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Jede zweite Überschrift

Jeder zweite Hartz-Bescheid ist falsch!

So? Dann rechnen wir doch mal nach. In “Bild” steht:

“Laut Bundesagentur für Arbeit haben bis Ende Februar 212.000 Betroffene Widerspruch gegen Bescheide über das Arbeitslosengeld II eingelegt. Rund 36.000 Widersprüche wurden bearbeitet. In fast 17.000 Fällen bekamen die Arbeitslosen recht. Damit waren 46 Prozent (!) [sic] der beanstandeten Bescheide tatsächlich fehlerhaft.”

Mit anderen Worten: Jeder zweite Hartz-Bescheid, gegen den zuvor Widerspruch eingelegt wurde und der bisher bearbeitet wurde, war falsch.

Laut Bundesagentur für Arbeit wurden Anfang des Jahres etwa 2,66 Millionen Bescheide über Arbeitslosengeld II verschickt. Wenn (vorerst) 17.000 davon falsch sind, ist das weniger als ein Prozent.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt müsste die korrekte Überschrift also lauten:

Jeder 156. Hartz-Bescheid ist falsch! (Überschrift [M]: BILDblog.de

Nachtrag, 20.3.2005:
Auf vielfachen Wunsch hier noch ein paar mögliche Alternativüberschriften:

“Jeder zweite bislang geprüfte Hartz-Bescheid ist falsch!”

“Hochgerechnet jeder 12. Hartz-Bescheid, dem bisher widersprochen wurde, ist fehlerhaft!”

“Jeder 27. Hartz-Bescheid könnte falsch sein!”

“Unter 10 Prozent! Bislang kaum Widerspruch gegen Hartz-Bescheide”

“Über 50 Prozent! Hartz-Widerspruch bislang meist unberechtigt!”

“Gute Arbeit: Schon jetzt jeder 6. Hartz-Widerspruch geprüft – über die Hälfte davon sogar abgelehnt!”

Solcherlei Überschriften wären zwar ebenso absurd wie die von “Bild”, dafür aber weniger falsch.

Mit Dank an Karsten G., Eckhart W., Maximilian M., Jörg L. und Florian H. für die Inspiration.

Allgemeine Verunsicherung

“Tausende Arbeitslose sind verunsichert durch die Hartz-Briefe.”

So berichtet “Bild” heute auf Seite 2 und “klärt wichtige Fragen”. Zum Beispiel: “Kriege ich noch Stütze, wenn ich ein Auto habe?” Die Antwort:

“Ja, sofern der aktuelle Wert des Autos unter 5000 Euro liegt. Ist der Wagen mehr wert, kann die Stütze gestrichen werden.”

Huch! Müssen jetzt alle Fahrezeugbesitzer ohne Arbeit noch schnell ein paar Dellen in ihren Wagen fahren, damit dessen Zeitwert sinkt und sie überhaupt Arbeitslosengeld bekommen? Besser nicht. Die Bundesagentur für Arbeit klärt auf (PDF):

“Ein angemessenes Auto oder Motorrad ist (…) nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Schließlich sollen Sie als Arbeitnehmer flexibel sein – und für eine neue Arbeitstelle ggf. pendeln können. (…) Ist ein Verkaufserlös abzüglich ggf. noch bestehender Kreditverbindlichkeiten von maximal 5.000 Euro erreichbar, ist eine Prüfung und Ermessensentscheidung, ob ein Kfz angemessen ist, entbehrlich.”

Das heißt: Selbst Arbeitslose, die ein Auto besitzen, das mehr als 5000 Euro wert ist, müssen nicht gleich ihr Fahrzeug verkaufen, sofern sie es noch abzubezahlen haben, da die entsprechende Summe auf den relevanten “Wert” angerechnet wird.

Wenn dieser danach 5000 Euro übersteigt, wird nicht gleich “die Stütze gestrichen”. Dann setzt eine Angemessenheitsprüfung ein, bei der “Größe der Bedarfsgemeinschaft, Anzahl der PKW im Haushalt, Zeitpunkt des Erwerbs” einbezogen werden. Und wenn die negativ ausfällt, gibt’s überhaupt kein Geld mehr? Nein, nicht ganz:

“Soweit ein Kfz ‘nicht angemessen’ ist, wird der übersteigende Wert auf die Vermögensfreibeträge angerechnet“,

berichtet die “Süddeutsche” in ihrem Hartz-Lexikon – übrigens ähnlich knapp wie “Bild”. Bloß unmissverständlicher. Fraglich ist also, was “tausende Arbeitslose” mehr verunsichert: “die Hartz-Briefe” oder die Hartz-Tipps in “Bild”.

Wie sich Feindbilder verändern

Für “Bild” ist die PDS bisher stets die SEDNachfolgepartei gewesen. Und deren Mitglieder waren “die Rächer der SED”, “die alten Spalter, die Honecker-Nostalgiker, deren Vorgänger das freie Denken unterdrückten” und die “mit gnadenloser Anti-Reformhetze und Stimmungsmache gegen Kanzler Schröder” wetterten bzw. noch Schlimmeres.

Wenn allerdings “Deutschland jüngste Abgeordnete” Julia Bonk, 18 Jahre, gutaussehend “und derzeit wieder solo”, “in Pulli, Mini-Rock und schwarzen Strümpfen” bzw. mit “Schmollmund, roter Mähne, bauchfreiem T-Shirt” abgebildet werden kann, dann ist die “SED-Nachfolgepartei”, für die die “sexy Sächsin” im Landtag sitzt, plötzlich nur noch – “die PDS”.

Die Geister, die sie riefen

Hoppla, was ist denn da passiert? Randale? Tätliche Angriffe? Ausländerfeindliche Ausfälle? Es scheint so, denn “Bild” spricht von einer “Pöbel-Attacke” und schreibt:

Gerade erst in den Landtag gewählt – und schon zeigen die Neonazis von der Sachsen-NPD im TV ihr wahres Gesicht!

Was hat der sächsische NPD-Spitzenkandidat Holger Apfel getan? Er sagte (korrekt zitiert in “Bild”) dies:

“Heute ist ein großartiger Tag für alle Deutschen, die noch Deutsche sein wollen, es ist die verdiente Quittung für eine immer asozialere Sozialpolitik, für eine asoziale Wirtschaftspolitik und…”

Währenddessen verließen die Vertreter der anderen Parteien den Tisch, an dem sie interviewt wurden. Die ZDF-Innenpolitikchefin Bettina Schausten entzog Apfel hektisch das Wort und reagierte hilflos und hysterisch, als er — weitgehend unverständlich für die Fernsehzuschauer — weitersprach.

Es besteht kein Grund, an der Gefährlichkeit der NPD zu zweifeln. Aber zu einer “Pöbelattacke” ist es im ZDF-Studio nicht gekommen, und auf die These mit der “asozialen Sozialpolitik” hätte Apfel prima durch Verfolgen der Hartz-IV-Berichterstattung der “Bild”-Zeitung kommen können — bis diese abrupt endete: “Irgendwann in diesem Sommer müssen sie bei Bild gemerkt haben”, schrieb Evelyn Roll am Samstag in der “Süddeutschen Zeitung”, “dass sie mit dem Schüren von Sozialangst zwar der Regierung schaden und der eigenen Auflage helfen, aber auch den Neonazis und der PDS. Und zwar tüchtig.”

Und, nein, die anderen Politiker mussten vor dem NPD-Mann auch nicht “fliehen”. Sie demonstrierten nur, dass sie nicht gewillt waren, mit Neonazis zu diskutieren.

Bestimmt wäre es hilfreich, wenn man im Kampf gegen die NPD die Mittel der Tatsachen-Verfälschung und grotesken Übertreibung den Rechtsradikalen überließe. Und wer ein paar populistische Sätze im Fernsehen als das “wahre Gesicht” der NPD bezeichnet, verharmlost die Gefahr dramatisch.

Was die PDS mit der HJ zu tun hat

Der heutige “Bild”-Leitartikel trägt die Überschrift:

Die PDS marschiert.

Marschiert die PDS? Sie demonstriert in vielen Städten gegen “Hartz IV” und “Sozialabbau”. Im Fernsehen sehen die Kundgebungen nicht nach “Marschieren”, geschlossenen Reihen und schweren Stiefeln aus. Warum schreibt “Bild” dann “Die PDS marschiert”? Es gibt einen bekannten Schlachtruf mit “…marschiert”. Im Horst-Wessel-Lied der Nationalsozialisten kommt die Zeile vor: “SA marschiert”. Daran erinnert die Überschrift des Kommentars von Dr. Herbert Kremp. Soll sie daran erinnern?

Er schreibt weiter:

Was für ein schräges Bild, was für eine Blamage vor aller Welt: Die PDS mit an der Spitze der Sozialangst-Demonstrationen in Berlin und Ostdeutschland. “Unsere Fahne flattert uns voran.”

Das Zitat ist keines der PDS und keines von den “Sozialangst-Demonstrationen”. Es ist aus dem Fahnenlied der Hitlerjugend:

Unsre Fahne flattert uns voran.
In die Zukunft ziehen wir Mann für Mann.
Wir marschieren für Hitler durch Nacht und Not
Mit der Fahne der Jugend für Freiheit und Brot.

Für Kremps Formulierung gibt es nur eine Interpretation: Er sieht eine Parallele zwischen der friedlich demonstrierenden PDS einerseits und den Schlägertruppen der SA und Hitlers gleichgeschalteter Jugendorganisation andererseits. Wow.

Die “Nachfolger der SED” sollen aufhören, “Sozialangst” zu schüren und sich als “die größten Anwalte des Volkes” aufzuspielen, fordert der Kommentator. Das kann man verstehen. Auf beides hätte “Bild” natürlich gerne ein Monopol.

Was Herr Kremp uns mit der Nazi-Anspielung eigentlich sagen will, ist vermutlich dies: Wenn möglicherweise nicht zuletzt wegen einer massiven “Bild”-Kampagne gegen “Hartz IV” die Menschen in Scharen der PDS zulaufen, dann ist das nicht die Schuld von “Bild”, sondern der PDS.

Streng verboten

So was gehört sich ja nun wirklich nicht: Weil die Deutsche Presseagentur (dpa) “eine journalistische Sensation landen” wollte und “Exklusiv-Fotos des neuen Adoptiv-Kindes von Kanzler Schröder” verbreitete, gab’s gestern Schelte von “Bild” (die freilich darauf verzichtete, neben das Bild von dpa-Chef Wilm Herlyn auch das vom Springer-Kollegen und “B.Z.”-Chef Florian von Heintze zu drucken – siehe dazu “Berliner Zeitung”). Denn:

“Das Fotografieren von Minderjährigen ohne Zustimmung der Eltern ist (…) streng verboten.”

Gilt das eigentlich auch für den Abdruck unerlaubter Fotos von Minderjährigen? Offenbar nicht, nicht jedenfalls bei Kindern von Prominenten. Oder für wie realistisch halten Sie’s, dass “Bild” eine Erlaubnis von US-Gouverneur Arnold Schwarzenegger bekommen hat, um heute eins bzw. zwei Bilder seiner 14-jährigen Tochter Katherine abzudrucken und deren Gewicht zu kommentieren?

Wirklich schlimm

“Zehntausende” riefen bei “Bild” an, um Fragen zur Arbeitsmarktreform Hartz IV zu stellen. Experten der Bundesagentur für Arbeit konnten fast jeden der Anrufer beruhigen:

Nein, Uwe Klütt (45), die Ausbildungsvergütung ihrer Tochter wird nicht auf Ihr Arbeitlosengeld II angerechnet.
Nein, Brigitte Roth (69), Ihr arbeitsloser Sohn und seine Frau müssen ihre Eigentumswohnung nicht aufgeben.
Nein, Karsten Gueinzius (31), Sie müssen Ihr Auto nicht verkaufen.
Nein, Gisela Kottwitz (61), die Rente ihrer erwerbsunfähigen Tochter wird nicht auf das Arbeitslosengeld Ihres Mannes angerechnet.

Angekündigt wird diese vielfältige Entwarnung von bild.de auf der Homepage (und als großer Aufmacher auf Seite 1 der gedruckten “Bild”) mit der beunruhigenden Schlagzeile:

Persönliche Verhältnisse

Löblich. “Bild” erklärt: “So füllen Sie das Formular fürs Arbeitslosengeld II aus.” Erstens: “Allgemeine Daten”.

Straße. Hier die Adresse eintragen: Straße und Hausnummer. (…)
Bankverbindung. (…) Bei BLZ die Bankleitzahl eintragen (steht unten auf dem Kontoauszug oder hinten auf der Scheckkarte). Die Kontonummer steht unten auf dem Kontoauszug oder auf der Vorderseite der Scheckkarte.
bei Bank… Name der Bank. Name des Kontoinhabers: Ihr Name, wenn das Konto Ihnen gehört. (…)”

Und jetzt: “Persönliche Verhältnisse”.

Name. Noch mal eigenen Namen (links) und Nachnamen des Ehepartners/Lebenspartners (rechts) eintragen.”

Tipp: Steht auf dem Briefkasten oder der letzten Rechnung vom Beate-Uhse-Versand.

Frösche gegen Arbeitslosigkeit!

“Bild”-Kolumnist Mainhardt Graf Nayhauß hat ein schönes Symbol dafür gefunden, wie im Osten Deutschlands viel Geld ausgegeben wird für Dinge, die dann doch niemandem helfen: Ein “Wildwechsel” für Frösche, der aufwändig unter einem neuen Stück der Autobahn Lübeck-Stettin angelegt wurde. Das Resultat:

Nun werden die Frösche nicht von Autoreifen zerquetscht, sondern von Störchen gefressen, die dort den Fröschen auflauern.

Ja, traurig. Aber wenigstens als Metapher läßt Nayhauß die Frösche weiterleben und schreibt:

Die [ostdeutschen] Landesväter mucken gegen [Kanzler Schröders] Arbeitsmarktreform (Hartz IV) auf. Wie die Frösche wollen sie nicht, dass noch mehr Arbeitende von der Arbeitslosigkeit gefressen werden.

Die Frösche wollen nicht, daß Arbeitende von der Arbeitslosigkeit gefressen werden? Sondern lieber plattgefahren werden? Oder wie? Sehr verwirrend. Und was sagen die Störche dazu?

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