Mit Freigabe, ohne Verpixelung

Vielleicht könnte es ein Warnsignal für eine Redaktion sein, dass in ihrer (geplanten) Berichterstattung etwas mächtig schiefläuft, wenn sie in einer Bildunterschrift einen Satz einfügen muss, mit dem sie offenbar zeigen will, dass das, was sie da macht, immerhin nicht rechtlich, sondern nur ethisch höchst zweifelhaft ist. “Die Familie hat das Foto freigegeben”, schreibt “Bild” heute extra zu einer Aufnahme, die riesig in der gedruckten Ausgabe und auch auf der Bild.de-Startseite zu sehen ist:

Ausriss Bild-Zeitung - Er ist der einzige Überlebende des Seilbahn-Horrors vom Lago Maggiore - E. (5) weiß noch nicht, dass seine Familie tot ist

Die Unkenntlichmachung haben wir eingefügt – in den “Bild”-Medien sind die vier Personen gänzlich unverpixelt abgebildet, ihre vollen Namen werden genannt. Drei von ihnen, die Mutter, der Vater und das zweijährige Kind, sind am vergangenen Sonntag bei dem Seilbahnunfall in Italien gestorben. Der fünfjährige Sohn hat schwerverletzt überlebt. Seine Urgroßeltern, die auf dem Foto nicht zu sehen sind, sind bei dem Unglück ebenfalls ums Leben gekommen.

Muss eine Redaktion wirklich alles zeigen, was sie zeigen darf? Sollte sie nicht, ob nun aus Rücksichtnahme, aus Respekt vor Persönlichkeitsrechten und Verstorbenen oder schlicht aus Mitgefühl, freiwillig eine Verpixelung einfügen? Wenigstens bei dem Zwei- und dem Fünfjährigen? Wie sehr sollte sie die Freigabe einer Familie ausnutzen, die diese offensichtlich in einer emotionalen Extremsituation ausgesprochen hat? Und entbindet eine solche Freigabe von jeglicher redaktioneller Verantwortung?

Die “Bild”-Medien haben ihre Antworten auf diese Fragen anscheinend gefunden. In einem anderen Artikel zeigt Bild.de ein weiteres Foto des fünfjährigen Jungen, ebenfalls ohne Unkenntlichmachung. Als Quelle gibt die Redaktion an: “Foto: Facebook”. Andere Medien haben sich dazu entschlossen, in ihrer Berichterstattung die Gesichter der Familie zu verpixeln.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!