Manchmal ist “Bild”-Chef Julian Reichelt auch zuvorkommend. Denn eigentlich hätten wir zu seinem besorgniserregenden Tweet von gestern Abend erstmal den passenden Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch raussuchen müssen, um ihm die Falschheit seiner Überlegungen zeigen zu können. Reichelt war aber so freundlich, diesen Paragrafen, der ihm widerspricht, als vermeintliches Argument selbst mitzuliefern:
Natürlich sind “‘Träume’ von Gefährdern” vom deutschen Rechtsstaat geschützt, wie Träume jeder anderen Person vom deutschen Rechtsstaat geschützt sind. Das zeigt auch Paragraf 89a des Strafgesetzbuchs, den Reichelt in seinem Tweet verlinkt und der ziemlich klar regelt, wann es sich um eine strafbare “Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat” handelt. In Absatz 2 steht dazu:
Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er
1. eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,
2. Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder
3. Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.
Das Träumen von einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat wird in dem Paragrafen, den Julian Reichelt zum Beweis der Strafbarkeit vom Träumen von einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat anführt, nicht erwähnt.
Nach der Reicheltschen Selbstwiderlegung bleiben noch die “terroristischen Planspiele”, von denen er schreibt. Diesen Ausdruck hat allerdings nicht eine andere Person in die Debatte eingebracht, sondern Reichelt selbst.
Harald Staun schrieb in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” mit Bezug auf einen Reichelt-Text, der am vergangenen Freitag in “Bild” erschienen ist:
Besonders schlimm aber findet Reichelt das bekannte Dilemma, dass der Rechtsstaat auch jene schützt, die ihn verachten, solange sie nicht gegen die Gesetze verstoßen. Er schützt auch jene Menschen, die “das Bier in der Kneipe und die Bikinis an den Stränden” verachten, seien es Weintrinker, Kulturtouristen oder Islamisten. Und er verbietet nicht einmal, davon zu träumen, Busse, Bahnen oder Verlagshäuser in die Luft zu sprengen. Doch einen Rechtsstaat, der nicht schon böse Absichten bestraft, würde Reichelt gerne abschaffen
Reichelt ärgerte sich bei Twitter über Stauns Text und wandelte dabei innerhalb von zwei Sätzen das Träumen in “Planspiele” um:
Nur haben Harald Staun und die “FAS” nie von “Planspielen” gesprochen — diese Umdeutung stammt allein von Julian Reichelt.
In den Antworten auf seinen Tweet von gestern versuchen andere Twitter-Nutzer, Julian Reichelt zu erklären, was bei seinen Überlegungen alles schiefläuft. Aber ob ihn überhaupt interessiert, was für einen Unsinn er verzapft?