1. Verschlüsselung von Messenger-Diensten nicht aushebeln! (netzwerkrecherche.org)
Die Organisationen Netzwerk Recherche und Reporter ohne Grenzen sorgen sich aufgrund der gesetzliche Verpflichtung für Softwareanbieter, “Generalschlüssel” bereitzuhalten, um die Vertraulichkeit von Messenger-Gesprächen. In ihrem Offenen Brief an den Rat der Europäischen Union, das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium des Innern heißt es: “Die Beibehaltung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist für den Schutz der Pressefreiheit von entscheidender Bedeutung.”
2. Neue digitale Heimat für Trump-Anhänger (deutschlandfunk.de, Sinje Stadtlich, Audio: 5:05 Minuten)
Seit Facebook und Twitter verstärkt gegen Falschinformationen vorgehen, wechseln viele Anhänger von Donald Trump zu alternativen Netzwerken wie Parler. Bekannte Politiker wie der Republikaner Newt Gingrich wechseln mit. Kommunikationswissenschaftler Adam Chiara sieht darin jedoch keine Massenbewegung und warnt: “Wir dürfen uns durch diese alternativen Plattformen nicht von dem Grundproblem ablenken lassen. Nur weil Facebook jetzt etwas genauer hinguckt und einige Gruppen löscht, bietet die Plattform ja trotzdem private Gruppen und Messenger, die nicht überwacht werden, wo Nutzer in einem geschützten Raum Falschinformationen verbreiten können.”
3. Die Macht der Bilder (tvthek.orf.at, Video: 10:43 Minuten)
Vor etwa zwei Wochen hat der Terroranschlag in Wien gezeigt, wie verantwortungslos manche Redaktionen in ihrer Berichterstattung vorgehen. Obwohl das österreichische Innenministerium und die Wiener Polizei aus guten Gründen darum gebeten hatten, keine Videos oder Fotos vom Tathergang zu veröffentlichen, wurde teilweise ungefiltert alles übertragen, was sich irgendwie übertragen ließ. Der ORF-Beitrag beleuchtet die verschiedenen Aspekte des medialen Vorgehens.
4. Googles Macht im Medienmarkt (de.ejo-online.eu, Roman Winkelhahn)
Ingo Dachwitz und Alexander Fanta haben im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung untersucht, welche Medienhäuser und journalistischen Projekte in Deutschland von Google finanziell unterstützt wurden beziehungsweise werden. Roman Winkelhahn hat mit Fanta über die Ergebnisse sowie über Googles Innovationsförderung gesprochen. Die Absicht des Datenkonzerns sei offensichtlich, so der Studienautor: “Das Geld von Google ist ja eine PR-Kampagne, das sagen selbst Leute, die Teil der Förderprogramme sind. Ich glaube, dass es sogar mehr als das ist. Es ist eine Art Stakeholder-Lobbying, bei dem quasi gezielt Schlüsselakteure angesprochen werden und über das Geld eine Art Gesprächsbrücke geschlagen wird. Man hat auf einmal eine strukturierte und durch Großzügigkeit ausgestaltete Beziehung.”
5. Wie Umfragen unseren Denkhorizont beschränken (medienwoche.ch, Marko Ković)
Bei der aktuellen US-Wahl hätten die Umfragen und Prognosen ziemlich danebengelegen, teilweise noch weiter als bei der Wahl vor vier Jahren. Abgesehen von der geringen Aussagekraft, würden Umfragen der Demokratie schaden und den Fortschritt hemmen, so Marko Ković in seiner lesenswerten Argumentation: “Der Nutzen von Umfragen ist weitaus geringer als ihr Schaden. Unsere politische Kultur wäre ziemlich sicher ein Stück weit offener, wilder, ideenreicher, würden wir nicht so an den Lippen der Umfrage-Auguren hängen. In einer Welt, in der wir nicht darauf konditioniert sind, gut zu finden, was eine vermeintliche Mehrheit in Umfragen gut findet, hätten wir viel mehr intellektuelle Freiheit, uns stärker mit Inhalten und Argumenten zu beschäftigen; auch dann, wenn diese auf den ersten Blick weit hergeholt wirken mögen.”
6. Tweets, Fleets & Flops (gutjahr.biz)
Twitter erweitert seine Funktionen: Unlängst kamen Sprachnachrichten (“Voice Tweets”) hinzu, nun sind es die “Fleets”, die sich nach 24 Stunden von selbst wieder löschen. Nächstes Jahr sollen “Spaces” folgen. Dabei handelt es sich um geschlossene Gruppen, die dem Austausch von Audio-Nachrichten dienen. Richard Gutjahr ordnet die neuen Möglichkeiten ein: “Sie zielen alle nicht allein auf Reichweite, sondern auf ein diverseres, User*innen-freundlicheres Umfeld. Vor allem Frauen werden in Sozialen Netzwerken häufig von Männern sexualisiert und gedemütigt. Durch Fleets, Spaces und weitere Funktionen (zum Beispiel die Möglichkeit, die Kommentierung unter den eigenen Tweets einzuschränken), versucht Twitter, die Plattform bunter und freundlicher zu gestalten.”
1. “Auf unsere Nachfrage kam dann irgendwann gar nichts mehr” (deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz, Audio: 6:32 Minuten)
Vor allem der Hartnäckigkeit der “taz” ist es zu verdanken, dass Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier zugeben musste, sich eine Waffe bei mutmaßlichen Rechtsradikalen besorgt zu haben. Der Deutschlandfunk hat sich mit Christina Schmidt aus dem “taz”-Rechercheressort über den bedenklichen Fall unterhalten, den der CDU-Politiker als “Privatsache” verstanden haben will.
2. Einzelfälle (journalist.de, Sebastian Pertsch & Udo Stiehl)
Wenn Medien und dienstliche Stellen in letzter Zeit von einem “Einzelfall” sprechen, so ist dies beileibe kein Einzelfall: Das Wort sei seit rund 20 Jahren ein Evergreen in den Nachrichtenmedien, schreiben Sebastian Pertsch und Udo Stiehl. In Ihrer Rubrik “Floskel des Monats” erklären die Autoren, was es mit dem Begriff auf sich hat, wann er sich anbietet, und welche Alternativen in Frage kommen.
3. “Informationen in den Vordergrund” (taz.de, Christian Rath)
Jost Müller-Neuhof, Korrespondent des Berliner “Tagesspiegel”, hat ein Urteil gegen das Kanzleramt erwirkt. Danach haben Journalisten und Journalistinnen das Recht zu erfahren, mit wem sich die Kanzlerin zu sogenannten Hintergrundgesprächen getroffen hat und worum es dabei ging. Müller-Neuhof sei Transparenz wichtig: “Es muss für die Öffentlichkeit erkennbar sein, wenn die Kanzlerin von ihr ausgewählte Medien mit Regierungsinformationen versorgt, die diese dann als eigene Recherche verbreiten, ohne die wahre Quelle zu nennen.”
4. Staatsnahe Besetzung (sueddeutsche.de, Benedikt Frank)
Die Landesmedienanstalt Saarland hat im Januar die CDU-Politikerin Ruth Meyer zur neuen Direktorin gewählt. Eine Wahl, die umstritten ist: Ein juristisches Gutachten habe das Wahlprozedere als verfassungswidrig eingestuft. Benedikt Frank erklärt den Vorgang, bei dem es – wie sollte es anders sein – um Politik zu gehen scheint.
5. Die Frage des richtigen Formats (verdi.de, Günter Herkel)
Auf der Konferenz “Formate des Politischen 2020” ging es auch um die Berichterstattung in der Corona-Pandemie. Neben zahlreichen Medienschaffenden war der Virologe Christian Drosten eingeladen, der von den Schwierigkeiten und Fallstricken der Wissenschaftskommunikation berichtete. Bei einer anderen Gesprächsrunde ging es um Verbesserungspotenziale in der Corona-Berichterstattung.
6. Französischer Radiosender erklärt versehentlich Hunderte Promis für tot (spiegel.de)
Pelé, Königin Elisabeth II. und Brigitte Bardot – die Internetseite des französischen Radiosenders RFI war plötzlich voll von Texten über angeblich verstorbene Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Aufgrund eines technischen Fehlers seien Hunderte von vorbereiteten Nachrufen online gegangen.
1. Die unsichtbare Welle (freitag.de, Lorenz Matzat)
In der Corona-Berichterstattung geht es oft darum, wie Daten visuell aufbereitet werden können, ob mit Daten-Dashboards, Diagrammen oder Karten. So hilfreich Datenvisualisierungen sein können, so sorgsam müssen sie erstellt und gelesen werden. Lorenz Matzat hat dazu zwei Experten befragt: Marcel Pauly, Leiter des Bereichs Datenjournalismus beim “Spiegel”, und Juliane Leopold, Chefredakteurin Digitales von ARD-aktuell. Außerdem geht es in Matzats Text um die Rolle des Robert-Koch-Instituts als “Datenlieferant” und dessen mögliche Versäumnisse.
2. Gendern im Radio – Muss das sein? (deutschlandfunk.de, Ann-Kathrin Büüsker, Audio: 62 Minuten)
In einer Sonderausgabe von “Deutschlandfunk – Der Tag” geht es um ein oft hitzig diskutiertes Thema: geschlechtergerechte Sprache im Radio. Ann-Kathrin Büüsker hat sich dazu mit Christoph Schmitz, dem Leiter der Deutschlandfunk-Musikredaktion, und Bettina Schmieding, der Leiterin der Medienredaktion des Dlf, zusammengesetzt: “Wieso sprechen einige im Deutschlandfunk das Gendersternchen und andere nicht? Wie diskutieren die Redaktionen? Wie finden es die Hörer*innen?” Eine überaus lohnenswerte Hörstunde, in der alle Argumente und Gegenargumente zur Sprache kommen.
3. Was besser wäre, als das Geld des Datenkonzerns zu nehmen (netzpolitik.org, Ingo Dachwitz & Alexander Fanta)
Die Bundesregierung will den Verlagen demnächst eine “Innovationsförderung” von 220 Millionen Euro zukommen lassen. Christopher Buschow hat sich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt – er ist einer der Autoren des Gutachtens zur “Innovationslandschaft des Journalismus in Deutschland”. Im Interview mit netzpolitik.org zeigt sich Buschow skeptisch, was die Zielrichtung der Fördermaßnahme angeht: “Die Definition von Innovation im Förderkonzept ist so weit gefasst und so allgemein, dass jeder Verlag ein ohnehin geplantes Projekt finden wird, was ihn zur Förderung berechtigt. Noch dazu kann die ausgesprochene breite Definition unerwünschte Nebenwirkungen haben: So will das Wirtschaftsministerium u.a. ‘Online-Shops und Rubrikenportale’ fördern – und damit gewissermaßen die Abkehr der Verlage vom eigentlich förderungswürdigen Kerngeschäft des Journalismus. Das muss man erstmal verdauen.”
Weiterer Hörhinweis: Im “Was mit Medien”-Podcast geht es um die Frage: “Wie steckt Google Millionen Euro in den Journalismus, Alex Fanta und Ingo Dachwitz?” Die beiden netzpolitik.org-Journalisten sind Autoren der Studie “Medienmäzen Google – Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt”.
4. Das Filmen einer Vergewaltigung ist keine “Sex-Falle”, liebe Kronen Zeitung (facebook.com/momentat)
In der aktuellen Folge der Rubrik “Gegengelesen” setzt sich das österreichische Magazin “Moment” mit der Berichterstattung der “Kronen Zeitung” über einen Vergewaltigungsfall auseinander. Das Fazit: “Die Berichterstattung über sexualisierte und häusliche Gewalt sowie Frauenmorde ist meist verharmlosend und problematisch. Eine Täter-Opfer-Umkehr und verharmlosende Beschreibungen helfen nicht bei dem Aufzeigen von sexueller Gewalt. Ganz im Gegenteil.”
5. Neue Ideen für den Lokaljournalismus (infosperber.ch, Rainer Stadler)
Der US-amerikanische Lokaljournalismus befindet sich seit längerer Zeit im Niedergang. In den vergangenen Jahren hätten hunderte Blätter den Betrieb eingestellt, es seien zehntausende Stellen gestrichen worden. Doch nun entstehen neue Mitteilungsformen: Newsletter und Podcasts würden in die entstandenen Lücken stoßen. Rainer Stadler berichtet von den neuartigen Versuchen, den Lokaljournalismus zu beleben. Dabei wird klar, dass auch die neuen Ansätze nicht alle Probleme lösen werden.
6. Corona-Clips #besondereHelden: Das ist nicht lustig (rnd.de, Jan Sternberg)
Die Bundesregierung hat zwei ironisch-satirische Videos zur Corona-Pandemie produzieren lassen, bei denen man jungen Leuten beim Gammeln zusehen kann. Die Clips werden recht unterschiedlich aufgenommen. Jan Sternberg kann darüber zum Beispiel nur eingeschränkt lachen: “Wie sollen das Eltern finden, die seit März im Homeschooling-/Homeoffice-/Hotspot-Unterricht-Stress sind? Wie sollen das die wahren Helden finden, für die schon lange keiner mehr klatscht – also Krankenschwestern und Pfleger? Wie diejenigen, die zu Hause nicht Langeweile und Hähnchenschenkel finden, sondern Stress und Gewalt?” Sein Kollege Jonas Leppin vom “Spiegel” ist etwas nachsichtiger: “Würde man alle vorgebrachten Bedenken in einem einzigen Video unterbringen, dann wäre es wohl der langweiligste Spot der Welt.”
1. Urteil gegen Zensurheberrecht: Glyphosat-Gutachten darf veröffentlicht werden (fragdenstaat.de, Arne Semsrott & Phillip Hofmann)
“FragDenStaat”, das Portal für Informationsfreiheit, feiert einen juristischen Sieg: “Wir haben gemeinsam ein kleines Stück Rechtsgeschichte geschrieben: Das Landgericht Köln hat heute entschieden, dass unsere Veröffentlichung eines Glyphosat-Gutachtens keine Urheberrechtsverletzung ist.” Damit sei der Fall jedoch nicht ausgestanden. Das von der Entscheidung betroffene Bundesinstituts für Risikobewertung habe bereits angedeutet, gegen die Entscheidung des Landgerichts in Berufung zu gehen: “Es könnte sein, dass unser Fall in einigen Jahren vor dem Bundesgerichtshof landet und dem Europäischen Gerichtshof zur Schaffung einer europäisch einheitlichen Lösung vorgelegt wird.”
2. “Ich halte den Begriff ‘Einzeltäter’ für irreführend” (jetzt.de, Pia Stendera)
Karolin Schwarz ist nicht nur Journalistin, sondern auch Expertin in Sachen Rechtsextremismus (ihr Buch zum Thema: “Hasskrieger”). Als unabhängige Gutachterin hat sie die Netz-Aktivitäten des Attentäters von Halle untersucht und dazu in einschlägigen Imageboards und Telegram-Gruppen recherchiert. Im Interview mit “jetzt” erzählt Schwarz von ihren Erkenntnissen zum konkreten Fall und zum Thema Rechtsextremismus im Internet allgemein.
3. In der Echokammer der Trump-Anhänger (zeit.de, Johanna Roth)
In Zusammenhang mit der US-Wahl und dem anstehenden Regierungswechsel sehen sich Twitter und Facebook immer öfter gezwungen, Inhalte zu moderieren oder zu löschen. Twitter hat viele Tweets von Donald Trump mit Warnhinweisen ergänzt. Facebook löschte jüngst eine Gruppe, die sich gegen die “gestohlene Wahl” auflehnen wollte und binnen einen Tages auf über 300.000 Mitglieder angewachsen war. Nun suchen sich viele Menschen eine neue digitale Heimat und finden sie bei Parler, einer Plattform für “Free Speech”. Johanna Roth kommentiert: “Parler ist mehr als ein virtueller Pool für die Tränen der Trump-Fans. Es ist eine Echokammer des Schreckens. Ein Ort, an dem man es mit der Angst zu tun bekommen kann, wie düster die kommenden Wochen und Monate noch werden könnten.”
4. Frauen im Fußball – wo das Geschlecht (k)eine Rolle spielt (de.ejo-online.eu, Miriam Jagdmann)
Miriam Jagdmann hat in ihrer Bachelorarbeit untersucht, wie Frauen in der Berichterstattung über Fußball sprachlich dargestellt werden. Geschlechterbilder würden eine besondere Rolle spielen. Jagdmann kommt in ihrer Untersuchung zum Ergebnis, dass die Berichterstattung zwischen den Extremen “Nicht-Beachtung” und “Überbetonung” des Geschlechts schwanke: “Dies war bei allen untersuchten Medien der Fall, nennenswerte Unterschiede gab es nicht.”
5. Von der journalistischen Pflicht, keine Falschaussagen zu verbreiten (medienwoche.ch, Philipp Cueni)
Dürfen Fernsehsender die Übertragung abbrechen, wenn der Präsident zum Volk spricht, wie es jüngst MSNBC, NBC, CBS und ABC bei einer Rede des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump gemacht haben? Bei der “NZZ” verneinte man die Frage und bezeichnete den Abbruch als “Tiefpunkt der politischen Berichterstattung”, als “Machtdemonstration” und “entmündigenden Paternalismus” gegenüber dem Publikum. Der freie Journalist Philipp Cueni kann mit dieser Argumentation nichts anfangen: “Auch ein Staatspräsident hat kein Anrecht darauf, dass seine Reden live verbreitet werden. Die Argumentation, die genannten TV-Sender hätten den ‘Präsidenten um sein Recht der freien Äusserung’ gebracht, wie das die NZZ schreibt, ist falsch. Denn das Recht der freien Äusserung ist nicht zu verwechseln mit einem Recht auf eine Live-Verbreitung durch unabhängige Medien.”
6. Alles, was man nie wollte (sueddeutsche.de, Marlene Knobloch)
Marlene Knobloch hat anlässlich der US-Wahl jede Menge US-amerikanisches Fernsehen konsumiert und ist dabei zwangsläufig mit einer Vielzahl von Werbeclips bombardiert worden. Die werbetreibende Industrie diesseits und jenseits des Atlantiks setze auf unterschiedliche Schwerpunkte: “Während in Deutschland die Verdauungskanäle verstopft sind, quellen in Amerika die Regenrinnen voller Laub über. Wer in den letzten Tagen CNN oder Foxnews schaute, der blickte in den Werbeunterbrechungen in eine Welt aus fahrenden Laubsaugern, Dachrinnenlaubschutz-Filtern, aber auch Ohrenschmalz-Absauggeräten. Es war eine Welt voller Dinge, von denen man nichts wusste, die man nie wollte und die man nicht brauchte. Und alles hatte diese 90er-Ästhetik.”
1. Kriegsreporter: Im Einsatz, wo sonst keiner ist (ndr.de, Gudrun Kirfel, Video: 5:54 Minuten)
Ein überaus empfehlenswerter, da nachdenklich machender TV-Beitrag: Der 74-jährige Ashwin Raman berichtet seit 45 Jahren aus Krisen- und Kriegsgebieten wie dem Irak, Syrien, Afghanistan und Somalia. “Zapp” stellt den Mann vor, der sich nicht als Kriegsreporter, sondern als “Anti-Kriegsreporter” bezeichnet. Eine beeindruckende und leise auftretende Persönlichkeit, die auch heute noch um Aufträge kämpfen muss. Auf seine vielen Preise und Auszeichnungen angesprochen, antwortet Raman: “Du bist ein König für einen Tag. Am nächsten Tag musst Du in der Schlange stehen mit Deinem Exposé.”
2. Die Eskalation der Gewalt (uebermedien.de, Henrik Merker)
Bei der Anti-Corona-Maßnahmen-Demo in Leipzig kam es zu einer Vielzahl von verbalen wie auch körperlichen Angriffen auf die von dort berichtenden Journalistinnen und Journalisten. Die für den Schutz der Presse zuständige Polizei habe vielfach weggeschaut oder die Arbeit der Medien aktiv behindert, so der Vorwurf verschiedener Beobachter. Henrik Merker arbeitet die kritikwürdigen Vorgänge rund um die “Querdenker”-Demo auf.
3. “Einmaliger und neuartiger Angriff auf die Pressefreiheit” (dwdl.de, Alexander Krei)
Das Bundesgesundheitsministerium hat ein Informationsportal zu diversen Gesundheitsthemen ins Netz gestellt und lässt es von Google prominent bewerben. Rudolf Thiemann, Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), ist darüber wenig erfreut und poltert: “Eine solche Verdrängung der privaten Presse durch ein staatliches Medienangebot auf einer digitalen Megaplattform ist ein einmaliger und neuartiger Angriff auf die Pressefreiheit. Schon dass ein Bundesministerium überhaupt ein eigenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen betreibt, ist mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar und ein unannehmbarer Eingriff in den freien Pressemarkt, der sich nach wirtschaftlichen Grundsätzen finanzieren muss.” Auch Burda-Vorstand und VDZ-Vizepräsident Philipp Welte greift zu drastischen Worten: “Das Ministerium deklassiert die freien marktwirtschaftlich organisierten Gesundheitsportale und setzt alle Mechanismen der freien Information und damit der freien Meinungsbildung in unserer Demokratie außer Kraft”.
4. BBC fälschte Papiere (deutschlandfunk.de, Christine Heuer)
Dem BBC-Redakteur Martin Bashir gelang vor 24 Jahre ein Scoop: Er gewann Prinzessin Diana für ein Interview, in dem diese über das englische Königshaus auspackte. Schon lange existierten Vorwürfe, dass Bashir sich das Vertrauen der Prinzessin mit gefälschten Dokumenten erschlichen und sie mit vermeintlichen Beweisen manipuliert habe. Nun soll der Fall nochmal neu untersucht werden.
5. Der, der nicht genannt werden darf (taz.de, Urs Wälterlin)
In Australien stehen derzeit 18 Journalistinnen und Journalisten sowie 12 Medienunternehmen vor Gericht. Sie hatten trotz richterlicher Anordnung über einen Kardinal berichtet, dem Kindesmissbrauch vorgeworfen wurde und der deshalb auch zu einer Haftstrafe verurteilt worden war. Diese Einschränkung der Pressefreiheit sei im australischen Rechtssystem nicht unüblich, werde jedoch von vielen Seiten kritisiert, auch von den Reportern ohne Grenzen.
6. Verschwende deine Jugendzeitschrift (sueddeutsche.de, Quentin Lichtblau)
Der Bauer-Verlag will die Produktion seiner einst so erfolgreichen Jugendzeitschrift “Bravo” an eine externe Redaktion abgeben. Quentin Lichtblau ist skeptisch, was die Zukunft der Pubertierenden-Postille anbelangt: “In einer Welt, in der junge Menschen von politischen Themen längst nicht mehr angeödet sind, sondern sich vielmehr aktiv gegen Sexismus oder Diskriminierung engagieren, wirkte das Heft oft wie aus der Zeit gefallen, etwa mit Tipps und Tricks, wie devote Mädchen süße Boys für sich begeistern können (‘Guck Jungs immer leicht von unten an, das wirkt am süßesten auf Typen’). Aus dem alten Interessen-Dreieck aus Beauty, Mode und Flirttipps sowie dem entsprechend eng gesteckten Körperideal hat sich die Online-Konkurrenz auf den Plattformen Instagram und Tiktok mindestens teilweise emanzipiert.”
1. Pandemie-Leugner Wodarg fordert 250.000 Euro von Volksverpetzer (volksverpetzer.de, Thomas Laschyk)
Die Äußerungen von Wolfgang Wodarg zur COVID-19-Pandemie in Deutschland stoßen bei vielen Wissenschaftlern, Politikerinnen und Medien auf Kritik, so auch beim “Volksverpetzer”. Dagegen setzt sich Wodarg nun mit juristischen Mitteln zur Wehr und besteht laut “Volksverpetzer” nicht nur auf der Abgabe einer Unterlassungserklärung, sondern auch auf Zahlung von 250.000 Euro als angeblichen Schadensersatz. Der “Volksverpetzer” erfährt im Netz derweil eine große Welle der Solidarität.
2. Königlicher Badeurlaub ist kein zeitgeschichtliches Ereignis (lto.de)
Das Landgericht Köln hat es der “Bild”-Redaktion per einstweiliger Verfügung verboten, Urlaubsfotos des niederländischen Königspaares zu veröffentlichen. Die Aufnahmen zeigen König Willem-Alexander und Königin Máxima in Badebekleidung bei einem Yachtausflug in Griechenland und waren offensichtlich mit einem Teleobjektiv geschossen worden. Der Springer-Verlag habe den Beschluss des Gerichts anerkannt. Ihm drohe im Wiederholungsfall ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro.
3. Die Liebe zu Fox News ist erkaltet – plant Trump jetzt einen eigenen TV-Sender? (rnd.de, Imre Grimm)
Lange Zeit war Fox News Donald Trumps Haus- und Hofsender, doch seit einiger Zeit scheint die Liebe erkaltet. Nun hat ein Fox-Moderator die Übertragung einer Live-Pressekonferenz mit den Worten “Ich kann Ihnen das nicht weiter mit gutem Gewissen zeigen” abgebrochen. Imre Grimm kommentiert: “Es scheint, als habe der Sender plötzlich eine menschliche Regung entdeckt, die lange überlagert schien von der gierigen Begeisterung über Trumps quotenträchtige Qualitäten als Entertainer und Menschenfänger: das eigene Gewissen.” Nun würden sich einige Beobachter fragen, ob Trump einen eigenen Sender starten wolle.
4. So niedrig ist der Anteil der Frauen in Berichten von Spiegel, Focus, Bild am Sonntag und Welt am Sonntag (kress.de, Roland Schatz)
Media Tenor, ein Schweizer Unternehmen für Medienanalysen, hat untersucht, wie oft in den vergangenen zehn Jahren in großen Medien wie “Spiegel”, “Focus”, “Bild am Sonntag” und “Welt am Sonntag” über Männer und Frauen geschrieben wurde. Was den Anteil von Frauen in der Berichterstattung betrifft, kommt besonders der “Spiegel” schlecht weg: “Beim Spiegel dominiert also die Einstellung: In erster Linie lohnt es sich über Tätigkeiten von Männern zu berichten, wenn sie ihre Leserschaft über Entwicklungen in Politik und Wirtschaft informieren. 2020 wird seit 2001 das extremste Jahr: in den letzten 20 Jahren spielten Frauen für die Hamburger nie eine unwichtigere Rolle als in diesen Covid19-Zeiten.”
5. Gericht weist Klage gegen Falschmeldung der Polizei ab (netzpolitik.org, Marie Bröckling)
Im Jahr 2017 twitterte die Polizei im Zusammenhang mit der Räumung des linksalternativen Kiezladens Friedel54, dass im Gebäude ein Türknauf unter Strom gesetzt worden sei. Die Meldung verbreitete sich sehr schnell, auch aufgrund der Berichterstattung einiger Medien, stellte sich jedoch später als Falschmeldung heraus. Nun musste sich ein Gericht mit dem Vorgang befassen. Es hat die Klage der Betroffenen jedoch abgewiesen. Der Richter habe Verständnis für den Wunsch der Kläger, ein Grundsatzurteil zum Twittern der Polizei zu erwirken. Es sei jedoch der “richtige Fall zum falschen Zeitpunkt”.
6. Zwei Mal «Streaming» – oder: Die Renaissance der Programmzeitschrift (medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Die Idee einer Streaming-Programmzeitschrift erinnert ein wenig an die guten alten Zeiten, in denen man im Buchhandel noch gedruckte Internet-Adresslisten kaufen konnte. Nick Lüthi hat sich zwei Streaming-Magazine für den deutschen beziehungsweise den Schweizer Markt angeschaut.
Weiterer Lesehinweis: Während die klassischen TV-Sender mit ihren Mediatheken immer mehr zu einer Art Gegen-Netflix werden wollen, testet der Streaming-Anbieter in Frankreich ein lineares Programm, das für alle gleich ist: Man nannte es Glotze (sueddeutsche.de, Claudia Tieschky).
1. “Ihr geht sowieso bald alle hops” (deutschlandfunk.de, Nina Magoley, Audio: 5:16 Minuten)
In letzter Zeit wird immer wieder von Angriffen auf Medienschaffende berichtet, vor allem in Zusammenhang mit den “Querdenken”-Demonstrationen. Journalistenverbände und NGOs beklagen das gewalttätige Auftreten der beteiligten Demonstranten gegenüber Medienvertretern. Laut der Gewerkschaft DJU sollen allein bei der Demo in Leipzig am Samstag mindestens 43 Journalistinnen und Journalisten an ihrer Arbeit gehindert worden sein. Eine unrühmliche Rolle komme dabei der Polizei zu, die oft nur zögerlich eingreife oder gar selbst Medienarbeit behindere.
2. Edit Policy: EuGH könnte Uploadfilter kippen und Berlin blamieren (heise.de, Julia Reda)
“Sollte die CDU gegen ihr Versprechen den Einsatz von Uploadfiltern verlangen, könnte der Europäische Gerichtshof die Richtlinie nächstes Jahr wieder kippen”, so die düstere Prognose der Urheberrechts-Expertin Julia Reda. In ihrem Beitrag zeichnet sie das wenig konsistente Vorgehen der Regierungskoalition nach. Selbst CDU-geführte Ministerien würden in der Sache nicht zusammenarbeiten, sondern unterschiedliche Strategien verfolgen.
3. Live-Medien verschwenden bloss unsere Zeit (infosperber.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler kritisiert die Berichterstattung rund um die US-Präsidentschaftswahlen. Er stört sich sowohl an Frequenz als auch an Tonalität vieler Berichte: “Einschätzungen und Kommentare gehören zum Geschäft der politischen Journalisten. Das sollten diese allerdings mit Fakten und Argumenten tun. Gefühlsausbrüche beschädigen ihr Image, beleidigende Worte umso mehr.”
4. Recherchieren für das Gemeinwohl – wie Stiftungen Journalismus finanzieren (fachjournalist.de, Gunter Becker)
Anna Driftschröer hat sich in ihrer Masterarbeit mit der Förderung des Journalismus durch Stiftungen auseinandergesetzt und dazu mit beiden Seiten gesprochen: den Geldgebern (den Stiftungen) und den Geldempfangenden (den Redaktionen). Wie funktioniert Stiftungsförderung? Wer profitiert davon? Welche Themen werden bevorzugt gefördert? Außerdem liefert der Beitrag Anlaufstellen für weitergehende Informationen.
5. Alexa, richte dich nach diesen Regeln! (sueddeutsche.de, Benedikt Frank)
Der neue Medienstaatsvertrag löst den bisherigen Rundfunkstaatsvertrag ab, der sich weitgehend auf Radio und Fernsehen bezog. Der neue Vertrag soll nun die gesamte digitale Medienwelt erfassen. Benedikt Frank erklärt, was sich für Anbieter und Nutzende geändert hat. Und was sich seiner Einschätzung nach noch ändern wird.
6. Wie unser PUR-Angebot für werbefreies Lesen ankommt (devspiegel.medium.com)
Seit Februar können sich Leserinnen und Leser des “Spiegel”-Onlineangebots für den Besuch einer werbe- und trackingfreien Seite entscheiden: Die “Pur”-Variante kostet rund fünf Euro im Monat. Im Entwicklerblog des “Spiegel” ziehen die Verantwortlichen eine Zwischenbilanz: Von den monatlich mehr als 20 Millionen Unique Usern würden etwa 17.000 das anzeigenfreie Bezahlmodell wählen. Die Zahl hört sich zunächst ernüchternd klein an, liefert jedoch weitere Erkenntnisse.
1. Dieses Interview ist bemerkenswert. (twitter.com, Hendrik Wieduwilt)
Der Journalist Hajo Schumacher hat für den “Spiegel” mit der ehemaligen FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin über deren Kampf mit dem Krebs gesprochen. Die Interviewführung wurde im Netz vielfach als übergriffig und sexistisch kritisiert. An einer Stelle fragt Schumacher beispielsweise: “Sie haben, ob Sie wollten oder nicht, früher das Stereotyp der klassischen Blondine bedient. Was haben Glatze und Perücke mit Ihnen gemacht?” und legt nach einem Protest von Koch-Mehrin nochmal nach: “Nun ist aber gut. Sie haben das Blondinen-Spiel schon sehr gut beherrscht. Sie wussten genau, dass sich in einer Männerpartei viel Aufmerksamkeit auf Sie richtet, dass sie als Mann nicht so fix an die Spitze der FDP marschiert wären.” Der ehemalige “FAZ”-Journalist Hendrik Wieduwilt hat einige interessante Hintergrundinformationen über die Verbindung zwischen Interviewer und Interviewgast, die für einen faden Beigeschmack sorgen. Sein Fazit: “Unterm Strich bleibt ein Interview, das bis zur Überschrift ziemlich auffällig der Profilierung Koch-Mehrins nützt. Es ist schlichte PR, auch wenn sie eingewickelt ist in eine fraglos schreckliche, allerdings auch sehr verbreitete Krankengeschichte.” Die Autorin Fabienne Hurst ergänzt: “Und selbst wenn es gestaged wäre: es ist halt niemandem beim Spiegel aufgefallen, wie sexistisch sich das alles liest bzw: es war denen egal.”
2. Wieso lernt (fast) niemand aus den Fehlern der Terror-Berichterstattung? (uebermedien.de, Holger Klein & Samira El Ouassil, Audio: 56:53 Minuten)
Der Anschlag in Wien hat erneut die Schwächen der Terror-Berichterstattung aufgezeigt. Im “Übermedien”-Podcast sprechen Holger Klein und Samira El Ouassil über das sensible Themenfeld: “Warum hängen wir so atemlos an den Newstickern und unseren Social-Media-Feeds anstatt uns in Geduld zu üben? Wie können Medien besser mit den Taten von Terroristen umgehen, die auf die mediale Wirkung ihrer Taten spekulieren? Wie gelingt medienethische Herzensbildung? Und wie reduzieren wir die Täterbesessenheit von Medien und uns allen?”
3. Ingo Zamperoni: Ein Anchor in unruhiger See (dwdl.de, Peer Schader)
Seit vier Jahren moderiert Ingo Zamperoni die “Tagesthemen” im Ersten. Jüngst erschien von ihm die vielbeachtete Reportage “Trump, meine amerikanische Familie und ich” (Das Erste, 44:04 Minuten). Medienkritiker Peer Schader ist sehr angetan von der Arbeit Zamperonis: “Mit unerschütterliche Ruhe erklärt er seinem Publikum im Ersten die aktuelle Lage – so sachte wie möglich und so direkt wie nötig, ohne überflüssiges Zusatzpathos. Das ist vor allem in Zeiten zunehmender medialer Aufgeregtheit eine Eigenschaft, die man gar nicht hoch genug schätzen kann.”
4. Trump und Fox News – zerbricht die besondere Beziehung? (t-online.de, Johannes Bebermeier & Fabian Reinbold)
Fox News galt lange Zeit als der Haussender Donald Trumps. Doch mit der Meldung des Senders über die Trump-Niederlage in Arizona soll es zu einem dramatischen Bruch der langjährigen und innigen Partnerschaft gekommen sein. Nun werde sogar spekuliert, Trump wolle einen eigenen TV-Sender gründen: “Trump hätte dann einen eigenen Sender ohne einen Hauch von Kritik. Und die einstigen kongenialen Partner Trump und Fox wären direkte Konkurrenten.” Anmerkung des Kurators: Als ob Trump alle Spekulationen widerlegen wollte, hat er in der zurückliegenden Nacht allein zehn TV-Ausschnitte aus Fox-Sendungen getwittert.
5. “Der ist absolut echt, stoßfest und wasserdicht” (sueddeutsche.de, Fabian Dombrowski)
Jörg Schönenborn präsentiert in der ARD regelmäßig Wahlergebnisse und verwendet dafür einen überdimensionalen Touchscreen. Die “Süddeutsche” hat sich mit dem Wahl-Experten unterhalten, dessen Zusammenarbeit mit dem Screen nicht immer reibungslos verläuft. Bei der US-Wahl habe der intelligente Bildschirm bei einer bestimmten Bewegung des Moderators stets die Übersichtsseite zum Bundesstaats Texas geöffnet. Dies habe jedoch nicht an Schönenborns “Texas-Ärmel”, sondern vermutlich an einem Licht-Reflex gelegen.
6. It’s Neoliberalism, Charlie Brown (taz.de, Clara von Hirschhausen)
Apple hat die Rechte an der Zeichentrickserie “The Peanuts” gekauft und will die seit Jahrzehnten beliebten Filme nur dem (zahlenden) Apple-TV-Publikum zugänglich machen. Clara von Hirschhausen kommentiert: “Dass Apple sich mit seiner Entscheidung die Peanuts-Fans zu Feinden gemacht hat, ist vielleicht nicht ganz zufällig. Tatsächlich verkörpert Charlie Brown genau das, was Apple nicht ist: Er ist nachdenklich, oftmals zu langsam, meistens erfolglos – und doch charismatisch. Nicht für seine übernatürlichen Leistungen liebt man ihn, sondern für seine menschlichen Mängel.”
In der Nacht von Montag auf Dienstag sendete “Bild” eine mehr als vierstündige “Bild live”-Sondersendung zum Terroranschlag in der Wiener Innenstadt. Wie schon in den “Bild TV”-Sendungen zu den Anschlägen in Halle und in Hanau zeigte sich auch dieses Mal das grundlegende Problem: Wenn eine Redaktion, die seit Jahren und Jahrzehnten vor allem dadurch auffällt, dass sie schlecht Recherchiertes und Falsches in Umlauf bringt, sich in eine Live-Situation begibt, in der sie unbedingt etwas zeigen und erzählen muss, kann dabei nur eine mittlere Katastrophe rauskommen. Dann werden falsche Gerüchte weiterverbreitet, es wird der Polizeieinsatz gefährdet und Angst gemacht.
Ein paar Beobachtungen von uns.
***
Es dauert nicht mal eine halbe Stunde, da verbreitet “Bild” schon das erste falsche Gerücht. Moderatorin Nele Würzbach sagt:
Jetzt in diesem Moment erreichen uns auch Nachrichten, dass es an einem dritten Ort in Wien zu einer Geiselnahme gekommen sein soll. Wie passt das jetzt in diesen Amoklauf oder diesen Terrorangriff herein? Erst die Schüsse, jetzt also auch eine Geiselnahme.
Der zugeschaltete Terror-Experte Nicolas Stockhammer antwortet:
Es ist mit sehr, sehr großer Wahrscheinlichkeit in einen Zusammenhang zu setzen. Diese Geiselnahme soll sich (…) in einem Schnellrestaurant soll es zu dieser Geiselnahme gekommen sein. Also aus meiner Sicht gibt es einen unmittelbaren Konnex.
Der immer noch zugeschaltete Terror-Experte Stockhammer erzählt:
Aktuell habe ich gerade gehört, dass in der U-Bahnlinie U3 es zu einer Schießerei gekommen sein soll. Und sich das Geschehen da ins U-Bahnnetz verlagert haben soll.
Die Redaktion spielt in Dauerschleife verschiedene Videos aus Wien ein. Sie alle scheinen mit Smartphones aufgenommen worden zu sein und aus den Sozialen Netzwerken zu stammen. Eines zeigt eine Szene vor einem Restaurant: Eine Person liegt in einer Blutlache. Anfangs ist diese Stelle noch verpixelt, später nimmt die “Bild”-Redaktion diese Verpixelung raus.
(Unkenntlichmachung durch uns.)
***
“Bild”-Vizechefredakteur Paul Ronzheimer, der fast die gesamte Sendung über im “Bild”-Studio steht, sagt:
Also wir müssen noch mal zusammenfassen: Es gab also einen Terroranschlag in der Nähe der Synagoge. Wir wissen immer noch nicht, wie viele Menschen getötet oder verletz worden sind. Gleichzeitig gibt es eine Geiselnahme in einem Hotel.
Die Geiselnahme nun also ganz ohne “soll” und inzwischen “in einem Hotel” statt in einem Schnellrestaurant. Ob Ronzheimer dieselbe Geiselnahme meint wie vorhin seine Kollegin Nele Würzbach, ist nicht klar. So oder so: Die Geiselnahme hat es nicht gegeben.
***
Wieder ist Terrorexperte Stockhammer dran. Er sagt:
Es gab zwischenzeitlich Schüsse im Stadtpark. (…) Und man spricht auch davon, dass sich einer der Täter selbst in die Luft gesprengt haben soll.
Nun ist “Bild”-Reporterin Dora Varro zugeschaltet, die vor dem Anschlag zufällig in der Wiener Innenstadt unterwegs war. Sie stellt noch mal alles Falsche als gesicherte Fakten dar:
Es ist klar, dass es eine Geiselnahme gab. Es ist klar, dass es Schüsse beziehungsweise eine Gewalttat in einer U-Bahn gekommen ist. Und mehr wissen wir ehrlicher Weise noch nicht. Also noch nicht, was ich dir als Fakten nennen kann. Das sind die Sachen, die wir ganz genau wissen.
Nichts davon stimmt.
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Obwohl die Wiener Polizei bei Twitter eindringlich darumbittet, keine Videoaufnahmen zu verbreiten, weil dies “sowohl Einsatzkräfte als auch [die] Zivilbevölkerung” gefährde, verbreitet die “Bild”-Redaktion Videoaufnahmen – von Menschen, die in Panik wegrennen, vom Täter, der in einer Gasse um sich schießt, von einem Polizisten, der angeschossen wird, und auch von weiteren Polizisten im Einsatz: wie sie über einen Kreisverkehr rennen, wie sie ein Lokal durchsuchen, wie sie die Innenstadt absichern.
Auf der Bild.de-Startseite heißt es kurze Zeit später:
(Unkenntlichmachung durch uns.)
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Moderatorin Würzbach zitiert aus österreichischen Medien:
Und, ganz wichtig: Sie sagen, dass ein Polizist angeschossen worden ist, und er soll seinen Verletzungen erlegen worden sein. Außerdem berichtet die Krone-Zeitung davon, dass sich einer der Täter selbst in die Luft gesprengt hat. Dies alles aber Medienberichte, noch nichts davon ist bestätigt.
“Bild”-Vize Ronzheimer verbreitet die nicht-existente Geiselnahme noch mal als gesichertes Wissen:
Neben dem Tatort im ersten Bezirk in Wien, in der Nähe der Synagoge, gibt es eine Geiselnahme, die sich in der Nähe im Hilton-Hotel abspielen soll. Das ist das, was wir wissen.
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Moderatorin Nele Würzbach sagt:
Österreichischen Medienberichten zufolge soll sich ein Täter in die Luft gesprengt haben, ein Täter soll bereits festgenommen worden sein.
Es wurde kein Täter festgenommen.
Inzwischen ist Terror-Experte Peter Neumann zugeschaltet. Moderatorin Würzbach fragt ihn:
Manche Medienberichte aus Österreich sprechen von bis zu zehn Tätern. Ist das, kann man das als normal überhaupt bezeichnen in so einer Situation, aber zehn Täter, für was spricht das?
Terror-Experte Neumann spekuliert ein bisschen über Tote:
Ich gehe eher davon aus, dass wahrscheinlich eher so zehn Tote, ein Dutzend Tote mindestens zu beklagen sein werden.
Es wurden vier Menschen vom Attentäter getötet, und dazu der Attentäter durch die Polizei.
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Die “Bild”-Redaktion spielt ein Video ein, auf dem mehrere Menschen vor Polizisten auf Motorrädern weglaufen und die Polizisten auch teilweise angreifen:
Dieses Video stammt nicht aus Wien, sondern aus Barcelona.
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Noch einmal Neumann:
Ich glaube, dass dieser Anschlag von längerer Hand vorbereitet war. Das geht nicht so einfach, dass man innerhalb von wenigen Tagen so eine koordinierte Kampagne auf die Beine stellt.
Es handelte sich nur um einen Täter, es gab also keine “koordinierte Kampagne”.
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Für Moderatorin Würzbach sieht es offenbar so aus, als würde sich der Terror eine Schneise durch Europa schlagen, vom Süden Richtung Norden, mit dem Ziel Deutschland:
Herr Neumann, wenn Sie jetzt sagen: Jetzt kommt die Welle, wie groß muss die Sorge jetzt auch hier in Deutschland sein, dass hier eines der nächsten Ziele dann ist? Wir haben es jetzt in Nizza, in Wien, diese Anschläge kommen immer näher.
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Für Zwischentöne ist bei Bild.de kein Platz. Terror-Experte Peter Neumann sagt bei “Bild live”:
Sollte es sich allerdings als richtig herausstellen, muss man sagen: Das wäre eine absolut unglaubliche Situation, dass es sechs Tatorte gleichzeitig gibt in der Wiener Innenstadt, dass Täter mit Langwaffen herumlaufen. Das wäre wahrscheinlich die größte und koordinierteste terroristische Attacke seit Brüssel und Paris 2015/16. Aber, wie gesagt: großes Aber.
“Sollte”, Konjunktiv, Kojunktiv, “großes Aber”. Im Bild.de-Liveticker wird daraus:
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Nun ist Reporterin Antonia Rados per Telefon zugeschaltet. Auch sie befindet sich in Wien. Und sagt:
Was wir gesehen haben, das ist ja ein ähnliches Szenario, was wir hier in Wien zumindest bisher sehen können, wie der Anschlag auf “Charlie Hebdo”. Wenn Sie sich daran erinnern: Da war auch ein Kommando, das eben losgestürmt ist und dann geschossen hat und versucht hat, dann zu entkommen. Und dass es damals auch eine Geiselnahme ja auch gegeben hat. Gleichzeitig auch immer wieder mehrere parallele Terroranschläge. Sowas ähnliches als Muster scheint es hier heute Abend in der österreichischen Hauptstadt abzulaufen.
In Wien gab es kein “Kommando”. Es gab keine Terroristen, die geflüchtet sind. Es gab keine Geiselnahme. Und es gab auch keine “parallelen Terroranschläge”.
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Gerade mal acht Minuten, nachdem sie all diese unverifizierten Gerüchte verbreitet hat, sagt Antonia Rados:
Wir müssen da im Moment extrem aufpassen, weil natürlich in diesen angespannten Situationen sich alle möglichen Gerüchte verbreiten. Also alles muss auch vorsichtig berichtet werden und dann auch verifiziert werden.
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Immer wieder ist an diesem Abend ein Video zu sehen, auf dem der Attentäter auf einen Passanten schießt. Zuerst in einer Version, in der das Opfer komplett verpixelt ist. Später ist die Unkenntlichmachung verschwunden. Erst in dem Moment, in dem geschossen wird, erscheint eine digitale dunkle Fläche über dem Mann, wodurch man ihn nicht mehr sehen kann. Wiederum etwas später sendet die “Bild”-Redaktion weitere Aufnahmen, in denen sich Polizisten um den am Boden liegenden Mann kümmern. Dort ist er nicht mehr verpixelt, es gibt auch keine dunkle Fläche, die ihn vor den Blicken der “Bild live”-Zuschauer schützt.
(Unkenntlichmachung durch uns.)
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“Bild”-Chefreporter Frank Schneider beschreibt diese Videoaufnahmen. Aus dem Vorgehen des Täters schließt er:
Was wiederum doch ein Stück weit zeigt, dass es dort offenbar eine Ausbildung gegeben hat, denn das ist das typische vorgehen, was Dschihadisten in ihrer Ausbildung in arabischen Ländern bekommen.
Der Täter soll zwar den Plan gehabt haben, sich dem sogenannten “Islamischen Staat” in Syrien anzuschließen. Er ist allerdings in der Türkei daran gehindert und wieder nach Österreich geschickt worden. Eine “Ausbildung in arabischen Ländern” hat er nicht bekommen.
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Jetzt ist Hans Mahr im “Bild”-Studio angekommen. Mahr war früher unter anderem RTL-Chefredakteur und soll nun als Berater für “Bild TV” tätig sein. Er erzählt:
Eine Frau, die ich persönlich kenne, hat mir berichtet: Sie war in einem Lokal (…), da wurden die Leute alle in den ersten Stock raufbefördert und dort evakuiert. Von dort haben sie zuschauen können, wie vier der Terroristen, wir haben vorher den Film gesehen, vier der Terroristen entwaffnet wurden und festgenommen wurde.
Die Personen, die auf einem Video zu sehen sind, das auch “Bild live” zeigt, sind nicht “vier der Terroristen” – es gab nur einen, und der wurde zuvor von der Polizei erschossen. Sie dürften auch mit den Anschlag nichts zu tun haben und dementsprechend nicht “entwaffnet” worden sein. Jedenfalls werden sie später bei Pressekonferenzen der österreichischen Regierung nicht weiter erwähnt.
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Antonia Rados ist wieder zugeschaltet. Sie verbreitet das nächste falsche Gerücht:
[Die Polizisten] sagten, ich müsste sofort hier weg. Das war in der Nähe vom Stadtpark übrigens, wo sich angeblich, das ist jedenfalls eine der Informationen, die wir haben, wo sich angeblich eine Gruppe von Terroristen verstecken soll.
Diese “Gruppe von Terroristen” gab es nicht.
Moderatorin Nele Würzbach nimmt sich noch einmal die vermeintliche Festnahme von vier vermeintlichen Tätern vor:
Aber auch eine Festnahme. Herr Mahr, Sie hatten davon auch berichtet, dass Augenzeugen das dann gesehen haben. Vier Männer sieht man da, die dann oberkörperfrei festgenommen worden sind. Das alles spricht also dafür, dass es tatsächlich mehr als eine Handvoll von Tätern insgesamt dann gab. Wir sehen hier also dieses Video einer Verhaftung, konnten auch mit einer Augenzeugin sprechen, die das Ganze gesehen hat. Hier, vier Männer, einer der Angreifer soll tot sein, mindestens einer noch immer auf freiem Fuß. Vielleicht sogar zwei. Das heißt, wir sprechen von sechs, sieben Tätern mindestens, die jetzt hier in Wien also diesen Terrorangriff vollzogen haben.
Es gab nur einen Täter.
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Ex-RTL-Mann Hans Mahr hat “nicht nur Gerüchte” im Angebot, “sondern fast schon Mitteilungen”:
Es gibt in der Zwischenzeit, wir haben hier gerade neue Meldungen bekommen. Nicht nur Gerüchte, sondern fast schon Mitteilungen, dass es bis zu sieben Tote sein könnten, die dieses Attentat gefordert haben kann.
Es waren nicht sieben Tote.
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Und noch einmal Hans Mahr:
Man darf auch nicht vergessen: Das Erstaunliche bei diesem Attentat war, dass es so viele Täter, so viele, die miteinander verbunden waren, hier in Aktion getreten sind. Bei all den anderen Anschlägen waren es ein, zwei, drei Täter. Diesmal sprechen wir von minimum sechs Tätern, manche Berichte sogar von zehn.
Auch das: komplett falsch.
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Natürlich könnte man jetzt sagen: Ja, gut, hinterher ist man immer schlauer. Und exakt das ist der Punkt: Weil man vorher meist ziemlich ahnungslos und damit ziemlich anfällig für falsche Gerüchte ist, sind “Bild live”-Sondersendungen zu “Breaking News” so gefährlich.