Betr.: Daniel Küblböck

Am Sonntagmorgen sprang der Sänger und Schauspieler Daniel Küblböck offenbar von einem Kreuzfahrtschiff im Nordatlantik. Nur wenige Stunden später ging bei Bild.de ein erster, kostenpflichtiger Artikel online, bei dem gleich drei Autoren und Autorinnen erste Fakten zusammengetragen hatten:

Screenshot Bild.de - DSDS-Star Daniel Küblböck auf Kreuzfahrtschiff vermisst

Laut BILD-Informationen gab es an Bord bereits mehrere Durchsagen an die gesamte Besatzung und Gäste. Der Inhalt der Durchsage: Eine Person wird vermisst — und bei dieser Person handelt es sich um Daniel Küblböck.

Und weiter:

Mehrere Passagiere bestätigen gegenüber BILD, dass Daniel Küblböck die vermisste Person ist. Ein Augenzeuge sagte zu BILD, dass Küblböck von Deck 5 gesprungen ist.

Noch vor wenigen Jahren wären solche Informationen frühestens beim Anlaufen des nächsten Hafens zu bekommen gewesen — das W-LAN an Bord eines solchen Kreuzfahrtschiffes ist zwar nicht ganz billig, aber offenbar ausreichend, um darüber Boulevardredaktionen in Deutschland zu informieren.

Seitdem dominiert die Geschichte die Startseite von Bild.de, es erschienen bisher fast 30 Artikel über Daniel Küblböcks Verschwinden, viele davon als kostenpflichtige “Bild plus”-Beiträge: Die Redaktion “zeichnet sein ungewöhnliches Leben nach” (der Artikel beginnt trotzdem eher gewöhnlich mit seiner Geburt), berichtet detailliert über die laufenden Rettungs- und Suchaktionen, ordnet den Vorfall (“alles andere als ein Einzelfall”) in einen größeren Zusammenhang ein (“Jedes Jahr gehen 24 Menschen über Bord”) — und beginnt auch mit nebulösen Mutmaßungen darüber, warum Küblböck gesprungen sein könnte:

Screenshot Bild.de - Er trug Frauenkleider, er randalierte an Bord
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag druch uns.)

Nach BILD-Informationen fiel der Sänger an Bord auf: Er soll sich aggressiv verhalten haben und die meiste Zeit in Frauenkleidung rumgelaufen sein. Tatsächlich zeigt eines der letzten Fotos Küblböck bei einer Abendveranstaltung an Bord im Kleid und mit hohen Schuhen.

Für Küblböcks Familie ist die Nachricht ein Schock. Vater Günther Küblböck (54) zu BILD: “Ich klammere mich jetzt nur an die Hoffnung, dass irgendwie doch noch alles gut wird!”

In diesen zwei Absätzen steckt vieles, was man über die Arbeit von “Bild” und Bild.de wissen muss: Zunächst einmal werden irgendwelche Gerüchte kolportiert über das, was sich “nach BILD-Informationen” ereignet haben “soll”. Dabei werden aggressives Verhalten und das Tragen von Frauenkleidung nebeneinander gestellt, als sei beides irgendwie vergleichbar oder habe irgendetwas miteinander zu tun. Und weil aggressives Verhalten negativ besetzt ist, wird es das Tragen von Frauenkleidern spätestens durch diese sprachliche Montage auch. Mit beidem “fiel” Küblböck angeblich “auf”.

Mit dem Wort “tatsächlich” kann “Bild” den einen Teil der “BILD-Informationen” bestätigen — und den anderen damit gewissermaßen auch, denn beides gehört ja irgendwie zusammen, wie der Satz davor suggeriert. “Bild” präsentiert also Fotos, die Küblböck an Bord des Schiffes in Frauenkleidern zeigen sollen (praktisch, dieses W-LAN an Bord!) und die sehr danach aussehen, als wären sie ohne sein Einverständnis oder auch nur sein Wissen gemacht worden.

Es folgt ein neuer Absatz, der anscheinend direkt auf den vorherigen Bezug nimmt: “die Nachricht” ist “ein Schock” — das klingt bei unbedarftem Lesen erstmal so, als ginge es hier immer noch um die mutmaßlichen Aggressionen und die Frauenkleider. Dann wird einem allerdings klar: Es geht natürlich eigentlich um das Verschwinden. Und man wünscht Angehörigen in einer solchen Situation sicherlich vieles, aber bestimmt keine “Bild”-Reporter, die knackige O-Töne einholen wollen.

Besonders die Sache mit den Frauenkleider hat es den “Bild”-Leuten angetan — umso mehr, als sie entdeckten, dass Küblböck selbst ein Foto, das ihn geschminkt und offenbar in einem Kleid zeigt, auf Instagram veröffentlicht hatte.

Die Autorin Sophie Passmann kritisierte in einer Instagram-Story die Nebeneinanderstellung der Informationen, dass Küblböck verschwunden sei und Frauenkleider getragen haben soll, als Musterbeispiel für tendenziöse Berichterstattung:

Das ist natürlich mehr als zwei Informationen nebeneinander. Wenn man diese beiden Informationen hintereinander gibt, möchte man damit ja irgendwas sagen. Nämlich: “Daniel Küblböck hat Frauenkleider getragen. Irgendwas scheint nicht mit ihm zu stimmen — wahrscheinlich hat er sich selbst in den Tod gestürzt.”

Mehr noch: Weil Daniel Küblböck im August in einem inzwischen gelöschten Facebook-Post auf einer Fanseite Vorwürfe erhoben haben soll, an seiner Schauspielschule Opfer von Mobbing geworden zu sein, konnten die Gerüchteküchenpsychologen von “Bild” aus den zusammengeraunten Zutaten “Mobbing”, “Depression” und “Frauenkleider” einen geschmacklosen Unheilsbrei anrühren.

Oder, wie sie es nennen: sich auf “Spurensuche” begeben.

Screenshot Bild.de - Warum er an seinem Leben verzweifelte

Was trieb ihn zu seinem Sprung in die Atlantik-Fluten?

Vieles spricht dafür, dass Ex-DSDS-Sänger Daniel Küblböck (33) unter psychischen Problemen litt. Doch niemand ahnte, dass sich seine Seele schon so verdunkelt hatte.

BILD auf Spurensuche.

In immer neuen Artikeln tackert die Redaktion Puzzleteile, die sie mutmaßlich, angeblich, vielleicht, offenbar irgendwo aufgetrieben hat, zusammen. Dabei stets im Fokus: das vermeintlich Abnorme.

Seit September 2015 studierte Küblböck am “Europäischen Theaterinstitut” (ETI) in Berlin. Zuletzt lernte er wie besessen seinen Text für das Abschluss-Stück “Niemandsland”. Darin spielte er “Aurora” — einen Transvestiten. Auch privat trat er fast nur noch in Frauenkleidern auf.

Der Artikel, der weitere “BILD-Informationen”, Konjunktive und Formulierungen wie “einige seiner Kommilitonen berichten” und “sei gemunkelt worden” enthält, endet ernsthaft so:

Schon in seiner Kindheit fühlte sich Küblböck nicht geliebt.

In seiner Autobiografie “Ich lebe meine Töne” (2003) schreibt er: “Ich bin nicht erwünscht. Zumindest nicht von meiner Mutter. (…) Sie hat mich nicht haben wollen. Aber wenn schon mich, dann ein Mädchen.”

Bei der Lektüre nimmt man zweierlei mit: Wer als Mann in Frauenkleidern herumläuft, hat offensichtlich psychische Probleme — und wer sich als Kind ungeliebt fühlte, springt halt zwangsläufig irgendwann von einem Kreuzfahrtschiff.

Collage mit den Küblböck-Schlagzeilen von Bild und Bild.de der vergangenen Tage

Unter den meisten Artikel zum Thema prangt pflichtschuldig ein Hinweis auf Hilfsangebote, die Menschen mit Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen in Anspruch nehmen können. Ausgerechnet unter dem “Bild plus”-Artikel “So entglitt Daniel Küblböck das Leben” (auch Titelgeschichte der gedruckten “Bild” am Dienstag) fehlt er.

Solche Informationen sind, neben dem Hinweis, dass man “normalerweise” nicht über Selbsttötungen berichte, auch bei seriösen Medien seit einiger Zeit üblich. Bei Bild.de allerdings wirkt es so, als würde sich die Redaktion damit selbst einen Freifahrtschein ausstellen: Solange wir hinschreiben, wo man sich Hilfe holen kann, können wir das Thema so ausführlich und gedankenlos ausbreiten, wie wir wollen. Also quasi sowas wie Warnhinweise auf einer Zigarettenschachtel.

Und so begannen die “Bild”-“Spurensuchen” schon, als die Rettungs- und Suchaktionen noch liefen, und hörten nach deren Einstellung (“ER stellte die Suche nach dem DSDS-Star ein” — ganz so, als sei “ER”, der kanadische Einsatzleiter, “der perfekt Deutsch spricht”, irgendwie schuld) natürlich nicht auf.

Vorläufiger Tiefpunkt: Ein “Bild plus”-Artikel, in dem referiert wird, was “Reiseexperte Ralf Benkö bei RTL” vorgetragen habe.

Screenshot Bild.de - Keine Kriminellen Handlungen festgestellt

Zum Beispiel:

“Es gibt einige Gerüchte und unbestätigte Informationen, wonach es Augenzeugen gegeben haben soll, für das was passiert ist”

Passiert ist “nach weiteren Gerüchten”, “möglicherweise”, “vielleicht” etwas, denn “es gibt Informationen, die das sagen”. Nach weiteren Konjunktiven stellt der Bild.de-Artikel am Ende wieder so etwas ähnliches wie Klarheit her:

Was es mit all diesen unbestätigten Informationen auf sich hat, muss nun die kanadische Polizei herausfinden.

Aber das ist natürlich noch lange nicht alles zum Thema: In einem Artikel beschreiben mehrere Passagiere die Stimmung an Bord des Kreuzfahrtschiffs, das weiter auf dem Weg nach New York ist, als wahlweise “gelassen”, “ganz gut” und “sehr gedämpft”, wodurch der informative Mehrwert für Leserinnen und Leser in Deutschland gegen Null tendiert.

Weil Dieter Bohlen, der als Juror von “Deutschland sucht den Superstar” dabei war, als Daniel Küblböcks Karriere begann, auf Instagram ein Video zu dem Vorfall veröffentlicht hatte, in dem er ausgerechnet einen Kapuzenpulli mit der Aufschrift “Be one with the ocean” (“Sei eins mit dem Ozean”) trägt, konnte Bild.de fleißig weitere Artikel (“Ist dieser Pulli dein Ernst, Dieter?!”, “Dieter Bohlen erklärt seinen Geschmacklos-Pulli”) zum Thema (also: “zum Thema”) veröffentlichen.

Und weil der Comedian Oliver Kalkofe auf Facebook einen Post über Daniel Küblböcks Verschwinden veröffentlicht hatte, in dem er die “die Auswirkungen der Casting-Shows und des immer seelenloser werdenden Fernsehens” kritisierte, kann Bild.de Kalkofes Fernseh-Kritik munter weiterverbreiten — und so tun, als hätten Boulevardzeitungen und Onlinemedien mit alledem nichts zu tun.

Unsere Zusammenstellung hier ist natürlich unvollständig — und “Bild” und Bild.de sind längst nicht die einzigen Medien, die sich jetzt durch das Privatleben von Daniel Küblböck mutmaßen. Bei RTL und der “Bunten” kommen jede Menge “enger Freunde” zu Wort, die man, wenn sie wirklich enge Freunde sein sollten, in ihrer aktuellen Verfassung tunlichst nicht in die Öffentlichkeit zerren sollte, und deren Einschätzungen, wenn sie dem Verschwundenen nicht so nahe standen, wie sie behaupten, erst rechts nichts zur Sache tun. Bei DerWesten.de fragen sie, ob es einen Zusammenhang zwischen Küblböcks Sexualität und seinem Verschwinden gibt. Rosenheim24.de hat einen News-Ticker eingerichtet, den das Portal seit Tagen mit Meldungen zu Daniel Küblböck füllt. Express.de berichtet über eine “intime SMS”. Bei Stern.de sind sogar noch mehr Artikel erschienen als bei Bild.de.

Über Medien wie diese hat sich der Youtuber David Hain bereits am Dienstag ausgelassen:

Diese Art der Berichterstattung kann jetzt noch länger so weitergehen: Bild.de hat vorsorglich schon mal erklärt, dass Daniel Küblböck frühestens sechs Monate nach seinem Verschwinden für tot erklärt werden kann.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

***

Du bist depressiv oder steckst in einer schwierigen Situation? Hilfe gibt es bei der TelefonSeelsorge — auf telefonseelsorge.de sowie unter den kostenlosen Telefonnummern 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222.

EU bringt Internet in Gefahr, Buhrows Klatsche, Williams-Karikaturenstreit

1. Diese Überschrift dürfen Sie künftig nicht mehr zitieren
(zeit.de, Lisa Hegemann)
Gestern beschloss eine Mehrheit im EU-Parlament entgegen aller Kritik von Fachleuten und fast einer Million Unterschriften von skeptischen Bürgern die EU-Urheberrechtsreform. Entsprechend groß ist das Entsetzen bei den Medienbeobachtern.
“Zeit Online”-Redakteurin Lisa Hegemann schreibt: “Die Lobbyarbeit ist aufgegangen: Die EU-Urheberrechtsreform belohnt die Verlage. Für uns alle ist sie desaströs. Die freie Verbreitung von Informationen ist in Gefahr.”
Muzayen Al-Youssef kommentiert im “Standard”: “Die Verschärfung des Urheberrechts fördert Zensur und zeigt, dass das EU-Parlament Netzaktivisten, IT-Koryphäen und Bürger ignoriert hat.”
Patrick Beuth kommentiert bei “Spiegel Online”: “Die Mehrheit der EU-Abgeordneten hat mit ihrer Zustimmung zur Urheberrechtsreform bewiesen, dass sie das Internet nicht versteht — und an magische Lösungen für technische Probleme glaubt.”
Und Richard Gutjahr spricht auf Facebook von einem “Ausverkauf des Journalismus”.
Es gab im Vorfeld jedoch auch Äußerungen von Befürwortern, wie den Beitrag der “SZ”-Größe Heribert Prantl. Einen Kommentar, den Stefan Niggemeier auf “Übermedien” als “Verleumdung im Dienst der Aufklärung” bezeichnet.

2. Eine 22-seitige Klatsche für Tom Buhrow
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Als eine “22-seitige Klatsche für Tom Buhrow” bezeichnet “SZ”-Kolumnist Hans Hoff den Abschlussbericht zum Umgang des WDR mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung. Mit der Erstellung des Berichts war die ehemalige Gewerkschaftsvorsitzende Monika Wulf-Mathies betraut worden. Und die gibt dem Sender schlechte Noten: Der WDR brauche dringend einen Kulturwandel, eine Verbesserung des Betriebsklimas und mehr gegenseitige Wertschätzung.
Weiterer Lesehinweis: Nur die Spitze des Eisbergs (taz.de, Wilfried Urbe).

3. “Eingeimpft” im MedWatch-Check Teil 2: “Wenn ungeimpfte Kinder sterben, ist das Schicksal”
(medwatch.de, Hinnerk Feldwisch Drentrup)
Nach einer Recherche von “MedWatch” kommen in Dokumentarfilm “Eingeimpft” fragwürdige Forscher zu Wort, die Gelder von Anti-Impf-Lobbyorganisationen erhalten. “MedWatch” hat Produzenten, Geldgeber und weitere Experten um eine Bewertung gebeten.

4. Zeitung verteidigt umstrittene Serena-Williams-Karikatur
(spiegel.de)
Nach dem Wutausbruch der Tennisspielerin Serena Williams im Finale der US Open erschien in der australischen “Herald Sun” eine vielfach kritisierte Karikatur: Der Zeichner Mark Knight hatte die Tennisspielerin als wutschnaubende Schwarze mit dicken Lippen, breiter Nase und großem Hinterteil gezeichnet. Tausende Menschen, darunter auch Promis wie die Autorin J.K. Rowling, warfen der Zeitung darauf unter anderem Rassismus vor. Das Blatt stellte sich jedoch hinter ihren Zeichner und druckte die Karikatur erneut ab, diesmal sogar auf dem Titel.
Weiterer Lesehinweis: Ebenfalls auf “Spiegel Online” kommentiert Hannah Pilarczyk: “In dieser Karikatur stecken diverse rassistische Stereotype. Ob sie absichtlich benutzt wurden oder nicht, ist egal: Einem Profizeichner darf so etwas nicht passieren.”

5. Erdogan nimmt Geisel
(jungewelt.de, Alp Kayserilioglu & Joan Adalar)
In der Türkei ist ein weiterer kritischer Journalist verhaftet worden: der österreichische Autor Max Zirngast, der dort seit 2015 Politikwissenschaften studiert. Vielleicht störten sich die türkischen Behörden an Zirngasts Engagement für eine alternative Sommerschule für Kinder aus armen Familien, vielleicht an seinen politischen Publikationen. Was ihm genau zum Vorwurf gemacht wird, sei jedoch unklar.
Weiterer Lesehinweis: Im österreichischen “Standard” erzählt der Journalist und Türkei-Kenner Markus Benrath von einer Begegnung mit Zirngast, dem “baumlangen, sympathischen Steirer” in Ankara.

6. “Jetzt bin ich halt der Ottlitz”
(mediummagazin.de, Jens Twiehaus)
Stefan Plöchinger ist in der Medienwelt ein bekannter Name: Er war Digital-Chef der “Süddeutschen Zeitung” und ist vor Kurzem als Leiter der Produktentwicklung beim “Spiegel” in die Geschäftsleitung aufgestiegen. Doch viele werden sich umgewöhnen müssen, denn Plöchinger heißt jetzt Ottlitz. Das “Medium Magazin” hat sich bei ihm danach erkundigt, wie es dazu gekommen ist, dass er seinen branchenbekannten Namen abgelegt hat.

AfD, Bild  

Wer hat’s gesagt: “Bild” oder AfD?

Sie werden in die Geschichte eingehen als einige der ikonischsten Duos unserer Zeit: Helene & Flori, Pommes & Mayo und natürlich: “Bild” & AfD.

Inzwischen sind sich die Zeitung und die Partei in ihrer Weltsicht und ihrer Sprache dermaßen ähnlich, dass man kaum noch erkennen kann, welche Parole eigentlich von wem kommt. Oder?

Mach den Test: Wir zitieren eine von beiden, und Du versuchst zu erraten, wer dahintersteckt.


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Rahmensetzende Worte, Elitenjob, Eingeimpfte Verunsicherung

1. Jedes Wort setzt einen Rahmen
(zeit.de, Houssam Hamade & Viola Nordsieck)
In den letzten Tagen schien es nur eine Diskussion zu geben: Gab es in Chemnitz eine “Hetzjagd” oder nicht? Bundeskanzlerin und Regierungssprecher hatten dieses Wort verwendet, während der Verfassungsschutzpräsident in der “Bild”-Zeitung Zweifel gesät hatte. Im Essay von Houssam Hamade und Viola Nordsieck geht es um den Kampf der Begriffe: “Entscheiden wir uns, über Chemnitz als eine “Hetzjagd auf Ausländer” zu sprechen, oder reden wir von “rechtsradikalen Ausschreitungen”, die “ein Viertel der deutschen Bevölkerung” zum Ziel haben? Gerade in einem aufrichtigen Gespräch wird genau diese Auswahl immer auch ein Element der Debatte sein. Anderenfalls wird sie fremdbestimmt.”
Weiterer Lesetipp:Journalisten müssen Frames genauso checken wie Fakten (stefan-fries.com).
Und wer sich inhaltlich auf den neuesten Stand bringen lassen will, ist beim ARD-“Faktenfinder” gut aufgehoben: Maaßen und das Video von Chemnitz (faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing).

2. Es machte Spaß mit Barbara Laugwitz
(taz.de, Margarete Stokowski)
Die Entlassung der erfolgreichen Rowohlt-Verlegerin Barbara Laugwitz durch den Holtzbrinck-Konzern gibt Rätsel auf. Ein Rätsel, das sie selbst nicht aufklären darf: Laugwitz erhielt eine Kontaktsperre, laut der sie weder mit ihren Ex-MitarbeiterInnen noch mit AutorInnen oder Medien sprechen darf. In der “taz” kommentiert die Rowohlt-Autorin Margarete Stokowski das Geschehen und erzählt von ihrer ersten Begegnung mit der Verlegerin.

3. “Gefahr, dass Journalismus noch mehr Elitenjob wird”
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein, Audio, 5:22 Minuten)
Der Journalist und “Netzwerk Recherche”-Projektleiter Thomas Schnedler hat für seine Dissertation mit prekär beschäftigten Journalisten gesprochen. Viele Journalisten seien auf finanzielle Unterstützung Dritter angewiesen mit den damit verbundenen Folgen: “Das ist tatsächlich eine große Gefahr, dass der Journalismus noch mehr als ohnehin schon zu so einer Art Elitenjob wird, den man sich leisten können muss, weil man entweder selber über die nötigen Mittel verfügt oder weil man eben solche Sicherheitsgaranten und andere Unterstützer hat, die einem das dann erst ermöglichen.”

4. Mein Kollege, der Roboter
(journalist-magazin.de, Anna Friedrich)
Kann der Computer leibhaftige Journalisten ersetzen? In machen Bereichen schon: Bei Börsen- und Finanzmeldungen setzen “Focus Online” und das “Handelsblatt” bereits auf das Angebot des Dortmunder Dienstleisters “textomatic”. Dort werden mit Hilfe künstlicher Intelligenz automatisierte Nachrichten produziert, ganz ohne menschliches Zutun.

5. “Eingeimpft” im MedWatch-Check Teil 1: Wie fragwürdige Experten Stimmung gegen Impfungen machen
(medwatch.de, Hinnerk Feldwisch Drentrup)
Im Dokumentarfilm “Eingeimpft” suchen Regisseur David Sieveking und seine Partnerin eine Antwort auf die Frage, ob das Paar seine Kinder impfen lassen soll oder nicht. Dazu spricht Sieveking mit Wissenschaftlern, Ärzten und Impfkritikern. “Medwatch” hat sich den Film angesehen und eigene Recherchen angestellt. Der Befund: “Eingeimpft”, so unschuldig, offen und ehrlich Sievekings Familiengeschichte daherkommt, ist die Geschichte einer Verunsicherung. Sie spielt mit der Angst von Eltern, und sie liefert Impfkritikern Nahrung für ihre Verschwörungstheorien.

6. DDR-Hörfunk-Hitparade startet (am 11.09.1953)
(wdr.de, Thomas Klug, Audio, 14:37 Minuten)
Der DDR-Fernsehunterhalter Heinz Quermann war umtriebig und vielseitig wie kaum ein anderer: Er war Redakteur, Regisseur, Talentsucher und Conférencier und soll Tausende von Sendungen in Rundfunk und Fernsehen gestaltet haben. Um westlichen Angeboten etwas entgegenzusetzen, erfand er die Schlagerrevue und wurde zum großen Übervater der Schlagersänger zwischen Kap Arkona und Fichtelberg. Bei WDR-“Zeitzeichen” blickt man auf den 11. September 1953 zurück, den Start der DDR-Hörfunk-Hitparade.

dpa und deutsche Redaktionen schicken Tausende russische Panzer

Es steht heute fast überall:

Screenshot Focus Online - Erstmals ist China dabei -Mit 300.000 Soldaten und 36.000 Panzern - Russland startet Rekord-Manöver
Screenshot RT Deutsch - Russland beginnt größtes Manöver im Fernen Osten: 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, 1.000 Flugzeuge

Bei der Übung Wostok 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300 000 Soldaten, 36 000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

297.000 Soldaten seien bei “Wostok-2018” (Osten-2018) im Einsatz, 1000 Flugzeuge wie Suchoi Su-34 und Su-35-Jagdbomber, Kampfhubschrauber und Drohnen, 80 Schiffe der Pazifik- und Nordmeerflotte, darunter Fregatten mit Kaliber-Raketen, die in Syrien zum Einsatz kamen, Luftlandetruppen, bis zu 36.000 Panzer, verkündete Walerij Gerassimow, der Generalstabschef der russischen Streitkräfte, vor internationalen Militärs.

Screenshot eines Tweets von Zeit Online - 300.000 Soldaten und 36.000 Panzer - Russland startet eines der größten Militärmanöver seiner Geschichte

Russland beginnt sein größtes Manöver seit sowjetischen Zeiten 1981. Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

Das russische Verteidigungsministerium will 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, hunderte Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffe einsetzen.

Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

Screenshot n-tv.de - Wie zu besten Sowjet-Zeiten Russland startet Rekord-Militärmanöver - 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer und mehr als 1000 Jets und Hubschrauber: Die nackten Zahlen des russischen Militärmanövers sind beeindruckend und erinnern an Sowjet-Zeiten. Auch China und die Mongolei mischen mit.

Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 wolle das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffe einsetzen.

Russland beginnt heute sein größtes Manöver seit sowjetischen Zeiten 1981. Bei der Übung Wostok 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300 000 Soldaten, 36 000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

Das waren, in dieser Reihenfolge: “Focus Online”, “RT Deutsch”, FAZ.net, “Spiegel Online”, “Zeit Online”, Stern.de, Deutschlandfunk.de, Welt.de, n-tv.de, “Die Achse des Guten”, Stuttgarter-Nachrichten.de. Und wir könnten die Liste noch eine ganze Weile fortführen.

Tatsächlich verfügt Russland gar nicht über 36.000 Panzer. Es sind deutlich weniger: Laut “Statista” 15.500, laut “Wikipedia” etwas über 22.000, wobei dort auch die Panzer mitgezählt sind, die als “retired” gelten. Es existieren also durchaus viele Panzer in Russland, aber eben nicht 36.000.

Dass so viele deutsche Medien von “36.000 Panzern” schreiben und dass sie häufig so gleich klingen in ihren Artikeln, dürfte an der dpa liegen. Die hat heute früh um 3:27 Uhr über den Basisdienst eine erste Agenturmeldung verschickt, in der von eben jenen 36.000 Panzern die Rede ist. Drei Minuten später kam ein “Nachrichtenüberblick” mit derselben falschen Zahl, ebenfalls über den großen Basisdienst. Viele Redaktionen übernehmen diese Artikel automatisch.

In russischen Quellen findet man die Zahl 36.000 ebenfalls im Zusammenhang mit dem Manöver “Wostok”. Etwa bei der staatlichen Nachrichtenagentur “TASS”. Allerdings setzt sie sich dort anders zusammen:

Taking part in the drills are about 300,000 Russian troops, over 1,000 aircraft, helicopters and unmanned aerial vehicles, up to 36,000 tanks, armored personnel carriers and other vehicles, up to 80 ships and supply vessels, the Defense Ministry added.

Also: bis zu 36.000 Fahrzeuge, zu denen die Panzer genauso zählen wie die Jeeps der Kommandeure.

Die dpa verschickte um 9:36 Uhr eine Berichtigung über ihren Basisdienst. Dort waren die “36.000 Panzer” in “bis zu 36.000 Panzer, Panzerwagen und andere Fahrzeuge” geändert. Manche Redaktionen übernahmen diese Änderung, andere — siehe oben — nicht.

Bei den falschen 36.000 Panzern dürfte es sich um einen Übersetzungs- und/oder Flüchtigkeitsfehler handeln. Dass überall ebenfalls von 300.000 Soldaten geschrieben wird, die vor Ort im Einsatz sein sollen, sieht manch einer als Verbreiten von aufgeblasenen Zahlen der “russischen Münchhausens”. Nur zum Vergleich: An Sapad-81, dem größten Manöver, das je in der Sowjetunion stattgefunden haben soll, mitten im Kalten Krieg, nahmen rund 150.000 Soldaten teil.

Mit Dank an Tom S. für den Hinweis!

Facebook nachhaltig geströert, Rechter Rand, Onlineaktivismus

1. Wie der Werbegigant Ströer Millionen Facebook-Fans heimlich für Werbung benutzt — und dabei ihre Communities zerstört
(buzzfeed.com, Karsten Schmehl)
Anscheinend hat sich der Werbegigant Ströer trickreich ein ganzes Portfolio von Facebookseiten zugelegt, die er für seine Werbekunden mit Clickbait-Beiträgen überzieht. Karsten Schmehl hat ein Netzwerk von 61 Seiten identifiziert über die das Unternehmen insgesamt 20 Millionen Fans erreicht, darunter “Unnützes Wissen” (800.000 Likes), “Wir Kinder der 90er” (600.000 Likes) oder “Dinge, die eine Erzieherin nicht sagt” (130.000 Likes). Manches deute darauf hin, dass Ströer zumindest einige der Facebookseiten von Privatpersonen gekauft haben könnte und jetzt als Link-Abwurfhalde für diverse renommierte Kunden nutzt. Abgesehen davon, dass dies gegen die Facebookregeln verstoßen würde, erscheint die Vorgehensweise wenig nachhaltig: Die derart genutzten Seiten haben teilweise katastrophal schlechte Interaktionsraten. Es hagelt Beschwerden aus den jeweiligen Communities, die sich verraten und missbraucht fühlen.

2. “Das ist ganz klar eine Kampagne”
(deutschlandfunk.de, Stefan Koldehoff & Michael Borgers, Audio, 6:38 Minuten)
Im “Deutschlandfunk” hat sich Georg Restle, Redaktionsleiter des ARD-Politmagazins “Monitor”, zu der Debatte um den Begriff “Hetzjagd” geäußert. Restle hatte in einem “Tagesthemen”-Kommentar Verfassungsschutzchef Maaßen aufgefordert, Beweise für seine Statements vorzulegen, und war dafür vom AfD-Politiker Jörg Meuten als “Hofschranze Merkels”, dem “das ein oder andere Tässchen fehlen könnte”, bezeichnet worden. Restle hält den Streit um Begriffe und die Echtheit eines Videos für eine “groteske Debatte”, die vom eigentlichen Thema ablenke: Deutschland erlebe eine “Mobilisierung des rechtesten Randes der Republik”.

3. “Einstellungen ändern sich nicht durch Hashtags”
(zeit.de, Jakob von Lindern)
Nach den fremdenfeindlichen Übergriffe in Chemnitz kam es zu Gegenprotesten: 65.000 Menschen versammelten sich zu einem Konzert, Tausende versahen auf Facebook und Twitter ihre Profile und Beiträge mit dem Hashtag #wirsindmehr. Doch erreicht diese Form des Protests etwas? Die Politikwissenschaftlerin Sigrid Baringhorst spricht im Interview mit “Zeit Online” über die politische Wirkung von Onlineaktivismus und erklärt, warum die Präsenz auf der Straße so wichtig ist.

4. Zwischen Empörung und Framing — Impulse der Tutzinger Radiotage 2018
(danielfiene.com)
Derzeit finden die 14. Tutzinger Radiotage an der Akademie für Politische Bildung statt. Daniel Fiene ist vor Ort und notiert seine Gedanken und Erkenntnisse auf seinem Blog. Ein bisheriger Schwerpunkt: das wichtige Thema Framing.

5. Neue Recherche-Kooperation aus rbb/”T-Online”
(ndr.de, Daniel Bouhs)
Nach dem Recherchezusammenschluss von NDR/WDR/”SZ” tut sich eine weitere Kooperation von privatwirtschaftlichem und öffentlich-rechtlichem Medium auf: Das Onlineportal “T-Online” recherchiert und publiziert nun gemeinsam mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Strategische Kooperationen von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien sind umstritten, auch wegen des Vorwurfs der Markenwerbung und Quersubventionierung.
Weiterer Lesehinweis: RBB lädt die ARD ins “Waldorf Astoria”: “Für den Rundfunk Berlin-Brandenburg ist es eine Art Sparmodell: die ARD-Hauptversammlung im Fünf-Sterne-Hotel” (tagesspiegel.de, Joachim Huber).

6. Anja Reschkes Tipp für mehr Selbstvertrauen: „Denk an den Chef, der die größte Pfeife ist. So gut kriegst du das auch hin“
(editionf.com, Celia Parbey)
“Edition F” hat am Rande des in Berlin stattfindenden “Female Future Force Day” mit der Journalistin Anja Reschke (“Panorama”, “Zapp”) gesprochen. Dabei geht es um die Fragen, wie man mit Hass im Netz umgeht, was geschehen muss, damit mehr Frauen es in Führungspositionen im Journalismus schaffen, und wie es um die Zukunft des investigativen Journalismus steht.

Chef’s Unable

Bei Bild.de freuen sie sich schon:

Screenshot Bild.de - Trost für alle Sonnenanbeter - So geil wird der Netflix-Herbst

Geil, endlich wieder Sofa-Saison! Das Sommerloch ist durch, der Herbst ist quasi da. Gute Nachrichten für alle Serienjunkies: Es gibt ordentlich neues Futter.

Allein im September bringt der Streaming-Dienst Netflix über 15 Neustarts und lang erwartete Fortsetzungen raus. YAY!

Zum Beispiel: die 5. Staffel von “Chef’s Table”.

Es wird wieder lecker: Die US-amerikanische Dokumentarfilm-Serie porträtiert in jeder Episode einen internationalen Chefkoch.

Als kleinen Vorgeschmack hat Bild.de dann auch gleich einen Trailer eingebaut:

Moment. Cracker, Mortadella und Scheiblettenkäse? Ein Spitzenkoch, der eine billige Perücke trägt und das Essen (weitere Zutaten: Oreo-Kekse, Fertig-Hollandaise und Nudeln aus der Dose) nicht in einem feinen Restaurant, sondern in seinem Wohnzimmer anrichtet? Spätestens als ein mit riesiger Sonnenbrille ausgestatteter Restaurantkritiker und Autor des Buchs “LET’S EAT! … ASS” erzählt, dass er den Koch durch das “Who Gives A Fuck”-Magazin kennt, hätte den Profis von “Bild” auffallen können, dass sie auf eine Parodie reingefallen sind.

Aber eigentlich passen sie ja ganz gut zusammen, die “Bild”-Rechercheure und “Elijah St. Pierre”, der “Owner and Head Chef of the underwhelming restaurant Megabyte”, der im Trailer sagt: “When I tackle a job or a task, the first thing in my mind is be precise, be paying attention all the time!” Während sein Essen im Ofen verkohlt.

Mit Dank an Hans R. für den Hinweis!

Gefährliche Zeiten, Hambacher Vietnamkrieg, Kulturimperialismus

1. Was bleibt, wenn der Medientross weiterzieht
(deutschlandfunkkultur.de, Vera Linß & Marcus Richter, Audio, 7:56 Minuten)
Der Journalist Bastian Wierzioch lebt in Leipzig und berichtet seit den 90er-Jahren für Medien wie den MDR über Rechtsextremismus in Sachsen. Im Gespräch mit dem “Deutschlandfunk” blickt er zurück auf die vergangenen Jahre und sieht eine be­sorg­nis­er­re­gende Entwicklung: Die Arbeit sei zunehmend gefährlicher geworden.
Weitere Tipps: “taz”-Reporter Martin Kaul hat gestern eine Stunde live aus Köthen von einer “Trauerveranstaltung” gestreamt, die sich als volksverhetzende Neonazi-Kundgebung entpuppte. Zum Ende seiner Aufnahme erlebt man, wie er ins Visier einiger aufgeheizter “Lügenpresse”-Rufer gerät und körperlich angegangen wird. Im Tumult bricht der Stream ab. Wie Kaul auf Twitter berichtet, konnte er von der Polizei gerade noch reitzeitig rausgeholt werden. Am späteren Abend meldete er sich noch einmal auf Twitter mit einem Video. So traurig das Geschehen — dieser besonnene und mutige Journalismus ist ein Lichtblick.
Wie Martin Kaul war auch “BuzzFeedNews”-Redakteur Marcus Engert in Köthen. Dort wurde er von Teilnehmern der Kundgebung erkannt und körperlich angegangen, bis er sich mit zerrissenem T-Shirt in Sicherheit bringen konnte. Zusammen mit Pascale Mueller hat er die Vorgänge und die Rede des rechtsradikalen Thügida-Chefs David Köckert (“Menschen wie Wölfe zerfetzen”) bei “BuzzFeedNews” dokumentiert.

2. Die “Bild” gibt Tipps, um Alltagsrassismus zu bekämpfen
(vice.com, Rebecca Baden)
Wenn ausgerechnet in der “Bild”-Zeitung eine Redakteurin den Lesern und Leserinnen Tipps gibt, wie man Alltagsrassismus bekämpfen kann, ist das einerseits löblich, aber andererseits auch fast ein wenig lustig: Wie kaum eine andere Zeitung macht “Bild” Stimmung gegen Asylpolitik und Asylsuchende. Rebecca Baden kommentiert diesen interessanten Ethik-Spagat.

3. Vielleicht doch kein Vietnamkrieg im Hambacher Forst
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Wie die “Rheinische Post” berichtet, wurden im Hambacher Forst “Tunnelsysteme” entdeckt, die an die Anlagen im Vietnamkrieg erinnern sollen. Eine neue Eskalationsstufe in der Konfrontation zwischen Umweltschützern und dem Energiekonzern RWE, der den Wald dem Kohleabbau opfern will? Nein, denn die Tunnel existieren anscheinend nur in der Vorstellungswelt der “Rheinischen Post”.

4. Von Spaß und Schande
(fr.de, Claus-Jürgen Göpfert)
Nach 48 Jahren als Verleger musste Karl Dietrich “KD” Wolff Insolvenz-Antrag stellen. Claus-Jürgen Göpfert hat ihn besucht und einen Bericht von dort mitgebracht, der einen dicht ans Geschehen holt: “Der Träger des Kurt-Wolff-Preises blickt ins Leere. Dann sagt er einen Satz: “Es ist bitter.” Pause. Dann wieder einen Satz: “Und es erschöpft auch.” Und dann erzählt er doch. Wie die Hoffnung auf einen stillen Teilhaber für den Verlag sich zerschlug. Wie er “von einer Stiftung zur anderen gelaufen” ist in der Hoffnung, unterstützt zu werden. Die Kafka-Ausgabe ist bis Band 16 gekommen — 25 sollten es sein. Und dann bricht es aus dem Verleger heraus: “Es ist eine Schande, dass die Kafka-Ausgabe nicht öffentlich gefördert wurde — eigentlich müsste sich der Bundespräsident da engagieren.”
Weiterer Lesetipp zum aktuellen Verlagsgeschehen: In Ein rätselhafter Vorgang (faz.net) schreibt Julia Encke über den Rauswurf der verlegerischen Geschäftsführerin des Rowohlt-Verlags, Barbara Laugwitz, durch den Holtzbrinck-Konzern.

5. “Das ist kultureller Imperialismus”
(zeit.de, Carolin Ströbele)
Streamingdienste wie Netflix und Amazon Prime sind für den Fernsehmarkt Bereicherung und Bedrohung zugleich. Großbritannien hat bereits längere Erfahrungen mit den beiden weltweit agierenden Medienkonzernen, dort kam es zu gravierenden Auswirkungen auf die heimische Branche. “Zeit Online” hat mit dem britischen Regisseur Peter Kosminsky gesprochen. Es geht um das Abwerben von Talenten durch Netflix, die rasant steigenden Kosten für TV-Serien und die Zukunft der BBC.

6. Immer in Bewegung: Das Fernsehen kann nicht stillstehen
(dwdl.de, Hans Hoff)
Fernsehmoderatoren müssen sich heutzutage in Bewegung befinden. Selbst wenn im ZDF der Wetterbericht beginnt, müssen die Moderatorinnen und Moderatoren zunächst ein paar Schritte gehen, bevor sie vor der Wettertafel stehen. Hans Hoff beschäftigt sich in seiner Kolumne mit diesen zwanghaften telemedialen Wanderbewegungen. Eine Kolumne, die er im Gehen geschrieben habe: “Leider spiegelt sich dieser dynamische Schaffensprozess in keiner Weise im fertigen Produkt, weshalb wieder nur der Inhalt als Maßstab jeglicher Bewertung in Frage kommt. Da haben es die beim Fernsehen doch besser. Neid.”

“Migration” oder “Migrationsfrage”? Was ist für Horst Seehofer “die Mutter aller Probleme”?

Screenshot eines Tweets von Marc Brost - Die MigrationsFRAGE sei die Mutter aller Probleme, hat Seehofer gesagt. Die meisten Medien machen daraus: Migration sei. Sorry, aber ich finde, das ist ein wichtiger Unterschied. Viele Journalisten scheinen auch nicht Originalquelle zu kennen
Screenshot eines weiteren Tweets von Marc Brost - Bin kein Seehofer-Fan. Aber wenn wir Journalisten ungenau arbeiten und nicht sehr exakt beschreiben - und uns gleichzeitig so massiv empören - dann schneiden wir uns nur tief ins eigene Fleisch.

“Zeit”-Journalist Marc Brost hat da einen Punkt: Wenn man Innenminister Horst Seehofer schon seine Aussage vorhält, wenn man aufgrund dieser Aussage seinen Rücktritt fordert, dann sollte man die Aussage zumindest richtig zitieren — das gilt für Journalistinnen und Journalisten genauso wie für jeden anderen.

Brost könnte mit seinem Doppel-Tweet allerdings gleichzeitig auch falschliegen. Es gibt Hinweise darauf, dass Seehofer beides gesagt hat: “Migration” als “Mutter aller Probleme” und die “Migrationsfrage” als “Mutter aller Probleme”.

Die “Rheinischen Post” veröffentlichte gestern ein Interview mit Horst Seehofer. Darin diese Antwort-Einwurf-Antwort-Kombination:

Seehofer Wir haben erstmals eine Partei rechts der Union, die sich mittelfristig etablieren könnte, ein gespaltenes Land und einen mangelnden Rückhalt der Volksparteien in der Gesellschaft. Glauben Sie, das hat alles nichts mit der Migrationspolitik zu tun?

Nicht nur.

Seehofer Natürlich nicht alleine. Aber die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land. Das sage ich seit drei Jahren. Und das bestätigen viele Umfragen, das erlebe ich aber auch in meinen Veranstaltungen. Viele Menschen verbinden jetzt ihre sozialen Sorgen mit der Migrationsfrage.

Also: “die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land.” Die “Rheinische Post” strich für ihre Überschrift die beiden Eingrenzungen “politischen” und “in diesem Land”:

Screenshot RP Online - Horst Seehofer im RP-Interview - Migrationsfrage ist die Mutter aller Probleme

Dass diese Schlagzeile in der weiteren Diskussion noch stärker eingedampft wurde zu “Migration ist die Mutter aller Probleme” liegt unter anderem auch an Michael Bröcker, dem Chefredakteur der “RP”, der das Interview zusammen mit seiner Kollegin Eva Quadbeck führte. Bröcker twitterte:

Screenshot eines Tweets von Michael Bröcker - Horst Seehofer wäre bei Chemnitz mitgelaufen und sieht die Migration als Mutter aller Probleme

Man kann Seehofers Aussage im Interview mit der “RP” immer noch für völlig falsch halten und sie kritisieren. Sie zielt aber in eine etwas andere Richtung als “Migration ist die Mutter aller Probleme”.

An dieser Stelle könnte man also sagen, dass “Zeit”-Journalist Marc Brost mit seiner Kritik recht hat. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass Horst Seehofer beides gesagt haben soll, also: “die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land” und “Mutter aller Probleme ist die Migration”.

“Welt”-Journalist Robin Alexander schrieb bereits vorgestern am frühen Abend, also einige Stunden bevor das “RP”-Interview mit Seehofer erschienen ist, bei Twitter:

Screenshot eines Tweets von Robin Alexander - Innenminister Seehofer vor CSU-Bundestagsfraktion in Neuhardenberg laut Teilnehmern deutlich anders als Merkel zu Chemnitz: Habe Verständnis, wenn sich Leute empören, dass macht sie noch lange nicht zu Nazis. Es fällt auch der Satz: Mutter aller Probleme ist die Migration.

Natürlich gibt es da noch einen qualitativen Unterschied: Während das Zitat aus der “Rheinischen Post” direkt von Horst Seehofer stammt, zitiert Robin Alexander Teilnehmer einer CSU-Sitzung, die Seehofer zitieren. Durchaus möglich, dass die Sitzungsteilnehmer beim Weiterleiten “Migrationsfrage” zu “Migration” verkürzt haben. Wie schnell das passiert, haben wir ja gerade erst gesehen.

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