat, von seinem Arbeitgeber entlassen oder sonst bedroht wird, braucht er Schutz — da genügen Elogen in der Zeitung nicht. Es sollte endlich ein Whistleblower-Gesetz geben, das solche Nachteile zu vermeiden oder wenigstens zu minimieren hilft.”

3. Ärger gehabt mit #Spiegelonline?
(facebook.com/Freischreiber.de)
Vertreter des sich “Freischreiber” nennenden Berufsverbands freier Journalistinnen und Journalisten haben sich mit dem Ombudsmann für freie Journalisten von “Spiegel Online” getroffen. Es ging vornehmlich um die Einhaltung des Autorenvertrags. Die “Freischreiber”-Kritikpunkte an “Spiegel Online” sind unter anderem reißerische Teaser, keine Möglichkeit eines “letzten Blicks”, verspätete Veröffentlichungen und — last but not least — das ihrer Ansicht nach zu geringe Honorar.

4. #werbung #lifestyle
(zeit.de, Anja Reiter)
Beim “Influencer Marketing” machen Menschen ihren Alltag im Internet öffentlich, mischen jedoch Werbeinhalte unter, für die sie von Firmen teilweise üppig bezahlt werden. Diese geschäftstüchtigen Exhibitionisten gebe es mittlerweile in fast allen Branchen, sie würden über Mode, Tourismus oder Medizin, über Gastronomie, Autos oder Fitness schreiben. Doch wie lange hält der Hype noch an? Anja Reiter hat sich bei den digitalen Selbstdarstellern umgesehen. Weiterer Lesetipp: “Neue Liebe” in der “SZ”. Im Beitrag geht es um Frauenmagazine, die die Influencer für sich entdeckt hätten und immer öfter zu Titelhelden machen würden.

5. Wie ich die Türkei verließ, um in Deutschland Journalist zu werden
(ze.tt, Isabel Schneider)
Isabel Schneider berichtet über einen türkischen Journalisten, der vielleicht gerade noch rechtzeitig nach Deutschland flüchten konnte und nun in Hamburg Journalistik studiert. Obwohl er vorerst in Sicherheit ist, geschieht dies nicht frei von Druck: Falls er nach Ablauf seines Studentenvisums keine Arbeit in Deutschland findet, müsse er in die Türkei zurückkehren.

6. “Time”-Redaktion nennt Trump-Behauptung “Bullshit”
(spiegel.de)
Der amerikanische Präsident Donald Trump schreibt auf Twitter, dass er eine angeblich mögliche Ehrung zur “Person des Jahres” des “Time Magazine” abgelehnt hätte (“‘Time Magazine’ rief an, um zu sagen, dass ich WAHRSCHEINLICH ‘Mann (Person) des Jahres’ werde, wie vergangenes Jahr, aber ich müsste einem Interview und einem großen Fotoshooting zustimmen. Ich sagte, ‘wahrscheinlich’ nützt mir nichts und hab abgelehnt. Danke trotzdem”). Ein Verantwortlicher des “Time Magazine” antwortet: “Erstaunlich. Nicht ein Hauch von Wahrheit in der Geschichte”. Und ergänzte bekräftigend: “Totaler Bullshit.”

Bild  

“Bild” wählt Zitat des Tages vom SS-Sturmbannführer

Ausriss Bild-Zeitung - Zitat des Tages - Es ist mein Job, nie zufrieden zu sein - Wernher von Braun, deutscher Raketeningenieur (1912 - 1977)

“Deutscher Raketeningenieur” schreibt die “Bild”-Redaktion in der ganz kurzen Biografie über Wernher von Braun, der das heutige “ZITAT” des Tages auf der Titelseite des Boulevardblatts liefert. Dabei war von Braun viel mehr: Vater der Raumfahrt, in leitender Position bei der NASA, ausgestattet mit 25 Ehrendoktortiteln, großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, Goldene Medaille der Humboldt-Gesellschaft und so weiter.

So jemanden kann man zitieren.

Vorher war Wernher von Braun NSDAP-Mitglied. Er machte Karriere bei der SS, bis zum Sturmbannführer. Adolf Hitler ernannte ihn persönlich zum Professor. 1944 bekam von Braun das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern verliehen. Er forderte immer wieder KZ-Häftlinge als Arbeitskräfte an, war an ihrer Ausbeutung beteiligt. Wernher von Braun war im Konzentrationslager Buchenwald und suchte dort selbst Häftlinge aus, die in der Raketenproduktion arbeiten mussten. Er sah nach eigener Aussage die “Hungergestalten”, die bei der unterirdischen Produktion in einem Stollen eingepfercht waren. Rund um den Bau von von Brauns V2-Rakete sollen nach SS-Akten 12.000 Zwangsarbeiter gestorben sein, manche Schätzungen gehen von mehr als 20.000 Toten aus. Zeitzeugen berichten, dass von Braun die Leichen bei seinen Inspektionen nicht habe übersehen können.

Will man wirklich ein Zitat dieses Mannes auf der eigenen Titelseite haben?

Denn die Frage ist doch auch: Womit war Wernher von Braun “nie zufrieden”? Mit seiner eigenen Leistung und der seiner NASA-Kollegen beim Wettlauf um die erste Mondlandung? Oder mit den sich zu Tode schuftenden Zwangsarbeitern aus den Konzentrationslagern? Sowohl als auch?

Man kann sich nicht mit der einen Seite von Wernher von Braun auf der eigenen Titelseite schmücken, ohne die andere dazuzubekommen.

Mit Dank an @paulschm und @_marc_baumann für die Hinweise!

Bild.de, die Fehler-Konstante in politisch turbulenten Zeiten

Wer derzeit das Gefühl hat, bei der komplizierten politischen Lage in Deutschland den Überblick verloren zu haben, aber gern wieder etwas mehr Durchblick bekommen möchte, sollte auf jeden Fall nicht bei Bild.de vorbeischauen. Dort herrscht das völlige Durcheinander: Der letzte Ministerpräsident der DDR ist auf einmal Bundesinnenminister, Schlagersänger Patrick Lindner ist plötzlich Politiker, und ein CDUler wird zum “Juso”-Chef. Die Bild.de-Redaktion zeigt, dass sie noch immer beides beherrscht: die kleinen Dämlichkeiten und die große Falschinformation.

Fangen wir klein an. Laut Bild.de gab es eine personelle Sensation, die sonst keine Redaktion mitbekommen hat: Lothar de Maizière sitzt wieder im Bundestag — und er hat gleich einen Ministerposten abbekommen:

Screenshot Bildunterschrift bei Bild.de - Bei der zweiten Sitzung des Bundestages saß die alte und aktuelle Regierung auf der Regierungsbank im Bundestag. Hier Innenminister Lothar de Maizière (l.) und Außenminister Sigmar Gabriel im Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel

Wir haben noch mal ganz genau hingeschaut: Es ist gar nicht Lothar de Maizière (weiße Haare, weißer Bart), sondern dessen Cousin Thomas de Maizière (graue Haare, kein Bart). Immerhin: Beide tragen eine Brille.

Bild.de konnte noch eine weitere falsche Personalsensation präsentieren: Schlagersänger Patrick Lindner ist neuer FDP-Chef!

Intensives Hingucken hat ergeben: Es ist doch weiterhin Christian Lindner.

Paul Ziemiak ist laut Bild.de zwar in der CDU, aber gleichzeitig auch Chef der “Jusos”, der Jugendorganisation der SPD:

Screenshot Bild.de - Paul Ziemiak (32, CDU). Der Juso-Chef war optimistisch: Jamaika kann funktionieren. Pustekuchen!

Tatsächlich ist Ziemiak Chef der “Jungen Union”.

Bild.de macht aber nicht nur diesen kleinen Fehler. In einem Kommentar zum Scheitern der Gespräche zwischen CDU/CSU, FDP und Grüne schreibt “Bild”-Chefchef Julian Reichelt:

Die Grünen sind nicht nur, aber auch eine autoritäre Verbotspartei, die dazu aufruft, den Nachbarn zu denunzieren, wenn er sich das Bad schick fliesen lässt (“Luxussanierung”). Dass Menschen die Fliesen in ihrem eigenen Bad nicht frei wählen sollten, ist eine Überzeugung, die man haben kann — bloß passt sie nicht zur FDP, hat sie nie.

Erstmal: Schade, dass die Jamaika-Sondierungen an ein paar Fliesen im Bad gescheitert sind.

Reichelt hat recht, dass die Grünen sich gegen die “Verdrängung aufgrund von Luxussanierung” aussprechen. Allerdings hat das nichts mit dem Denunzieren des Nachbars zu tun, der “sich das Bad schick fliesen lässt”, außer dieser Nachbar schickt die Handwerker nicht in sein eigenes Bad, sondern in meines, weil er mein Vermieter ist, und verlangt danach mehr Miete von mir. Dann könnte man von einer “Luxussanierung” sprechen. Was Reichelt schreibt, ist allerdings Unsinn.

Ebenfalls Unsinn ist diese Meldung, die bei Bild.de auftauchte:

Screenshot Bild.de - Neuer Vorschlag von Malu Dreyer (SPD) - Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz machte am Dienstagabend bei der Talkmasterin Sandra Maischberger einen neuen Vorschlag: eine GroKo mit Kanzlerwechsel! Malu Dreyer: Jetzt mache ich mal einen verrückten Vorschlag. Sie verhandeln mit Angela Merkel und sagen, dass sie zwei Jahre lang regiert, und danach regiert jemand aus der SPD.

Schaut man sich die “Maischberger”-Folge an, erkennt man schnell: Der Vorschlag kommt gar nicht von Malu Dreyer, sondern von Sandra Maischberger, die Dreyer von ihrer “verrückten” Idee des Kanzlerwechsels erzählt. Bild.de hat diesen Fehler nach einiger Zeit klammheimlich und ohne irgendeinen Hinweis vertuscht korrigiert.

Falsche Namen, falsche Posten, falsche Verbote, falsche Zitatgeber — in politisch komplizierten Zeiten ist immerhin auf die Unfähigkeit der Bild.de-Redaktion Verlass.

Mit Dank an @WieselerSusanne, @MarkusMK73, Markus T., Tim F. und Ralf H. für die Hinweise!

#scheisswerbung, Instagram-Marketing, Plenarsaal offline

1. Wie weit gehen für die Exklusivität?
(deutschlandfunk.de, Henning Hübert, Audio, 5:33 Minuten)
Jüngst hat der WDR eine Doku über den ehemaligen Manager Thomas Middelhoff zurückgezogen, weil herauskam, dass man Middelhoff Mitspracherechte beim Drehbuch eingeräumt hatte. In Interview mit dem “Deutschlandfunk” spricht sich der bekannte Dokumentarfilmer Stephan Lamby gegen derartige Einflussnahmen aus, da dadurch der Grundsatz der unabhängigen Berichterstattung gefährdet sei. Lamby hat einschlägige Erfahrungen mit der Thematik. Bei seinem viertägigen Interview mit Helmut Kohl sah er sich ebenfalls dem Wunsch auf Einflussnahme ausgesetzt: “Wir haben gesagt, das können wir nicht tun. Weil Kohl dann Regisseur des Film über sich selbst werden würde. Wenn das ruchbar würde, würden wir als Autoren für alle Ewigkeiten beschädigt sein und der Film wertlos.”

2. Funk und der Mist mit der #Scheisswerbung
(haz.de, Imre Grimm)
Bei “Funk”, dem gemeinsamen Jugendangebot von ARD und ZDF, wird unter dem Hashtag #scheisswerbung gerade kräftig gegen die werbefinanzierte Konkurrenz vom Leder gezogen. Das sei unfair und unfein, findet Imre Grimm in seinem Kommentar bei haz.de. Wer acht Milliarden Euro im Jahr sicher hat, könne leicht lästern, so sein Argument. Außerdem widerspreche es vollständig den angeblichen Bemühungen der ARD-Verantwortlichen um verbale Abrüstung.

3. Influencer-Marketing: Schein des Authentischen
(ndr.de, Sabine Schaper, Video, 5:55 Minuten)
Wer sich auf Instagram und Co. Tausende von Followern erarbeitet hat, gerät leicht ins Visier der Werbeindustrie, besonders wenn es um Themen wie Mode, Kosmetik oder Luxusartikel geht. Manche dieser “Influencer” haben es zu Topverdienern gebracht, die mit jedem Instagrambildchen Hunderte, wenn nicht Tausende Euro verdienen. Sabine Schauer hat für “Zapp” hinter die Kulissen dieser Werbe-Parallelwelt geschaut, bei der auch schon mal mit schmutzigen Tricks gearbeitet wird.

4. Liga für Legenden
(zeit.de, Eike Kühl)
In den USA will man Ligastrukturen aus traditionellen Sportarten wie Football (NFL) oder Basketball (NBA) auf den E-Sport übertragen. Dazu wurde nun die “North American League of Legends Championship Series” (NA LCS) mit zehn Gamer-Teams vorgestellt. Es geht um Millionensummen für die Veranstalter. Aber auch die Spieler profitieren von der Professionalisierung: Das Mindestgehalt wurde auf 75.000 US-Dollar im Jahr angehoben. Es gibt aber auch Kritik, denn neue Teams müssen stolze 13 Millionen Dollar auf den Tisch legen, wenn sie mitspielen wollen.

5. Wir müssen diskutieren
(taz.de, Peter Weissenburger)
Demnächst verleiht das “Reporter-Forum”, ein sich für guten Journalismus einsetzender Verein, den “Deutschen Reporterpreis 2017”. In der Kategorie “Essay” ist diesmal ein Text nominiert, der in der Augustausgabe des “Greenpeace Magazins” erschien. Peter Weissenburger denkt in der “taz” darüber nach, ob PR-Medien (“Corporate Media”) für einen journalistischen Preis infrage kommen, und regt zumindest eine Diskussion darüber an.

6. Schäuble erklärt Abgeordneten: Twittern und Facebook im Plenarsaal unerwünscht
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat die 709 Bundestagsabgeordneten darauf hingewiesen, dass Mobiltelefone und Tablet-Computer “nur zurückhaltend und in einer Ihrer Teilnahme an einer Plenarsitzung angemessenen Weise” genutzt werden dürfen. Das ist insofern ein klein wenig lustig, als dass Schäuble selbst schon beim Sudokuspielen auf der Regierungsbank erwischt wurde.

Schönheitssperre, Drohendes US-Meinungsmonopol, Middelhoff-Doku

1. Youtube sperrt Account des Zentrums für politische Schönheit (Update)
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Die Berliner Aktionskünstler des “Zentrums für politische Schönheit” haben dem AfD-Politiker Björn “Bernd” Höcke ein ganz persönliches Holocaust-Mahnmal errichtet: Direkt in seinem Heimatdorf auf dem Nachbargrundstück seines privaten Wohnhauses. In der Folge sperrte Youtube den Account des Künstlerkollektivs, hob die Sperre aber nach Hinweisen und Protesten wieder auf und kommentierte: “Mit 400 Stunden Videomaterial, das pro Minute auf YouTube hochgeladen wird, treffen wir manchmal die falsche Entscheidung. Sobald wir informiert werden, dass wir ein Video oder einen Kanal fälschlicherweise gesperrt haben, handeln wir schnell und schalten diesen wieder frei.”
Zum Hintergrund: “Das ist das neue Holocaust-Mahnmal — direkt bei Björn Höcke vor dem Haus” bei “Metronaut”.

2. Läuft doch
(taz.de, Peter Weissenburger)
Eigentlich wacht in den USA die “Federal Communications Commission” darüber, dass es bei den Lokalsendern kein Meinungsmonopol gibt. Doch nun überstimmten drei republikanischen Mitglieder des Gremiums die zwei Demokratinnen und machten den Weg frei für eine rechtslastige und Trump-freundliche Medienlandschaft. Dabei geht es vor allem um die ultrakonservative “Sinclair Broadcast Group”, der bereits mehr als 170 amerikanische Lokalsender gehören und die weitere 42 Sender kaufen will.

3. CORRECTIV: Wie alles begann
(correctiv.org, David Schraven)
Wie ist es zur Gründung des ersten gemeinnützigen Recherchezentrums in Deutschland gekommen? “Correctiv”-Mitgründer David Schraten erzählt von den Anfängen, den beteiligten Mitstreitern und wie es zum Namen der Organisation kam.

4. Recherchestrategien, Teil 1: Keine Angst vor heiklen Themen
(fachjournalist.de, Uwe Herzog)
Was tun, wenn man als recherchierender Journalist auf eine Mauer des Schweigens stößt? Anhand eines anschaulichen Praxisbeispiels zeigt Autor Uwe Herzog, wie man dennoch zum Ziel kommt. Vor allem Geduld und Hartnäckigkeit seien gefragt: “Es ist, als würde man einen nachtdunklen Raum nach und nach von allen Seiten beleuchten. Und was tun, wenn alle Beteiligten eisern mauern? Auch darauf kann es nur eine Antwort geben: dranbleiben!”

5. Freiwillig in die Abhängigkeit: Facebook und die Medien
(de.ejo-online.eu, Nicolas Becquet)
Was viele nicht wissen: Social-Media-Gigant Facebook zahlt Medien Geld dafür, dass sie ihre Inhalte bei Facebook einspeisen. Insgesamt 50 Millionen Dollar soll die Zuckerberg-Company in 140 Kooperationen mit verschiedenen Medienunternehmen und Promis investiert haben. Nicolas Becquet warnt: “Die finanzielle Notlage der Medien mag ein Grund für ihre freiwillige Versklavung sein, aber die Langzeitfolgen sind nur schwer abzuschätzen. Sind es notwendige Opfer, die auf dem Weg zur digitalen Transformation gebracht werden müssen? Vielleicht; dennoch ist Vorsicht geboten, denn die Abhängigkeit ist nicht nur finanzieller Art. Die Medien sind auch abhängig vom Zugang zu Produktions- und Verbreitungstools. Diese Abhängigkeit beeinflusst auch die Inhalte und führt zu einer Vereinheitlichung der Formate auf globalem Niveau.”

6. Programmänderung
(wdr.de)
Der WDR hat den für heute Abend geplanten Film “Thomas Middelhoff — Absturz eines Topmanagers” aus dem Programm genommen. Anlass sei eine bestehende vertragliche Vereinbarung zwischen Middelhoff und dem Produzenten, deren konkreter Inhalt der Redaktion erst kurz vor der Ausstrahlung offengelegt worden sei. Die Vereinbarung räume dem ehemaligen Topmanager das Recht auf Mitsprache beim Drehbuch ein und darauf, den fertigen Film vor Ausstrahlung zu sehen. “Vereinbarungen wie diese widersprechen den journalistischen Grundregeln des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und sind für den WDR nicht akzeptabel.”

Bild.de machte Werbung für menschenverachtendes Unternehmen

Bei Sätzen wie diesen …

Sein Geschäftsmodell ist so menschenverachtend, dass BILD bewusst darauf verzichtet, den Namen der Webseite zu nennen — um keine Werbung für dieses Unternehmen zu machen.

… könnte man fast meinen, dass es in der Bild.de-Redaktion doch noch ein letztes Fünkchen Anstand gibt. Vielleicht sitzt dort irgendwo ein einsamer Mitarbeiter, der kurz vor der Veröffentlichung eines Textes etwas sagt wie: “Moment mal! Das können wir aber nicht machen!” Doch so ist es leider nicht. Der oben zitierte Satz hat nichts mit Anstand zu tun — er ist einfach nur verlogen.

Man findet ihn in einem Artikel vom vergangenen Donnerstag über eine 19-Jährige, die im Internet ihre Jungfräulichkeit für 2,5 Millionen Euro versteigert haben soll. Auch “ein Hollywood-Star” sowie “ein russischer Politiker” sollen laut Bild.de am Wettbieten teilgenommen haben (Bild.de: “krass”). Am Ende soll ein Geschäftsmann aus Abu Dhabi am meisten geboten haben:

Screenshot Bild.de - Ein Hollywood-Star bot auch mit - Model verkauft Jungfräulichkeit für 2,5 Millionen

Im Text steht:

Die Versteigerung wurde von Deutschland aus organisiert. Dort wohnt der Mann (27), der die Webseite betreibt. Er lebt noch bei seinen Eltern, obwohl er inzwischen steinreich sein dürfte. Dem Magazin “Forbes” sagte er, er erhalte von jedem Verkauf 20 Prozent.

Sein Geschäftsmodell ist so menschenverachtend, dass BILD bewusst darauf verzichtet, den Namen der Webseite zu nennen — um keine Werbung für dieses Unternehmen zu machen.

Soso, einmal den Namen genannt — schon Werbung für ein Unternehmen mit menschenverachtendem Geschäftsmodell gemacht. Vor etwas mehr als einem Jahr, im September 2016, schrieb “Bild”-Chefreporter John Puthenpurackal einen Artikel über einen damals 26-Jährigen, der von Deutschland aus Versteigerungen organisiert, in denen Frauen ihre Jungfräulichkeit anbieten können. Der Mann nehme eine Provision von 20 Prozent, schrieb Puthenpurackal. Und er nannte selbstverständlich die Namen des Unternehmens und des Unternehmers:

Aber das Geschäft macht ein Unternehmer aus Deutschland! Die Firma [XY] von Geschäftsführer [YX] (26) hat ihren Sitz in Kamen (NRW). […]

Die Jungfrauen aus den Auktionen zahlen 20 Prozent Provision an die Betreiber.

Zweieinhalb Stunden, nachdem sein erster Artikel online ging, veröffentlichte John Puthenpurackal noch einen zweiten zum Thema. Auch darin macht er — aus Sicht von Bild.de — Werbung für ein menschenverachtendes Geschäftsmodell:

Ariana (20) aus Russland möchte ihre Jungfräulichkeit an den Höchstbietenden verkaufen. Mindestgebot: 150 000 Euro! Kunden aus der ganzen Welt bieten auf der Seite von [XY] für sie.

Wir haben bewusst die Namen des Unternehmers uns seiner Firma durch Platzhalter ersetzt und verzichten auf Links zu den zwei Bild.de-Artikeln, in denen die Name genannt werden — um keine Werbung für dieses menschenverachtende Unternehmen zu machen. Und damit meinen wir ausnahmsweise mal nicht Bild.de.

Lichtermarkt-Hysterie, “Addendum” mit Brause-Millionen, Kaffee ist alle

1. Wie sowas läuft: Die rechte Digital-Kampagne gegen Elmshorn.
(fearlessdemocracy.org, Gerald Hensel)
Gerald Hensel hat bei “Fearless Democracy” die Social-Media-Kampagne gegen die Stadt Elmshorn und ihren Lichtermarkt analysiert, vom ersten Tweet bis hin zur hunderttausendfachen Verbreitung. Ein konstruierter Shitstorm, der jeden treffen kann, so Hensel: “Ein Tweet reicht, ein Event-Name, der ins Weltbild passt, und am Ende ein schwarzes Kind auf einem Plakat. Fertig ist die Kampagne. Und eine Stadt, deren Vorweihnachtszeit empfindlich gelitten haben dürfte.”

2. Addendum arbeitet grundsätzliche Themen mit großem Besteck auf
(get.torial.com, Bernd Oswald)
Für seine neue Medienplattform “Addendum” hat der österreichische Multimilliardär und “Red Bull”-Brauer Dietrich Mateschitz etwas tiefer in die Brieftasche gelangt und gleich 40 Mitarbeiter angeheuert. Mateschitz haftet der Ruf an, rechts der Mitte zu stehen, entsprechend kritisch wurde und wird das Projekt von außen beäugt. Bernd Oswald kann der Seite in seiner Rezension durchaus Gutes abgewinnen. Außerdem fänden sich keine Ansatzpunkte dafür, in “Addendum” ein populistisches Projekt oder die Schaffung einer “Gegenöffentlichkeit” zu sehen. Er kritisiert jedoch das Fehlen von konkreten Lösungsvorschlägen.

3. Wenn zwei sich streiten
(deutschlandfunk.de, Thomas Wagner)
Vor 20 Jahren griff der “Südkurier” aus Konstanz mit einer neuen Lokalausgabe die Konkurrenz der “Schwäbischen Zeitung” auf deren Gebiet an. Die “Schwäbische Zeitung” konterte kurze Zeit später mit drei neuen Lokalausgaben im Stammgebiet des “Südkuriers”. Der Wettbewerb findet nun ein Ende: Zum Jahresende will der “Südkurier” seine Lokalausgabe dichtmachen. Die “Schwäbische Zeitung” wiederum habe die Schließung ihrer drei Lokalredaktionen im “Südkurier”-Stammgebiet angekündigt. Kritiker bedauern das Schrumpfen der publizistischen Vielfalt.

4. „Townhall-Meetings“ als Nonplusultra der Wahlberichterstattung? Ein Einspruch von Journalismus-Professor Bernd Gäbler
(meedia.de, Bernd Gäbler)
Neuwahlen würden auch einen erneuten Wahlkampf bedeuten. Wie werden die Medien darüber berichten? Auf welche Formate werden sie setzen? Nachdem das letzte “TV-Duell” eher kritisch gesehen wurde, könnten die Medien verstärkt auf sogenannte “Townhall-Meetings” mit Bürgerbeteiligung setzen. Journalistik-Professor Bernd Gäbler kann dem Format nur wenig abgewinnen: “Wenn die Politik-Journalisten von sich aus beginnen, in die einseitigen Lobeshymnen dieser “Townhall”-Formate einzustimmen, die als gelegentliche Ergänzung in einem Wahlkampf ihre Berechtigung haben mögen, dann stimmen sie letztlich ein in den Abgesang auf ihre eigentliche Profession.”

5. Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger über Hass im Netz
(blmplus.de, Elena Lorscheid, Video, 3:59 Minuten)
Thomas-Gabriel Rüdiger ist Kriminologe am “Institut für Polizeiwissenschaft” der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg. Die Schwerpunkte des Cyberkriminologen liegen unter anderem auf “digitalen Straftaten und Interaktionsrisiken sozialer Medien”. Auf den Augsburger Mediengesprächen 2017 fordert er beim Thema “Hass im Netz” mehr Schutzmaßnahmen für Opfer und ein höheres Risiko für Täter.

6. Schleichwerbung beim SWR – Jugendradio DASDING handelt sich wegen Kaffeeaktion einstweilige Verfügung ein
(allgemeine-zeitung.de, Markus Lachmann & Mario Thurnes)
Dem Jugendsender des SWR wurde per einstweiliger Verfügung untersagt, im Rahmen der “DASDING Morningshow” Werbung und/oder Sponsoring für Dritte zu betreiben. Bei der sogenannten “Hallo wach”-Aktion hatte man an verschiedenen Orten kostenlosen Kaffee ausgeschenkt. “Powered by McCafé”, wie es hieß. Dies hätte teilweise vor “McDonald’s”-Filialen stattgefunden. Zudem sei im Internet das “McDonald’s”- Logo abgebildet und auf die “McDonald’s”-Seite verlinkt worden.

“Sputnik”-Geilphone, “Wikipedia”-Uploadfilter, FDP-Sharepic

1. Sputnik-Moderatoren sollen iPhones seltener geil finden
(uebermedien.de, Yannick von Eisenhart Rothe)
Auf “Sputnik”, dem “Null Werbung”-Jugendradio des MDR gab es eine iPhone-Gewinnaktion mit geradezu penetrant werblichem Charakter: Die Moderatoren im Radio und im Facebook-Livestream überboten sich geradezu in Produktnennungen und im “Geil, iPhone”-Kreischen. Nach Beschwerden reagierte der Sender zunächst trotzig: “Unsere ModeratorInnen präsentieren die Aktion hervorragend und mit großem Engagement.” Mittlerweile hat auch der Rundfunkrat die Aktion kritisiert und sieht darin Verstöße gegen die Werberichtlinien der ARD. “Übermedien” hat beim MDR nochmal nachgefragt. Dort laviert man in einer Form, die einen an der Einsicht des Senders zweifeln lässt: Es bestehe, so die Aussage, ein Unterschied in einer werblichen Wirkung, ob Produkteigenschaften benannt werden, oder ob lediglich von einem “geilen Teil” gesprochen werde.

2. Aufregung bei MDR-Sputnik-Heimattour: Journalistin ausgesperrt
(flurfunk-dresden.de, Rosalie Stephan)
Das Jugendradio des Mitteldeutschen Rundfunks, “MDR Sputnik”, veranstaltet die sogenannte “Heimattour”, eine Reihe von Partys. Man hat bei diesem Projekt offenbar mit zweifelhaften Partnern zusammengearbeitet. So war im Vorfeld der letzten Veranstaltung in Helbra (Sachsen-Anhalt) bekannt geworden, dass der Besitzer des Veranstaltungsortes der Reichsbürger-Bewegung zuzuordnen sei. Auch die “Mitteldeutsche Zeitung” hatte darüber berichtet. Mit Folgen: Der Veranstalter warf bei der wenige Tage später stattfindenden “Heimattour” die “MZ”-Journalistin Anja Förtsch raus und erteilte ihr ein Hausverbot. Der MDR hat sich mittlerweile von dem Vorgehen des Veranstalters distanziert und die Zusammenarbeit beendet.

3. Spiderman spinnt wohl
(sueddeutsche.de, Friederike Oertel)
Friederike Oertel berichtet bei Sueddeutsche.de über einen verstörenden Youtube-Trend: Dort hätte sich eine Szene etabliert, die sinnlose, brutale und teils gewaltverherrlichende Videos mit Helden aus Comic- und Animationsfilmen produziert. Die gefälschten Videos würden mit bunten Vorschaubildern locken, seien durch ihre originalgetreue Gestaltung zunächst nicht als Fake erkennbar und würden erst im Verlauf eine brutale Wendung nehmen. Noch sei unklar, wer hinter den Videos steckt.

4. #No(Upload)Filter – Bedrohen geplante Upload-Filter die Wikipedia?
(blog.wikimedia.de, Lilli Iliev)
“Wikipedia” sieht große Schwierigkeiten auf sich zukommen, sollte die neue Urheberrechtsrichtlinie durchgesetzt werden, die “Uploadfilter” vorschreibt: “Wir brauchen keine Uploadfilter, sondern für möglichst viele Online-Plattformen verantwortungsvolle, aktive Communitys, die den Kontext einer Nutzung bewerten, etwaigen Missbrauch einhegen und “schwarze Schafe” aktiv bekämpfen können. Ein lebendiges Netzwerk sorgt selbst für fairen Umgang miteinander. Ein Zwang zu Uploadfiltern dagegen ist eine Gefahr nicht nur für ungehinderte Aushandlung und Verbreitung von Freiem Wissen, sondern beim Blick auf das Netz insgesamt für die Meinungsäußerungsfreiheit einer digital erschlossenen Gesellschaft.”

5. Investigativer Journalismus in Tschechien
(de.ejo-online.eu, Pavla Holcová)
Nach der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 fand in Tschechien ein Umbau der Medien statt: Viele westliche Medienunternehmen haben ihre Beteiligungen an den größten tschechischen Medienhäusern an tschechische und slowakische Großunternehmer verkauft. Nun befinden sich viele Medien in den Händen einiger weniger milliardenschwerer Besitzer. Doch es gibt auch eine Gegenbewegung. So wurden in letzter Zeit einige kleinere unabhängige und investigativ arbeitende Medien gegründet.

6. Lieber falsch reagieren als gar nicht
(stefan-fries.com)
Nachdem die FDP die Sondierungsgespräche mit CDU, CSU und Grünen abgebrochen hatte, veröffentlichte sie eine Grafik mit dem Text: “Lieber nicht regieren als falsch.” Computerkenner wiesen daraufhin, dass die Dateiinformationen/Metadaten nahelegen würden, dass die Grafik bereits vor einigen Tagen erstellt wurde. Für einige ein Indiz, dass die FDP den Abbruch der Sondierungsverhandlungen bereits vor Tagen beschlossen habe. So einfach ist die Sache jedoch nicht, wie Stefan Fries in seinem Blogbeitrag erklärt.

Homöopathie-PR, Followerschwund, Gelingensbedingung Lokaljournalismus

1. Der Fall Meditonsin: Wie verdeckte Homöopathie-PR in eine Tageszeitung kommt
(meedia.de, Stefan Winterbauer)
Die “Wilhelmshavener Zeitung” hat einen nicht als Werbung oder PR gekennzeichneten Jubel-Text über ein homöopathisches Erkältungsmittel veröffentlicht. Der Lobgesang stammt von einer Agentur, die zu einem “Institut für Naturheilkunde und Kommunikation e.V.” gehört. Der Text ist nicht nur inhaltlich kritikwürdig, es wurde fälschlicherweise auch angedeutet, er stamme von der “dpa”. Auf Nachfrage von “Meedia” habe der Leiter der Lokalredaktion der “Wilhelmshavener Zeitung” erklärt, dass er keine Veranlassung sehe, einen solchen Artikel als Werbung zu kennzeichnen. Der Text, so der Redaktionsleiter, stamme schließlich “von einer Agentur”, das sei ganz normal.

2. “Paradise Papers”-Daten publiziert
(tagesschau.de)
Das “Internationale Konsortium für Investigative Journalisten” (“ICIJ”) hat den ersten Schwung Daten aus den “Paradise Papers” veröffentlicht. Es handelt sich um Informationen zu 25.000 Offshore-Konstrukten. In den nächsten Wochen sollen weitere Akten folgen. In der Offshore-Leak-Datenbank gibt es nun Dokumente der Projekte “Panama Papers”, “Offshore Leaks” und “Bahamas Leaks”. Insgesamt handelt es sich um mehr als 520.000 Datensätze.

3. Facebook erklärt Skandal um mysteriösen Followerschwund für beendet
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Der Türkei-Kritiker Kerem Schamberger berichtete unlängst von einem rätselhaften Social-Media-Phänomen: Im September und Oktober habe er etwa 5000 seiner etwa 20.000 Follower und Freunde auf Facebook verloren. Anderen pro-kurdischen Accounts sei es ähnlich ergangen. Facebook sagt gegenüber netzpolitik.org, die interne Untersuchung des Falles sei abgeschlossen. Eine Überprüfung habe ergeben, dass nur ein sehr kleiner Teil dem Account Schambergers aus eigenen Stücken entfolgt sei. Die meisten seien wegen “Verstößen gegen die Geschäftsbedingungen” stillgelegt worden. Doch die Angelegenheit bleibt weiterhin mysteriös, und es stellen sich neue Fragen.

4. Staat behält Schlüsselrolle in Medienlandschaft
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” hat den “Media Ownership Monitor” für Marokko vorgestellt, nach Angaben der Organisation die erste umfassende Bestandsaufnahme des marokkanischen Medienmarkts einschließlich Hintergrundinformationen zu seinen Hauptakteuren und deren Interessen. Obwohl es vor zwölf Jahren eine Liberalisierung des marokkanischen Fernseh- und Radiomarkts gab, spielen Staat, Königsfamilie und einige Geschäftsleute immer noch Schlüsselrollen in der Medienlandschaft des nordafrikanischen Landes.

5. Arbeit unter Repressionen
(taz.de, Elisabeth Kimmerle)
Über die Türkei werde in den Medien derzeit viel berichtet, doch die Berichterstattung ist schwierig geworden. Stets schwinge die Angst vor Verhaftung mit. Außerdem gebe es unterschiedliche Einschränkungen und “Tabuthemen” wie die Kurdenproblematik oder alles, was die Gülen-Bewegung betrifft. Kritische Journalisten würden von Erdogan als Spione und Agenten tituliert und landen am Medienpranger.

6. Eine für alle
(sueddeutsche.de, Cornelius Pollmer)
“Abstrakt betrachtet, ist flächendeckender Journalismus schlicht eine Gelingensbedingung für freie und funktionierende Gesellschaften. Aus Branchensicht ist flächendeckender Journalismus aber vor allem etwas, das man sich auch leisten können und wollen muss.” Cornelius Pollmer berichtet in der “SZ” aus Schmallenberg im Sauerland, wo die 29-jährige Katrin Clemens die gesamte Lokalredaktion darstellt. Er war “unterwegs mit einer Einzelkämpferin.”

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