Riesen-Zweifel an “Bild”-Artikel

Es geht um den Begriff “Ausgangsbeschränkungen”. Und wer jetzt befürchtet, es wird hier allzu wortklauberisch, der oder die sei beruhigt: Es geht um deutlich mehr. Es geht darum, wie die “Bild”-Redaktion ein Urteil eines Verfassungsgerichts falsch wiedergibt und so die eigene Agenda in der Corona-Krise vorantreibt.

“Bild”-Redakteur Filipp Piatov schrieb vergangene Woche über einen Beschluss des saarländischen Verfassungsgerichtshofs. Dieser hatte entschieden, dass die wegen der Corona-Pandemie im Saarland geltenden Ausgangsbeschränkungen außer Vollzug zu setzen seien:

Am Dienstag entschied der saarländische Verfassungsgerichtshof, dass die Landesregierung die strengen Ausgangsbeschränkungen sofort lockern muss. Die Entscheidung des saarländischen Verfassungsgerichtshofs hat Signalwirkung für die gesamte Republik.

Denn die Richter begründen ihre Entscheidung mit massiven Zweifeln an der Wirksamkeit von Ausgangsbeschränkungen, wie sie überall in Deutschland — wenn auch in verschiedenen Ausprägungen — eingeführt wurden.

“Aus einem Vergleich der Infektions- und Sterberaten in den deutschen Bundesländern mit und ohne Ausgangsbeschränkung”, so die Richter, lasse sich “kein Rückschluss auf die Wirksamkeit der Ausgangsbeschränkung ziehen”.

Es herrscht eine merkwürdige Diskrepanz zwischen Piatovs eigener Behauptung zu den “Ausgangsbeschränkungen, wie sie überall in Deutschland — wenn auch in verschiedenen Ausprägungen — eingeführt wurden” und der einen Absatz später von Piatov zitierten Aussage des Gerichts zu “den deutschen Bundesländern mit und ohne Ausgangsbeschränkung”.

Was denn nun: Gibt es Ausgangsbeschränkungen “überall in Deutschland”? Oder gibt es in Deutschland “Bundesländer mit und ohne Ausgangsbeschränkung”?

Schaut man in den Beschluss des saarländischen Verfassungsgerichtshofs (PDF), erkennt man, dass das Gericht zwischen Ländern mit Ausgangsbeschränkungen und Ländern mit Kontaktverboten unterscheidet. Wie viele Bundesländer mit (den strengeren) Ausgangsbeschränkungen es neben dem Saarland aus Sicht des Gerichts noch gibt? Eins.

Mit Ausnahme von Bayern kennen andere Bundesländer gegenwärtig keine vergleichbare Ausgangsbeschränkung.

Eine ähnliche Entwicklung des Infektionsgeschehens hat sich in diesem Zeitraum in allen anderen Ländern vollzogen, wobei — bis auf den Freistaat Bayern — in keinem Land Ausgangsbeschränkungen, sondern lediglich Kontaktverbote auch außerhalb des öffentlichen Raums angeordnet worden waren.

Wenn die Richter aus dem Saarland also “ihre Entscheidung mit massiven Zweifeln an der Wirksamkeit von Ausgangsbeschränkungen” begründen, dann hat das erstmal nur Auswirkungen für das Saarland und vielleicht noch eine “Signalwirkung” für Bayern. Mehr nicht. In allen anderen Bundesländern sieht das Gericht schließlich überhaupt keine vergleichbaren “Ausgangsbeschränkungen”.

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Bis zu dem Beschluss galten im Saarland strengere Regeln als in anderen Ländern. Das Verlassen der Wohnung war nur aus “triftigen Gründen” gestattet. Darunter fielen unter anderen die berufliche Tätigkeit, Arztbesuche oder der Einkauf von Lebensmitteln. Diese Strenge sei inzwischen nicht mehr nachvollziehbar, so das Gericht, da bei der Entwicklung der Corona-Pandemie kein klarer Unterschied auszumachen sei zwischen Ländern mit Ausgangsbeschränkungen und Ländern mit Kontaktverboten:

Die Betrachtung der Infektions- und Sterberaten in den deutschen Bundesländern mit und ohne Ausgangsbeschränkungen zeigt keine belastbaren Gründe für die Notwendigkeit der Fortdauer der saarländischen Regelung.

Daher kippte das Gericht die Ausgangsbeschränkungen im Saarland, oder genauer: Es ließ § 2 Absatz 3 der Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) teilweise außer Vollzug setzen.

Es reichte der “Bild”-Redaktion aber nicht, eine Entscheidung von gerade mal regionaler Bedeutung zu einer mit möglichen Auswirkungen für ganz Deutschland aufzublasen. Obwohl es bei dem Gerichtsbeschluss nur um eine Maßnahme ging, zog sie in der Überschrift ihres Artikels gleich alle “Corona-Maßnahmen” in “Riesen-Zweifel”:

Screenshot Bild.de - Nach Saarland-Urteil - Riesen-Zweifel ob Corona-Maßnahmen wirklich helfen

Auch das widerspricht dem Beschluss des saarländischen Gerichts. Zu den verschiedenen Maßnahmen im Saarland neben den Ausgangsbeschränkungen steht darin:

Die in der VO-CP enthaltenen vielfältigen Freiheitsbeschränkungen — die in ähnlicher Form in allen Bundesländern gelten — haben Wirkung gezeigt.

Außerdem werden die Maßnahmen als Möglichkeiten angeführt, die ein künftiges Infektionsrisiko vermindern könnten:

Es ist nicht auszuschließen, dass die Aussetzung der Ausgangsbeschränkungen mit einer allerdings geringen Wahrscheinlichkeit das Infektionsrisiko erhöhen kann. Dieses Risiko wird — dem System der infektionsschutzrechtlichen Regelungen entsprechend — vermindert, wenn durch Kontakt- und Abstandsgebote sowie durch eine im Saarland neuerdings geltende Maskentragungspflicht Übertragungswege und Übertragungsweiten verringert werden und durch Verbote von zahlenmäßig nicht beschränkten Zusammentreffen weiter bekämpft werden.

Aus dem teilweisen Außervollzugsetzen eines Absatzes eines Paragrafen einer Verordnung eines Bundeslandes versuchen Filipp Piatov und die “Bild”-Redaktion, eine Diskussion über alle “Corona-Maßnahmen” in der “gesamten Republik” zu kreieren. Seinen Artikel, in dem er so ziemlich alles falsch darstellt, was man falsch darstellen kann, beginnt Piatov übrigens mit dieser Frage:

War es ein Fehler, die Ausgangsbeschränkungen gegen die Corona-Pandemie einzuführen?

Auch darauf findet man eine Antwort in dem Gerichtsbeschluss, den der “Bild”-Redakteur eigentlich ins Feld führt, um gegen Corona-Maßnahmen zu argumentieren: Die Entscheidung der saarländischen Landesregierung sei zu dem damaligen Zeitpunkt “Teil einer mit Blick auf die betroffenen Grundrechte verantwortungsvollen Politik” gewesen.

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Medien in der Corona-Krise, Hass und Angriffe, Attila Hildmanns Medienspiel

1. ZAPP spezial: Medien in der Corona-Krise
(ndr.de, Annette Leiterer & Gudrun Kirfel & Daniel Bouhs & Tim Kukral & Caroline Schmidt & Sebastian Asmus & Andrea Brack Peña)
Das NDR-Medienmagazin “Zapp” widmet sich in einer halbstündigen Sendung den verschiedenen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Medienbranche. Es geht unter anderem um Rekordreichweiten durch Corona, um Rettungspakete für Medien, um Kurzarbeit und um TV-Millionen für das Fußballgeschäft.

2. “Träumen Sie süß”
(sueddeutsche.de, Nadia Pantel & Nicolas Richter)
Die WDR-Journalistin Ann-Kathrin Stracke wirft dem früheren französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing vor, sie Ende 2018 nach einem Interview-Termin sexuell belästigt zu haben. Eine vom Sender beauftragte Kanzlei sei in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis gekommen, Strackes Schilderungen (und die ihres Kameramanns) seien “insgesamt glaubhaft und legen den Schluss nahe, dass der Sachverhalt sich genau so zugetragen hat wie beschrieben”.

3. Attila Hildmanns Krisenmanagement
(belltower.news, Thilo Manemann)
Der Koch und Verschwörungsideologe Attila Hildmann spielt bereits seit Jahren mit den Medien und weiß, mit welchen Provokationen und großspurigen Auftritten er Aufmerksamkeit generieren kann. Derzeit inszeniere er sich als martialischer Widerstandskämpfer, als “Hüter der Wahrheit in einer Welt der Lüge und Manipulation”. Thilo Manemann hat sich angeschaut, wie Hildmann seine “Desinformationen und Maulheldenpostings” unters Volk bringt und versucht, dabei Werbung für seine Produkte zu machen. Was mal mehr und mal weniger gelingt, denn ein großes Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen habe Hildmanns Produkte bereits ausgelistet.

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4. Hass und Angriffe auf Medienschaffende
(mediendienst-integration.de, Jennifer Pross)
Eine neue Studie des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung zu Hass und Angriffen auf Medienschaffende (PDF) berichtet von besorgniserregenden Zahlen. 62 Prozent der anonym befragten Journalisten und Journalistinnen sähen die Freiheit und Unabhängigkeit journalistischer Arbeit in Deutschland in Gefahr. Mehr als die Hälfte habe Verständnis dafür, wenn Kolleginnen und Kollegen aus Sorge vor Angriffen nicht über bestimmte Themen berichten würden.
Weiterer Lesehinweis: ARD-Kamerateam auf Demonstration angegriffen (spiegel.de). Siehe auch das etwa zweiminütige Video, das einen Angriff bei einer Anti-Corona-Demo von Verschwörungstheoretikern rund um Attila Hildmann dokumentiert (twitter.com/democ_de).

5. Sich schön inkorrekt durchamüsieren
(zeit.de, Johannes Schneider)
Johannes Schneider hat einen lesenswerten Beitrag über das Kabarett im Allgemeinen und die Kabarettistin Lisa Eckhart im Besonderen, der er “unmoralische Boshaftigkeit” vorwirft, verfasst: “Diese Grenzverletzungen fördern keinerlei Erkenntnis, demaskieren weder Macht noch kulturelle Vorurteile, reproduzieren sie vielmehr. Komisch finden kann das nur ein verklemmtes Publikum, das denkt: Hihi, darüber macht man doch keine Witze. Dieses verklemmte Publikum gibt es natürlich, und wer gelernt hat, seinen Erfolg in Applaus und Aufmerksamkeit zu messen, findet hier gewiss dankbare Goutanten von Gratismut. Satire darf ja schließlich alles, und also muss sie auch auf den Gräbern der Ermordeten und den Nerven der Lebenden rumtrampeln dürfen.”
Weiterer Lesetipp: Antisemitismus-Vorwürfe: WDR verteidigt Kabarettistin Lisa Eckhart (rnd.de).

6. Zeugen des Krieges – Kriegsfotografie im Wandel
(3sat.de, Christiane Schwarz, Video: 58:34 Minuten)
Die Art und Weise, wie Kriege geführt werden, hat sich über die Jahrzehnte verändert und parallel dazu auch die professionelle Kriegsfotografie. In einer 3sat-Doku berichten vier Kriegsfotografinnen und -fotografen über ihre Einsätze in Krisenherden und Kriegsgebieten rund um den Globus. Dabei geht es auch um die Fotografien von Augenzeugen in den Sozialen Medien: “Der Kampf um die Hoheit des Bildes ist entbrannt wie noch nie zuvor. Gehen damit der künstlerische Anspruch und die journalistische Neutralität verloren? Ersetzt das primäre Augenzeugen-Foto heute gewissermaßen den Blick der Fotojournalist*innen?”

Journalismus als Videokonferenz, “Welt”-Experten, Corona-Talkshows

1. Kommentar: Die Kritik an Rezo und dem Nannen-Preis zeigt ein Grundproblem des alten Journalismus
(meedia.de, Tobias Singer)
Als der Youtuber Rezo mit dem Nannen-Preis ausgezeichnet wurde, gab es nicht nur Glückwünsche, sondern auch Kritik. An manchen Stellen hieß es, die Wahl der Jury sei ein Fehler gewesen. Der Hauptvorwurf: Rezo sei kein Journalist und arbeite auch nicht wie einer. Deshalb käme er für die Verleihung eines Journalistenpreises nicht in Frage. Tobias Singer ist anderer Meinung und nennt dafür einige gute Gründe.

2. Von “Welt”-Experten und wirklichen Fachleuten
(uebermedien.de, Rüdiger Bachmann)
Der Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann kritisierte auf Twitter die “Welt” dafür, dass sie zwei Ökonomen eine Stimme gebe, die er für “brandgefährlich” und “Scharlatane” halte. “Welt”-Chefredakteur Ulf Poschardt bot ihm daraufhin einen Gastbeitrag an: “Schreiben Sie für uns doch mal auf, wie Sie Wissenschaft in Massenmedien sehen wollen.” Bachmann setzte sich an den Rechner, verfasste einen Beitrag und schickte ihn an die “Welt”. Dort habe man jedoch überraschend die Veröffentlichung abgelehnt. Nun ist “Übermedien” für die “Welt” eingesprungen und veröffentlicht Bachmanns Beitrag.

3. Warum so viele Menschen an Corona-Verschwörungstheorien glauben
(socialmediawatchblog.de, Simon Hurtz & Martin Fehrensen)
Warum glauben so viele Menschen an Corona-Verschwörungstheorien? Was wird auf Social Media geteilt, wie wird geteilt und wer steckt dahinter? Um diese und viele weitere spannende Fragen geht es im heutigen Social Media Briefing, das ausnahmsweise auch für Nicht-Abonnenten frei zugänglich ist.

4. Nichts mit Quatschen auf dem Flur – funktioniert Journalismus als Videokonferenz, Jochen Wegner?
(horizont.net, Volker Schütz, Video/Audio: 16:55 Minuten)
“Horizont”-Chefredakteur Volker Schütz und “Zeit Online”-Chefredakteur Jochen Wegner haben sich zum Video-Talk getroffen (auch als Audiomitschnitt abrufbar). In ihrem Gespräch geht um die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Journalismus, um Digitalisierung und Datenjournalismus und um die Frage, wie die Redaktion ihre organisatorischen Abläufe neu gestaltet. Derzeit befänden sich 200 Redakteurinnen und Redakteure im Home Office. In Zoom-Meetings schlössen sich wöchentlich 80 von ihnen zur Videokonferenz zusammen.

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5. Analyse von Talkshows zu Corona in Das Erste und ZDF
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Jakob Buhre hat die Corona-bezogenen TV-Talkshows der vergangenen zwei Monate ausgewertet (“Markus Lanz”, “Maybrit Illner”, “Hart aber fair”, “Anne Will” und “Maischberger”). Er wollte vor allem wissen, welche Parteien in den Sendungen vorkommen, und wie häufig ostdeutsche Gesprächspartnerinnen und -partner eingeladen werden. Eine der Erkenntnisse: “Karl Lauterbach (SPD) ist mit 12 Auftritten genauso häufig zu sehen wie alle ostdeutschen Politiker zusammen.”

6. Warum Ausgangsbeschränkungen kein Lockdown sind
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries, Audio: 1:56 Minuten)
Lockdown, Shutdown, Ausgangsbeschränkungen, Ausgangssperre, Kontaktsperre … In der Berichterstattung zum Coronavirus gehen derzeit viele Begriffe durcheinander und werden oft falsch verwendet. Im rund zweiminütigen Sprachcheck erklärt Stefan Fries die korrekte Verwendung des Corona-Vokabulars.

Weiterer Hörtipp: Warum die Autoprämie gar keine Prämie ist (deutschlandfunk.de, Stefan Fries, Audio: 2:22 Minuten).

Wie die “Bild”-Redaktion mit schmutzigen Tricks versucht, Christian Drosten zu zerlegen

Am vergangenen Donnerstag schoben sie sogar die Kanzlerin vor:

Screenshot Bild.de - Weil er ständig seine Meinung ändert! Merkel motzt über Drosten

Seit Wochen schon versucht die “Bild”-Redaktion, den Virologen der Berliner Charité Christian Drosten schlecht dastehen zu lassen. Sie bemüht sich, Drostens Autorität als Wissenschaftler zu untergraben, arbeitet genüsslich frühere Fehleinschätzungen heraus, stellt ihn als Einflüsterer dar, macht ihn zum Kollegenschwein. Damit dieses negative Bild irgendwie passt, reißt die Redaktion auch schon mal Aussagen aus dem Zusammenhang, verfälscht zeitliche Abläufe und erfindet Behauptungen. “Bild”-Methoden eben.

So auch am vergangenen Donnerstag bei der oben bereits erwähnten Merkel-motzt-Geschichte. Bild.de schreibt:

Heute so, morgen so.

Im kleinen Kreis der Ministerpräsidenten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (65, CDU) nach BILD-Informationen erstmals deutliche Kritik an Deutschlands Virologen geäußert.

Vor allem auf den Top-Virologen Christian Drosten (Berliner Charité) bezog sich ihr Unmut in der Video-Schaltkonferenz.

Und:

Merkel kritisierte Drosten wegen seiner jüngsten Aussagen zur Ansteckungsgefahr der Kinder in der Pandemie. Drosten warnte zuletzt, Kinder seien vermutlich genauso ansteckend wie Erwachsene. Die Zahl der Viren, die sich in den Atemwegen nachweisen lässt, unterscheide sich bei verschiedenen Altersgruppen nicht, berichten Drosten und sein Forscher-Team in einer vorab veröffentlichten und noch nicht von unabhängigen Experten geprüften Studie.

Folge: Die Forscher warnen aufgrund ihrer Ergebnisse vor einer uneingeschränkten Öffnung von Schulen und Kindergärten in Deutschland. Dabei hatte Drosten zuvor im NDR unter Berufung auf eine “Science”-Studie davon gesprochen, dass Kinder offenbar ein kleineres Ansteckungsrisiko als Erwachsene hätten (“ein Drittel”).

Diese Anekdote aus der Schaltkonferenz ist etwas überraschend, weil sich Angela Merkel bei der anschließenden Pressekonferenz recht dankbar für die Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigte und Verständnis für sich ändernde Einschätzungen äußerte (sowieso: Der Virologe änder nicht “ständig seine Meinung”, wie Bild.de in der Dachzeile schreibt, er ändert seine Erkenntnisse). Doch die “Bild”-Redaktion blieb bei ihrer Darstellung der verärgerten Kanzlerin. Am Samstag schrieb sie in der “Bild”-Zeitung:

Nach Worten von Regierungssprecher Steffen Seibert sei die Darstellung “falsch”, Merkel habe sich in der Konferenz mit den Ministerpräsidenten nicht anders geäußert als auf der anschließenden Pressekonferenz.

BILD wurde die Kritik der Kanzlerin aus mehreren Quellen unabhängig voneinander geschildert.

Ob Merkel nun wirklich über Drosten “gemotzt” hat oder nicht, ist letztlich gar nicht entscheidend. Interessanter ist, wie falsch die “Bild”-Redaktion den angeblichen Grund für das angebliche Gemotze darstellt.

Erstmal ist der zeitliche Ablauf, den die Redaktion herstellt, falsch. Bei Bild.de klingt es so, als hätte Christian Drosten erst über eine im Magazin “Science” erschienene Studie gesprochen (“zuvor im NDR unter Berufung auf eine ‘Science’-Studie”) und erst später (“Drosten warnte zuletzt”) die Studie seines Teams präsentiert (PDF). Daraus ergibt sich der Eindruck, dass er bereits gewusst hätte, “dass Kinder offenbar ein kleineres Ansteckungsrisiko als Erwachsene hätten”, bevor er und sein Team mit etwas vermeintlich Gegenteiligem rauskommen. Tatsächlich war es aber andersrum: Am vergangenen Mittwoch twitterte Drosten über die Studie seines Teams, erst einen Tag später, am Donnerstag, sprach er beim NDR über die in “Science” publizierte Studie (und twitterte auch über sie).

Noch gravierender ist, dass der Widerspruch von Drostens Darstellung der Studien, den Bild.de insinuiert, gar keiner ist. Die Ergebnisse beider Untersuchungen schließen sich nicht gegenseitig aus. Im Gegenteil, sie ergänzen sich sogar. Denn sie untersuchen unterschiedliche Phasen in Bezug auf Infektionen bei Kindern: Christian Drosten und dessen Team haben geschaut, wie viele Viren sich im Rachen infizierter Menschen (und damit auch im Rachen von infizierten Kindern) befinden. Sie haben bei Kindern eine Viruskonzentration gefunden, die sie statistisch nicht von der bei Erwachsenen unterscheiden konnten. Daraus schließen sie:

Children may be as infectious as adults.

Es könnte also gut sein, dass Kinder bei der Weitergabe des Virus genauso infektiös sind wie Erwachsene. Wichtig dabei: die Einschränkung “may be”.

Die Studie aus “Science” untersuchte hingegen nicht, wie gut Kinder das Virus abgeben, sondern wie empfängliche sie selbst für das Virus sind: Wie hoch ist das Risiko von Kindern, dass sie sich selbst anstecken? Laut der Studie soll es, stark vereinfacht, wie Christian Drosten sagt, nur bei einem Drittel des Risikos liegen, das Erwachsene haben.

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Miteinander kombiniert sagen die beiden Studien, dass Kinder ein geringeres Risiko als Erwachsene haben könnten, sich anzustecken; aber wenn sie sich angesteckt haben, dann könnten sie genauso infektiös sein wie Erwachsene. Die “Bild”-Redaktion kreiert daraus einen Widerspruch, den es nicht gibt, über den die Bundeskanzlerin aber dennoch “gemotzt” haben soll.

Nur drei Tage vorher gab es einen ähnlich unsauberen Artikel der “Bild”-Medien:

Screenshot Bild.de - Drei Experten, drei Meinungen - Alexander Kekule, Hendrik Streeck, Christian Drosten - Wie sehr kann man sich auf unsere Virologen verlassen?

Die “Bild”-Redakteure Filipp Piatov, Nikolaus Harbusch und Willi Haentjes schreiben über “das Hin und Her der deutschen Virologie”, als wäre es völlig unverständlich, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer so dynamischen Situation wie der aktuellen ihre Sichtweisen anpassen, wenn durch Studien neue Erkenntnisse vorliegen. Kein Verständnis für wissenschaftliches Arbeiten.

Dafür aber ein Gespür für eine Übermacht der Virologen. Das “Bild”-Trio schreibt:

Ihr Wort war Gesetz: Seit Beginn der Corona-Krise gaben Virologen der Politik den Takt vor. Wenn sie warnten, horchten die Regierungen von Bund und Ländern auf. Was sie forderten, galt kurz darauf in der gesamten Republik.

… was ein merkwürdiger Widerspruch zur Dachzeile “DREI EXPERTEN, DREI MEINUNGEN” darstellt, denn es galten ja nicht “kurz darauf in der gesamten Republik” drei verschiedene Gesetze.

Aber eigentlich geht es in dem Artikel auch gar nicht so sehr um die angebliche Macht der “DREI EXPERTEN”, sondern um die von Christian Drosten. Der sei nämlich der “Corona-Flüsterer der Kanzlerin”. Der Journalist Yassin Musharbash kommentiert treffend, dass “Bild” Drosten damit “subtil in eine Rasputin-Ecke” schiebe.

Im selben Artikel wird Christian Drosten auch noch zum Kollegenschwein gemacht, der einem anderen Virologen die “gute wissenschaftliche Praxis” abspreche:

Nun hat sich Drosten auf [Armin] Laschets Berater eingeschossen, den Virologen Hendrik Streeck (42). Dessen Agieren habe “mit guter wissenschaftlicher Praxis nichts mehr zu tun”.

Dieses Zitat haben Piatov, Harbusch und Haentjes kräftig aus dem Kontext gerissen. Es ist in einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung” gefallen. In dem Gespräch geht es auch um die “Heinsberg-Studie”, bei der der Virologe Hendrik Streeck federführend ist und die ordentlich Kritik abbekommen hat. Einer von mehreren Kritikpunkten: Die PR-Agentur “Storymachine”, gegründet von Ex-“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, Ex-Stern.de-Chefredakteur Philipp Jessen und Eventmanager Michael Mronz, hatte die Vermarktung der Studie übernommen. Das Magazin “Capital” enthüllte dazu Details. Darüber sprach auch Christian Drosten im “SZ”-Interview:

Die Heinsberg-Studie kommt zu einem anderen Ergebnis. Sie wurde zudem schon im Vorfeld als richtungsweisend für die Politik gehandelt, es war sogar eine Social-Media-Agentur des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Kai Diekmann involviert.

Ich finde das alles total unglücklich — und ich finde es noch schlimmer, wenn ich dann den Bericht im Wirtschaftsmagazin Capital darüber lese, dass diese PR-Firma Geld bei Industriepartnern eingesammelt hat, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Da geht es auch um ein internes Dokument, demzufolge Tweets und Aussagen des Studienleiters Hendrik Streeck in Talkshows schon wörtlich vorgefasst waren. Da weiß ich einfach nicht mehr, was ich noch denken soll. Das hat mit guter wissenschaftlicher Praxis nichts mehr zu tun. Und es zerstört viel von dem ursprünglichen Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft.

In Drostens Aussage geht es also vornehmlich um das Agieren der PR-Agentur des ehemaligen “Bild”-Chefs (was im “Bild”-Text, wenig überraschend, komplett wegfällt) und nicht so sehr um Streecks Agieren. Im selben Interview äußerst sich Christian Drosten eigentlich recht positiv über die Arbeit von Hendrik Streeck. Er sagt, er unterscheide bei der “Heinsberg-Studie” zwischen Wissenschaft und Kommunikation (“Diese Geschichte ist für mich zweilagig. Das eine ist die Kommunikation, und das andere ist die Wissenschaft.”). Auf die Frage, ob die Studie durch das Verhalten von “Storymachine” hinfällig ist, antwortet er:

Die Wissenschaft an sich ist erst mal nicht zu kritisieren auf der momentanen Basis.

Danach gefragt, ob Hendrik Streeck ihm “inzwischen Details über die Studie zukommen lassen” hat, sagt Drosten:

Wir haben telefoniert, und ich habe Auszüge der Daten bekommen — und die lassen erkennen, dass die Studie an sich seriös ist und gut werden könnte.

Daraus fabrizieren die “Bild”-Autoren einen stutenbissigen Christian Drosten. Es passt aber auch zu schön zum von den “Bild”-Medien bereits zuvor ausgerufenen “Virologen-Clinch”:

Screenshot Bild.de - Streeck und Drosten - Virologen-Clinch um Corona-Studie
Screenshot Bild.de - Zweite Runde im Virologen-Clinch - Streeck verteidigt seine Corona-Studie

Eigentlich brauchen sie bei “Bild” aber gar nicht mal sowas wie eine real existierende Behauptung, die sie verzerren können, um sich jemanden vorzuknöpfen — sie denken sich die Behauptungen auch gern einfach aus. “Bild”- und “B.Z.”-Kolumnist Gunnar Schupelius schrieb vor zwei Wochen über Christian Drosten:

Screenshot Bild.de - Kritik am Drosten-Preis - In der Krise gibt es viele unbekannte Helden

Am Montag wurde der Chef des Instituts für Virologie der Charité, Christian Drosten, zum Helden erklärt. Er bekam einen “Sonderpreis für herausragende Kommunikation der Wissenschaft in der Covid19-Pandemie.” Der Preis wurde extra für diesen Zweck von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gestiftet, die der Bundesregierung gehört, und ist mit 50 000 Euro dotiert.

Schupelius wolle Drosten zugestehen, “dass er den Job nach bestem Wissen und Gewissen machen wollte und machte”, aber:

Aber weshalb bekommt er dafür einen Preis? Die Aufgabe kam ihm seines Amtes wegen zu und er hat sie zu erfüllen, denn er arbeitet im öffentlichen Dienst. Auch wenn er seine Aufgabe besonders gut erfüllt hat, ist er deshalb noch kein Held.

Nun ist es bloß so, dass niemand Christian Drosten mit diesem Preis zu einem Helden erklärt hat. Die DFG erwähnt das Wort “Held” in ihrer Pressemitteilung kein einziges Mal. Nur einer behauptet, dass Drosten jetzt ein Held sei: Gunnar Schupelius. Und das auch nur, um dann sagen zu können: Sag mal, spinnt ihr alle?! Der Typ ist doch kein Held!

Krankenschwestern, Pfleger, Supermarktmitarbeiter und Ärztinnen seien übrigens auch keine Heldinnen und Helden, so Schupelius. Sie tun schließlich nur das, “was man von ihnen erwartet und wofür sie bezahlt werden.”

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Wenn es darum geht, Virologen schlecht zu machen, ist natürlich auch der “Bild”-Chef mit von der Partie. Nicht konkret über Christian Drosten, sondern über “nahezu alle Experten”, schreibt Julian Reichelt in einem Kommentar:

Zweitens, nahezu alle Experten, denen wir uns in dieser Krise anvertrauen (müssen), lagen mit nahezu jeder Einschätzung so falsch, dass unser Glauben an sie sich nur noch mit Verzweiflung erklären lässt.

Was für ein sagenhafter Populismus. Und was für ein unglaublich gefährlicher Unsinn. Meint Julian Reichelt wirklich, dass “nahezu alle Experte (…) mit nahezu jeder Einschätzung” falsch lagen?

Diese These hält nicht mal stand, wenn man Reichelts Kommentar einen Absatz weiterliest. Er schreibt davon, dass “auf Krankenhausfluren gespenstische Ruhe” herrsche und es hier “weiterhin kaum Corona-Tote” gebe. Woran liegt es, dass Deutschland bisher so glimpflich davongekommen ist? Doch nicht etwa an den Experten, deren Wort laut “Bild”, siehe oben, stets Gesetz war und deren Forderungen “kurz darauf in der gesamten Republik” galten? Bei dem (Zwischen-)Ergebnis mit leeren Krankenhausfluren und “kaum Corona-Toten” dürften die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihren Einschätzungen ja nicht so sehr danebengelegen haben.

Reichelts Kommentar — der noch an vielen anderen Stellen sehr schrecklich ist — ist ein Paradebeispiel für das Präventionsparadoxon: Greifen Maßnahmen und bleiben dadurch schlimme Folgen aus, entwickelt sich schnell eine Stimmung: Waren diese Maßnahmen jetzt wirklich nötig? War doch alles gar nicht so schlimm! Wenn Reichelt schreibt: Die Experten “haben trotz aller Maßnahmen immer wieder vor dem unmittelbar bevorstehenden Kollaps unseres Gesundheitssystems gewarnt. Nun herrschen auf Krankenhausfluren gespenstische Ruhe und Angst vor Arbeitslosigkeit”, dann erkennt er offenbar nicht, dass er damit einen sehr erfolgreichen epidemiologisch Vorgang beschreibt (gegen die Angst vor Arbeitslosigkeit muss natürlich etwas getan werden). Der “Bild”-Chef hat in letzter Zeit offenbar nicht sehr intensiv Nachrichten aus Italien, Spanien oder den USA verfolgt.

Seine Aussage über die Experten, die angeblich so oft falsch lagen, passt auch zur sonstigen “Bild”-Berichterstattung. In einer Art Virologen-Quartett, in dem auch Christian Drosten vorkommt, geht es neben dem “Spezialgebiet” und dem Privatleben auch um den jeweils “größten Irrtum”. Um die größte Entdeckung oder die größte Leistung geht es nicht.

Am 15. April kramte die “Bild”-Redaktion auch noch eine gut elf Jahre alte Geschichte aus, um Christian Drostens Expertise in Zweifel zu ziehen:

Ausriss Bild-Zeitung - Auch ein Prof. Drosten kann sich irren - Sein Rat zur Schweinegrippe 2009 erscheint heute in einem neuen Licht

Drosten sei:

Ein Profi seines Fachs, der ein ganzes Land durch die Krise führt, obwohl er mit seiner Einschätzung zur Schweinegrippe im Jahr 2009 daneben lag.

Ende Oktober 2009 steigt die Zahl der registrierten Schweinegrippe-Fälle auf 3000 pro Woche und insgesamt 30 000 registrierte Patienten in ganz Deutschland. Prof. Drosten, damals noch Leiter der Virologie am Uniklinikum Bonn, warnte vor dem Virus. (…)

Heute ist klar: Die Panik vor dem Ausbruch war unbegründet.

Mitte März klang der Blick der “Bild”-Redaktion auf Christian Drosten noch ganz anders. “Der Mann mit den dunklen Locken” sei einer der wichtigsten Experten der Bundesrepublik.” Auch international sei er gefragt.

Der Grund: Drosten hat als einer der Wenigen den Corona-Durchblick.

Der Virologe, der auf einem Bauernhof im Emsland aufwuchs, kennt viele Viren wie seine Westentasche. Er hat Erfahrung und Expertise!

Und noch etwas:

Und noch etwas macht Drosten besonders: Er ist nahbar!

Obwohl Drosten den Medienrummel nicht gewohnt sein dürfte, teilt er all seine Erkenntnisse permanent mit der Öffentlichkeit. In Interviews bleibt er besonnen und – wie man es von einem Forscher erwartet — sachlich.

Für den Virologen ist die Corona-Lage mehr als ein Fulltime-Job. Doch er bleibt gefasst und reflektiert.

Man muss ja nicht gleich in derartige Schwärmereien verfallen, wenn es um Christian Drosten geht. Auch er sollte das Recht haben, kritisch hinterfragt zu werden. Wenn man aber, wie die “Bild”-Redaktion, zeigen will, dass der Virologe eigentlich nur ein unsteter Nicht-Held ist, der reihenweise Fehler macht und Kollegen in die Pfanne haut, dann sollte wenigstens etwas sauberer arbeiten als die Fantasiefigur, die man da zu erschaffen versucht.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Pochers Attacken, Mausgezeichnete Einschaltquoten, Lisa Eckhart

1. Täter hatten vor Übergriff wohl Streit mit “heute-show”-Team
(tagesspiegel.de, Alexander Fröhlich)
Der genaue Hintergrund des Angriffs auf ein Team der “heute-show” (ZDF) ist nach wie vor unklar. Laut “Tagesspiegel”-Informationen soll es jedoch vor der Attacke Streit zwischen dem TV-Team und den Angreifern gegeben haben. Für die Staatsanwaltschaft seien alle Verdächtigen “dem linken Spektrum zuzurechnen”.
Weiterer Gucktipp: Im ZDF-Interview (Video, 13:31 Minuten) schildert der Satiriker Abdelkarim, wie er den Angriff erlebt hat: “Das war auch keine Schlägerei, das war ein Einschlagen auf eine völlig wehrlose Gruppe, von der null Gefahr ausging. Viel feiger kann ein Angriff gar nicht sein.”

2. Niveaulos und frauenverachtend: Wer stoppt Oliver Pocher?
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Der Comedian Oliver Pocher hat offenbar eine neue Möglichkeit gefunden, Aufmerksamkeit zu generieren: Er drischt öffentlich auf Influencerinnen ein. In einem aktuellen Fall legte er die Pornovergangenheit eines seiner Opfer offen. “Sollte Pocher mit seinem pseudointellektuellen Moralgeplänkel tatsächlich so etwas wie journalistischen Anspruch gehabt haben, so ist er damit krachend gegen die Wand gefahren”, kommentiert Matthias Schwarzer. Sein Fazit: “Je mehr grölendes Publikum Pocher bekommt, desto mehr pöbelt sich der Comedian in Rage. Dass hinter jedem Influencer auch ein Mensch steht, wird da zweitrangig. Da wird jeder Fehltritt ausgeschlachtet, jedes Nacktvideo, jede Dominavergangenheit zum Auslachexzess. Die Grenze ist hier bereits lange überschritten.”

3. Klassiker räumt ab: “Sendung mit der Maus” im Höhenflug
(dwdl.de, Alexander Krei)
Trotz ihres mittlerweile stolzen Alters von 50 Jahren ist “Die Sendung mit der Maus” so erfolgreich wie lange nicht. Bei den 14- bis 49-Jährigen habe die Kindersendung einen Marktanteil von fast 17 Prozent erzielt. Ein außergewöhnlich guter Wert für den Klassiker, der sich auch bei den Erwachsenen großer Beliebtheit erfreue.

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4. Renan Demirkan protestiert gegen “Eliminierung” älterer Schauspieler aus Drehbüchern und Besetzungslisten
(presseportal.de)
Die Autorin und Schauspielerin Renan Demirkan warnt vor einer existenziellen Bedrohung älterer Künstlerinnen und Künstler durch die Corona-Krise. In einem Offenen Brief (nur mit Abo lesbar) an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet schreibt die 64 Jahre alte Demirkan: “Ich bin mir nicht sicher, ob sich Nichtkünstler ein Künstlerleben wirklich vorstellen können. Ob auf der Bühne oder auf der Leinwand; ob in Büchern oder Bildern; ob als Musiker oder Komponisten: Das, was wir tun, das sind wir — uneingeschränkt und ohne Altersgrenze!”

5. Pulitzer-Preis für die “New York Times”
(sueddeutsche.de)
Der Pulitzer-Preis geht dieses Jahr unter anderem an die “New York Times”. Der Jury habe die Russland-Berichterstattung gefallen, mit der die Zeitung das aggressive Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin enthüllt habe. Weitere Auszeichnungen gingen unter anderem an die in Alaska ansässige “Anchorage Daily News”, die Recherche-Plattform “ProPublica”, das “Courier-Journal” und die “Baltimore Sun”.

6. Sie ist von Kopf bis Fuß aufs Böse eingestellt
(faz.net, Andrea Diener)
Wer gelegentlich die Satiresendung “Nuhr im Ersten” schaut, ist dort eventuell schon einmal der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart begegnet, die bevorzugt gegen die “politische Korrektheit” anredet. Derzeit wird ein bereits älterer Ausschnitt der Kabarettsendung “Mitternachtsspitzen” diskutiert, in der Eckhart jahrhundertealte Vorurteile gegen Juden reproduziert. Anlass für Andrea Diener, einen genaueren Blick auf die Künstlerin und ihr Programm zu werfen: “Zusammenfassen lässt sich ein Großteil ihres Programms mit ‘stellt euch mal nicht so an’. Gemobbte Schulkinder, Magersüchtige, rassistisch angegangene Corona-Chinesen: alle mal die Fresse halten, früher ging es den Leuten noch viel schlechter. Früher wurde nicht ‘gemobbt’, früher wurde noch zünftig geprügelt und es hat keinen gestört, weil die Gesellschaft noch nicht so verweichlicht und dekadent war. Zack, über alle Zwischentöne drübergebügelt. Es gibt Pilsstuben, in denen hat man das schon differenzierter gehört.”
Nachtrag: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser “6 vor 9”-Ausgabe war der Artikel noch frei abrufbar. Inzwischen hat die “FAZ”-Redaktion ihn hinter die Paywall gestellt.

Angriff gegen “heute-show”-Team, Teures Armutszeugnis, Irr-Lichtern

1. “Mit Totschlägern auf das Team los”
(zdf.de)
Am vergangenen Freitag wurde ein Kamerateam der ZDF-Satiresendung “heute-show” bei Dreharbeiten in Berlin-Mitte von Unbekannten angegriffen. Mehrere Teammitglieder, darunter auch drei Security-Mitarbeiter, mussten ins Krankenhaus, wurden jedoch nach der Behandlung am selben Abend wieder entlassen. Die Motive der Täter seien noch unklar, so die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik.

2. Eine Frage der Glaubwürdigkeit
(faz.net, Johannes Ritter)
Die “Neue Zürcher Zeitung” (“NZZ”) habe trotz erhaltener öffentlicher Finanzhilfen acht Millionen Franken an ihre Aktionärinnen und Aktionäre ausgeschüttet. Bei der Redaktion in Zürich sei dies nicht gut angekommen, wird ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter zitiert: “‘Für unsere Zeitung ist das ein Armutszeugnis. Wir hätten darauf bestehen sollen, uns ohne Hilfen durchzuboxen’.” Er sehe die Glaubwürdigkeit der “NZZ” beschädigt: “‘Wir können doch nicht gegen Staatsbeteiligungen und Subventionen wettern und dann selbst die Hand aufhalten.'”

3. Mai Thi Nguyen-Kim, der Guide im Wissens-Dschungel
(dwdl.de, Hans Hoff)
“DWDL”-Kolumnist Hans Hoff preist die Youtuberin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim: “Wenn man einem 23-Minuten-Video von Mai Thi Nguyen-Kim leichter folgen kann als einem ‘Tagesthemen’-Kommentar spricht das nicht gegen die Langform, denn die geht wirklich in die Tiefe, geizt nicht mit Fakten und eigentlich komplizierten Zusammenhängen. Das ähnelt streckenweise einer Vorlesung, allerdings einer sehr guten.”

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4. Pörksen: “Der Journalismus ist zu lange den Virologen gefolgt”
(derstandard.at, Oliver Mark)
Im Interview mit dem österreichischen “Standard” kritisiert der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen die mediale Fokussierung auf Expertenurteile. Pörksen spricht von einer gefährlichen Orientierung an “Expertenmonopolen”. Und er kommentiert die Kritik an dem österreichischen Hilfspaket für Tageszeitungen. Die staatlichen Unterstützungszahlungen würden sich an der Auflage orientieren und damit Boulevardzeitungen besonders stark fördern: “Die Kritik ist vollkommen berechtigt — und ich gebe zu bedenken: Bunt bedrucktes Papier ist nicht systemrelevant. Und jenseits der Details scheint es mir grundsätzlich eine Art Webfehler einer solchen Form von Medienförderung zu geben: Im Letzten ist hier die Beziehung zwischen der Politik und einzelnen Medienhäusern einfach viel zu direkt. Das schafft unvermeidlich Unfreiheiten und Fehlanreize auf allen Seiten.”

5. Die große Freien-FAQ zur Corona-Krise
(freienbibel.de, Katharina Jakob & Oliver Eberhardt)
Der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten Freischreiber hat seine FAQ zur Corona-Krise aktualisiert. Dabei geht es um die von Bund und Ländern gewährten Hilfsmaßnahmen, bei deren Beantragung zahlreiche versteckte Fallen lauern würden.

6. Horst aus der Kiste
(spiegel.de, Martin Hecht)
Die ZDF-Trödelshow “Bares für Rares” mit Moderator Horst Lichter feiert im Mai ihre 1000. Folge. Für Martin Hecht der Anlass für einen unterhaltsamen Zwischenruf: “Das Glücksversprechen der Trödelshow könnte darin liegen, grandiose Raritäten präsentiert zu bekommen, oder wenigstens einen inneren Zugang dazu. Doch es geht allein darum, aus gefühlt wertlosem Plunder einen stets astronomisch hoch erhofften Geldwert herauszuholen. Oder, um es auf die kürzeste aller Formeln zu bringen: aus Scheiße Gold zu machen.”

“DIE WUT DER WIRTE” – und eines Politikers

Gestern gab es auf der “Bild”-Titelseite mal wieder Wut, Verzeihung, “WUT”:

Ausriss Bild-Titelseite - Frau Merkel kann gerne mein Lokal übernehmen - Die Wut der Wirte

Keine Frage, die Wirtinnen und Wirte, die sich in der “Bild”-Zeitung und bei Bild.de vor allem über die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin und die Corona-Maßnahmen beschweren, haben aktuell ganz bestimmt ernstzunehmende wirtschaftliche Sorgen. Sie stecken in einer misslichen Lage.

Ausriss Bild-Zeitung - So leiden Gastronomen unter den Corona-Einschränkungen - Ich fühle mich im Stich gelassen

Der Mann ganz rechts, dessen Wut nach eigener Aussage ansteckender sein soll “als das Virus”, wird von den “Bild”-Medien so vorgestellt und zitiert:

Holger Zastrow (51) betreibt einen Biergarten mit 800 Plätzen in der Dresdner Heide: “Unser Saisonstart am 1. April fiel genauso ins Wasser wie zehn geplante Veranstaltungen bis heute. Meine Wut ist ansteckender als das Virus. Ich könnte jede Abstandsregel einhalten. Dass wir immer noch hinten anstehen, kommt einem Berufsverbot gleich.”

(Hervorhebung im Original.)

Nun ist Holger Zastrow allerdings nicht nur Betreiber eines Biergartens, sondern auch Politiker. Er war von 1999 bis 2019 Landesvorsitzender der FDP in Sachsen, zweimal Spitzenkandidat bei der sächsischen Landtagswahl, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag Sachsens und sogar stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei. Aktuell sitzt er für die FDP im Dresdner Stadtrat.

Diese Informationen fehlen im “Bild”-Artikel völlig.

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Natürlich kann “Bild” gern Holger Zastrow bei dieser Thematik zu Wort kommen lassen. Und der kann auch gern seinem Ärger Luft machen. Dass dort aber nicht nur ein Wirt, sondern auch ein Politiker die politischen Entscheidungen anderer Parteien bewertet — diesen Kontext hätte die Redaktion aus unserer Sicht erwähnen sollen.

Julian Reichelt sieht das naturgemäß anders. Bei Twitter antwortete der “Bild”-Chef auf die Kritik des CDU-Politikers Marco Wanderwitz, dass Zastrows politischer Hintergrund von “Bild” nicht erwähnt wurde:

Screenshot eines Tweets von Bild-Chefredakteur Julian Reichelt - Ich finde, die CDU hat in den letzten Wochen genug scharfe Maßnahmen beschlossen. Wir brauchen nicht auch noch eine Kennzeichnungspflicht für Menschen, die mal (vollkommen legitim) Politik gemacht haben.

Gesehen bei @FlorianGathmann.

Kim Jong-un taucht bei Bild.de mit aufblasbarer Rakete wieder auf

In den vergangenen eineinhalb Wochen brauchten sie bei Bild.de eine Menge Fragezeichen in ihren Überschriften:

Screenshot Bild.de - Rätselraten um Nordkoreas Machthaber - Diktator Kim Jong-un schwer erkrankt?
Screenshot Bild.de - Nordkorea-Experte erklärt Gesundheitszustand - Wie schlimm steht es um Kim Jong-un?

Ist der nordkoreanische Diktator schon längst tot?

Screenshot Bild.de - Rätselraten um Nordkoreas Diktator - Kim Jong-Tot?

Oder lebt er doch?

Screenshot Bild.de - Nach Berichten über verpfuschte OP - Neues Lebenszeichen von Kim Jong-un?

Vielleicht versteckt er sich auch nur?

Screenshot Bild.de - Nordkorea-Diktator wurde lange nicht gesehen - Versteckt sich Kim aus Angst vor Corona?

Nach dem ganzen “Rätselraten” auf recht mauer Faktenlage tauschte Bild.de gestern am späten Abend die Fragezeichen gegen ein “offenbar” aus:

Screenshot Bild.de - Nach Gerüchten über seinen Tod - Kim Jong-un offenbar wieder aufgetaucht

Zur Bebilderung dieser möglichen Auferstehung Kim Jong-uns wählte die Redaktion folgendes Foto:

Screenshot des Bild.de-Artikels von gestern Abend mit einem Foto eines Mannes, der in einer Shopping-Mall die Menschen begrüßt und dabei eine aufblasbare Rakete unter den Arm geklemmt hat. Das Foto ist mit dem Hinweis Archivfoto versehen

Noch besser als der Hinweis “ARCHIVFOTO” wäre gewesen: “DOPPELGÄNGERFOTO”. Bei dem Mann, der mit dem einen Arm grüßt und mit dem anderen eine aufblasbare Rakete festhält, handelt es sich schließlich nicht um Kim Jong-un, sondern um den Kim-Jong-un-Imitator Howard X.

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Tatsächlich haben nordkoreanische Staatsmedien gestern Bilder von einem angeblichen Fabrikbesuch ihres Machthabers veröffentlicht. Die “Bild”-Redaktion hat das falsche Aufmacherfoto inzwischen durch Aufnahmen von diesem Auftritt ersetzt.

Mit Dank an Matthias M., @vunallemebbes, @8SAP und @philku für die Hinweise!

Bild.de beerdigt filmreif BMW und Hummer

Schon dem Grab des altägyptischen Pharaos Tutanchamun wurde, neben vielen anderen Schätzen, ein goldener Streitwagen beigelegt. Und ein bisschen so, angepasst an den Puls der Zeit freilich, klingt auch die Meldung aus Südafrika, wo ein Mann in seinem alten Mercedes beerdigt wurde.

So eine Skurrilität ist natürlich auch für die “Bild”-Redaktion ein Thema. Bei Bild.de berichtet sie über das ungewöhnliche Begräbnis:

Screenshot Bild.de - Seine Hände waren mit Kabelbinder am Lenkrad befestigt - Politiker nimmt Mercedes mit ins Grab

Am Ende des Beitrags steht in einer Bildunterschrift der Hinweis:

In Afrika wurde nicht zum ersten Mal ein Mensch in einem Auto beerdigt.

Autobestattungen seien zwar extrem selten, schreibt Bild.de, doch:

Doch in Afrika ist diese bizarre Form der Beisetzung nicht zum ersten Mal passiert

Jaja, “in Afrika”. Für die Behauptung liefert die “Bild”-Redaktion zwei Belege:

Vor zwei Jahren beerdigte ein Nigerianer seinen Vater in einem brandneuen BMW X5. 2015 brachte ein Geschäftsmann (ebenfalls aus Nigeria) seine Mutter in einem Hummer unter die Erde.

Allerdings hat weder die eine noch die andere Beerdigung in Wirklichkeit je stattgefunden. Beide gab es nur in Filmen aus Nollywood.

An der Stelle mit dem BMW-X5-Begräbnis — tatsächlich geht es um einen BMW X6, aber das nur am Rande — verlinkt Bild.de einen eigenen älteren Artikel, in dem über diese vermeintliche Trauerfeier berichtet wird:

Screenshot Bild.de - Nigeria - Sohn begräbt Vater in Luxusauto

Dieser Luxusschlitten geht aus der Fabrik direkt unter die Erde …

In Nigeria hat ein Mann seinem Vater eine besondere letzte Ruhestätte ermöglicht: Er ließ ihn statt in einem Sarg in einem brandneuen Luxusauto beerdigen.

In dem Artikel von 2018 verlinkt die Redaktion wiederum die britische “Daily Mail”, sozusagen als Beleg. Problem: Selbst die sonst “Bild”-haft krawallige “Daily Mail” hatte nach der Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass die Meldung falsch war:

Screenshot dailymail.co.uk - Social media claims that son buried his father in a 66000 Pounds BMW in Nigeria are shown to be false as it is revealed the image is actually from a Nigerian film

Die Agentur AFP hatte bei einem Faktencheck herausgefunden, dass die Aufnahmen aus dem nigerianischen Film “Social Club” stammen:

Screenshot aus dem Film Social Club, auf dem die BMW-Beerdigung zu sehen ist

Und auch das Hummer-Begräbnis, das die “Bild”-Redaktion erwähnt, gab es nur im Film.

In dem bereits erwähnten fehlerhaften “Daily Mail”-Artikel ist die Rede von einem Milliardär aus der nigerianischen Stadt Enugu, der 2015 seine Mutter in einem “brand new Hummer” beerdigt haben soll — also ziemlich genau das, was auch Bild.de behauptet.

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Sucht man nach “enugu billionaire burial mother hummer”, findet man tatsächlich Bilder eines Hummers, der in ein Grab rollt. Diese Aufnahmen stammen allerdings nicht von einem echten Begräbnis, sondern aus dem dritten Teil der nigerianischen Filmreihe “Get Rich & Die Young”:

Screenshot aus dem Film Get rich and die young, auf dem die Hummer-Beerdigung zu sehen ist

Mit Dank an Peter S. für den Hinweis!

Zynischer Trinkgeldbecher, Coronaparty, Grenzüberschreitend

1. Haste mal nen Cent für die armen Künstler?
(zeit.de, Daniel Gerhardt)
Die Corona-Krise bedeutet für viele Branchen dramatische Umsatzrückgänge, doch es gibt auch Gewinner. Zu denen gehören Streaminganbieter wie das schwedische Unternehmen Spotify. Neuerdings biete der Musikdienst notleidenden Musikerinnen und Musikern an, ihre Spotify-Präsenz mit einem virtuellen Trinkgeldbecher zu bestücken. Das sei reiner Zynismus, wie Daniel Gerhardt bei “Zeit Online” findet: “Wollte der Streamingdienst wirklich jenen Musikschaffenden helfen, mit deren Arbeit er seine Profite erwirtschaftet, müsste er sich eigentlich selbst bekämpfen.”
Weiterer Lesehinweis: Rechte Podcasts auf Spotify: Höcke in der Playlist: “Auf Spotify geben sich extreme Rechte mit Podcasts ganz bürgerlich. Die Plattform ist informiert — und lässt sich mit der Überprüfung Zeit.” (taz.de, Volkan Agar).

2. Die Coronaparty der Medienvertreter
(deutschlandfunk.de, Samira El Ouassil, Audio: 3:39 Minuten)
Es war ein groteskes Bild: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer gibt noch auf dem Rollfeld ein Statement zu einer Lieferung Schutzmasken aus China ab. Um sie herum eine dichtgedrängte Traube von Journalisten und Journalistinnen, allesamt ohne Schutzmaske. Eine visuelle Ohrfeige, wie Samira El Ouassil findet: “Solche Bilder setzen fatale Signale und wenn das jemand wissen sollte, dann Journalisten. Medienmacher müssen gerade jetzt im Hinterkopf behalten, dass einige Bürger nicht das Virus, sondern Politik und Presse für die Einschränkungen verantwortlich machen.”

3. TikToken die ganz richtig?
(politik-kommunikation.de, Sandra Peters)
Will man Schülerinnen oder Studenten erreichen, muss man auf deren bevorzugte Plattformen gehen. So denken derzeit viele Politikerinnen und Politiker und machen ihre ersten zaghaften Schritte bei TikTok, Snapchat und Jodel. Grundsätzlich eine richtige Entscheidung, wie Sandra Peters findet, doch es sei eine Gratwanderung zwischen nahbar und peinlich: “Wie kann eine Respektsperson einer Plattform entsprechend kommunizieren, ohne sich lächerlich zu machen? Ein Kanzleramtschef Helge Braun, der sich auf Jodel betont staatsmännisch den Fragen der User stellt, wandelt auf einem schmalen Grat zwischen Nahbarkeit und Autoritätsverlust.”

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4. Rekorde, Rekorde: Der unrühmliche Reichweiten-Wettlauf
(dwdl.de, Uwe Mantel)
ProSieben feierte am Mittwochmorgen 10,37 Millionen Zuschauer für das “The Masked Singer”-Finale, doch die offiziellen Quotencharts wiesen mit 5,34 Millionen Zuschauern gerade mal knapp die Hälfte aus. Uwe Mantel erklärt, wie es zu den stark voneinander abweichenden Zahlen kommt und welche Rechenwege dahinterstecken.

5. Konstruktiver Journalismus in Zeiten von Covid-19
(correctiv.org, David Schraven)
“Correctiv”-Geschäftsführer David Schraven schreibt über die Vorteile des “konstruktiven Journalismus” in Corona-Zeiten und verweist dabei auf die Empfehlungen des dänischen Constructive Institute. Sein Fazit: “Konstruktiver Journalismus in Zeiten der Corona-Krise ergänzt Meldungen und investigative Recherche. Es geht darum, sich auf den Zweck des Journalismus zurückzubesinnen: Wir wollen durch kritische und konstruktive Beiträge zur Entwicklung der Gesellschaft beitragen.”

6. Das viel zu späte Entsetzen über die Verachtungs-Show
(uebermedien.de, Nora Voit)
Anfangs sah es für viele so aus, als gebe es mit “Promis unter Palmen” (Sat.1) ein weiteres unterhaltsames Trash-TV-Format der Kategorie “Dschungelcamp”. Doch bald offenbarte sich die Sendung als Plattform für Grenzüberschreitungen aller Art einschließlich Mobbing und sexueller Belästigung. Nora Voit hat sich ihren Ärger darüber von der Seele geschrieben: “‘Promis und Palmen’ ist selbst mit Lockdown-Langeweile nicht die ‘beste Show gegen den Quarantäne Blues’, sondern eine Bühne für Arschlöcher, eine Spielwiese für Anti-Solidarität, ein Rückschlag für die Gleichberechtigung.”
Weiterer Lesehinweis: Beim “Spiegel” kommentiert Trash-TV-Expertin Anja Rützel: “Das Problem an ‘Promis unter Palmen’ war nicht, dass es von Mobbing erzählt, sondern dass es seinen Vorteil nicht nutzt, den es gegenüber dem echten Leben genießt: seine Editiermacht und sein Gespür für einen Cast, der zwar menschliche Abgründe kennt und auslotet, aber nicht Diskriminierung als Lebensprogramm betreibt.”

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