Archiv für Mai 26th, 2021

Mit Freigabe, ohne Verpixelung

Vielleicht könnte es ein Warnsignal für eine Redaktion sein, dass in ihrer (geplanten) Berichterstattung etwas mächtig schiefläuft, wenn sie in einer Bildunterschrift einen Satz einfügen muss, mit dem sie offenbar zeigen will, dass das, was sie da macht, immerhin nicht rechtlich, sondern nur ethisch höchst zweifelhaft ist. “Die Familie hat das Foto freigegeben”, schreibt “Bild” heute extra zu einer Aufnahme, die riesig in der gedruckten Ausgabe und auch auf der Bild.de-Startseite zu sehen ist:

Ausriss Bild-Zeitung - Er ist der einzige Überlebende des Seilbahn-Horrors vom Lago Maggiore - E. (5) weiß noch nicht, dass seine Familie tot ist

Die Unkenntlichmachung haben wir eingefügt – in den “Bild”-Medien sind die vier Personen gänzlich unverpixelt abgebildet, ihre vollen Namen werden genannt. Drei von ihnen, die Mutter, der Vater und das zweijährige Kind, sind am vergangenen Sonntag bei dem Seilbahnunfall in Italien gestorben. Der fünfjährige Sohn hat schwerverletzt überlebt. Seine Urgroßeltern, die auf dem Foto nicht zu sehen sind, sind bei dem Unglück ebenfalls ums Leben gekommen.

Muss eine Redaktion wirklich alles zeigen, was sie zeigen darf? Sollte sie nicht, ob nun aus Rücksichtnahme, aus Respekt vor Persönlichkeitsrechten und Verstorbenen oder schlicht aus Mitgefühl, freiwillig eine Verpixelung einfügen? Wenigstens bei dem Zwei- und dem Fünfjährigen? Wie sehr sollte sie die Freigabe einer Familie ausnutzen, die diese offensichtlich in einer emotionalen Extremsituation ausgesprochen hat? Und entbindet eine solche Freigabe von jeglicher redaktioneller Verantwortung?

Die “Bild”-Medien haben ihre Antworten auf diese Fragen anscheinend gefunden. In einem anderen Artikel zeigt Bild.de ein weiteres Foto des fünfjährigen Jungen, ebenfalls ohne Unkenntlichmachung. Als Quelle gibt die Redaktion an: “Foto: Facebook”. Andere Medien haben sich dazu entschlossen, in ihrer Berichterstattung die Gesichter der Familie zu verpixeln.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Festgenommener Blogger, Subvention nicht funktional, Wahlvorbereitung

1. Freilassung gefordert
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen reagiert auf die erzwungene Umleitung eines Passagierfluges nach Belarus, um den regimekritischen Journalisten und Blogger Roman Protasewitsch zu verhaften: “Ein Flugzeug zu einer ungeplanten Landung zu zwingen, um einen Journalisten und Blogger zu verhaften, markiert eine extreme Eskalation der Verbrechen des Regimes von Alexander Lukaschenko in Belarus. Reporter ohne Grenzen fordert von der Europäischen Union als Reaktion auf diesen perfiden Gewaltakt angemessene und deutliche Sanktionen. Der in Minsk verhaftete Blogger Roman Protasewitsch muss auf der Stelle freigelassen werden.”
Weiterer Lesehinweis: “Der festgenommene Blogger Roman Protassewitsch wird in Belarus in den Staatsmedien vorgeführt. Vieles deutet dabei jedoch auf Folter hin.” – Erst schlagen, dann schminken (taz.de, Barbara Oertel).

2. “Eine Subvention der Zustellung gedruckter Zeitungen ist nicht funktional”
(medienpolitik.net, Helmut Hartung)
Christopher Buschow ist Juniorprofessor für Organisation und vernetzte Medien an der Universität Weimar und einer der Autoren eines Gutachtens über Innovationsförderung im Journalismus (PDF). Im Interview mit medienpolitik.net spricht Buschow über das Scheitern der Presseförderung und mögliche Schlussfolgerungen daraus.

3. Soaps, Magazine, Trielle: Das planen die Privaten zur Wahl
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Die Privatsender bereiten sich mit viel Einsatz und einiger Akribie auf die bevorstehende Bundestagswahl vor. Sie dürften im Wahlkampf wohl eine größere Rolle spielen als noch 2017, glaubt Timo Niemeier. Vor allem RTL und ProSieben gäben sich ambitioniert, aber auch RTL2 wolle in der Berichterstattung zur Wahl mitmischen.
Weiterer Lesehinweis: “Wenn Deutschlands beliebtester Polit-Talk ‘Anne Will’ demnächst pausiert, laufen an seiner Stelle Krimis. Politik schiebt die ARD in die Nacht.” – Morde im Wahlsommer (taz.de, René Martens).

Bildblog unterstuetzen

4. Petra Gerster vor ihrer letzten “heute”-Sendung
(faz.net)
Heute präsentiert Petra Gerster zum letzten Mal die ZDF-Nachrichten, dann wolle sie sich in den Ruhestand verabschieden. Gerster arbeitet seit 1989 für das ZDF. Viele Jahre lang war sie Redakteurin und Moderatorin beim Frauenjournal “ML Mona Lisa”, später führte sie durch die “heute”-Nachrichten. Wer mehr über Gerster erfahren will, kann sich anschauen, wie sie im Jahr 2005 porträtiert wurde: Und dann deutet sie ein Lächeln an (faz.net, Felicitas von Lovenberg).

5. Nach Trump-Verbannung: Florida verbietet sozialen Netzen Sperrung von Politikern
(heise.de, Martin Holland)
Der republikanisch regierte US-Bundesstaat Florida hat es Sozialen Netzwerken untersagt, Kandidaten und Kandidatinnen für öffentliche Ämter länger als 14 Tage zu sperren. Das Gesetz sei eine direkte Antwort auf das Vorgehen von Twitter, Facebook und Co. gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Ob das Gesetz Bestand haben wird, sei jedoch fraglich. Laut “New York Times” seien ähnliche Gesetzesvorhaben in anderen US-Bundesstaaten inzwischen im Sande verlaufen.

6. Der Weg in die Rebellion
(sueddeutsche.de, Fritz Göttler)
Fritz Göttler macht in der “Süddeutschen Zeitung” auf eine Reihe seiner Ansicht nach sehenswerter DDR-DEFA-Filme in der ARD-Mediathek aufmerksam.