Suchergebnisse für ‘renommiert’

Super!, Urs Meier, Elmar Theveßen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wie BILD am SONNTAG aus Fehlern Profit schlägt”
(danielbroeckerhoff.de, Tina Schober)
Tina Schober beleuchtet die Hintergründe zu einem in der “Bild am Sonntag” abgedruckten Foto eines siebenjährigen Mädchens aus Thüringen, das ermordet wurde. “Die Redaktion entschuldigt sich also für ein falsch abgedrucktes Foto – und belohnt sich mit einem Exklusiv-Bild.”

2. “Ein Schweizer Opfer packt aus”
(sonntagonline.ch, Nadja Pastega)
Ex-Fußballschiedsrichter Urs Meier erzählt, was ihm widerfuhr, nachdem er 2004 England ein Tor aberkannte. “Britische Journalisten haben in Portugal recherchiert, ob ich dort eine Ferienwohnung oder ein Haus besitze. Sie wollten mir nachweisen, dass ich mal Geld genommen habe oder korrupt war. Meiner Ex-Frau haben sie 30000 Pfund geboten, weil sie eine Story machen und mich in die Pfanne hauen wollten. Meinem damals 14-jährigen Sohn haben sie auf dem Schulweg abgepasst. Sie wollten wissen, von welcher englischen Mannschaft er Fan sei. Wenn er über seinen Vater rede, würden sie organisieren, dass er zu einem Spiel seiner Lieblingsmannschaft gegen Manchester United eingeladen werde.”

3. “Die Macht der Boulevard-Zeitungen”
(echo-online.de, Klaus Thomas Heck)
Klaus Thomas Heck erinnert an die Boulevardzeitung “Super!”, die Anfang der 1990er-Jahre in Ostdeutschland erschien: “Ein Jahr lang kübelt die Zeitung, die im englischen Tabloid-Format erscheint, eine widerliche Mischung aus Übertreibungen und Halbwahrheiten aufs Papier, dann endet die Ära von ‘Super!’ am 24. Juli 1992 wegen sinkender Auflagen. Doch viele ihrer Redakteure landen später problemlos bei anderen Medien. Franz Josef Wagner ist heute Kolummnist für ‘Bild’. Und auch die Verleger von ‘Super!’ haben ihr ostdeutsches Abenteuer gut überstanden. Sie hießen Hubert Burda – und Rupert Murdoch.”

4. “Plädoyer zur Abschaffung des Terrorexperten. Selten waren so viele so schnell auf dem Holzweg”
(blogs.taz.de/arabesken, Karim El-Gawhary)
Die ersten Spekulationen von Terrorexperten nach den Anschlägen in Norwegen befassen sich mit möglichen islamischen Tätern, obwohl es dafür keine konkreten Anhaltspunkte gibt (BILDblog berichtete, siehe dazu auch Stefan Niggemeier).

5. “BILD.de vs. Elmar Theveßen: die fragwürdige Degradierung eines renommierten Journalisten zum Möchtegern-Experten”
(mediensalat.info, Ralf Marder)
Für “Bild” ist ZDF-Journalist Elmar Theveßen ein “Möchtegern-Experte” und darum “Verlierer des Tages”. Ralf Marder: “Ich meine, dass man hier zu weit über das Ziel hinausgeschossen ist und sich vielleicht auch mal an die eigene Nase fassen sollte.” Siehe dazu auch die Stellungnahme von Elmar Theveßen im ZDF-Blog.

6. “Der ZEIT-Online-Totenrechner: 1500 deutsche Opfer in Norwegen”
(blog.dummy-magazin.de)
“Auf Deutschland mit seinen 80 Millionen Menschen umgerechnet, würde dies fast 1500 Tote in einer Nacht bedeuten”, schreibt Christoph Bertram auf zeit.de zu den Opfern in Norwegen. Das dummyblog erweitert die Umrechnung: “Wieso bei der Umrechnung der Opfer auf Deutschland aufhören? Viel eindrucksvollere Ergebnisse verspricht der Vergleich mit China. 90 Norweger entsprechen 24000 Chinesen!”

Die Glocke, Kachelmann, Kurier

6 vor 9

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1. “Wie ich beim Ahlener Tageblatt rausgeschmissen wurde …”
(danieldrepper.de)
“Die Glocke” trennt sich von Journalist Daniel Drepper, weil dieser auf die offiziellen “Vergütungsregeln für Tageszeitungen” besteht und für 86 Zeilen 35,26 Euro einfordert. “Vier Wochen lang bekam ich keine Antwort. Dann traf Anfang Dezember das Honorar der Glocke auf meinem Konto ein: 23,84 Euro.”

2. “Heuchler im Hysteriechannel”
(politplatschquatsch.com, ppq)
Der “Spiegel” und die Eurokrise: “Scharfmacher, Aufrührer, Schwarzmaler, das sind von Hamburg aus gesehen ja ohnehin immer alle anderen.”

3. “Ein Tag im Leben eines Ausgeschlossenen”
(klartext.ch, Thomas Knellwolf)
Der Kachelmann-Prozeß: Alice Schwarzer und die bekannten Gerichtsreporterinnen von “Zeit” oder “Spiegel” seien schon lange nicht mehr aufgekreuzt in Mannheim – was sie aber nicht davon abhalte, “pointiert kontra oder pro Kachelmann in die Tasten zu hauen”. Die Justizwelt sei bei diesem Prozeß sowieso verkehrt: “Das eigentlich geheime Vorverfahren war durch ausführliche Berichte in renommierten deutschen Medien mehr oder weniger öffentlich. Die eigentlich öffentliche Hauptverhandlung findet nun oft nur für einen exklusiven Kreis statt.”

4. “‘Tagesschau’-App deckt Verleger-Abzocke auf”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Hinter der Kritik der Printverlage an der “Tagesschau”-App verstecke sich nur das Unvermögen, mit der App einen Mehrwert zur Website zu liefern, findet Thomas Lückerath: “Was man im ‘großen’ Internet nicht schafft – die Bezahlschranke herunter zu lassen – versuchen die Verlage den Lesern ohne echten Mehrwert auf dem kleinen Screen als Mehrwert zu verkaufen.”

5. “Wie man Journalist beim KURIER wird”
(kobuk.at, Josef Barth)
Erwin Pröll, Landeshauptmann von Niederösterreich, offeriert einer um die Zukunft ihres Sohns besorgten Mutter in einer Telefonsprechstunde kurzerhand einen Job beim “Kurier”.

6. “My Blackberry Is Not Working!”
(youtube.com, Video, 2:53 Minuten, englisch)

Assange des Jahres

Egal ob Super-Schurke oder nicht — Wikileaks-Chef Julian Assange ist immer eine Schlagzeile wert. Und da der Informations-Rebell nach einer Leser-Abstimmung großer Favorit für den renommierten Titel “Person of the Year” der US-Zeitschrift “Time” war, wollte sich Bild.de in der Reihe der Gratulanten ganz vorne anstellen:

Time Magazine, Rolling Stone, Death + Taxes: Magazine weltweit feiern den Wikileaks-Chef – für sie ist Julian Assange (39) der Mann des Jahres.

Allein: Die Redaktion von “Time” hat Julian Assange den Titel gar nicht verliehen, sondern Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zur “Person of the Year” gekürt. Das Titelbild mit Assanges Gesicht zierte schon die Ausgabe vom 13. Dezember und hat mit der Auszeichnung nichts zu tun.

Inzwischen hat Bild.de den Artikel eiligst umgeschrieben: Nun ist Assange nur noch für “manche” Magazine “DER Mann des Jahres”.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Wagenburgmentalität, Clownkostüm, Putin

6 vor 9

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1. “Die Glatten und die Netten”
(tagesspiegel.de, Bernd Gäbler)
Bernd Gäbler sieht in den TV-Moderatoren Jörg Pilawa, Markus Lanz oder Sven Lorig Repräsentanten eines Fernsehens, bei dem alles “leicht verträglich sein, lieb und possierlich” sein muss. “Wellness für die Seele will dieses Massenfernsehen sein, das Personal ist entsprechend serviceorientiert.” Für “wortmächtig argumentierende Intellektuelle” sei dagegen nur der “Talkshow-Polarisierer-Stammplatz” da. “So wird der kluge Außenseiter ins Clownskostüm gesteckt”.

2. “Aufklärung statt Medienhype”
(dradio.de, Daniel Goeßmann)
Auf der Suche nach dem politischen Journalismus in Deutschland befragt Daniel Goeßmann unter anderem Journalisten von “Welt”, “taz”, “Tagesspiegel” und “Stern”: “Die Branche des politischen Journalismus ist verunsichert, wirkt ratlos. Ein Teil der Journalisten reagiert darauf mit einer Mischung aus Selbstkasteiung und Schadensbegrenzung.”

3. “Putin auf PR-Tour”
(mediathek.daserste.de, Video, 7:48 Minuten)
Begleitet vom russischen Fernsehen fährt Wladimir Putin mit einem gelben Lada an die Grenzen Sibiriens. Wie ein vom Straßenrand gefilmtes Amateurvideo (ab 4 Minuten) zeigt, wird er dabei von einer langen Reihe ausländischer Fahrzeuge begleitet. Originalvideo auf russisch (youtube.com, 2:44 Minuten).

4. “Die Öffnung der Öffentlichkeit”
(nzz.ch, Hans Geser)
Hans Geser erkennt eine “Wagenburgmentalität” bei renommierten Zeitungen. “Der Weg dahin scheint dadurch versperrt, dass sich die traditionellen Eliten dem Online-Diskurs bis anhin fast völlig verweigern, weil sie – was bei Journalisten besonders augenfällig wird – in einem Medium, das alle User zu gleichrangigen Lieferanten von Text-Voten degradiert, keine Möglichkeiten zur Wahrung einer herausgehobenen Podestposition mehr sehen.” Siehe dazu auch diesen Kommentar von Peter Hogenkamp, Leiter Digitale Medien der “NZZ”.

5. “How to be an Old School Journalist”
(holykaw.alltop.com, Video, 10:39 Minuten, englisch)
Ein undatiertes Video zeigt, wie Journalismus in den USA einmal war: “News reporting is a young man’s job. For the reporter must have stamina and endurance to withstand the strain of long and strenuous hours of work.”

6. “Bricht das Internet 1997 zusammen?”
(zeit.de, Ludwig Siegele, 1996)

Bild  

“Bravo, Stephanie zu Guttenberg!”

Es gibt viel Kritik an der RTL2-Show “Tatort Internet”, in der gezeigt wird, wie Männer in Chats vermeintlich 13-jährige Mädchen ansprechen, sich mit ihnen verabreden und sie treffen. Die renommierte Medienanwältin Dorothee Bölke wirft dem Sender vor, “die journalististischen Pflichten bei der Verdachtsberichterstattung nicht beachtet” zu haben. Der Presserechtler Carsten Brennecke bezeichnet die Darstellung der angeblichen Täter als “klar rechtswidrig”. Drei Kinderschutzvereine nennen die Show ein “reißerisches und vorurteilsstärkendes” Format, das keinen Beitrag zum Schutz von Mädchen und Jungen vor sexualisierter Gewalt leiste. “Es erfüllt einzig und allein die Aufgabe, potentielle Sexualtäter an den Pranger zu stellen und altbewährte Ressentiments zu verstärken.” Und Clemens Bieber, der Vorsitzende des Würzburger Caritas-Verbandes, fordert die Absetzung der Show.

Einer der Männer, die den Verantwortlichen von “Tatort Internet” in die Falle gingen, war der Leiter eines Kinderdorfes der Caritas. Der 61-jährige war, wie andere potentielle Kinderschänder auch, unzureichend unkenntlich gemacht worden. Am Donnerstag vergangener Woche kündigte ihm die Caritas. Seitdem ist der Mann verschwunden. Am Freitag wurde er als vermisst gemeldet; Vertraute fürchten, er könne sich etwas angetan haben.

Die Aufnahmen mit dem Pädagogen waren bereits im Mai entstanden. Caritas-Chef Bieber wirft dem Sender vor, den Arbeitgeber fünf Monate lang nicht über das Fehlverhalten des Mannes informiert und so weitere Opfer riskiert zu haben. Es stelle sich die Frage, sagte er der “Süddeutsche Zeitung”, “ob es dem Sender wirklich um den Schutz der Kinder geht oder doch nur um die Einschaltquote.”

Und so berichtete am vergangenen Samstag die “Bild”-Zeitung über den Fall:

“Bild”-Chefreporter Hans-Jörg Vehlewald erwähnt in seinem Stück keinen einzigen der Vorwürfe gegen die Sendung. Aber selbst wenn man die ganze Kritik für vernachlässigenswert hält, ist es sehr abwegig, den Artikel mit “Bravo, Stephanie zu Guttenberg” zu überschreiben. Anders als Vehlewald behauptet, gehört Stephanie zu Guttenberg, die Ehefrau des Bundesverteidigungsministers und Präsidentin des Kinderschutzvereins “Innocence in Danger”, nämlich keineswegs zum “Reporterteam” der Sendung. Sie war nur Gast in der ersten Ausgabe der Show — nicht einmal der, in der es um den Kinderdorf-Leiter ging. Nach Angaben des Produzenten der Sendung ist sie nicht in die internen Abläufe der Sendung eingebunden.

Frau zu Guttenberg ist natürlich trotzdem eine der wichtigsten Mitwirkenden. Ohne sie wäre das Format vermutlich nicht prominent auf der Titelseite von “Bild” angekündigt worden.

Der Fall ist ein Paradebeispiel dafür, wie das System von Freundschaften und Abhängigkeiten funktioniert, das unter Chefredakteur Kai Diekmann die Berichterstattung von “Bild” prägt. Das Blatt darf zum Beispiel exklusiv die Klage zu Guttenbergs über die Sexualisierung unserer Welt zwischen seine Tittenbilder drucken und arbeitet dafür an ihrer Heiligsprechung. Es ist eine Win-Win-Situation, von der beide profitieren, nur vielleicht die Wahrheit nicht, oder weniger pathetisch formuliert: die Leser.

Heute erfahren sie zwar immerhin, dass “Presserechtler” der Show “Rechtswidrigkeit” vorwerfen (verpackt in einen Absatz, der damit beginnt, dass “die Ministergattin in Teilen der Öffentlichkeit Hohn und Spott für ihr Engagement gegen Kindesmissbrauch erntet”). Der Artikel ist aber ganz im Sinne zu Guttenbergs verfasst, die sich in ihrer der Zeitung auch selbst zu den Vorwürfen äußert. Gegenüber anderen Medien hatte sie eine Stellungnahme abgelehnt.

PS: Auf Seite 1 macht “Bild” heute einen Mann zum “Verlierer” des Tages, weil er Guttenberg und andere dafür kritisiert, sich “mit dem Thema Kinderpornografie ‘im Internet’ profilieren (zu) wollen” und den Missbrauch von Kindern populistisch zu missbrauchen: den Politiker Jörg Tauss, der ein Buch über die “Kinderporno-Lüge” plant. “Widerlich!” urteilt “Bild”.

Klitzekleines Detail: Tauss ist kein SPD-Mitglied; er ist bereits im Juni 2009 aus der Partei ausgetreten. Aber womöglich war das nur ein Versehen von “Bild”.

Mit Dank an Oliver O., Dennis B. und Tbo!

Gong  

Schleichwerbung auf Rezept

Im Frühjahr ist die einstmals renommierte Fernsehzeitschrift “Gong” vom Presserat dafür gerügt worden, dass die Rezepte ihres großen Weihnachtsmenus durchsetzt waren mit Hinweisen auf Produkte der Firma Unilever (BILDblog berichtete). Noch trauriger als die Schleichwerbung an sich ist allerdings der Versuch der Rechtsabteilung der “WAZ”-Gruppe, sie zu rechtfertigen. Der Presserat fasst ihre Stellungnahme so zusammen:

[…] man habe durch die Reaktion von Lesern festgestellt, dass bei der Verwendung spezieller Zutaten eine redaktionelle Produktempfehlung gewünscht sei. Insofern habe man durch die Nennung konkreter Produkte das Informationsinteresse des Lesers bedient. Dies betreffe maßgeblich die Empfehlung von Produkten wie “Suppenliebe Hühnersuppe”, “Cremefine” und “Fix für Nudel-Mozzarella-Gratin”. Der Leser könne aufgrund dieser Hinweise erkennen, welche Art von Zutat Verwendung gefunden habe. Gegebenenfalls könne er, sofern vorhanden, auf Konkurrenzprodukte zurückgreifen, da jedenfalls eine für das Verständnis des Lesers ausreichende Individualisierung durch die Produktnennung erreicht worden sei. Auch sei nicht zu beanstanden, dass das Produkt “Cremissimo-Schokoladeneis” genannt wurde, da dieses aufgrund seiner Konsistenz und Streichfähigkeit besonders gut für die Verwendung im Rahmen des Rezeptes geeignet sei.

Das ist natürlich alles nicht wahr.

In Wahrheit bezieht der “Gong” einen Großteil seiner Rezepte einfach von der Firma Unilever. Die bietet Redaktionen dafür eine eigene Datenbank im Internet, die, wie ihr Name “Rezept & Bild” nahelegt, auch gleich hochauflösende Fotos der Gerichte enthält.

Unilever stellt diese Inhalte kostenlos zur kommerziellen Nutzung zur Verfügung — unter einer Bedingung: Die darin natürlich immer enthaltenen Namen ihrer Marken wie “Knorr”, “Mondamin” und “Rama” müssen genannt werden. In den Nutzungsbedingungen heißt es:

Zulässig ist es, die Produkt-Kategorie zusammen mit einer Marke der Unilever Gruppe in Klammern zu nennen. Bsp.: ‘Bourbon-Vanille (z.B. von Cremissimo))’.

Genau so verfährt der “Gong”. In der vergangenen Woche gab es drei Braten-Rezepte von Unilever mit der entsprechenden Schleichwerbung für Unilever-Produkte (siehe rechts). In dieser Woche dreht sich auf den “Gong”-Rezeptseiten alles um den Kürbis, mit einem Lachsfilet-Rezept von Pfanni, einem Curry-mit-Rind-Rezept von Mondamin, einem Krosse-Plätzchen-Rezept von Rama und einem Putenbraten-Rezept von Knorr.

Mit dem Informationsinteresse der Leser, wie die sich für ihren Qualitätsjournalismus für bekannt haltende “WAZ”-Gruppe behauptet, hat das alles nichts zu tun. Sondern damit, wie Unternehmen die Lücke füllen, die durch sinkende Etats und Qualitätsansprüche in den Redaktionen entsteht, und redaktionelle Inhalte durch werbliche Inhalte ersetzen — sicherlich nicht nur in so harmlosen Bereichen wie Kochrezepten.

Die Rüge des Presserates hat der “Gong” übrigens bereits am 1. April mit einem irreführenden Text veröffentlicht. Sollten sie auch sorgfältige “Gong”-Leser übersehen haben, könnte das daran liegen, dass die Redaktion einen außerordentlich unauffälligen Platz wählte: im Klein- und Kleinstgedruckten zwischen Leserbriefen und Impressum.

Mit großem Dank an Max M.!

Reisen bild.det

Christoph Driessen hat für die Deutsche Presseagentur (dpa) einen Artikel darüber geschrieben, worauf sich Engländer im Deutschlandurlaub vorbereiten sollten und dazu Beispiele aus englischsprachigen “Reiseführern und anderen landeskundlichen Beschreibungen” zitiert.

Mal mit, mal ohne entsprechende Namensnennung und dpa-Kennzeichnung erschien sein Beitrag in zahlreichen Online-Medien. Bei Bild.de dürfte sich der Autor aber ganz besonders freuen, dass sein Name nicht darunter steht:

Briten warnen in Reiseführern vor deutschen Unsitten

Die lockere Einleitung Driessens wurde weggelassen, dafür schreibt Bild.de das:

Es geht schon wieder los: Zur schönsten Ferienzeit schießen britische Reiseführer gegen die Deutschen! Sie warnen, worauf sich ausländische Touristen in Deutschland gefasst machen sollten. Man kann entsetzt sein – oder über diesen Unsinn lachen.

Zum tatsächlichen Inhalt des Artikels passt das nicht. Die zitierten Reiseführer sind nämlich größtenteils weder britisch noch gerade erst “zur schönsten Ferienzeit” aufgetaucht.

Ein Beispiel:

Die erste Enttäuschung der Briten: Leider sehen die Deutschen nicht wie Deutsche aus. Keine Dirndl, keine Lederhosen. “Am ehesten bekommt man diesen Anblick noch in Bayern zu Gesicht”, informiert der Klassiker “Culture Shock Germany” (Kulturschock Deutschland).

Die erste Auflage von “Culture Shock Germany” erschien bereits 1996 und der betreffende Lederhosentext ist wohl seitdem – spätestens aber seit der Auflage von 2005 – darin enthalten. Der Autor ist Amerikaner und kein Engländer.

“Planet Germany” von Cathy Dobson wurde 2007 und damit lange vor der “schönsten Ferienzeit” veröffentlicht. Zwar ist die Autorin Britin, dafür ist ihr Buch kein Reiseführer, sondern ein Erlebnisbericht in Romanform – oder wie sie es selbst auf ihrer Homepage nennt: “a crazy tale of an ex pat’s adventures settling into the Rhineland in Germany”

Es wird noch besser:

Selbst der renommierte “Lonely Planet” schreibt in seiner Deutschland-Ausgabe: Deutsche erscheinen beim ersten Kontakt nicht übermäßig freundlich, aber das müsse man nicht persönlich nehmen, untereinander sind sie genauso kurz angebunden.

Auch hier schießt kein “britischer Reiseführer gegen die Deutschen”: Die in Los Angeles wohnhafte Autorin Andrea Schulte-Peevers ist sogar selbst Deutsche, der “Lonely Planet”-Verlag wiederum sitzt in Australien.

Auch das letzte Buch, aus dem Bild.de zitiert, stammt – wen wundert’s noch? – von einem Amerikaner. Greg Nees’ “Germany Unravelling an Enigma” erschien 2000.

Na, hoffentlich titelt jetzt keine englische Zeitung: “Zur schönsten Ferienzeit schießt eine deutsche Boulevardzeitung ungerechtfertigt gegen die Briten!”

Mit Dank an Pekka R. und Clemens W.

Bild  

Kleine Brücken unter Freunden

Vor über fünf Jahren gab es in BILDblog eine Serie namens “We are the champions”. Es ging darin um die “Bild”-Rubrik “Gewinner des Tages”, die damals vor allem einen Zweck hatte: sich selbst oder Freunden und Geschäftspartnern auf die Schulter zu klopfen. Nach der 46. Kür dieser Art haben wir mit der Reihe aufgehört (und die ungezählten Würdigungen von Helmut Kohl, dem Freund des Hauses und des Chefredakteurs, waren dabei nicht einmal mitgezählt).

Heute ist die Rubrik “Gewinner des Tages” immer noch häufig absurd, aber nicht mehr so lächerlich oder als PR-Instrument durchschaubar wie damals.

Die Atlantik-Brücke allerdings hat immer noch ihren festen Platz als “Gewinner” in “Bild” gepachtet. Die Atlantik-Brücke ist ein Verein, der das deutsch-amerikanische Verständnis fördern will — ein Ziel, dem sich auch die Axel Springer AG und jeder einzelne ihrer Journalisten verpflichtet haben. Kai Diekmann, der Chefredakteur von “Bild”, war bis vor wenigen Monaten Mitglied im Vorstand der Atlantik-Brücke (nicht, dass das je im Blatt erwähnt worden wäre).

“Bild”, 12. April 2002:

Gewinner

Ein Symbol der deutsch-amerikanischen Freundschaft feiert 50-jähriges Jubiläum: die Atlantik-Brücke. Verdienst des Vereins: den Dialog zwischen beiden Ländern zu fördern, das politische und kulturelle Verständnis zu vertiefen. Der Vorsitzende Arend Oetker (63, Foto): “Es ist eine Brücke, die es immer wieder instand zu setzen gilt.”

BILD meint: Was zählt, ist Freundschaft.

“Bild”, 18. April 2002:

Gewinner

Ein Mann, der Brücken schlägt: Ex-US-Präsident George Bush (77) erhielt gestern im Berliner Schloss Charlottenburg den Eric-M.-Warburg-Preis. Die Laudatio hielt Außenminister Joschka Fischer. Mit dem Preis zeichnet der Verein Atlantik-Brücke Bushs Verdienste um die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA aus.

BILD meint: Transatlantisch!

“Bild”, 5. Mai 2003:

Gewinner

Wer über das deutsch-amerikanische Verhältnis redet, kommt an Dr. Beate Lindemann (60) nicht vorbei. Sie kriegt in Washington jeden Gesprächspartner an die Strippe. Die Geschäftsführerin des Vereins Atlantik-Brücke bemüht sich gerade in diesen Tagen um ein gutes Verhältnis zu Amerika. Eine wichtige Aufgabe, die sie mit viel Klugheit und Charme meistert.

BILD meint: Transatlantisch!

“Bild”, 3. Febuar 2004:

Gewinner

Ein Flugkapitän, der Brücken baut: Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber (56) erhält heute in New York den Vernon A. Walters Award für seine Verdienste um die deutsch-amerikanische Partnerschaft. Verliehen wird der Preis vom renommierten Verein Atlantik-Brücke.

BILD meint: Über den Wolken muss die Freundschaft wohl grenzenlos sein.

“Bild”, 11. Juni 2004:

Gewinner

CDU-Politiker Walther Leisler Kiep (78) ist der neue Ehrenvorsitzende des Vereins Atlantik-Brücke. Die Mitgliederversammlung (u. a. Otto Graf Lambsdorff, Hilmar Kopper, Rudolf Scharping) würdigten damit einstimmig Kieps Verdienste um die deutsch-amerikanische Verständigung. BILD meint: Verdiente Ehre!

“Bild”, 16. Juni 2005

Gewinner

Jetzt bekommt die Atlantik-Brücke Flügel: Dr. Thomas Enders (45), Vorstand beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS, wird neuer Vorsitzender des Vereins. Amerika-Freund Enders studierte in Los Angeles, löst Dr. Arend Oetker nach fünf Jahren ab. Die überparteiliche Atlantik-Brücke e. V. setzt sich seit 1952 für die Freundschaft zwischen Deutschland und den USA ein.

BILD meint: Viel Erfolg!

“Bild”, 1. Oktober 2005:

Gewinner

Drei hohe Ehrungen in zwei Monaten für Michael Otto (62): Erst der Bertelsmann-Preis für Jugend- Förderung, dann der Umweltpreis 2005 und jetzt in New York der Vernon A. Walters Award der “Atlantik-Brücke”. 54 000 Mitarbeiter des größten Versandkonzerns der Welt können stolz auf ihren Chef sein.

BILD meint: Otto – find’ ich gut!

“Bild”, 10. Oktober 2005:

Gewinner

Sie baut Brücken zwischen Deutschland und Amerika. Dafür erhält Dr. Beate Lindemann heute in Berlin das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Die Vize-Vorsitzende des Vereins “Atlantik-Brücke” hat u. a. ein Austauschprogramm ins Leben gerufen, das seit 1990 mehr als 3000 ostdeutschen Oberschülern einen einjährigen Aufenthalt in den USA ermöglichte.

BILD meint: Ehre, wem Ehre gebührt.

“Bild”, 15. Mai 2007:

Gewinner

Bei den Verhandlungen zur deutschen Einheit zwischen den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs und den beiden deutschen Staaten spielte Condoleezza Rice (52) 1990 eine entscheidende Rolle. Dafür bekommt die heutige US-Außenministerin am 31. Mai den Eric-M.-Warburg-Preis von der Atlantik-Brücke e. V. verliehen. Die Laudatio hält der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl.

BILD meint: Der Preis ist Rice!

“Bild”, 1. Juli 2009:

Gewinner

Ehrenvolle Aufgabe für Friedrich Merz (53): Der streitbare Politiker ist neuer Vorsitzender der angesehenen Atlantik-Brücke. Merz übernimmt das Amt von Airbus-Chef Enders. Die Atlantik-Brücke ist ein Zusammenschluss von Wirtschaftsführern, Politikern u. a. in Deutschland und den USA mit dem Ziel, die deutsch-amerikanische Freundschaft zu fördern.

BILD meint: Top-Mann für eine Top-Aufgabe!

“Bild”, 30. Juni 2010:

Gewinner

Der alte und neue Vorsitzende der Atlantik-Brücke heißt Friedrich Merz (54). Der Anwalt und Wirtschaftsexperte wurde gestern auf der Mitgliederversammlung des Vereins mit großer Mehrheit wiedergewählt. Die Atlantik-Brücke setzt sich seit ihrer Gründung 1952 für die deutsch-amerikanische Freundschaft ein.

BILD meint: Brückenbauer!

Bemerkenswert ist aber nicht nur, mit welcher Konsequenz “Bild” den Verein über Jahre im Blatt feiert, sondern auch, worüber die Zeitung lieber nicht berichtet. Der Wiederwahl von Merz, die ihn gestern erneut zum “Bild”-“Gewinner” werden ließ, waren nämlich erhebliche Auseinandersetzungen vorausgegangen. Von einer “Schlammschlacht” sprechen die “Süddeutsche Zeitung” und die “Frankfurter Allgemeine Zeitung”, Merz und der Ehrenvorsitzende Kiep hätten sich “wie die Kesselflicker” gestritten, schreibt die “Zeit”. Merz war am 1. Juni schließlich zurückgetreten; auch Kai Diekmann verließ danach den Vorstand. Er wurde laut einem Bericht der Zeitschrift “Capital” dann aber nachträglich Mitglied der Kommission, die einen Nachfolger für Merz finden sollte und, Überraschung: Merz fand. So gesehen hätte Diekmann sich gestern auch selbst zum “Gewinner” erklären können.

Von all den spektakulären Auseinandersetzungen aber fand sich kein Wort, keine Andeutung in der “Bild”-Zeitung, die sonst so gründlich und aufopferungsvoll das Wirken der einflussreichen Organisation begleitet. Das, nicht die Aufnahme in die Rubrik “Gewinner”, ist der wahre Dienst, den “Bild” für Freunde leistet: Schweigen.

Apple, Leserkommentare, VG Wort

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Beten und Steve Jobs danken”
(epd.de, Martin Meuthen)
Martin Meuthen kommentiert das Verhältnis zwischen den Zeitungsverlagen und Apple. “Renommierte Nachrichtenportale schalten Live-Ticker, Fernsehsender bringen Hintergrundberichte, wenn Apple-Guru Steve Jobs gewohnt unrasiert und in einem Aufzug, als käme er gerade aus dem Baumarkt, die neuesten der sogenannten Meilensteine vorstellt. Apple braucht dafür keine Werbung zu schalten, nicht einmal zu machen. Das erledigen die Medien schon von selbst. Kostenlos.”

2. “Test! Test! Test! Test! Test!”
(faz-community.faz.net/blogs/fernsehblog, Peer Schader)
“Aber, ach, machen wir’s kurz und lösen auf: ‘Der große deutsche IQ-Test by RTL 2’ bei RTL 2 war kein Versuch, jedenfalls kein absichtlicher. Sondern einfach – schrecklich langweiliges Fernsehen.”

3. “News Sites Rethink Anonymous Online Comments”
(nytimes.com, Richard Pérez-Peña, englisch)
News-Websites überdenken die Frage, ob sich Leser anonym auf ihren Plattformen äussern sollen dürfen.

4. Interview mit Markus Hofmann
(dirkvongehlen.de)
Markus Hofmann erzählt, wie sich die Lage geändert hat, seit auf badische-zeitung.de nur noch mit Klarnamen kommentiert werden kann. “Wir sind der Meinung, dass ein Klima, in dem gepöbelt wird, in dem man sich beleidigt, einfach nicht zu einer Tageszeitung und zu dem Online-Auftritt einer Tageszeitung passt.”

5. “Vergesst das Online-Image!”
(ftd.de, Lucy Kellaway)
Lucy Kellaway rät zu Gelassenheit, was das eigene Image im Internet betrifft. “Als ich das erste Mal etwas Gemeines über mich las, habe ich mich noch aufgeregt. Aber das Leben ging trotzdem weiter, und niemand sonst hatte das Gemeine überhaupt zur Kenntnis genommen. Beim nächsten Mal war ich schon gelassener.”

6. “Wie ihr als Autor Tantiemen für Online-Texte von der VG Wort bekommt”
(berufung-selbststaendig.de, Elke Fleing)
In einem Whitepaper (PDF-Datei, 9 Seiten) erklärt Elke Fleing, wie man Online-Texte der VG Wort meldet.

Die gekaufte Weihnacht und andere Rügen

Erinnern Sie sich an das traurige Weihnachts-Sparfestessen im “Gong”, das mit plumper Werbung für Produkte der Firma Unilever versetzt war? Das hat auch dem Presserat nicht geschmeckt. Er hat die einstmals renommierte Fernsehzeitschrift wegen dieser Schleichwerbung gerügt.

Insgesamt zwölf Rügen sprachen die Beschwerdeausschüsse jetzt aus. Gleich drei davon richteten sich gegen den Missbrauch von Fahndungsfotos durch Boulevardmedien. Die Polizei hatte jeweils Bilder von Verbrechensopfern herausgegeben, um ihre Identität zu klären. Die Online-Ableger von “Express” und “Bild” veröffentlichten die Aufnahmen von den Leichen aber auch nach dem Ende der Fahndung erneut, teils mehrfach.

In einem Fall ging es um eine geistig behinderte Frau, die grausam ermordet worden war und deren Foto Bild.de zusammen mit Details über den Zustand der zerstückelten Leiche und Einzelheiten aus ihrem Privatleben erneut veröffentlichte. Zusätzlich “unangemessen sensationell” fand der Presserat, dass Bild.de in einem anderen Fall die Leiche einer Jugendlichen wiederholt zeigte (BILDblog berichtete). Ebenso urteilte der Presserat über die Entscheidung von express.de, ein Foto, bei dem man der Leiche “unmittelbar ins Gesicht” blicke, auch nach dem Ende der Fahndung noch einmal zu zeigen.

Der Online-Ableger des Berliner Boulevardblattes “B.Z.” erhielt eine Rüge, weil er die Persönlichkeitsrechte eines jungen Mannes verletzt hatte. Er war im vergangenen Jahr festgenommen worden, weil er verdächtigt wurde, Autos angezündet zu haben. In einer Fotostrecke zeigte die “B.Z.” online Bilder von der Festnahme und nannte diverse Details aus seinem Privatleben. Allein die Tatsache, dass der Vater des Jungen Kommunalpolitiker sei, mache den Verdächtigen nicht zur Person der Zeitgeschichte, urteilte der Presserat. Dass die “B.Z.” anderer Meinung ist (insbesondere vermutlich, wenn es sich um einen Politiker der Linken handelt), demonstrierte eindrucksvoll ihre Titelseite zum Thema (siehe links).

Einen Verstoß gegen die Menschenwürde sah der Presserat in einem Witz, den die Satirezeitschrift “Titanic” in ihrer Online-Ausgabe über den Eisenbahn-Suizid des Torwartes Robert Enke riss. Das Foto zeigt einen Lokführer mit der in “Bild”-Typographie gesetzten Schagzeile: “Jetzt meldet sich der Zugführer zu Wort: ‘Ich habe Enke überlistet!'” Es handele sich dabei nicht um Satire, die auch drastisch, überspitzt und polemisch sein dürfe, sondern um das “reine Spiel mit den Gefühlen der Angehörigen und der Bahnführer, die von einem solchen Geschehen ebenfalls traumatisiert werden”, urteilte der Presserat und sprach eine Rüge aus.

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