Archiv für Juni 21st, 2021

Geil! Geiler! Gosens’ Aussage zu “Bild”-Methoden!

Beim 4:2-Sieg gegen Portugal am Samstag hat Fußball-Nationalspieler Robin Gosens eine starke Leistung gezeigt: ein Tor, zwei Vorlagen, viel Wirbel über die linke Seite. Schon während der Partie hieß es auf der Bild.de-Startseite:

Screenshot Bild.de - Tooooooooooor! Gosens ist unser bester Mann

Und direkt nach dem Spiel:

Screenshot Bild.de - Tor und zwei Vorlagen beim Super-Sieg gegen Portugal - Geil! Geiler! Gosens!

Es dauerte nicht lange, da war vom “EM-Helden” die Rede:

Screenshot Bild.de - Unser EM-Held aus dem Portugal - Als Gosens entdeckt wurde, hatte er noch Rest-Alkohol!

Und so geht der Jubel heute ungebremst weiter: In der “Bild”-Zeitung gibt es für “GIGA-GOSENS” eine große Titelgeschichte plus eine komplette Seite im Sportteil:

Ausriss Bild-Titelseite - Robin Gosens - Polizei lehnte EM-Helden als Azubi ab

Ausriss Bild-Zeitung - Im Sportteil Giga-Gosens! NRW-Polizei lehnte ihn wegen seiner Beine ab. Bild erzählt seine märchenhafte Karriere

Es ist die volle Ladung Gosens: sein ungewöhnlicher Karriereweg (Gosens ist beispielsweise nie in einem Nachwuchsleistungszentrum gewesen), seine “MARKTWERT-EXPLOSION”, seine Verlobte. Die “Bild”-Redaktion entlockt sogar Lukas Podolski ein großes Lob:

Der Ex-Nationalspieler: “Einen wie Gosens braucht jede Mannschaft. Der tut gut, denkt nicht immer nur an Fußball.”

Völlig richtig. Robin Gosens denkt zum Beispiel auch darüber nach, was bei Medien so alles falsch läuft – etwa bei “Bild”. In seinem im April erschienenen Buch “Träumen lohnt sich – Mein etwas anderer Weg zum Fußballprofi” schreibt er über “ein Beispiel aus eigener Erfahrung”. Zusammen mit seinen “besten Kumpels aus der Heimat” war Gosens, nachdem er sich mit seinem Klub Atalanta Bergamo erstmals für die Champions League qualifiziert hatte, zum Feiern nach Budapest gereist. An einem Abend, an dem auch einige Biere im Spiel waren, nahm die Gruppe “aus irgendeiner Laune heraus” auf dem Heimweg ein Straßenschild mit. Gosens postete Aufnahmen von dieser “maximal dummen Aktion” bei Instagram: “Zu der Zeit, sollte man wissen, hatte ich bei Instagram um die 20 000 Follower, also keine allzu große Sache. Dachte ich.” War es dann aber doch:

Mama schickte mir einen Link von Bild.de. Dort lautete die Schlagzeile: “Bergamo-Profi klaut mit Kumpels Straßenschild.” Alleine, dass dort in dieser Kürze überhaupt eine Neuigkeit draus gemacht wurde, verwunderte mich schon, aber der Zusatz, der darüber zu lesen war, machte mich ziemlich fassungslos. “Die Gosens-Bande.” Hallo? Waren wir Juwelendiebe, oder was? Die Gosens-Bande, was soll denn das? Als hätten wir irgendwelche kriminellen Machenschaften am Laufen. (…)

Boulevard hin und oder her, aber aus uns die “Gosens-Bande” zu machen, um den hunderttausend Lesern zu zeigen, was ich für ein Depp war … Das war mir zu viel, ich war halt manchmal auch einfach noch der Junge von früher. Vom Land. Kurz, auf bestimmte Blätter bin ich nicht gut zu sprechen. Deren Methoden gefallen mir nicht.

(Im Buch folgt der selbstkritische Hinweis, dass “wir, die Leser,” dazu beitragen, “dass dieser klickgeile Stil fast schon gang und gäbe ist”. Offenbar seien wir naiv genug, “auf solche reißerischen Überschriften zu klicken, sonst würde es ja nicht funktionieren”. Passend dazu liefern Gosens und dessen Co-Autor Mario Krischel noch eine kritische Betrachtung des KlickbaitPortals “Der Westen”.)

Obwohl ein großer Teil der ausführlichen “Bild”-Berichterstattung auf dem Buch von Robin Gosens basieren (die Geschichte mit dem Restalkohol stammt beispielsweise daraus), spielt dessen Aussage zu den “Bild”-Methoden darin merkwürdigerweise gar keine Rolle.

Mit Dank an Wolfgang T.!

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Offener Brief, Schlechterbezahlung belegt, Laschets verpasste Chance

1. Offener Brief der Autor:innen an die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten
(hoerspielkritik.de, Verband der Theaterautor:innen & Hans-Flesch-Gesellschaft, Forum für akustische Kunst)
Zahlreiche Autorinnen und Autoren befürchten für sie nachteilige Auswirkungen des neuen Medienstaatsvertrags und haben sich deshalb in einem offenen Brief an die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gewandt: “Kunst und Kultur werden in den neuen Medienstaatsverträgen nicht mehr als Auftrag des Rundfunks definiert, sondern lediglich als ‘Angebote’. Die ARD nimmt damit Abschied vom Gedanken der Grundversorgung und wandelt sich schrittweise in einen quasi kommerziellen Anbieter um”. Und natürlich geht es dabei auch ums Geld: “Wir haben die Neugier auf Neues, wir schreiben die Serien, die Dramen und Komödien und auch die crossmedialen Formate des 21. Jahrhunderts. Aber wir nehmen es nicht hin, dass wir nach Honorarbedingungen aus einem anderen Zeitalter bezahlt werden.”

2. Ein Modell mit Schwächen – und Gefahren
(tagesschau.de, Wulf Rohwedder)
Die Idee klingt zunächst gut: “Publikum ist eine Plattform für Schreibende und ihre Leserschaft. Wir bieten Schreibenden die Tools, um mit ihren Texten Reichweite zu bekommen und auch für ihre Arbeit vergütet zu werden.” Das muss sich jedenfalls das Bundesministerium für Wirtschaft gedacht haben, das das Projekt in sein Förderprogramm für innovative Geschäftsmodelle aufgenommen hat. Doch die Macher und Macherinnen scheinen mit der Sichtung der eingereichten Beiträge teilweise überfordert zu sein. Immer wieder würden problematische Inhalte auf der Seite landen.

3. Weiterer Erfolg im Equal Pay-Verfahren: Schlechterbezahlung belegt, Klägerin setzt nun auf Bundesverfassungsgericht
(freiheitsrechte.org, Janina Zillekens)
Bis zum Bundesarbeitsgericht musste sich eine Journalistin hochklagen, um vom ZDF in Form einer Gehaltsauskunft bestätigt zu bekommen, dass vergleichbare männliche Kollegen im Mittel erheblich mehr verdienen. Nora Markard hat das Verfahren für die Gesellschaft für Freiheitsrechte juristisch begleitet: “Die Auskunft erhärtet nicht nur den Diskriminierungsverdacht, sondern zeigt auch, dass der Klägerin jährlich bis zu 18.000 Euro entgehen – das sind ganz erhebliche Summen. Das erklärt, warum der Sender sich bisher mit Händen und Füßen gegen die Auskunftspflicht gewehrt hat.” Sachliche Gründe, warum die Männer mehr verdienen, habe das ZDF bislang nicht überzeugend vortragen können.

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4. Funktioniert das Gendersternchen (und wie)?
(sprachlog.de, Anatol Stefanowitsch)
Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch fasst die Ergebnisse einer Studie über das Gendersternchen zusammen: “Das ‘generische’ Maskulinum ist nicht geeignet, uns neben Männern auch an Frauen denken zu lassen (keine Überraschung, das wissen wir schon lange). Außerdem denken wir bei (fast) jeder sprachlichen Form hauptsächlich an Männer (auch das ist schon lange bekannt). Aber: Das Gendersternchen erhöht signifikant die Wahrscheinlichkeit, dass wir auch an Frauen denken – allerdings nicht stärker als die traditionelle Doppelform (und nicht so stark wie das Binnen‑I)! Wir können also ebensogut weiterhin die Doppelform (Musikerinnen und Musiker) verwenden, um den Effekt des Gendersternchens (Musiker*innen) zu bekommen.” In Bezug auf das Problem der Unsichtbarkeit nicht-binärer Menschen sei das Gendersternchen nicht die Lösung, sondern nur ein erster Schritt.

5. Laschet sagt Kanzlerkandidaten-Runde mit Rezo und Tilo Jung ab
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Den Youtubern Rezo und Tilo Jung ist es nach eigenen Angaben gelungen, Olaf Scholz, Spitzenkandidat der SPD, und Annalena Baerbock, Spitzenkandidatin der Grünen, für ein Online-Kanzlerduell auf Youtube und Twitch zu gewinnen. Von Armin Laschet (CDU) gab es jedoch eine Absage, was von vielen als Kneifen und verpasste Chance empfunden wurde. Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband kommentiert in eine ähnliche Richtung: “Nun kann man ja zu Rezo und Jung stehen, wie man will. Aber klar ist, dass sie Interviews anders führen als die meisten Journalisten des Berliner Politikbetriebs und damit den Journalismus bereichern. Und sie erreichen junge Menschen – auch und gerade solche, die sich ausschließlich in Social Media informieren. Ein Triell auf Youtube wäre eine gute Ergänzung zu den Fragerunden der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender gewesen.” Die CDU habe gegenüber netzpolitik.org darauf verweisen, dass “viele digitale Formate für alle Zielgruppen von jung bis alt” mit Laschet geplant seien.

6. ARD, ZDF und die Frage: Ist unser Fernsehen zu Nostalgie-beschwipst?
(dwdl.de, Peer Schader)
Peer Schader beschäftig sich in seiner aktuellen Medien-Kolumne mit dem “Nostalgiefernsehen-Fernsehen”. Mit liebevoller Wehmut denkt er an die guten, alten Zeiten des linearen Fernsehens zurück und fragt sich: “An was aber erinnern sich Menschen in 30 oder 40 Jahren dann aus dem Programm von heute? Welche Show aus diesem irren Jahr 2021, in dem die erste Pandemie des Jahrhunderts zu Ende ging, läuft zu Ostern in der Wiederholung? Und auf welchem Gerät überhaupt?”

7. Shitstürme und Fake News in unsozialem Medium: Das BILD-kritische Buch von Mats Schönauer und Moritz Tschermak
(scilogs.spektrum.de, Markus Pössel)
Ausnahmsweise ein siebter Link, da in eigener Sache: Bei den “SciLogs” stellt Markus Pössel das “Bild”-kritische Buch meiner BILDblog-Kollege Moritz Tschermak und Mats Schönauer vor: “Wer sowieso schon nach dem Max-Goldt-Zitat von BILD als ‘Organ der Niedertracht’ gehandelt hat, wird sich durch die von den Autoren zusammengetragenen und dokumentierten Beispiele bestätigt sehen.”