Archiv für Juli, 2020

Scheuers Spielchen, Dubiose Internet-Gurus, Welterklärer

1. Scheuers Spielchen mit den Medien
(tagesschau.de, Martin Kaul & Antonius Kempmann)
Dass Ministerien und Behörden zur Presse manchmal nicht das beste Verhältnis haben, ist bekannt. Ein interessantes Beispiel liefert derzeit das Ministerium von Andreas Scheuer. Interne Mails aus dem Bundesverkehrsministerium würden zeigen, wie man dort versucht habe, kritische Berichterstattung zu erschweren. Einige dem WDR und NDR vorliegende Dokumente würden gar dokumentieren, “wie der Minister Anweisung gab, die Arbeit eines ‘Spiegel’-Journalisten bei der Aufarbeitung der Maut-Affäre zu konterkarieren”.
Weiterer Lesetipp: Daniel Bouhs kommentiert: Scheuers PR-Tricks werden Folgen haben! (ndr.de).

2. Dubiose Internet-Gurus: Wenn 14-Jährige das große Geld versprechen
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
In den Sozialen Netzwerken tummeln sich unzählige Online-Coaches, die den gutgläubigen Interessentinnen und Interessenten Reichtum, Erfolg und ein sorgloses Leben versprechen. Oft mit allerlei Tricks: Da wird geschwindelt, getäuscht und manipuliert. Da verspricht dann schon einmal ein 14-Jähriger seinen potenziellen Kunden und Kundinnen den lang ersehnten “Ausbruch aus dem Hamsterrad”. Matthias Schwarzer hat sich einige der Online-Gurus und deren fragwürdige Coachingangebote angeschaut.

3. Mehrere dicke Enden auf einmal
(taz.de, Erica Zingher)
Mit dem Popmagazin “Spex” und dem Berliner Stadtmagazin “Zitty” werden gleich zwei jahrzehntelang existierende Projekte eingestellt. Der Grund für das zweifache Aus sollen die coronabedingt fehlenden Werbeeinnahmen gewesen sein, doch ist das die einzige Wahrheit? Erica Zingher wirft einen Blick in die Vergangenheit und geht der Frage nach, ob es schon zuvor Anzeichen für das nahende Ableben beider Magazine gegeben hat.

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4. “Die Hautfarbe war nie ein Hinderungsgrund”
(sueddeutsche.de, Kathleen Hildebrand)
Der Musiksender Viva ist auch heute noch ein positives Beispiel für Diversität in den Medien. Kathleen Hildebrand hat sich mit dem früheren Viva-Chef Dieter Gorny über das Musikfernsehen von damals unterhalten und ihm die Frage gestellt, warum das deutsche Fernsehen heute so gleichförmig aussehe: “Es hat, was Diversität, aber auch was Innovation angeht, eine jahrzehntelange Minus-Entwicklung gegeben. Es gibt eine Kluft zwischen Fernsehen und Popkultur. Das normale Mainstream-Fernsehen begreift sich eher nicht als Trendscout und produziert für eine Gesellschaftsstruktur, die es so eigentlich immer weniger gibt.”

5. Thomas Fischer erklärt die Welt
(lto.de, Pia Lorenz)
Es gibt bereits einige beliebte Podcasts zu Rechtsfragen, doch der allergrößten Beliebtheit erfreuen sich True-Crime-Formate. Im SWR2-Podcast “Sprechen wir über Mord?!” erklärt der bekannte Kolumnist und Ex-Bundesrichter Thomas Fischer seinen Mit-Podcastenden Viktoria Merkulova und Holger Schmidt seine Sicht auf einen konkreten Fall beziehungsweise darauf, was bei diesem Fall das tatsächliche Problem sei. “Ein echtes Hörvergnügen für alle, die True Crime und Strafrecht lieben”, findet Pia Lorenz in ihrer Rezension.

6. Über eine Million US-Dollar pro Post trotz Corona: Das ist die “Instagram Rich List 2020”
(omr.com, Torben Lux)
OMR hat sich die aktuelle “Instagram Rich List” angeschaut, die wiedergibt, welcher Star am meisten für einen (werblichen) Instagram-Post kassiert. Auch wenn die Liste wegen ihrer vielfach nur geschätzten Zahlen mit Vorsicht zu genießen sei, gebe sie einige aufschlussreiche Hinweise. Angeführt wird die Tabelle vom Schauspieler und ehemaligen Wrestler Dwayne “The Rock” Johnson, der für einen Werbe-Post rund eine Million Dollar aufrufen könne.

Geldsegen für Verlage, Nazi-Tattoo, Upskirting und Unfallfotos

1. Verlage bekommen 200 Millionen Euro Fördergelder
(wuv.de, dpa)
Die Große Koalition will die deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage in den nächsten Jahren mit maximal 220 Millionen Euro fördern. Das gehe aus einem Entwurf der Fraktionen für den zweiten Nachtragshaushalt 2020 hervor, der dieser Tage beschlossen worden ist. Hintergrund sei die “Förderung der digitalen Transformation des Verlagswesens zur Förderung des Absatzes und der Verbreitung von Abonnementzeitungen, -zeitschriften und Anzeigenblättern”. Die für dieses Jahr ursprünglich geplanten Förderung der Zeitungszustellung mit 40 Millionen Euro solle es stattdessen doch nicht geben.
Weiterer Lesehinweis: ver.di fordert “klare Kriterien und Bedingungen für die Verteilung der am 2. Juli vom Deutschen Bundestag beschlossenen staatlichen Fördergelder für Verlage in Höhe von 220 Millionen Euro. ‘Wer von öffentlichen Geldern profitieren will, der muss auch die Einhaltung tariflicher Standards, gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Vergütung nachweisen’, verlangte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz.” – Geldsegen für Verlage nicht bedingungslos (verdi.de).

2. WDR zeigt Urlauber mit Nazi-Tattoo
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Ein WDR-Team ist nach Mallorca geflogen, um sich anzuschauen, unter welchen Bedingungen deutsche Durchschnitts-Touristinnen und -Touristen dort derzeit urlauben. Natürlich musste auch ein Interview vom Ballermann dabei sein, und an dieser Stelle beginnt das Problem: Ein interviewter deutscher Tourist trug deutlich sichtbar Tätowierungen aus dem rechtsextremen Umfeld – darunter ein Symbol, dessen Verwendung teilweise strafbar sei. Das RedaktionsNetzwerk Deutschland hat beim WDR nachgefragt, wie es dazu kommen konnte.

3. Helden der Informationsfreiheit
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen hat eine Liste der “Heldinnen und Helden der Informationsfreiheit” (PDF, englisch) veröffentlicht. Dort werden Medienschaffende gewürdigt, die sich in der Corona-Krise in besonderem Maß für freie Berichterstattung eingesetzt haben. Die Liste umfasse exemplarisch 30 Journalistinnen, Whistleblower, Medien und Vereinigungen, die mit besonderem Mut und Hartnäckigkeit über die Pandemie berichtet hätten.

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4. Wo Ziesel wetzen und Vögel fischen
(faz.net, Kai Spanke)
“FAZ”-Redakteur Kai Spanke hat in die gestern ausgestrahlte Arte-Naturreportage “Die Moldau – Der goldene Fluss” reingeschaut und war wenig begeistert. Als störend empfand Spanke die geringe Sorgfalt beim Umgang mit dem Material und die offensichtlichen Schummeleien: “Hat wirklich ein Adler den Fisch fallen gelassen oder ein Mitglied des Filmteams? Wie viel Zeit verging zwischen den einzelnen Teilen der Sequenz? Ist sie überhaupt an der Moldau gedreht worden? Gerade mal die Hälfte der Dokumentation haben wir zu diesem Zeitpunkt geschafft, ihre Glaubwürdigkeit ist jedoch schon verloren.”

5. Bundestag stellt Upskirting und Unfallfotos unter Strafe
(spiegel.de)
Der Bundestag hat eine Gesetzesverschärfung verabschiedet, die das sogenannte Upskirting unter Strafe stellt. Darunter versteht man heimliche Fotos unter den Rock oder in den Ausschnitt. Auch das Fotografieren und Filmen von Unfalltoten ist nun verboten – die bisherigen Regeln bezogen sich nur auf lebende Unfallopfer. Zudem habe der Bundestag nach jahrelangen Diskussionen die Werbung fürs Rauchen beziehungsweise für Tabakprodukte weiter eingeschränkt.

6. Offen­sicht­liche Wer­bung muss nicht gekenn­zeichnet werden
(lto.de)
Die Rechtsprechung zur Kennzeichnung von Influencer-Werbung ist an deutschen Gerichten nicht einheitlich. Dies mag daran liegen, dass die Materie neu und die Lage nicht immer eindeutig ist. In einem aktuellen Urteil habe das Oberlandesgericht Hamburg entschieden, dass offen­sicht­liche Wer­bung nicht unbedingt und in jedem Fall gekennzeichnet werden müsse. Anlass war eine Instagrammerin mit 1,7 Millionen Followerinnen und Followern, die verschiedene Anpreise-Posts nicht als Werbung gekennzeichnet hatte und deswegen von einem Wettbewerbsverband abgemahnt worden war.

Unbekannter Pionier, “Coolibri” vor dem Aus, Google und die Verleger

1. “Sind die Bilder erst einmal im Netz, ist alles zu spät”
(zeit.de, Lisa Hegemann)
(Triggerwarnung: Kindesmissbrauch) Familienrechtler Rudolf von Bracken vertritt seit mehr als drei Jahrzehnten Betroffene von Kindesmissbrauch vor Gericht. Im Gespräch mit “Zeit Online” erklärt er, wie Betroffene Missbrauchsabbildungen aus dem Internet bekommen (gar nicht), warum es für die Bekämpfung von dokumentiertem Kindesmissbrauch keine Vorratsdatenspeicherung braucht, und warum er sowohl auf den Staat als auch auf die Gesellschaft wütend ist: “Weil der Missbrauch unter den schlafenden Augen des Staates passiert. Weil die Gesellschaft all das weiß oder zumindest ahnt. Aber sie guckt einfach weg, und das schon immer.”

2. Paywall: “Tagesspiegel” führt neues Bezahlangebot ein
(dwdl.de, Alexander Krei)
Unter dem Namen “Tagesspiegel Plus” führt der “Tagesspiegel” ein kostenpflichtiges Angebot für ausgewählte Inhalte ein. Das neue Abo koste 9,99 Euro im Monat und werde vom “Tagesspiegel”-Geschäftsführer in feinstem Marketingsprech gepriesen: “Nachdem wir die ‘Leser Experience’ konsequent optimiert haben, runden wir gemäß unserer subscription first strategy mit ‘Tagesspiegel Plus’ unser Digitalabo-Angebot ab”.

3. Ruhrpott-Magazin “Coolibri” vor dem Aus
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
37 Jahre nach der ersten Ausgabe droht dem Ruhrpott-Magazin “Coolibri” das wirtschaftliche Aus. Gedruckte Stadtmagazine hätten es bereits vor der Corona-Krise schwer am Markt gehabt. Doch nun könnten die wegbrechenden Anzeigenerlöse die unheilvolle Entwicklung beim Veranstaltungsmagazin mit Sitz in Dortmund beschleunigt haben.

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4. Google will News, und umgekehrt
(taz.de, Steffen Grimberg)
Die Zeitungsverleger liegen seit Jahren mit Google im Clinch. Der Suchmaschinenriese würde ihre Inhalte ausbeuten und das Anzeigengeschäft kaputt machen. Eine Folge des Wehklagens war das Leistungsschutzrecht, das sich für die Verlage jedoch aus verschiedenen Gründen nicht ausgezahlt hat. Nun gebe es überraschend Anzeichen für eine Kooperation zwischen den verfeindeten Parteien.

5. Auf der Suche nach mehr als Brosamen
(sueddeutsche.de, Claus Hulverscheidt)
Die renommierte “New York Times” steigt bei Apples Journalismus-Flatrate-Angebot Apple News aus. Claus Hulverscheidt kommentiert: “Der US-Finanzsender CNBC etwa berichtete vor einiger Zeit, viele Medien erlösten über das in Deutschland nicht erhältliche Apple-News-Angebot gerade einmal wenige Zehntausend Dollar im Monat. Für ein Unternehmen wie die New York Times, das im Jahr einen Umsatz von 1,8 Milliarden Dollar erwirtschaftet, ist das kaum der Rede wert. Überlegt man zudem, dass die Zusammenarbeit mit Apple zwar die Reichweite erhöht, zugleich aber die Vermarktung der eigenen, bezahlpflichtigen App erschwert, erscheint die Entscheidung des Blattes nachvollziehbar.”

6. Ein unbekannter Pionier aus Leipzig
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 5:20 Minuten)
Kaum jemand kann etwas mit dem Namen Timotheus Ritzsch anfangen, dabei hat der Mann vor genau 370 Jahren die Tageszeitung erfunden. Der Deutschlandfunk erinnert an den Verleger und hat mit dem Medienwissenschaftler Uwe Krüger sowie mit Stephanie Jakobs vom Buch- und Schriftmuseum über die Bedeutung des Mediums Tageszeitung gesprochen.

Wirecard-Berichterstattung, “Medien-Doktor”, Fremder Fame

1. Zuerst wurden die Journalisten verdächtigt
(deutschlandfunk.de, Christopher Ophoven, Audio: 6:21 Minuten)
Jahrelang berichtete die “Financial Times” über die Unregelmäßigkeiten beim Finanzdienstleister Wirecard. Dies bekam auch die zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit. Doch anstatt Anzeige gegen das mittlerweile insolvente Unternehmen zu stellen, dem auf rätselhafte Weise 1,9 Milliarden Euro abhanden gekommen sind, von denen unklar ist, ob es sie jemals gab, erstattete die Behörde Anzeige gegen die Journalistinnen und Journalisten.

2. Es gibt jetzt einen Medien-Doktor für Ernährungsjournalismus
(medien-doktor.de, Marcus Anhäuser)
Beim “Medien-Doktor für Ernährungsjournalismus” geht es darum, wie Redaktionen über Lebensmittel, Ernährungsformen, Diäten und Substanzen berichten, und um die Frage, was gut und was schlecht läuft in der Berichterstattung. Das Forschungsprojekt untersuche Beiträge aus deutschen Medien, in denen positive oder negative Effekte von Ernährung beschrieben werden. Einer der Projektverantwortlichen erklärt das Ziel: “Mit dem Medien-Doktor Ernährung möchten wir die Verbraucher sensibilisieren, nicht jedem Heilsversprechen in den Medien Glauben zu schenken. Wir schaffen Transparenz, indem wir die Quellen und dahinter liegenden Studienergebnisse überprüfen.”

3. YouTube löscht sechs bekannte rechtsextreme Kanäle
(spiegel.de)
Vor ein paar Tagen machte Reddit das Forum “The_Donald” dicht, in dem sich rund 800.000 Trump-Sympathisanten, Rassisten, Verschwörungsmystiker und Anhänger der neurechten Alt-Right-Bewegung tummelten. Die Video-Plattform Twitch sperrte gar den Kanal des US-Präsidenten, wenn auch nur zeitweilig (weiterführende Infos). Nun hat Youtube sechs der bekanntesten rassistischen und rechtsextremen US-Kanäle geschlossen: den des rechtsnationalen Richard Spencer und seines “National Policy Institute”, die Kanäle eines Ex-Ku-Klux-Klan-Anführers und eines neurechten Bloggers sowie das Magazin “American Renaissance” mitsamt seines Podcast-Angebots.

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4. Attila Hildmann ist der am schlechtesten vorbereitete Verschwörungstheoretiker Deutschlands
(vice.com, Theresa Locker)
Der vom Kochbuchautor zum Verschwörungserzähler gewandelte Attila Hildmann sei erstaunlich einfach schachmatt zu setzen, findet Theresa Locker: “Man könnte Hildmann sogar als den am schlechtesten vorbereiteten Anhänger von Verschwörungsmythen bezeichnen – sobald jemand nachhakt, kommt er schneller ins Straucheln, als er seinen Telegram-Pin eintippen kann.” Im direkten Gespräch und wenn es um Quellen für seine Behauptungen gehe, wirke Hildmann oft schlicht und ratlos, “was ihn fast schon sympathisch macht, würde es nicht um hasserfüllte Ideologien gehen, die er verbreitet.”

5. Ein gefährlicher Präzedenzfall
(taz.de, Niklas Franzen)
Ein brasilianischer Kolumnist der Deutschen Welle habe auf seinem Twitter-Account eine satirische Abwandlung eines historischen Zitats veröffentlicht, die sich gegen die engen Beziehungen zwischen der Regierung des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und den fundamentalistischen Pfingstkirchen richtet. Der Journalist wurde dafür nicht nur von Bolsonaro-Fans angefeindet und bedroht, sondern verlor auch seinen Job bei der Deutschen Welle (DW). Niklas Franzen kommentiert: “Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Druck der Rechten ausschlaggebend für die Entscheidung der DW war.”

6. “FameMaker”: Hat Stefan Raab seine neue Show nur abgekupfert?
(rnd.de, Thomas Kielhorn)
Vor drei Wochen habe der Fernsehsender ProSieben den Start einer völlig neuen Musikcomedyshow verkündet, die von Stefan Raab entwickelt worden sei. Bei “FameMaker” würden die Kandidatinnen und Kandidaten unter einer schalldichten Glaskuppel vor der Jury performen. Ob es sich tatsächlich um eine Erfindung Raabs handelt, sei fraglich: Das Konzept ähnele auffällig dem südkoreanischen Erfolgsformat “I Can See Your Voice”, das von RTL für den deutschen Markt eingekauft wurde und im Sommer gesendet werden soll.

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