Ente auf Fernsehturm gesichtet

Was die “Bild”-Redaktion schon wieder alles erfahren hat:

Wie BILD aus Insiderkreisen erfuhr, soll der “Telemichel” (279 Meter, eingeweiht 1968) künftig fest in hanseatischer Hand sein.

Der neue Betreiber: die Supermarkt-Kette EDEKA mit Sitz in der City Nord!

Klingt erst mal komisch, ergibt aber Sinn: Um den langfristigen Betrieb zu sichern, hat die Stadt vor allem einen finanzstarken Partner gesucht – und ihn nun offenbar in dem Lebensmittel-Riesen gefunden. (…)

Inzwischen sollen die Verhandlungen mit Edeka nach BILD-Informationen kurz vor dem Abschluss stehen. (…)

Eine Einigung wird in Kürze erwartet.

Oder in Schlagzeilen gegossen:

Ausriss Bild-Zeitung - Verhandlungen kurz vor dem Abschluss - Edeka übernimmt den Fernsehturm
Screenshot Bild.de - Betreiber gefunden - Edeka übernimmt den Fernsehturm

Wären da nur nicht die Spielverderber von Edeka:

Das ist eine Ente

… sagte ein Sprecher des Unternehmens dem NDR. Edeka sei wegen unzumutbarer vertraglicher Bedingungen bereits vor einigen Wochen aus den Verhandlungen ausgestiegen.

Mit Dank an Wolfgang T. für den Hinweis!

Pressefreiheit für Assange, Leon Lovelock, Warner stoppt Trump-Video

1. Pressefreiheit gilt auch für Assange
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Gestern hat Ecuador dem “WikiLeaks”-Gründer Julian Assange den Asylstatus aberkannt, woraufhin er von der britischen Polizei verhaftet wurde. Markus Reuter kommentiert: “Man kann Assange wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe gegen Frauen ein Arschloch nennen. Man kann Julian Assange für einen politisch Irrlichternden halten, der im US-Präsidentschaftswahlkampf zu Gunsten von Trump agierte. Man kann ihn für einen rücksichtlosen Egomanen halten, dem andere egal waren. Man muss Assange dafür kritisieren, dass Wikileaks Informationen oftmals unredigiert veröffentlichte und damit Menschen in Gefahr brachte. All das ist richtig. Was man allerdings nicht kann, ist ihn für seine offensichtlich relevanten Leaks sowie die Etablierung einer neuen digitalen Veröffentlichungskultur zu verurteilen. Hier hat sich Julian Assange verdient gemacht.”
Weiterer Lesehinweis: “Reporter ohne Grenzen” fordert: Assange nicht an die USA ausliefern.

2. Das ist das Weltpresse-Foto des Jahres 2019
(faz.net)
Das Foto des weinenden Flüchtlingskindes an der texanischen Grenze zu Mexiko ist zum Weltpresse-Foto des Jahres 2019 gewählt worden. “Das Bild zeigt eine andere, psychologische Art der Gewalt”, so Jury-Mitglied Alice Martins.

3. Flut von Fake News
(faktenfinder.tagesschau.de, Silke Diettrich)
Im Zeitraum vom 11. April bis zum 19. Mai wird in Indien ein neues Parlament gewählt. Für die größte Demokratie der Welt mit den mehr als 900 Millionen Wahlberechtigten eine gewaltige logistische Herausforderung. Außerdem könnten Fake News die Wahlen beeinflussen: In den sozialen Medien würden unzählige Falschmeldungen, Gerüchte und gefälschte Fotos kursieren.

4. Der YouTuber Leon Lovelock verbreitet gefährliche Verschwörungstheorien
(vice.com, Johann Voigt)
Der Fitness-YouTuber Leon Lovelock interviewt seit Kurzem verschiedene deutsche Rapper, von denen einige ohne weitere Einordnung ihre kruden Verschwörungstheorien verbreiten können. Johann Voigt schreibt dazu: “Es wirkt so, als wäre Leon Lovelock mit der guten Absicht YouTuber geworden, Leute dazu zu bringen, besser mit sich selbst umzugehen. Doch er hat sich in der Idee verrannt, dass man als Mensch in irgendeiner Form fremdgesteuert wird. Mit diesem Mindset bietet er zusammen mit Kollegah, Pa Sports oder Kianush, die in ihren Ansichten um einiges radikaler sind als er, einen Nährboden für Verschwörungstheorien. Nicht in den dunklen Ecken des Internets, sondern im YouTube-Mainstream.”

5. Wie Roger Schawinski und die “Welt” eine Sex-Arbeiterin bloßstellen
(uebermedien.de, Juliane Wiedemeier)
Juliane Wiedemeier erzählt, was es mit dem Konflikt zwischen der Luxus-Prostituierten und studierten Philosophin Salomé Balthus und dem Schweizer Talkmaster Roger Schawinski, ihrem anschließenden Rauswurf bei der “Welt” und der Tätigkeit des “Welt”-Kolumnisten Don Alphonso als “ungebetener Job-Vermittler” auf sich hat.

6. Warner stoppt Trumps Wahlwerbung
(wuv.de, Susanne Herrmann)
Donald Trump hat auf Twitter ein Wahlkampfvideo verbreitet, das mit Batman-Filmmusik unterlegt war (“The Dark Knight Rises”). Das fand das amerikanische Filmstudio Warner Bros. weniger witzig und ließ das Video bei Twitter sperren.

Bild.de hat kein Problem mit Kreml-Quelle

“WikiLeaks”-Gründer Julian Assange wurde heute in der ecuadorianischen Botschaft in London verhaftet, nachdem Ecuador sein Asyl aufgehoben und ihm die Staatsbürgerschaft entzogen hatte. Auch Bild.de berichtet:

Screenshot Bild.de - Festnahme in London! Hier trägt die Polizei Assange aus der Botschaft

“MIT VIDEO”. Und die Quelle dieses Videos ist recht interessant. Bei Bild.de gibt es keine Angaben dazu, woher die Aufnahmen stammen, die die Redaktion zeigt:

Screenshot Bild.de - Quelle: - es folgt nichts

Aber im Video gibt es einen optischen Hinweis darauf. Diese kleine halbtransparente graue Ecke …

Screenshot Bild.de - Standbild aus dem Assange-Video mit einem Pfeil auf die graue Ecke

… ist das Überbleibsel des nicht komplett rausgeschnittenen Wasserzeichens von “Ruptly”:

Screenshot von Youtube - Standbild aus dem Assange-Video von Ruptly

Die Nachrichtenagentur hatte das Video von Assanges Abtransport exklusiv veröffentlicht, versehen mit dem Hinweis:

MANDATORY ON-SCREEN CREDIT THROUGHOUT: RUPTLY; ONLINE MEDIA MUST CREDIT RUPTLY

*** This file is on request. Please reach out to (…) for access or licensing information ***

Nun ist “Ruptly” nicht irgendeine Nachrichtenagentur. Sie gehört zum Netzwerk des russischen Propagandasenders RT, den die “Bild”-Redaktion wie kaum etwas anderes hasst. Wenn es dort aber ein interessantes Video gibt, bedient sich Bild.de gern, schneidet das Material so zurecht, dass man das Wasserzeichen (fast) nicht mehr sieht, packt das eigene Logo auf die Aufnahmen und schaltet Werbung davor.

Im Januar berichtete “Bild”-Redakteur Julian Röpcke empört, dass das ZDF bei einer Live-Übertragung einer Veranstaltung mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf die technischen Dienste von “Ruptly” zurückgriff:

Screenshot Bild.de - TV-Gebühren für Russland-Propaganda - ZDF hat kein Problem mit Kreml-Partner

Bild.de bei entsprechenden Videoaufnahmen anscheinend auch nicht.

Mit Dank an @Benno_Leitner für den Hinweis!

Julian Reichelts Auflagen-Märchen

Was Print angeht, ist unser Ziel, das bei Kaufzeitungen marktübliche prozentual zweistellige Auflagenminus auf das zu beschränken, was strukturell bedingt ist. Das bedeutet für uns als Redaktion, um jenen Anteil am Rückgang zu kämpfen, der nicht markt-, sondern journalistisch bedingt ist. Das scheint uns zu gelingen, denn Bild hat rund drei Prozentpunkte weniger an Auflage verloren als der Verlag prognostiziert hat und ist dazu hochprofitabel.

… sagte “Bild”-Chef Julian Reichelt neulich im Interview mit “Horizont”. Wir haben uns mal genauer angeschaut, was an dieser Aussage dran ist: Gelingt es “Bild” wirklich, den Rückgang der Auflage auf den “strukturell bedingten” Anteil zu beschränken?

So sieht die Auflagenentwicklung von “Bild” und “Bild am Sonntag” aus:

Aber wie gering oder stark verlieren “Bild” und “BamS” im Vergleich zur Konkurrenz?

Erstmal wäre die Frage, welchen Markt Julian Reichelt genau meint. Er könnte den Boulevardmarkt meinen. Dort nimmt “Bild” als einzige überregionale Tageszeitung eine Sonderstellung ein. Alle andere deutschen Boulevardblätter erscheinen nur regional: die “Mopo” in Hamburg, die “B.Z.” und der “Berliner Kurier” in Berlin, der “Express” in Köln, die “tz” und die “Abendzeitung” in München und die “Morgenpost” in Sachsen.

Dies ist die relative Auflagenentwicklung der deutschen Boulevardzeitungen seit 1998 (soweit reicht das Archiv der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) zurück):


(zum Knick bei der “Abendzeitung” siehe hier)

Bei allen Blättern geht es dramatisch runter, nur die “tz” kann sich noch einigermaßen halten. “Bild” (-67,6 Prozent) verliert, nach “Abendzeitung” (-73,5), “Express” (-72,9) und “B.Z.” (-70,6) am viertstärksten. Schaut man sich nur die Entwicklung seit 2017 an, also seit Julian Reichelt Vorsitzender der “Bild”-Chefredaktionen ist, liegt “Bild” (-9,0) ebenfalls auf dem viertletzten Platz: Nur der “Express” (-17,3), die Hamburger “Mopo” (-17,2) und die ebenfalls von Reichelt verantwortete “B.Z.” (-9,6) haben noch stärker verloren. Wirklich positiv ragt Reichelts Blatt also nicht aus dem Boulevardmarkt heraus.

Nun haben wir aber sowieso Zweifel, dass Julian Reichelt “Bild” auf einem Level mit der “Morgenpost” aus Sachsen oder dem “Berliner Kurier” sieht. Zumal er in einem anderen Interview behauptete, “Bild” halte sich in einer Liga mit “Washington Post” und “New York Times”:

Wir sind da, wo die “Post” oder die “New York Times” sind, oder umgekehrt: Die sind da, wo wir sind. In dieser Liga halten wir uns

Werden wir mal nicht völlig größenwahnsinnig: Wie macht sich “Bild” im Markt der überregionalen Tageszeitungen in Deutschland? Noch schlechter:


(die Auflage der “Welt” ab 2005 zusammen mit “Welt kompakt”; die “Frankfurter Rundschau” fehlt hier, da die Auflage seit 2013 nicht mehr gesondert gemeldet wird)

Auch hier verlieren alle, aber niemand verliert so stark wie “Bild”. Nicht annähernd. Und dabei ist es völlig egal, welchen Bezugspunkt man nimmt: ob seit 1998 (-67,6 Prozent), seit 2001 (-66,4), als Kai Diekmann die Chefredaktion übernahm, seit 2010 (-50,8), seit 2016 (-15,5), als Tanit Koch die Chefredaktion übernahm, oder seit 2017 (-9,0) — immer liegt “Bild” auf dem letzten Platz.

Genauso schlecht sieht es bei der “Bild am Sonntag” im Vergleich mit anderen Wochen- und Sonntagszeitungen aus:


(“der Freitag” ohne IVW-Angaben für 2009 und 2010; die “FAS” gibt es erst seit 2001)

Was sagte “Bild”-Chef Julian Reichelt noch mal im Interview mit “Horizont”?

Das bedeutet für uns als Redaktion, um jenen Anteil am Rückgang zu kämpfen, der nicht markt-, sondern journalistisch bedingt ist.

Das scheint ihm und seinem Team ganz offensichtlich nicht zu gelingen.

Dazu auch:

Die Mär von den linken Medien, Russlands Internet, Fremdschämen

1. Deutscher Journalismus: linksgrün und abgehoben
(katapult-magazin.de, Sebastian Haupt)
Hartnäckig hält sich das Vorurteil, dass die Mehrheit der Journalistinnen und Journalisten “linksgrün und abgehoben” seien. Ja, dass die Medien insgesamt links seien. Sebastian Haupt hält die Behauptung für wissenschaftlich nicht haltbar. Sie zeige, wie aus korrekten Daten Falschmeldungen erzeugt werden. Der Beitrag verweist nicht nur auf seine Quellen, sondern ist mit einigen hilfreichen Grafiken illustriert.

2. Russland will sich vom globalen Internet abkoppeln
(sueddeutsche.de, Silke Bigalke)
In Russland plant der Kreml ein Gesetz für ein “souveränes Internet”, welches das russische Runet vom Rest der Welt abkoppelt. An heutigen Donnerstag wird die Duma in der zweiten und wichtigsten Lesung über das Gesetz abstimmen. Doch es gebe Hoffnung: Experten würden bezweifeln, dass sich die geplante digitale Mauer an Russlands Grenzen technisch umsetzen lässt.

3. “Sie werden kürzen, bis irgendwann nichts mehr da ist”
(fr.de, Karl Doemens)
Nahezu alle Regionalzeitungen in den USA haben mit enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Anzeigenkunden sind oftmals zu Google oder Facebook abgewandert. Mit der Folge, dass viele Zeitungen schließen mussten und inzwischen 171 Landkreise ganz ohne Lokalzeitung auskommen müssen. Und es könnte noch schlimmer kommen: Der US-Medienkonzern Gannett, zu dem rund 100 Lokalzeitungen gehören, ist ins Visier eines Hedgefonds geraten. Und der hat sich unter anderem auf das Ausschlachten krisengeschüttelter Zeitungen spezialisiert.

4. Die Wahrheit unter Zeitdruck
(kontextwochenzeitung.de, Nele Günther)
Eine junge Frau will Journalistin werden, doch als nach zwei Semestern Grundstudium die Entscheidung zwischen Journalismus und PR ansteht, entscheidet sie sich für die PR. In einem Beitrag für die “Kontext Wochenzeitung” erklärt Nele Günther, warum sie dem Journalismus den Rücken gekehrt hat. Es hat mit fehlender Wertschätzung und einer angemessenen Entlohnung zu tun: “Reich werden war nie mein Ziel, aber arm sein genauso wenig.”

5. Dresdner Demokratie
(taz.de, Michael Bartsch)
In der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) streiten die beiden Gremien “Versammlung” und “Medienrat” über die Abberufung des Geschäftsführers. Die wieder offen ausgebrochenen Animositäten zwischen den beiden Einheiten ginge auf die Gründungsphase der SLM im Jahr 1991 zurück.

6. Eine Branche erniedrigt sich selbst
(spiegel.de, Markus Böhm)
Markus Böhm war bei der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises. Dieser habe schon immer eine zu große Nähe zur Politik und zu viele Fremdschäm-Momente gehabt. Dieses Jahr sei er jedoch stellenweise schlicht niveaulos gewesen. Böhms Resümee: “Wenn sich der Preis präsentiert wie dieses Jahr, ist er überflüssig. Allein schon, weil er dem Image der Branche und der Spielerschaft schadet und nicht einmal seine Gewinner gut aussehen lässt. Von einem großen Kulturpreis könnte er so kaum weiter entfernt sein.”

Nicht mehr nominiert, Frankfurter Polizeiskandal, Presserat-Bericht

1. “Oder soll man es lassen?” Warum der Zeit-Beitrag zur Flüchtlingsrettung nicht mehr für den Wolff-Preis nominiert ist
(meedia.de, Georg Altrogge)
Vor wenigen Tagen erschien auf der Nominierungsliste für den Theodor-Wolff-Preis das äußerst umstrittene Pro und Contra der “Zeit” über die Seenotrettung von Geflüchteten “Oder soll man es lassen?”. Dies traf auf allerlei Kritik (siehe auch BILDblog vom 4. April: “Es wäre interessant zu erfahren, was der Namensgeber Theodor Wolff von dieser Nominierung halten würde. Wolff musste nämlich selbst flüchten (vor den Nazis).”) Nun hat eine der zwei Autorinnen — Caterina Lobenstein, welche die Pro-Argumentation übernommen hatte — den Beitrag zurückziehen lassen. Über diesen Schritt gibt es nun erneute Diskussionen.

2. Jahresbericht 2018: Beschwerden auf dem zweithöchsten Stand in der Geschichte des Presserats
(presserat.de, PDF)
Der Deutsche Presserat ist eine Organisation der großen deutschen Verleger- und Journalistenverbände und Herausgeber publizistischer Grundsätze, die auch als “Pressekodex” bezeichnet werden. Auf Verstöße gegen diesen Kodex reagiert der Presserat mit einem Hinweis, einer Missbilligung oder dem härtesten Sanktionsmittel: der Rüge. Laut aktuellem Jahresbericht ist die Anzahl der eingegangenen Beschwerden beim Presserat im vergangenen Jahr deutlich gestiegen — und zwar auf den zweithöchsten Stand seit Bestehen der Institution.

3. Frankfurter Polizeiskandal: Ermittler wollen Daten von “Bild”
(fr.de, Pitt v. Bebenburg & Hanning Voigts)
Für die Aufarbeitung des Frankfurter Polizeiskandals will die Staatsanwaltschaft wissen, wer bestimmte Online-Berichte bei Bild.de gelesen hat, doch bislang hat die “Bild”-Redaktion alle Auskünfte verweigert. Ein richterlicher Beschluss zur Beschlagnahmung der entsprechenden Daten wurde vom Frankfurter Amtsgericht abgelehnt. Dagegen ist die Staatsanwaltschaft nun mit einer Beschwerde vorgegangen. Sollte das Amtsgericht bei seiner Auffassung bleiben, müsste das Landgericht entscheiden.

4. Wir gehören dazu
(taz.de, Beliban zu Stolberg & Eser Aktay & Ronya Othmann)
In deutschen Redaktionen arbeiten zu wenige Menschen mit Migrationsgeschichte, finden die Verfasserinnen und Verfasser des “taz”-Kommentars zur Diversität in den Medien. Obwohl etwa ein Viertel der deutschen Bevölkerung einen sogenannten Migrationshintergrund habe, werde der Anteil der Journalistinnen und Journalisten mit Wurzeln im Ausland in den Redaktionen auf etwa fünf Prozent geschätzt. Daher die Forderung: “Die Vielfalt der Bevölkerung muss sich in den Redaktionen widerspiegeln. Denn nur so können Stereotype, Klischees und Vorurteile in den Medien aufgebrochen werden — und folglich auch in den Köpfen der Menschen.”

5. Talkshow führt zu Eklat in Deutschland
(persoenlich.com)
Die Autorin Salomé Balthus war in der Talksendung des Schweizer Fernsehens “Schawinski” zu Gast. Nach der Aufzeichnung hat sie ihre Erfahrungen in ihrer “Welt”-Kolumne “Das Kanarienvögelchen” beschrieben und dabei diverse Vorwürfe gegen Moderator Schawinski erhoben. Dieser hat sich daraufhin bei der “Welt” über die seiner Ansicht nach unzutreffenden Vorwürfe beschwert und Belege vorgelegt. Eine Intervention mit Folgen: “Die Balthus-Kolumne wurde umgehend gelöscht und der Autorin vom Chefredaktor der «Welt» gekündigt.”

6. Wie Spotify die Musik- und Festivalbranche für immer verändert
(handelsblatt.com, Alexander Demling)
Die Musikindustrie befindet sich im Wandel. Nach LP, Kassette und CD sind wir längst beim Streaming. Einer der wichtigsten Player auf diesem Markt ist Spotify, das nicht nur wegen der Musiktitel und Alben erfolgreich ist, sondern auch wegen seiner Playlists punktet: Die deutsche Hip-Hop-Playlist “Modus Mio” hat zum Beispiel eine Million Follower. Alexander Demling erklärt den aktuellen Umbruch in der Musikindustrie und beschreibt, welche Allianzen geschmiedet werden.

Kurz korrigiert (527)

Vor einem Jahr ist im Zentrum von Münster ein Mann mit einem Kleinbus in eine Menschengruppe gefahren. Bei dieser Amokfahrt wurde unter anderem Profi-Volleyballerin Chiara Hoenhorst verletzt. Die heute 22-Jährige musste zwischenzeitlich ins künstliche Koma versetzt werden. Nun gab Hoenhorst bekannt, dass sie ihre Karriere beenden muss, da ihr Sehnerv weiterhin beschädigt sei.

Bild.de berichtet über diese Entscheidung von Chiara Hoenhorst und schafft es dabei nicht, die wenigen Fakten zur Amokfahrt, die im Text genannt werden, fehlerfrei wiederzugeben:

Als am 7. April 2018 ein Einzeltäter mit seinem Lieferwagen in ein vollbesetztes Straßencafe in der Innenstadt raste, wurde (sic) sieben Menschen getötet und zahlreiche weitere schwer verletzt.

Es sind nicht, wie Bild.de schreibt, “sieben Menschen getötet” worden, sondern vier. Außerdem nahm sich der Täter anschließend das Leben.

Mit Dank an Daniel für den Hinweis!

Nachtrag, 17:01 Uhr: Bild.de hat auf unsere Kritik reagiert und die Stelle entsprechend geändert:

Als am 7. April 2018 ein Einzeltäter mit seinem Lieferwagen in ein vollbesetztes Straßencafe in der Innenstadt raste, wurden vier Menschen getötet und zahlreiche weitere schwer verletzt. Auch der Täter starb.

Einen transparenten Hinweis zu dieser Korrektur hat sich die Redaktion allerdings gespart.

“Digitales Vermummungsverbot”, Seitenwechsler, Politisches Verfahren

1. Österreich bekommt “digitales Vermummungsverbot”
(sueddeutsche.de, Oliver Das Gupta)
Nach Informationen der “Süddeutschen Zeitung” will die österreichische Bundesregierung die Anonymität im Netz einschränken. Am Mittwoch würde sich das Kabinett in Wien mit einer entsprechenden Gesetzesvorlage befassen. Demnach könnten Nutzerinnen und Nutzer zwar weiterhin unter Pseudonym posten, sie müssten jedoch identifizierbar sein. Dem Vernehmen nach soll es auf eine Registrierungspflicht per Handynummer hinauslaufen.

2. Können aus Journalisten gute Pressesprecher werden?
(journalist-magazin.de, Robert von Heusinger)
Robert von Heusinger hat die Seiten gewechselt: Zwei Jahrzehnte war er Journalist, jetzt ist er Kommunikationschef. Beim DJV-Kongress “Brückenschlag” hat sich von Heusinger zu den Vor- und Nachteilen beider Tätigkeiten geäußert. In seiner Keynote erinnert er die Journalistinnen und Journalisten daran, “wie gut sie es doch hätten”, warum ein Wechsel in die PR aber dennoch lohnen könnte. Und das liest sich ganz unterhaltsam und lebensnah.

3. Die Ablehnung von “Gendersprache” – medial produziert
(scilogs.spektrum.de, Henning Lobin)
Henning Lobin kritisiert den Verein Deutsche Sprache, die “FAZ” und in Teilen das ZDF für ihre Stimmungsmache in Sachen geschlechtergerechter Sprache: “Die mediale Produktion von Ablehnung ist hier in Reinkultur zu besichtigen: Ein propagandistisch geschickt agierender Interessenverband, ein Netzwerk von Stiftungen und Unterstützenden im Vorfeld, eine als seriös angesehene Zeitung, die verdeckt Politik betreibt, und ein öffentlich-rechtlicher Sender, der es sich, anstatt zu recherchieren, mit Grobschlächtigkeit und witzelnder Verhöhnung leicht macht.”

4. Axel Springer reicht Urheberrechtsklage gegen Eyeo ein
(horizont.net, David Hein)
Der Springer-Konzern war mit seiner Klage gegen den führenden Adblocker-Anbieter Eyeo vor Gericht gescheitert und unternimmt nun einen weiteren juristischen Anlauf. Nachdem der Hebel “unlauterer Wettbewerb” nicht funktioniert hat, argumentiert man nun mit dem Urheberrecht: “Werbeblocker verändern die Programmiercodes von Webseiten und greifen damit direkt in das rechtlich geschützte Angebot von Verlagen ein”, erklärt Claas-Hendrik Soehring, Leiter Medienrecht bei Axel Springer: “Dadurch beschädigen sie langfristig nicht nur eine zentrale Finanzierungsgrundlage von digitalem Journalismus, sondern gefährden auf Dauer auch den offenen Zugang zu meinungsbildenden Informationen im Internet. Das werden wir nicht hinnehmen.” Bei “heise online” entgegnet Eyeo-Unternehmenssprecherin Laura Dornheim: “Es braucht nicht viel technisches Verständnis, um zu verstehen, dass es durch ein Browser-seitiges Plugin gar nicht möglich ist, irgendetwas auf Springers Servern zu modifizieren.”

5. Ermittlungsverfahren gegen Zentrum für politische Schönheit wird eingestellt
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Nur eine Woche nach Bekanntwerden des Ermittlungsverfahrens gegen die Künstler des “Zentrums für Politische Schönheit”, wurde das Verfahren eingestellt. Davor hatte die Staatsanwaltschaft 16 volle Monate gegen die Aktionskünstler ermittelt. Der Verdacht: “Bildung einer kriminellen Vereinigung”. Nun stellt sich zu allem Überfluss heraus, dass der ermittelnde Staatsanwalt ein Spender der AfD ist und es sich demnach um ein politisch motiviertes Verfahren gehandelt haben könnte.
Weiterer Lesetipp: Der Rechts-Staatsanwalt: “Gegen ein Künstlerkollektiv wird ermittelt, weil es eine Aktion gegen den AfD-Politiker Björn Höcke veranstaltete. Der Ermittler steht der AfD nahe. Wie neutral ist er?” (zeit.de, Christian Fuchs & Luisa Hommerich).

6. Barometer der medialen Welt
(taz.de, Steffen Grimberg)
Seit nunmehr 70 Jahren existiert der kirchliche Nachrichtendienst epd medien. Anlass für einige, zum Ende hin sogar sakrale, Lobesworte von Steffen Grimberg: “Auch heute ist epd medien unverzichtbares Barometer der medialen Welt und der Berichterstattung über sie. Ganze egal, wie viele meedias oder DWDLs noch kommen und gehen: Die immense Erfahrung (und das Archiv, siehe Grimme), die Unabhängigkeit (dank Kirchensteuer) und die unaufgeregte Professionalität von epd medien sind — wie so ziemlich alles, was in der Bibel steht — für die Ewigkeit. Amen.”

Der sensiblere Umgang der “Bild”-Redaktion beim Niedermachen

Die Bundesliga-Fußballer von Borussia Dortmund haben am Samstagabend 0:5 gegen den FC Bayern München verloren. Für die schwache Leistung kann man die Mannschaft, die nun auf Platz 2 der Tabelle steht und weiterhin alle Chancen auf die Meisterschaft hat, sachlich kritisieren. Oder man lässt Franz Josef Wagner so einen Brief schreiben:

Ausriss Bild-Zeitung - Post von Wagner - Liebe Borussia, Ihr müsst dringend ins Krankenhaus. Abteilung Neurologie, Psychiatrie. Ich habe Angst um Euer Gehirn. Ihr spieltet gegen die Bayern, als hättet Ihr Euren Verstand verloren. Es war ein furchtbares Spiel. Ihr hattet alle einen Black-out (engl. für Verdunkelung). Ihr habt gespielt wie Tote.

Der “Bild”-Briefonkel erklärt die BVB-Spieler zu einem Fall für die Psychiatrie, weil sie mal schlecht gespielt haben.

Kurz nach dem Suizid von Torwart Robert Enke, zitierte die “Süddeutsche Zeitung” Walter M. Straten, der damals stellvertretender Sportressortleiter bei “Bild” war und heute dort Sportchef ist. Auch Stratens Boulevardblatt sei …

nach dem Enke-Tod nicht einfach so zur Tagesordnung übergegangen. Über vieles sei diskutiert worden, auch über Noten, und man sei schließlich zu dem Ergebnis gekommen, bei der Benotung so weiter zu machen wie bisher, sagt Straten. Auch in seiner Redaktion soll es zu einem etwas sensibleren Umgang mit den Zensuren kommen: “Wir werden wohl mit extremen Noten etwas vorsichtiger sein”, sagt der stellvertretende Bild-Sportchef. Man werde sich einmal mehr überlegen, “ob der Spieler, der eine klare Torchance vergeben hat, oder der Torwart, der den Ball hat durchflutschen lassen, eine Sechs bekommt oder eine Fünf reicht”.

Das entpuppte sich schon damals sehr schnell als heiße Luft. Es blieb heiße Luft. Und es ist heute noch heiße Luft:

Ausriss Bild-Zeitung - Benotung der Dortmunder Mannschaft - siebenmal 6, dreimal 5, einmal 3

Ein tatsächlich sensiblerer Umgang mit Fußballern und deren Leistungen könnte sich aber nicht nur in rücksichtsvolleren Noten widerspiegeln, sondern auch in der Art, wie man über sie spricht und schreibt. Die “Bild”-Medien bezeichnen Spieler gern als “Flaschen”, als “Versager”, als “Müllhalde”, als “Deppen”. Und das immer und immer wieder. Hier mal nur die Fälle, die uns in den vergangenen zwei Monaten begegnet sind:

1. April:
Screenshot Bild.de - Damit es im Pokal klappt - Kovac-Anpfiff für Freiburg-Schlaffis

1. April:

Ohne das Mittelfeld-Duo wird’s für Stuttgarts Offensiv-Schlaffis (erst 26 Treffer) nun noch schwieriger.

31. März:
Screenshot Bild.de - Schon über fünf Monate sieglos - Preußens Auswärts-Schlaffis

25. März:
Screenshot Bild.de - Zwei freie Tage für null Leistung - 0:5-Versager werden belohnt

17. März:
Screenshot Bild.de - Überheblich, desaströs, körperlos - Funkel rechnet mit seinen Fünf-Minuten-Trotteln ab!

14. März:
Screenshot Bild.de - Richtig Scheiße - Schwartz knöpft sich KSC-Versager vor

11. März:

Warum Klos seine Versager wachrütteln will?

6. März:

Erwartet werden personelle Konsequenzen. So sollen einzelne Versager aus dem Kader fliegen. Heißer Kandidat: Amine Harit.

5. März:
Screenshot Bild.de - Welche Augsburg-Versager nimmt Trainer Lucien Favre raus?

4. März:
Screenshot Bild.de - Mannschaft, Trainer, Bosse - Der rote Trümmerhaufen

3. März:

Elf junge Männer, verkleidet als Fußballprofis! Leider waren die 96-Trikots kein Karnevalskostüm …

Viele dieser Versager werden wir in der 2. Liga nicht wiedersehen — zum Glück.

3. März:
Screenshot Bild.de - Nach 2:2 in Köln - Fans gehen auf Lautern-Schlaffis los

1. März:

Klar ist: Für den BVB kommen die Augsburger Abwehr-Schlaffis genau richtig!

1. März:

Als Malocher-Vorbild für die Mainz-Versager!

24. Februar:
Screenshot Bild.de - Hannover am Boden - Euro-Spott für Dolls Versager

23. Februar:
Screenshot Bild.de - Fans gehen auf Schalke-Versager los - Heidel-Aus! Jetzt muss Tedesco zittern

Nach dem Abpfiff eskalierte es: Ein Pfeiffkonzert, üble Beschimpfungen und Bierbecher prasselten auf die 0:3-Versager nieder.

22. Februar:

Der Trainer hatte diese Woche einmal mehr Schwerstarbeit zu leisten: Als Übungsleiter, der seinen gut bezahlten Profis wie bei den F-Junioren die Ballan- und -mitnahme erklären muss (BILD berichtete). Und als Psychologe, der Versager-Köpfe wieder frei bekommen will.

17. Februar:

Das war bei 96 in Hoffenheim nicht der Fall. Sonntag gegen Frankfurt muss die Versager-Truppe ein anderes Gesicht zeigen

7. Februar:

Samstag (15.30 Uhr) steigt DAS ultimative ABSTIEGS-ENDSPIEL. 96 – Nürnberg. Letzter gegen Vorletzter. Die Heim-Schlaffis gegen die Auswärts-Deppen.

Am 5. März veröffentlichte Bild.de einen Artikel über “Die unheimliche Macht der Fußball-Ultras”. Darin auch diese Geschichte:

In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Entgleisungen der Ultras. 2016, Hannover hatte gegen Köln 0:2 verloren, rasteten die 96-Fans komplett aus: In der Nordkurve wurden die Profis vom eigenen Anhang gnadenlos niedergemacht. Der blanke Hass schlug ihnen entgegen: “Versager!”, “Wir stechen Euch ab!”, “Wir schlitzen Euch auf!”.

“Wir stechen Euch ab!” und “Wir schlitzen Euch auf!” wird die Bild.de-Redaktion wohl niemals schreiben. Aber mit “Versager!” ist sie beim gnadenlosen Niedermachen schon mal gut dabei.

Dazu auch:

Mit Dank an alle Hinweisgeber!

Nachtrag, 9. April: Es gibt noch zwei weitere Aspekte zu Franz Josef Wagners Brief an die “Liebe Borussia”, auf die uns mehrere Leserinnen und Leser hingewiesen haben. Wagner schreibt “Ihr habt gespielt wie Tote” und meint damit eine Mannschaft, die vor nicht allzu langer Zeit einen Bombenanschlag überlebt hat. Das kann man mindestens makaber finden.

Außerdem gibt es bei Wagners blödem Spruch mit der Psychiatrie, in die die BVB-Spieler müssten, noch eine andere Seite: Menschen mit psychischen Erkrankungen, die tatsächlich in eine psychiatrische Einrichtung müssen, um in einer mitunter lebensbedrohlichen Situation Hilfe zu bekommen. Dies mit einer schwachen Leistung von Profifußballern gleichzusetzen, trägt zur Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen bei.

Foto: Miriam B./facebook

Auf der thailändischen Insel Ko Sichang ist gestern eine Frau aus Deutschland vergewaltigt und getötet worden. Während die meisten Redaktionen, die darüber berichten, eine allgemeine Aufnahme der Insel oder ein Symbolfoto mit einer nicht zu erkennenden Backpackerin wählten, um ihre Meldungen zu bebildern, zeigt Bild.de unverpixelte Fotos der 26-Jährigen. Eines davon aktuell ganz oben auf der Startseite …

Screenshot Bild.de - Bei einem Roller-Ausflug traf sie auf ihren Killer - Deutsche Urlauberin (26) in Thailand ermordet - dazu ein Foto der getöteten Frau, auf dem diese zu erkennen ist
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

… und ein weiteres im Artikel:

Screenshot Bild.de - Ein Foto der getöteten Frau in einer Hängematte am Strand, auch hier keine Unkenntlichmachung durch Bild.de - Bildunterschrift: In einer Hängematte genoss sie unter Palmen das schöne Wetter

Als Quelle gibt Bild.de jeweils an:

Foto: Miriam B./facebook

(In einer ersten Version des Artikels hat Bild.de in einer Quellenangabe der kompletten Nachnamen der getöteten Frau genannt. Das hat die Redaktion inzwischen geändert. Nun ist im gesamten Artikel der Nachname abgekürzt.)

Was übersetzt heißt: Die Redaktion ist mal wieder in den Sozialen Medien auf Beutezug gegangen — ungeachtet der Tatsache, dass das Recht am eigenen Bild über den Tod hinaus besteht. Die Mitarbeiter von Bild.de müssten eigentlich bei den Angehörigen nachfragen, ob sie die Fotos veröffentlichen darf.

Das machen die “Bild”-Medien in der Regel nicht. Und oft kommen sie damit durch, denn es gilt: Nur die Betroffenen — in diesem Fall die Angehörigen — können sich gegen diese Praxis zur Wehr setzen. Und die haben in ihrer Trauer meist nicht die Kraft oder Wichtigeres zu tun, als sich mit ekligen “Bild”-Methoden herumzuschlagen.

Mit Dank an @HeffernanJunior für den Hinweis!

Blättern:  1 ... 202 203 204 ... 1143