Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Das sind Fragen, die uns alle bewegen. Etwas profaner ist da schon die Frage, die sich “RP Online” am vergangenen Freitag stellte:
3.000 Tore sollen also in den letzten 47 Jahren Bundesliga gefallen sein. Klingt erst mal nach viel, ist es aber nicht. Allein in der letzten Saison wurden 866 Tore erzielt und in der davor 894. Tatsächlich sind in der Geschichte der Bundesliga bereits über 44.000 Tore gefallen. Selbst den Lesern kam das spanisch vor:
Dass an der Sache irgendwas faul ist, hat dann auch “RP-Online” im Laufe des Tages bemerkt und sich einer höchst unsportlichen Methode der Fehlerkorrektur bedient: der sang- und klanglosen Löschung. Auf dem Portal “News Aktuell” kann man den Artikel allerdings immer noch lesen.
Aber eine Frage bleibt. Nein, nicht die, wer denn jetzt das 3.000. Tor schießt, sondern diese: Wie kommt “RP Online” auf so einen Unfug?
Auch wenn am Anfang des Artikels “(RPO)” steht, ist es sehr wahrscheinlich, dass hier eine Meldung des Bundesliga-Portals von t-online.de weiterverarbeitet wurde. Dort heißt es jedoch “Wer wird der 3000. Torschütze?” und das macht den ganzen Unterschied: Wenn jeder Torschütze nur einmal gezählt wird, also auch ein Gerd Müller mit 365 Toren, dann dürfen wir uns tatsächlich schon bald auf den 3.000. Torschützen freuen. Der “RP Online”-Redakteur, der den t-online.de-Artikel als Vorbild genommen hat, hat das leider nicht verstanden – genausowenig übrigens wie derjenige, der die Bildergalerie für t-online.de mit weiteren Jubiläumsschützen erstellt hat.
Jetzt aber doch noch: Hat sich am vergangenen Wochenende jemand als 3.000. Torschütze in die Annalen der Geschichte eintragen können?
Nein. Wir haben bei der DFL nachgefragt und uns sagen lassen, dass ihrer Statistik zufolge der Kölner Taner Yalçin am Sonntag gegen den FC St. Pauli (1:0) als 2997. Torschütze getroffen hat.
Mit Dank an Frank B.
Nachtrag, 17. September: Unser Leser Fabian K. hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass ein kurzer (und korrekter) Artikel des ‘kicker’ vom 9. September den Berichten von t-online.de und “RP Online” zugrunde lag.
Wirklich unfassbar ist allerdings das, was unser Leser Marcus beim Sportwettanbieter bwin.com entdeckt hat. Dort konnte man heute tatsächlich darauf wetten, welcher Spieler das 3000. Bundesligator erzielt – auf ein Tor also, das bereits vor Jahrzehnten gefallen ist. “Cisse, Gekas, Altintop – sie alle können Geschichte schreiben” heißt es da. Dabei hatten die drei noch nicht einmal die Chance der 3000. Torschütze zu werden, da sie alle schon einmal getroffen haben. Wenn das mal kein juristisches Nachspiel hat…
Nachtrag, 18. September: Und es geht munter weiter. Arne B. und Sebastian M. weisen uns darauf hin, dass in den Live-Tickern der App iLiga 3.0 und von Bild.de Maximilian Nicu als Schütze des 3000. Bundesligatores gefeiert wurde:
Da ist doch tatsächlich noch das 3000. Bundesligator und es hätte nicht zählen dürfen. Nicu steht bei Kopfballverlängerung von Cissé klar im Abseits. Er geht diagonal auf das Tor zu und passt dann überlegt nach rechts. Dort ist ROSENTHAL mitgelaufen und schiebt souverän ein.
Nein. Es war nicht das 3000. Bundesligator und Nicu kann auch nicht der 3000. Torschütze der Liga sein, da er in der vergangenen Saison bereits drei Treffer erzielte. Mal sehen, wer noch alles in die Geschichte eingeht.
Nachtrag/Korrektur, 19. September: Diesmal habe ich mich selbst anstecken lassen: Das Freiburger Tor am Freitag hat natürlich nicht Nicu, der nur die Vorlage gab, erzielt, sondern Jan Rosenthal. Dennoch wurde erst am Samstag Luiz Gustavo von TSG 1899 Hoffenheim mit seinem Treffer zum 1:0 gegen Kaiserslautern zum 3000. Torschützen erklärt. Damit sollte das Thema jetzt endgültig erledigt sein – zumindest bis in gut zehn Jahren der 4000. Torschütze gesucht wird.
Geschichten über den 11. September gehen eigentlich immer, aber besonders gut gehen sie in den Tagen um den 11. September. Wenn es dann noch Neuigkeiten zu verkünden gibt (oder das, was Journalisten dafür halten), sind große Schlagzeilen garantiert.
Der Sportinformationsdienst (sid) hat wegen seiner thematischen Ausrichtung eher selten mit den Terroranschlägen von 2001 zu tun, aber heute hatte auch er Gelegenheit, sich dem Thema zu widmen:
Der fünfmalige Schwimm-Olympiasieger Ian Thorpe gab am Mittwoch erstmals preis, dass er bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 um ein Haar sein Leben verloren hätte.
Thorpe wollte nämlich an jenem geschichtsträchtigen Morgen eigentlich die Aussichtsplattform des World Trade Centers besuchen, als er feststellte, dass er seine Fotokamera vergessen hatte. Er kehrte zu seinem Hotel zurück und die Flugzeuge schlugen ins World Trade Center ein.
Eine dramatische Geschichte, durchaus, aber keine, die Thorpe “erstmals” “preisgegeben” hätte. Sie wurde genau genommen sogar ziemlich schnell bekannt: Am 13. September 2001, zwei Tage nach den Anschlägen. Aber da ging sie in der allgemeinen 9/11-Berichterstattung vielleicht etwas unter.
Anders als der sid wusste AFP Thorpes aktuelle Äußerungen allerdings korrekt einzuordnen:
Die australische Schwimmlegende Ian Thorpe verriet, dass er immer noch über sein knappes Entkommen vor den Anschlägen vom 11. September nachdenkt, als eine vergessene Kamera möglicherweise sein Leben gerettet hat.
Übersetzung von uns.
Mit Dank an Martin T.
Nachtrag, 17.55 Uhr: Unsere Leser Basti und Till G. weisen uns darauf hin, dass die Aussichtsplattform des World Trade Centers zur Zeit der Anschläge noch gar nicht geöffnet war, was Thorpes Entkommen ein ganzes Stück weniger knapp machen dürfte.
Schauen Sie sich diese Fotos von Juan Arango mal ganz genau an.
Also: Wirklich jetzt! Schauen Sie genau hin, dann sehen Sie die “zwei Gesichter der Gladbacher Borussia”!
Sehen Sie? Gut! Weiter:
Rechts den fantastischen Fohlen-Jubel nach der Gala in Leverkusen (6:3). Links den Frust nach der 0:4-Klatsche gegen Frankfurt am Samstag im Borussia-Park.
Das ist nämlich das Verrückte an den Gladbachern diese Saison: Die gewinnen nicht nur (zum ersten Mal seit 1994) in Leverkusen und gehen dann zuhause gegen Frankfurt unter, die sehen auch bei Siegen bedröppelt aus und feiern Niederlagen.
Also: Entweder das — oder bei Bild.de hat jemand eine Rechts-Links-Schwäche.
Mit Dank an Manuel Sch.
Nachtrag, 15. September: Bild.de hat gestern noch die Seiten gewechselt.
Es ist ein Glücksfall für die Boulevardmedien dieser Republik: Die Richter des “Brunner-Prozesses” (benannt nach dem Opfer Dominik Brunner) haben das Staffelholz an die Richter des “Kachelmann-Prozesses” (benannt nach dem Angeklagten Jörg Kachelmann) übergeben, die Gerichtsreporter müssen ihre Koffer gar nicht erst auspacken und beleben nach der Münchener jetzt die Mannheimer Hotelwirtschaft. Vorher gab es in München aber noch die Urteile: Neun Jahre und zehn Monate Jugendhaft wegen Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung für den 19-jährigen Haupttäter, sieben Jahre Jugendhaft wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie versuchter räuberischer Erpressung für seinen 18-jährigen Mittäter.
Das mit der Körperverletzung mit Todesfolge hatte Bild.de Anfangs allerdings nicht ganz verstanden und zum “Totschlag” umdeklariert:
Überhaupt: Während andere Medien Dominik Brunner mit seiner Berufsbezeichnung (“Geschäftsmann” oder “Manager”) versehen, war er für “Bild” und Bild.de von Anfang an der “S-Bahn-Held”, der “vier Kinder vor zwei Schlägern beschützte”. Schon wenige Tage nach dem tödlichen Vorfall am S-Bahnhof Solln forderte die Zeitung das Bundesverdienstkreuz für Brunner und rief ihre Leser auf, den Appell an den Bundeskanzler Bundespräsidenten zu unterschreiben. Horst Köhler machte eine seltene Ausnahme und verlieh Brunner posthum das Verdienstkreuz 1. Klasse, worüber “Bild” wiederum groß berichtete.
Im Februar berichtete der “Spiegel” erstmalig, dass Brunner “den ersten Fausthieb setzte” — eine Meldung, die auch auchvonanderenMedien interessiert aufgenommen wurde. “Bild” versteckte eine kleine Meldung auf Seite 3 und bemühte sich sofort um eine Einordnung in den Helden-Kontext:
Jetzt geht die Staatsanwaltschaft München davon aus, dass Brunner zwar zuerst zuschlug – aber nur aus Notwehr, um dem Angriff der Jungs zuvorzukommen (“SZ”).
“Bild” und Bild.de konzentrierten sich (außer einem Hinweis darauf, dass dem “Münchner S-Bahn-Held Dominik Brunner” ein Denkmal gesetzt werden soll) lieber auf den Prozess, der im Juli begann, und liefen gleich zu Beginn zu Höchtsleistungen auf: Die Schwestermedien eröffneten ihre Prozessberichterstattung, indem sie auf die “besondere Zurückhaltung”, die der Pressekodex bei der Berichterstattung über Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Jugendliche fordert, verzichteten (BILDblog berichtete).
Dann ging es los: Rührselig zitierte Bild.de eine SMS, die auf Brunners Handy eingegangen sei, als dieser schon tot war (“Der tote S-Bahn-Held erhielt einen Herzensgruß für seinen letzten Weg”). Aus der “Ex-Freundin”, die ihm diese Nachricht geschickt hatte, wurde dann kurze Zeit später seine “Lebensgefährtin”.
Ein 18-Jähriger, der vorab in einem eigenständigen Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter räuberischer Erpressung zu einem Jahr und sieben Monaten Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt worden war (“Bild”: “Gericht lässt 1. Täter laufen”), wurde bei Bild.de zum “Anstifter der Schläger”, der sich aus diesem Grund kein Urteil über die Situation erlauben dürfe:
Christoph T.: “Für mich ist dieser ausschlaggebende Punkt der Schlag von Herrn Brunner” – das sagt ausgerechnet der Anstifter der Schläger!
Dass der junge Mann beim tödlichen Angriff auf Brunner gar nicht dabei war und schon deshalb nur bedingt als Zeuge taugt, ist Bild.de immerhin aber auch noch aufgefallen:
Der Anstifter hat Dominik Brunner zwar nie gesehen – doch ohne ihn wäre der Mord am S-Bahnhof Solln am 12. September 2009 wohl nie geschehen!
Dann wiederholte der S-Bahn-Führer im Zeugenstand seine Aussage, dass Brunner den ersten Schlag gesetzt habe und die Situation erst daraufhin eskaliert sei (ein Umstand, von dem “Spiegel Online”-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen irritierenderweise annahm, er sei “erst jetzt, zu Prozessbeginn, der Öffentlichkeit mitgeteilt” worden). Zusammen mit dem Obduktions-Ergebnis, nach dem Dominik Brunner einen vergrößerten Herzmuskel hatte und letztlich an Herzversagen gestorben sei, ergab sich plötzlich ein etwas anderes Bild und viele Medien fragten sich selbstkritisch, ob sie nicht voreilig über die Situation am S-Bahnhof Solln geurteilt hätten. Viele, aber natürlich nicht alle.
“Bild” fand diese neuen Töne “unglaublich!”, und reagierte erschüttert auf die Medienberichte:
ZUM HELDEN HOCHSTILISIERT? ANGEBLICH TOTGETRETEN? PRÜGELNDER KAMPFSPORTFREUND?
Die Wahrheit ist: Nichts ist anders seit dem Wochenende! Nur, dass dem Opfer nun sogar im Grab die Ehre genommen werden soll.
Wohl weil die Verklärung Brunners andernorts ins Stocken geraten war, packte Tanit Koch noch eine Schüppe Poesie drauf:
Er hat diesen Bürgersinn nicht etwa mit seinem Leben bezahlt – es wurde ihm geraubt. (…)
Dominik Brunner starb nicht, weil er ein vergrößertes Herz hatte.
Der S-Bahn-Held starb, so erkennt die “Süddeutsche Zeitung” zu Recht an, weil er ein “großes Herz” hatte.
Franz Josef Wagner schließlich wusste es sowieso wieder besser als alle anderen und schrieb dem “lieben Held Dominik Brunner” ins Jenseits, “gegen Ihr Herzflimmern mussten Sie Mittel nehmen”. Gegen einen Herzfehler, von dem Brunner selbst Zeit seines Lebens nichts geahnt hatte.
Die Linie blieb also klar und das, was in anderen Medien “Präventivschlag” hieß, wurde bei Bild.de zum “Abwehrschlag” umdeklariert und taucht in der “Chronologie der tödlichen S-Bahn-Attacke”, wie sie heute noch online steht, gar nicht auf:
Der Mann steigt mit den Jugendlichen aus, die beiden Angreifer folgen ihnen. Plötzlich greifen sie den Mann an, er fällt zu Boden, sie treten weiter auf ihn ein.
Die Aussage des S-Bahn-Führers über Brunners Erstschlag ließ “Bild” erst mal unter den Tisch fallen und schrieb erst darüber, als ein “Lügenforscher” die Aussage “relativiert” hatte — gegenüber der Münchener Boulevardzeitung “tz”, wohlgemerkt, nicht gegenüber dem Gericht.
Der Beschreibung Brunners als “sozial besonders engagiert” setzte “Bild” die “kaputte Kindheit” und das “verpfuschte Leben des zweiten Brunner-Totschlägers” entgegen, dem die Zeitung nicht mal seine vor Gericht gezeigte Reue abnahm:
Sebastian L. behauptete: “Es tut mir auf jeden Fall wahnsinnig leid, es hätte nicht passieren müssen. Wenn ich könnte, würde ich es rückgängig machen.”
Selbst Details der Gewalt, die eigentlich für sich sprechen, hat “Bild” noch zugespitzt: Wenn der Angeklagte Markus S. “einen Schlüsselbund aus der Tasche und als Waffe zwischen die Finger” nimmt, ist das nicht nur “schlimm” oder “brutal” oder wie immer man das nennen würde, für die Schlagzeilenmacher bei “Bild” ist es “Der Schlüssel-Trick des S-Bahn-Schlägers”.
Über die erste Aussage dieses Angeklagten wusste Bild.de zu berichten:
Kein Mitleid, keine Reue, keine Tränen. Nein! Seine ersten Worte in dieser Verhandlung sind der blanke Hohn: “Ich habe einen Hass auf die Polizei.” Ungläubiges Kopfschütteln im Gerichtssaal.
(In der Bildunterschrift und der URL übrigens: “Ich hasse die Bullen.”)
Harte Worte, die aber trotzdem niemanden außer den “Bild-Reporter erschüttert zu haben scheinen: Für das Zitat findet sich keine einzige andere Quelle.
Auch mit einem anderen Detail stand “Bild” etwas alleine da:
Der damals 18-jährige Markus S. habe zweimal gerufen: “Ich bring’ dich um! Ich bring dich um!”, während er auf Brunner eingetreten und geschlagen habe, sagte die 16-jährige Schülerin, die das Ganze vom Bahnsteig gegenüber verfolgt hatte, vor dem Landgericht München aus.
Bei der Polizei hatte Vera B. drei Tage nach der Tat ausgesagt, dass einer der Täter zu Dominik Brunner gerufen hätte: “Ich bringe dich um!” Nun kann sie dies aber nicht mehr ganz sicher bestätigen.
Es sind letztlich eher Kleinigkeiten, die “Bild” anders wiedergibt als die meisten anderen Medien. Die Brutalität, mit der die Schläger vorgingen, zeigt sich auch daran, dass das Gericht mit seinen Urteilen nur knapp unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft blieb. Aber es sind viele Kleinigkeiten, mit denen “Bild” das Gesamtbild verzerrt — immer darauf bedacht, das früh gezeichnete Bild vom “S-Bahn-Helden” nicht zu beschädigen.
Über den “Kachelmann-Prozess” wird in “Bild” übrigens die Journalistin Alice Schwarzer berichten — weil sie eine “voreingenommene Berichterstattung” der “anderen Leitmedien” befürchtet.
Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber in den letzten Monaten.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. Interview mit Volker Lilienthal (freitag.de, Matthias Dell)
Für Volker Lilienthal sind Journalisten heute zu häufig Duckmäuser. Er empfiehlt ihnen Haltung: “Es gibt ein Bedürfnis nach natürlicher Autorität, Kinder brauchen Vorbilder. Genauso braucht man in der öffentlichen Wahrnehmung Figuren, zu denen man ein wenig aufblicken kann, Journalisten, von denen man glaubt, dass die etwas zu sagen haben, dass die sich etwas trauen.”
2. “Generation Farbband” (blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz denkt über Journalisten seines Alters nach, die die Entscheidungen in den Printverlagen treffen. “So lange es aber meine Generation ist, die Entscheidungen fällt, sie aber gleichzeitig nicht ernsthaft versteht, was da überhaupt passiert, wird es schwierig werden, die richtigen Entscheidungen zu bekommen. Und solange werden sie weiter untergehen, die Vertreter und die Medien der ‘old school’.”
3. “Eingebetteter Journalismus” (knappdaneben.net)
Max Küng, Mitarbeiter von “Das Magazin”, schreibt einen Artikel über ein von Jörg Boner (“Atelier Pfister”) designtes Bett. Gleichzeitig erscheint auf der Facebook-Seite der Firma ein von ihm geführtes Interview mit Boner. Küngs Chefredakteur, Finn Canonica, meldet sich in den Kommentaren: “Max Küng hätte nie für Möbel Pfister ein Interview machen dürfen und anschliessend bei uns im Blatt über den selben Designer schreiben. Das war ein fast unverzeihlicher Fehler, das wird nicht mehr vorkommen.”
4. “Tabloid Hack Attack on Royals, and Beyond” (nytimes.com, Don van Natta Jr., Jo Becker and Graham Bowley, englisch)
Ein langer Artikel befasst sich mit den britischen Journalisten, die in den Besitz der PINs der Handy-Mailboxen von Mitgliedern des Königshauses kamen und diese abhörten.
6. Interview mit Gina (laurencethio.de)
Gina erzählt Laurence Thio von ihrem Praktikum in der Online-Redaktion von “Cicero”. “Zu der Zeit war gerade der neue Chefredakteur Michael Naumann beim Cicero und der wollte auch etwas an der Inneneinrichtung verändern. Und da haben wir ihm irgendwelche Spiegel hin und her getragen und Obstschalen von A nach B verrutscht.” Eine zweite Meinung ist in den Kommentaren zu lesen.
Seit dem Siegeszug des Internets ist die Welt ja angeblich kleiner geworden — übersichtlicher aber offenbar nicht, wie drei aktuelle Geographie-Fehler verschiedenster Medien beweisen:
Stürmer Dimitar Rangelov (27) steht zwar im 18-er Aufgebot, doch auch seine Tage in Dortmund sind gezählt. BILD erfuhr: Dem Rumänien wurde ebenfalls vom BVB nahe gelegt, sich ausleihen zu lassen. Angeblich soll Freiburg Interesse haben…
Mal davon ab, dass Dimitar Rangelov natürlich nicht ganz “Rumänien” ist, ist er auch nicht Rumäne, sondern Bulgare.
Im westafrikanischen Benin wurden Tausende Menschen finanziell ruiniert, weil sie einem windigen Finanzunternehmen Glauben schenkten. (…) In der Hauptstadt Cotonou spielen sich seit Tagen ergreifende Szenen ab.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Bilanzen, Blödsinn und Bernanke” (markusgaertner.com)
Wie gehen Finanzjournalisten mit Zahlen um, fragt sich Markus Gärtner: “Wir lassen uns von Ämtern, Investmentbanken und Lobbyorganisationen wie Verbänden mieses Zahlenmaterial andrehen und nehmen es für bare Münze. Wir haben auch keine Zeit, tiefer in dicken Quartals- und Jahresberichten zu graben. Das habe ich erst richtig gemerkt, als ich anfing diesen Blog aufzubauen und Themen zu recherchieren, für die Zeitungen keine Zeit haben.”
2. Interview mit Gisela Friedrichsen (tagesspiegel.de, Thomas Eckert und Joachim Huber)
“Spiegel”-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen wird gefragt, ob sie bereits in der Rolle der “Kachelmann-Expertin” sei: “Plappern Sie doch nicht so dummes Zeug nach! Sie beleidigen mich! Im Fernsehen gibt es nur ‘Experten’: Adelsexperten, Terrorismusexperten, Geheimdienstexperten, Gesundheitsexperten, Asienexperten etc. Dass ich nicht lache: Kachelmann-Expertin! Ich kenne diesen Herrn nicht. Ich werde den Prozess gegen ihn beobachten, wie ich tausend andere Prozesse auch beobachtet habe. Über den Fall habe ich bisher einen einzigen kurzen Kommentar geschrieben …”
3. “Für wie blind hält Sky eigentlich den Zuschauer?” (sportmedienblog.de)
Das Sportmedienblog stellt fest, dass die Bundesligakonferenz “- anders als beworben – gar nicht vollständig in nativem HD ausgestrahlt” wird.
4. “Mächtige Burschen, raue Gesellen” (sueddeutsche.de, Katharina Riehl)
Katharina Riehl besucht einen Schreiber von Groschenromanen: “Die Welt von Dieter Walter ist eine Wohnung am Stadtrand von Augsburg. Ein kleines Wohnzimmer mit freundlichen Stofftieren, an der Tür hängt ein rotes Stoffherz mit der Aufschrift ‘Ich liebe dich’, an den Wänden Fotos von ihm und seiner philippinischen Ehefrau.”
5. “Probieren statt kopieren” (fr-online.de, Peer Schader)
Peer Schader porträtiert die Firma Brainpool aus Köln, die hinter Sendungen wie “TV Total”, “Unser Star für Oslo” und “Ladykracher” oder Serien wie “Pastewka” oder “Stromberg” steht.
6. “Mathias” (shripsinn.blogspot.com)
Shrip entdeckt in der “taz” einen Mathias.
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1. “Was würde Tucholsky zum ‘Nadja-Prozeß’ schreiben?” (raflauaus.de, Achim Flauaus)
Rechtsanwalt Achim Flauaus schaut den Journalisten beim Prozess gegen Nadja Benaissa zu: “Nachdenklich stimmt vor allem der unfaßbare Aufwand, mit kilometerlangem Kabelsalat, unzähligen Kameras und Stativen und den unvermeidlichen und halsbrecherisch in die Fahrbahnen hineinragenden oder auf Gehwegen abgeparkten ‘Ü-Wagen’ (sagt man so?) mit monumentalen Satellitenschüsseln auf dem Dach und das alles in einer Anzahl, als gelte es über die Ankündigung des 3. Weltkrieges oder zumindest einen ‘G-8-Gipfel’ zu berichten.”
2. “Hart aber leer” (spiegel.de, Stefan Kuzmany)
Stefan Kuzmany analysiert “Hart aber Fair” mit Frank Plasberg. “An wirklichen Ergebnissen ist er nicht interessiert – sondern nur an der nächsten Pointe.”
3. “Schlecht, schlechter, Sportjournalismus” (feed-magazin.de, Daniel Wichmann)
Daniel Wichmann rezensiert ein Buch von Simon Grünke: “‘Hofberichterstattung im System Sport’ ist ein Buch für alle, die sich abends in der Kneipe oder morgens im Büro gerne über kumpelhafte Moderationen à la Johannes B. Kerner oder seichte Interviewversuche von ‘Duzmaschine’ Waldemar Hartmann aufregen können.”
4. “Die Chemie stimmt” (juliane-wiedemeier.de)
Inhalte der Website der Tageszeitung “Die Rheinpfalz”, Rheinpfalz.de, werden auf Rheinneckarweb.de mit Inhalten des lokalen Chemiekonzerns BASF geteilt. Juliane Wiedemeier schreibt dazu: “Doch, die PR-Abteilungen von Chemie-Konzernen wissen schon, was sie tun. Was die Rheinpfalz allerdings geritten hat, bleibt mir unerklärlich.”
5. “Vom rätselhaften Verschwinden des Mega-Staus” (blog.tagesschau.de, Ariane Reimers)
Ariane Reimers macht sich in China auf die Suche nach dem in den Medien vermeldeten 100 Kilometer langen Superstau. Doch sie findet ihn nicht: “Vielleicht hat irgendjemand einfach nur diese vielen kleine Staus zusammengezählt und daraus den Super-Stau komponiert. Und weil es so eine schöne Geschichte ist, haben andere sie dann auch geschrieben.”
Die Geschichte ist so ungewöhnlich, dass das Polizeipräsidium Bochum im ersten Satz seiner Pressemitteilung erst einmal verkündet, dass der Inhalt der nachfolgenden Polizeipressemeldung “nun wirklich sehr ungewöhnlich” sei: Ein 35 Jahre alter Mann aus Herne ließ sich wegen einer Geschwulst am Kopf im Krankenhaus untersuchen, woraufhin die Ärzte auf seinem Röntgenbild einen Fremdkörper entdeckten, der sich bei einer Operation als Projektil des Kalibers 22 herausstellte.
Ein Mann aus Herne hat jahrelang mit einer Pistolenkugel im Kopf gelebt. Er hatte in einer Silvesternacht angetrunken einen Schlag am Hinterkopf verspürt, dem aber keine Bedeutung beigemessen. Die Polizei vermutet, dass er das Opfer eines Schützenbruders wurde.
Diese Vermutung äußert die Polizei allerdings weltexklusiv auf “Spiegel Online”. Wie uns der Polizeisprecher auf Anfrage bestätigte, habe er nie von einem “Schützenbruder” gesprochen. Er habe lediglich in einem der zahlreichen Gespräche mit Journalisten aus aller Welt erklärt, dass Projektile des Kalibers 22 (5,6 mm) typisch für Sportschützen seien — und die Polizei regelmäßig vor Silvester davor warne, mit Salutschüssen das Jahr zu begrüßen.
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1. “‘Bild-Zeitung’: Von Bibeln bis Dessous” (sueddeutsche.de, Caspar Busse)
“Wir helfen den Menschen, das Leben zu meistern”, sagt Verlagsgeschäftsführer Ralf Hermanns über die Marke “Bild”.
2. “Ernie & Bert fahren am liebsten Volkswagen” (medienpiraten.tv, Peer Schader)
Peer Schader war am Berliner Ostbahnhof bei der “Kika-Sommertour”: “Es ist ein merkwürdiges Selbstverständnis, das der Kika pflegt: einerseits herauszustellen, dass sein Programm dank Gebühren ohne Werbung auskommt und andererseits mehrere hundert Quadratmeter seiner ‘Sommer-Tour’ an Werbepartner zu vermieten.”
3. “Vom Machtkampf” (begleitschreiben.twoday.net, Gregor Keuschnig)
Gregor Keuschnig thematisiert die Berichterstattung zur anstehenden Wahl für den Vorsitz der CDU in Nordrhein-Westfalen. “Aus dem vollkommen normalen, demokratischen Vorgang, dass sich für ein Amt mehrere Kandidaten zur Wahl stellen, wird nun ein Skandalon produziert.”
4. “Reden wie Joachim Löw” (zeit.de, Oliver Fritsch)
Die Fußballberichterstattung soll in der kommenden Bundesliga-Saison eine “neue Hinwendung zum Fachlichen” erfahren. “Voraus sind den deutschen nach wie vor die englischen Medien – und zwar im Fernsehen, in der Zeitung und im Internet.”
5. “Dementieren, vernebeln, ignorieren” (weltwoche.ch, Alex Baur)
Alex Baur fragt sich, warum das Schweizer Fernsehen keinen Anlass sieht, sich im Fall Barbara Burtscher zu korrigieren. Doch auch Burtscher habe “nie irgendeine Anstrengungen” unternommen, “die Falschmeldungen zu korrigieren (als mal ein Datum eines ihrer Vorträge nicht stimmte, veranlasste sie indes sofort eine Richtigstellung)”.