Archiv für August, 2017

Überzeugt uns nicht, Pekings Komplizen, Gamescom und Politik

1a. BILDblog braucht Deine Hilfe — unterstütze uns bei Steady
(bildblog.de)
Hier beim BILDblog sieht es finanziell nicht gut aus. Wenn sich nichts ändert, müssen wir den Laden Ende September dichtmachen. Deswegen brauchen wir Dich, um die Zukunft von BILDblog zu sichern. Helfen ist ganz einfach: Bei Steady kannst Du uns monatlich oder jährlich per Lastschrift, Paypal oder Kreditkarte unterstützen. Unser wichtigstes Ziel: Bis zum 30. September brauchen wir 2000 Euro monatliche Einnahmen direkt von Euch, unseren Leserinnen und Lesern. Dann kann es hier auch im Oktober weitergehen.
Unterstütze uns auf Steady

1b. Ich bin nicht überzeugt!
(jetzt.de, Berit Dießelkämper)
Mit „Überzeugt uns! Der Politikercheck” wollte die ARD junge Menschen erreichen, doch die von Ronja von Rönne und Ingo Zamperoni moderierte Politiksendung ging gründlich schief. Berit Dießelkämper hat sich ihren Frust in einem Offenen Brief an das Fernsehen von der Seele geschrieben: „Du hältst uns für zu doof, um komplexe politische Vorgänge zu verstehen. Anstatt etwas zu riskieren und mit uns auf Augenhöhe zu sprechen, fütterst du uns mit videoclipartigen Wissensschnipseln. Aber weißt du, die, die es eh nicht interessiert werden es nicht gucken, da kannst du das Format noch so hip machen. Und die anderen fühlen sich verarscht.“
Andere Medien teilen die Kritik: Die „Frankfurter Rundschau“ spricht von einem Desaster und Boris Rosenkranz stöhnt auf „Übermedien“ entnervt: „Dann lieber Katzen-GIFs“

2. Sollen Internetkonzerne Nazis die Infrastruktur entziehen?
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Jüngst kündigten mehrere große IT-Firmen einer amerikanischen Neonazi-Webseite die Verträge oder verbannten sie von ihren Diensten. Dadurch entzogen sie der Webseite die Infrastruktur, sie ist nur noch beschwerlich als Hidden Service im Tor-Netzwerk erreichbar. Nun wird diskutiert, ob marktmächtige Unternehmen in die Inhalte eingreifen dürfen oder sich neutral verhalten sollten. Markus Reuter fasst den Stand der komplizierten Debatte zusammen.

3. Breitbart ist das Portal der Frustrierten
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Trump-Berater Stephen Bannon ist zur rechtspopulistischen Nachrichtenseite “Breitbart” zurückgekehrt. Entsprechend martialisch verkündete er: “Ich habe meine Hände zurück an den Waffen. Ich verlasse das Weiße Haus und ziehe für Trump gegen seine Widersacher in den Krieg.” Doch „Breitbart“ habe an Einfluss verloren: Die Besucherzahlen seien gesunken, der Werbeboykott einiger Firmen sorge für sinkende Werbeeinnahmen und die großspurig angekündigten Expansionspläne seien erstmal bis auf weiteres verschoben. Das kann sich jedoch alles ändern, denn man munkelt von weiteren Finanzspritzen des amerikanischen Milliardärs Robert Mercer.

4. Pekings Komplizen
(taz.de, Pola Kapuste)
Der älteste Verlag der Welt, „Cambridge University Press“, kam den Zensurwünschen Chinas nach und löschte 300 akademische Texte. Man verteidigte sich mit dem Argument, man wolle mit der Zensuraktion sichergehen, dass andere Artikel in China verfügbar blieben. Erst nach internationalem Protest und Boykottandrohungen revidierte der Verlag seine Entscheidung. Einer der zensierten Autoren spricht von einem „unumkehrbaren Schaden“.

5. Katholische Medien in Polen – nah am Staat?
(de.ejo-online.eu, Patricia Averesch)
Seit die nationalkonservative PiS-Partei in Polen an der Macht ist, stehen konservative Werte im Vordergrund. Die Gesellschaftsvorstellungen von Politik und katholischer Kirche rücken wieder näher zusammen, befindet Patricia Averesch und wirft einen kritischen Blick auf die katholischen Medien. Es ließe sich jedoch nicht sagen, so ihr Fazit, dass die katholischen Medien in Polen als Instrument der Regierungspartei dienen: „So gespalten wie die katholischen Medien gegenüber der PiS-Partei scheinen, ist auch die Bevölkerung Polens.“

6. Politik ist auch nur ein Spiel
(zeit.de, Eike Kühl)
Erstmals wurde die Videospielmesse Gamescom von der Bundeskanzlerin eröffnet. Der prominente Auftritt kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die Beziehungen zwischen Games und Politik in Deutschland nicht ohne Spannungen sind. Einige Entwickler wünschen sich mehr Wertschätzung und Fördermittel und verweisen auf die teilweise besseren Bedingungen im Ausland.

Schmähvokabel Staatsfunk, Sicherheitsrisiko Seibert, Trend

1. “Liebesbrief” an die FAZ-KollegInnen
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz)
„Deutschlandfunk“-Autorin Brigitte Baetz hat den Kollegen von der „FAZ“ einen öffentlichen Brief zukommen lassen. Anlass ist die von der Zeitung wiederholt verwendete Vokabel vom „Staatsfunk: 
„Immer wieder druckt Ihr dieses böse Wort vom Staatsrundfunk. Wo es doch in Deutschland seit dem Fall der Mauer gar keinen mehr gibt. Denn – glaubt es oder nicht – der Rundfunk ist in unserem demokratischen Land staatsfern organisiert. Das will die Verfassung so – und die Richter am Bundesverfassungsgericht erst Recht. Und irgendwie verstehen wir nicht, warum Ihr das nicht versteht.“
Auch der Journalist Stefan Fries kritisiert anhand von Beispielen die regelmäßig auftretenden „Staatsfunk“-Schmähungen. Diese seien fern von Meinungsäußerung und hätten Methode: „Es handelt sich in der Permanenz dieser Zuschreibungen vielmehr um eine Kampagne gegen die öffentlich-rechtlichen Medien.“

2. Risiko für die Meinungsfreiheit
(taz.de, Pascal Beucker)
Pascal Beucker kommentiert in der „taz“ den Entzug der Akkreditierungen einiger G20-Journalisten. Von keinem der vor dem G20-Gipfel beschuldigten Journalisten sei eine Gefahr ausgegangen. Das Sicherheitsrisiko hätte vielmehr an anderer Stelle bestanden: „Wenn also jemand im Zusammenhang mit dem Hamburger G20-Gipfel als „Sicherheitsrisiko“ eingeschätzt werden kann, dann neben dem Bundeskriminalamt wohl vor allem das Bundespresseamt mit seinem Leiter Seibert. Denn dessen fragwürdiges Agieren war und ist ganz sicher ein Risiko für die Presse- und Meinungsfreiheit.“

3. Nicht auszurechnen
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Als es in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ hieß, der Rundfunkbeitrag würde von € 17,50 auf € 21 steigen, war die Empörung groß. Dabei liegt dem die Modellrechnung zugrunde, was passieren würde, wenn man den Beitrag Jahr für Jahr fix um jeweils 1,75 Prozent anhöbe. Dann wäre er 2029 nämlich glatte 20 Prozent teurer. Die Idee, den Beitrag an einen Index zu koppeln, sei jedoch längst nicht beschlossene Sache und werde auch intern kritisch gesehen. Wie und ob die Idee einer Indexierung weiterverfolgt wird, werde sich erst beim Treffen der Intendanten im September erweisen. „Bis dahin wird der Beitragserhöhungszirkus noch an manchem Ort seine Zelte aufschlagen und immer wieder laut und “exklusiv” mit den 21 Euro für 2029 trommeln. Hereinspaziert!“

4. Artikel zwischen Werbung
(detektor.fm, Lucas Kreling & Benjamin Fredrich)
Das „Katapult Magazin“ hat nachgezählt wie hoch der Werbeanteil bei deutschen Printmagazinen ist. Das Ergebnis: In Zeiten sinkender Auflagen ist Werbung noch dichter geworden und macht beim Spitzenreiter „Zeit Magazin“ ein Viertel aus. Danach kämen die Finanzmagazine „brand eins“ und die „Wirtschaftswoche“. Hier würden die Werber einkommensstarke Leser erwarten und besonders gern inserieren. „detektor.fm“-Moderator Lucas Kreling hat mit Benjamin Fredrich vom „Katapult-Magazin“ über Anzeigen in Zeitschriften, Zielgruppen und die Toleranz der Leser gesprochen.

5. „Aufreger lassen sich nicht planen“
(fr.de, Danijel Majic & Leo Fischer)
„Titanic“-Redakteur Leo Fischer wurde jüngst vom „Zeit-Magazin“ gebeten, für eine Woche als „Gast-Twitterer“ zu fungieren. Eine Ehre, die vor ihm schon „viele führende Journalisten“ innehatten. Nach einigen satirisch eher harmlosen Tweets drehte Fischer auf und meldete den Tod des Ex-Fußballprofis Mehmet Scholl und einen Atomangriff auf die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang. Im Interview plaudert er über seinen anschließenden Rauswurf, Medien und Medienmacher, brennende Autos und dickmachende Burger. Zum Abschied gibt er dem Interviewer von der „Frankfurter Rundschau“ noch seine persönliche Wertung über dessen Arbeitgeber mit auf den Weg: „Ich vergleiche die FR gerne mit Monica Lierhaus. Erst sehr beliebt, dann eine schreckliche Katastrophe. Doch nach und nach kommt sie wieder auf den Damm, fängt wieder von vorne an und macht allen Leuten Hoffnung.“

6. Wohin sich die Welt bewegt
(herrfischer.net, Martin Fischer)
Vor einem Jahr hat Martin Fischer den Social-Bot @liegtimtrend eingerichtet, der automatisch alles twittert, was Medienberichten zufolge „im Trend“ liegt. Zeit für eine Zwischenbilanz …

Reddit-User erfindet Jürgen-Klopp-Zitat – und alle glauben es

Jürgen Klopp wird von vielen Leuten ja so sehr gemocht, weil er immer mal einen lockeren Spruch draufhat. So einen zu Beispiel:

Teammanager Jürgen Klopp vom FC Liverpool hat mit Humor auf die Gerüchte um einen Wechsel seines Mittelfeld-Stars Philippe Coutinho zum FC Barcelona reagiert.

“Morgen bietet Barcelona uns dann bestimmt ein Happy Meal an. Und wir bekommen auch ein Spielzeug dazu”, sagte Klopp nach dem 1:0-Sieg gegen Crystal Palace zu Journalisten, die sich nach dem aktuellen Stand im Transfer-Theater erkundigt hatten.

Doch, doch, das soll Klopp tatsächlich so salopp gesagt haben. Und deswegen hat sport1.de gestern daraus auch einen eigenen Artikel gemacht:

Screenshot von sport1.de - FC Liverpool Jürgen Klopp witzelt über Barca-Interesse an Coutinho - Klopp Happy Meal für Coutinho

Und auch die Sport-Nachrichtenseite des Pay-TV-Senders “Sky”, skysport.de, hat den Klopp’schen Witz in ihrem Transfer-Ticker aufgegriffen:

Screenshot skysport.de - Klopp Happy Meal mit Spielzeug - Jürgen Klopp nimmt die tagtäglichen Wechsel-Gerüchte um Philippe Coutinho mit Humor. Morgen bietet Barcelona uns dann bestimmt ein Happy Meal an. Und wir bekommen auch ein Spielzeug dazu, sagte der Coach des FC Liverpool nach dem Sieg gegen Crystal Palace. Englische Medienberichte über ein abgelehntes 130-Millionen-Angebot konnte der 50-Jährige aber nicht bestätigen.

Und nicht nur die zwei Portale berichteten. Die ganze Welt berichtete. In Großbritannien, in Portugal, in Spanien, in Brasilien, in Frankreich, in Polen, so gut wie überall.

Ist ja auch zu witzig, diese Sache mit dem “Happy Meal”. Stammt aber gar nicht von Jürgen Klopp, sondern von Reddit-Nutzer sarkie. Der fasste ein kurzes Interview von Jürgen Klopp mit einer brasilianischen Journalistin sehr, sehr frei zusammen, nachdem ein anderer Reddit-User geschrieben hatte “Video not available, can someone summarize it?”:

She says

“With the rumours of Barca paying £130m for Coutinho, will he leave?”

Klopp says

“They didn’t offer that, we said no, yet they offered, I think tomorrow they will offer a McDonald’s Happy Meal and we get the toy as well!?”

Big Grin

Turns to reporter

Fades to black

Eine derartige Passage kommt nicht ansatzweise in dem kurzen Video (nur aus Brasilien abrufbar) vor. Sie ist reine Fantasie.

Nachdem unter anderem das Team des “Liverpool Echo” sich nicht mal die Mühe gemacht hat, kurz das Interview anzuschauen, und seinen Lesern das falsche Klopp-Zitat als echtes verkauft hat, twitterte sarkie:

Mit Dank an Dennis M. für den Hinweis!

Sehen alle gleich aus (16)

Bereits nach dem ersten Spieltag in der Fußball-Bundesliga, der am zurückliegenden Wochenende stattfand, gibt es den ersten richtig dicken Skandal: Der FC Bayern München stand am Freitagabend in der Partie gegen Bayer 04 Leverkusen zeitweise mit zwölf Spielern auf dem Platz. Jedenfalls behaupten das indirekt “Bild am Sonntag” und Bild.de, was schon mal ein erstes Indiz dafür ist, dass es sich eher um ausgemachten Unsinn handelt — und nicht um einen Wechselfehler der Münchner.

Es geht um diese Fotozeile, die in “BamS” und bei Bild.de erschienen ist:

Ausriss Bild am Sonntag - Bildunterschrift - Alle Hände voll zu tun: Torhüter Sven Ulreich vereitelte zahlreiche Leverkusener Chancen wie diese. Alaba, Rafinha und Hummels (v. l.) schauen gebannt zu

Screenshot Bild.de - Bildunterschrift - Alle Hände voll zu tun: Torhüter Sven Ulreich vereitelte zahlreiche Leverkusener Chancen wie diese. Alaba, Rafinha und Hummels (v. l.) schauen gebannt zu

Das Besondere dabei: In der 62. Spielminute wechselte Bayerns Trainer Carlo Ancelotti Rafinha für Mats Hummels ein. Die beiden Spieler konnten also nicht gleichzeitig auf dem Platz stehen — außer Hummels hätte sich wieder aufs Feld geschlichen.

Nun müssen wir aber alle Leverkusen-Fans enttäuschen, die schon hoffen, ihr Verein könnte die 1:3-Niederlage noch durch eine Beschwerde in einen Sieg ummünzen.

Schaut man sich das zur Bildunterschrift veröffentlichte Foto etwas genauer als die Mitarbeiter der “Bild”-Medien an, sieht man, dass der Bayern-Feldspieler zwischen David Alaba und Mats Hummels nicht der Brasilianer Rafinha ist, sondern der Franzose Franck Ribéry — relativ einfach zu erkennen an der Nummer 7 auf seiner Hose:

Screenshot Bild.de - Foto, das Franck Ribéry zwischen David Alaba und Mats Hummels zeigt

Mit Dank an David L. für den Hinweis!

Erdogans Interpol, G20-Schwarze-Liste, Dark Ads entlarven

1. “Der Kampf hat sich gelohnt”
(tagesschau.de, Martin Mair)
Als kritischer Schriftsteller und Journalist muss man die türkische Justiz fürchten, auch wenn man sich nicht in der Türkei, sondern im Ausland aufhält. Der aus der Türkei stammende deutsche Schriftsteller Dogan Akhanli war in Spanien via Interpol für eine Nacht festgesetzt worden, ist jedoch mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Die Erleichterung darüber ist jedoch getrübt: Die Türkei hat 40 Tage Zeit, seine Auslieferung zu beantragen. Der “Deutsche Journalisten-Verband” rät allen Türkei-kritischen Journalistinnen und Journalisten dazu, vor Antritt einer Auslandsreise beim Bundeskriminalamt einen Antrag auf Selbstauskunft zu stellen.

2. Schwarze Liste mit falschen Infos
(taz.de, Pascal Beucker)
Unmittelbar vor Beginn des Hamburger G20-Gipfels Anfang Juli wurden knapp drei Dutzend JournalistInnen die bereits erteilten Akkreditierungen wieder entzogen. Sechs Wochen später haben nun die ersten JournalistInnen schriftlich vom Bundeskriminalamt (BKA) Auskunft bekommen, wie sie auf der Schwarze Liste gelandet sind. Sie seien, freundlich formuliert, verwundert… Die Mehrzahl der 32 Betroffenen würde jedoch trotz gegenteiliger Versprechungen bis heute auf eine Auskunft darüber warten, weswegen ihnen die Akkreditierung entzogen wurde.
Weiterer Lesetipp mit weiterführenden Links: Das “Netzwerk Recherche” hat den Entzug von Presseakkreditierungen während des G20-Gipfels nochmal scharf kritisiert und das Versagen des Bundespresseamts, des Bundeskriminalamtes und anderer Sicherheitsbehörden angeprangert:

3. Mit eurer Hilfe will BuzzFeed den geheimen Facebook-Wahlkampf in Deutschland aufdecken
(buzzfeed.com, Marcus Engert & Daniel Drepper)
Sowohl im Trump-Wahlkampf als auch bei der Brexit-Abstimmung sollen im Wahlkampf sogenannte “Dark Ads” verwendet worden sein. Dabei handelt es sich um Werbeanzeigen, die nur an bestimmte Personengruppen auf Social Media ausgespielt wurden. Die Gefahr dabei: “Die Parteien sind kaum noch an ihre öffentlichen Aussagen gebunden. Sie können im Geheimen einen populistischen Wahlkampf fahren, der komplett ihrem öffentlichen Profil widerspricht. Sie können am rechten oder am linken Rand fischen, sie können den Menschen nach dem Mund reden – und sie können ihren politischen Gegner attackieren, ohne dass dieser sich wehren kann.”
“BuzzFeed News” und “t-online” wollen in Zusammenarbeit mit den britischen Programmierern von “WhoTargetsMe” diese dunklen Anzeigen transparent machen. Über eine Browser-Erweiterung werden die Anzeigen auf Facebook ausgelesen und analysiert, welche Partei welche Anzeigen für welche Zielgruppe schaltet.

4. So erkenne ich, ob ein Medium seriös informiert
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Man braucht kein Profi oder Alleswisser zu sein, um zu beurteilen, ob ein Artikel oder Tagesschau-Beitrag seriös oder dubios ist, findet Urs P. Gasche. Die Seite “Infosperber” hat sieben starke Indizien für die Glaubwürdigkeit zusammengestellt, die es auch Nicht-Fachleuten erlauben würden, die Glaubwürdigkeit einer Meldung zu überprüfen: Je mehr von ihnen zutreffen, desto seriöser und glaubwürdiger seien die verbreiteten Informationen.

5. ARD und ZDF im Netz – wie sieht ein zeitgemäßer Auftrag aus?
(blog.wdr.de, Dennis Horn)
Dennis Horn denkt im WDR-Blog darüber nach, wie ein öffentlich-rechtliches Medium im Jahr 2017 eigentlich aussehen müsste. Einige Passagen des Rundfunkstaatsvertrags seien nachvollziehbar wie die Negativliste, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbietet, online Anzeigenportale, Branchenregister oder Stellenbörsen aufzuziehen. Anders sehe es jedoch bei den Löschregeln aus oder dem Verbot der „Presseähnlichkeit“. Außerdem schließe er sich der Forderung an, in Zukunft mehr von den Zuschauern per Gebühr finanzierte Inhalte mittels Creative-Commons-Lizenz freizugeben.

6. Der Pranger als politische Waffe
(sueddeutsche.de, Jakob Biazza)
Die Umweltwissenschaftlerin Jennifer Jacquet forscht an der New York University über die Evolution und die Funktion und Zukunft des Schamgefühls. Im hierzulande eher verpönten, öffentlichen Bloßstellen sieht sie ein zu wenig genutztes Potenzial. Das “Beschämen” könne im Kampf gegen Umweltverschmutzung oder Menschenrechtsverletzungen genutzt werden; die Welt werde besser, wenn Leute öffentlich bloßgestellt würden. Im Interview verrät sie, wann öffentliches Bloßstellen am besten funktioniert und warum Donald Trump die Ausnahme von der Regel ist.

“Bild” und Angst? Niemals!

Nach dem Terroranschlag in Barcelona hat “Bild”-Chefreporter Peter Tiede beobachtet, dass er selbst deutlich schneller zur Tagesordnung zurückkehre als noch vor wenigen Jahren. Es sei “ALLTAG TERROR”:

Ausriss Bild-Zeitung vom 19. August 2017 - Alltag Terror - Weil wir nicht in Angst erstarren, geht die ISIS-Strategie nicht auf!

Tiede schreibt, dass er nicht mehr, wie früher, vor dem Fernseher sitze und “mit den Opfer-Ländern” weine. Er fragt sich:

Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, dass das nicht mehr so ist?

Eine erste Antwort liefert Angstforscher Borwin Bandelow:

Der Angstforscher Borwin Bandelow (65) beruhigt: “Niemand muss sich schuldig fühlen, weil er schnell zur Tagesordnung übergeht nach Anschlägen wie nun in Barcelona.“ Er meint sogar: “Wir gehen in gewisser Weise jetzt rationaler und richtiger mit Anschlägen um, als zu Beginn der ISIS-Terror-Serie in Europa.”

Eine weitere Antwort kommt von Kriminal-Psychologe Christian Pfeiffer:

Am Ende hat Professor Pfeiffer den ultimativen Trost: “Unsere gesunde Psyche schützt uns vor den Irren der ISIS: Sie bewahrt uns davor, irrational, panisch oder überängstlich zu reagieren — also den ISIS-Plan zu erfüllen. Indem wir eben nicht in Angst und Panik verfallen, geht deren Strategie nicht auf.”

Alles klar — es wäre also falsch, in Angst zu erstarren, denn das ist der Plan der Terroristen des sogenannten IS. Und noch schlimmer wäre es wohl, diese Angst auch noch zu verbreiten, denn dann würde man den Terroristen ja sogar beim Aufgehen ihres Plans helfen.

Am 21. Dezember 2016, zwei Tage nach dem Terroranschlag auf den Berliner Breitscheidplatz, sah die “Bild”-Titelseite so aus:

Ausriss der Bild-Titelseite vom 21. Dezember 2016 - In riesigen Buchstaben Angst - Mindestens 12 Tote - Bewaffneter Täter nach Blutbad geflohen - Was im LKW geschah - ISIS bekennt sich zum Anschlag - BKA-Chef warnt: Erhöhtes Attentats-Risiko - Die Welt trauert mit Berlin
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Mit Dank an @j_goeb für den Hinweis!

Kurz korrigiert (505)

Bild.de berichtet heute über die Ausgaben der Parteien im laufenden Bundestagswahlkampf …

Ausriss Bild.de - Parteien im Millionen-Euro-Check - Wer gibt was im Wahlkampf aus?

… und zieht dabei folgenden Vergleich:

Ausriss Bild.de - Verglichen mit dem US-Wahlkampf sind es nur Peanuts. Eine Millionenschlacht wird es trotzdem: Die deutschen Parteien werden im Bundestagswahlkampf 2017 zusammen über 65 Millionen Euro ausgeben. Zum Vergleich: Hillary Clinton und Donald Trump haben im US-Wahlkampf 2016 mit 507 Millionen Euro mehr als zehn Mal so viel ausgegeben.

Liebe Bild.de-Mathe-Cracks, wir haben alle uns zur Verfügung stehenden Rechenschieber aneinandergekoppelt und nachgezählt: 507 Millionen Euro sind nicht mehr als das Zehnfache von 65 Millionen Euro.

Mit Dank an Malte H. für den Hinweis!

Nachtrag, 20. August: Mehrere Leser wiesen darauf hin, dass — abgesehen vom Rechenfehler durch Bild.de — der reine Vergleich der absoluten Summen wenig Sinn mache. Die USA seien deutlich größer, sie bestünden aus mehreren Staaten, es gebe dort deutlich mehr Wahlberechtigte. Daher hier eine Rechnung der Ausgaben pro wahlberechtigter Person in den USA und in Deutschland.

Bei der US-Präsidentschaftswahl 2016 waren etwa 227 Millionen Menschen wahlberechtigt. Bei der Bundestagswahl in Deutschland in diesem Jahr sind knapp 61,5 Millionen Menschen wahlberechtigt. Nimmt man die Ausgaben von 507 Millionen Euro (USA) beziehungsweise 65 Millionen Euro (Deutschland), die Bild.de angibt, ergeben sich 2,23 Euro/Wahlberechtigten in den USA und 1,06 Euro/Wahlberechtigten in Deutschland — also das 2,1-Fache.

Bild.de hat den Artikel in der Zwischenzeit korrigiert und schreibt nun allgemeiner von einem “Vielfachen”:

Die deutschen Parteien werden im Bundestagswahlkampf 2017 zusammen über 65 Millionen Euro ausgeben. Zum Vergleich: Hillary Clinton und Donald Trump haben im US-Wahlkampf 2016 mit 507 Millionen Euro ein Vielfaches ausgegeben.

Allerdings ist die Stelle noch immer falsch (und unsere Rechnung oben hinfällig). Denn die “507 Millionen Euro” für Donald Trump und Hillary Clinton zusammen sind viel zu niedrig angesetzt. Verschiedene Quellen geben verschiedene höhere Wahlkampfkosten an: Der “SRF” schreibt von 1,3 Milliarden Dollar für Clinton und 795 Millionen Dollar für Trump, bei “Bloomberg” sind es 1,191 Milliarden Dollar für Clinton und 647 Millionen Dollar für Trump, “Statista” prognostizierte Wahlkampf-Ausgaben von insgesamt 2,7 Milliarden Euro.

Nur in einem anderen Artikel findet man auch die “507 Millionen Euro”. Er stammt von Bild.de und erschien im September 2016, also zwei Monate vor der US-Wahl.

Mit Dank an Frank G., Matthias R., Klau P., @bottgus, @UP87, @bluekoblenz, @MtthsBrnkmnn und @tobiasf91 für die Hinweise!

Unspaßige Spaß-Nachrichten, Blochers Medienwelt, US-Nazi-Boykott

1. Wir haben Fragen zum Google-Wahlkampfgeschenk an die Kanzlerin
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Nach dem Interview-Auftritt der Kanzlerin bei den vier ausgesuchten Youtubern schien es nur Gewinner zu geben: Merkel, die vier Youtubestars aus dem Vermarktungs-Netzwerk “Studio71” und Google. Doch bei so viel Win-Win-Win-Win kämen dann doch ein paar Fragen auf: “Warum organisiert mit dem Bundeskanzleramt eine Regierungsstelle einen weithin als Wahlkampfauftritt rezipierten Termin? Wo bleibt hier die Trennung von Staat und Partei? […] Will Google – über sein kräftiges Lobbying hinaus – jetzt auch zum politischen Player mit seiner Suchseite werden? Und sind diese Youtuber eigentlich wirklich so lasch und handzahm, dass die Veranstaltung lediglich wie ein jugendlich-aufgepepptes ZDF-Sommerinterview wirkte?”

2. Faktencheck: Merkel und die Chemtrails
(correctiv.org, Pauline Schinkels)
Momentan schwirren allerlei mehr oder weniger (meist weniger) lustige Falschnachrichten durch das Netz, die in das Layout fiktiver Zeitungen wie einem angeblichen “Kölner Abendblatt” eingebettet sind. Gleich zwei Webseiten bieten ihren Nutzern an, Falschnachrichten im pseudo-journalistischen Mantel auf Freunde und Menschheit loszulassen. Wie schnell die Grenze zwischen lustigem Kalauer und ernsten Fake verschwimmen kann, zeige die Seite “24Aktuelles.com”. Dort hätten sich zwischen all dem Lustig-Lustig-Content immer wieder Meldungen gefunden, bei denen die Polizei reagieren musste.

3. Ein Glück, dass es Deniz gibt
(deutschlandfunk.de, Silke Burmester)
Silke Burmester fühlt sich hin- und hergerissen, wenn es um die Berichterstattung über die in der Türkei inhaftierten Journalisten geht. Alle würden immer nur von Deniz Yücel reden, von den meisten anderen inhaftierten Kollegen aber spreche kein Mensch. “Ja, das ist blöd. Und vielleicht auch nicht fair. Aber auf der anderen Seite ist es auch für sie ein Glück, dass es Deniz gibt. Deniz, der so ein Krawallo ist, so ein journalistischer Hau-Drauf, der so viele Jahre Redakteur bei der “taz” war, dass er ein Heer an Freunden und Kollegen hat, die jetzt so laut für ihn trommeln und ihn zum Gesicht des Widerstandes gegen Erdogans Journalisten-Plattmache erheben.”

4. Hiobsbotschaft aus der Schweizer Medienlandschaft
(infosperber.ch, Christian Müller)
Der Schweizer Christoph Blocher ist nicht nur ein milliardenschwerer Geschäftsmann, sondern auch ein wichtiger Politiker der am rechten Rand angesiedelten “Schweizerischen Volkspartei” (SVP). Blochers BaZ-Holding (“Basler Zeitung”) hat nun die Verlagsgruppe Zehnder gekauft, einen Herausgeber von 25 Anzeigeblättern, die auf insgesamt 800.000 Leser und Leserinnen kommen. Der Schweizer Journalist Christian Müller sieht in der Vergrößerung von Blochers Medienimperium auch eine politische Gefahr: “Wenn Blocher vor Abstimmungen in jeden Briefkasten der Schweiz ein Extrablatt mit seiner Werbung hat verteilen lassen, dann landete sein Geld in den Kassen von Zeitungsdruckereien und vor allem auch in der Kasse der Post. Jetzt kann er eine Million Briefkästen bedienen mit einem Produkt, das aus Gründen der Tradition und der Leser-Gewohnheiten eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit genießt als ein Extrablatt, das nur vor Volksabstimmungen erscheint.”

5. Kein Netz für Nazis
(zeit.de, Patrick Beuth)
Nach den Ereignissen in Charlottesville haben einige amerikanische Unternehmen wie AirBnB, GoDaddy, Discord und Google mitgeteilt, sie würden künftig Rechtsextreme und Seiten wie den “Daily Stormer” boykottieren. Was zunächst nachvollziehbar erscheint, wirft Fragen auf: Darf eine kleine Anzahl von Unternehmen darüber bestimmen, dass jemand nicht im Internet sein darf? Lange hatten sich die Infrastrukturbetreiber Netzneutralität verordnet. Doch mittlerweile würden die Kunden verlangen, dass die Firmen sich ihrer Verantwortung stellen. Helfen könnten hier nur klare und neutrale Regelungen nach demokratischen Maßstäben.

6. Nicht mit uns
(daily.spiegel.de, Ulrike Simon)
Jüngst flatterte dem Verleger und Chefredakteur des Monatsmagazins “Cicero” ein unmoralisches Angebot der besonderen Art ins Haus: Eine Agentur für Suchmaschinenoptimierung wollte auf der “Cicero”-Webseite selbstgeschriebene Texte platzieren, die nicht als Werbung gekennzeichnet und mit allerlei Links gespickt waren. Für eine Mindestverweildauer eines Beitrags von 24 Monaten bot man die Summe von 250,- Euro an. “Spiegel-Daily”-Kolumnistin Ulrike Simon hat daraufhin den Agenturinhaber angerufen, um ihn zu dieser Praxis zu befragen. Und weil der Chef der rund dreißigköpfigen Agentur sich verschlossen gab, hat sie dem Unternehmen etwas nachrecherchiert.

Merkel-Interview, Bilderstreit der Fotodienste, Verkaufte Seele

1. “Waren ja Ihre Fragen, ne?”
(tagesschau.de, Julian Heißler)
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gleich vier Youtubern auf einmal ein Interview gegeben. Der Neuigkeitswert des Gesprächs habe sich in Grenzen gehalten, doch darum sei es auch nicht gegangen. Von Merkels Seite hätte man schlicht auf die drei Millionen Abonnenten gezielt, ein überwiegend junges Publikum, das man sonst nicht so ohne weiteres erreicht hätte.
Die “FAZ” bescheinigt dem Gesprächstermin insgesamt gute Noten: “Die Resonanz war bescheiden, die Interviews der vier Youtuber mit der Bundeskanzlerin aber waren vielleicht sogar besser als Vergleichbares im Fernsehen.” Jörg Schieb sieht im WDR-Blog wenig Profiteure außerhalb von Veranstalter und Beteiligten: “Im Grunde alles nur eine große Inszenierung – ohne jeden echten Erkenntnisgewinn.” Die “Süddeutsche” hat zwei der vier Youtuber interviewt und sie unter anderem nach ihrer Vorbereitung gefragt.
Der Journalist Stefan Fries kritisiert auf seinem Blog eine Umfrage, die auch im Merkel-Interview eine Rolle spielte. Auf Twitter wurde lapidar gefragt: “Habt Ihr Angst vor einem Krieg?”, was etwa die Hälfte der Befragten bejahte. Die Umfrage sei jedoch nicht repräsentativ und die Antworten verzerrt. Außerdem sei die Frage viel zu unspezifisch und die Fehlertoleranz werde ignoriert. Fries findet die Umfrage geradezu unverantwortlich und schließt mit den Worten: “100 Prozent der Autoren dieses Blogs kriegen bei solchen Umfragen zuviel.”

2. Streit um freie Bilder: Fotodienste Unsplash und Pixabay stören sich an Copycats
(irights.info, Henry Steinhau & David Pachali)
Wer keinen Etat für Bildrechte hat, freut sich über Datenbanken wie “Pixabay” und “Unsplash”. Dort liegen Bilder, die für die Verwendung im privaten und kommerziellen Umfeld freigegeben wurden und kostenlos verwendet werden dürfen. Kürzlich gab es bei den Plattformen ein Hin und Her um die Formulierung der Lizenztexte. Hintergrund: Beide Seiten stören sich an Dritt-Anbietern, die ihre Kataloge nutzen und damit eigene, funktional und gestalterisch oft ähnliche Dienste aufbauen. “Pixabay” sei jedoch mittlerweile zur bisherigen CC0-Freigabe zurückgekehrt, die man lediglich um Nutzungsbedingungen erweitert habe. “Unsplash” habe eine neue Lizenzform eingeführt, die vom “Creative Commons”-Chef kritisiert wird.

3. Wie SPIEGEL ONLINE arbeitet
(spiegel.de, Barbara Hans)
“Spiegel Online”-Chefredakteurin Barbara Hans stellt die neue Rubrik “Backstage” vor: “Dort erklären wir, welchen Weg ein Artikel nimmt, bevor er veröffentlicht wird. Wie wir digitalen Journalismus verstehen. Warum sich häufig die Meldungen verschiedener Nachrichtenseiten gleichen und welche Rolle Nachrichtenagenturen spielen. Wir sprechen über peinliche Fehler und wie die Kollegen der Dokumentation uns täglich dabei helfen, sie zu vermeiden. Auch können Sie dort lesen, wie wir uns und unsere Arbeit – das heißt mehr als 120 veröffentlichte Artikel am Tag – finanzieren: über Werbung.”

4. Seele verkauft
(kontextwochenzeitung.de, Anna Hunger)
Dem “Stuttgarter Wochenende” lag als Beilage auch der rechte “Deutschland-Kurier” bei. Für Anna Hunger stellt sich die Frage, wo die Grenze liegt zwischen verlegerischer Verantwortung und Fahrlässigkeit. Die Reaktionen der Medienbranche sind eher ablehnend, wobei meist die Legalität der Aktion betont wird. Das eigentlich Tragische an der Sache läge laut Hunger jedoch an anderer Stelle: Durch die Verteilung der rechten Postille torpediere das Stuttgarter Medienhaus die Bemühungen der Zivilgesellschaft, gegen Rassismus und Nationalismus Stellung zu beziehen.

5. Getarnte Werbung
(edito.ch, Nina Fargahi)
Im Schweizer Medienmagazin “Edito” diskutiert Nina Fargahi das sogenannte “Native Advertisement”, eine Werbeform, die sich als redaktioneller Inhalt tarnt. Das Dilemma sei kaum aufzulösen: “Werbeinhalte sollen absichtlich in einer journalistischen Aufmachung zur Verfügung gestellt werden, weil die seriöse Erscheinung die Glaubwürdigkeit und damit auch die Aufmerksamkeit bei den Mediennutzern steigert. Doch je deutlicher deklariert wird, dass es sich bei einem bestimmten Inhalt um Werbung handelt, desto leichter ist er als solche erkennbar und somit für den Mediennutzer wohl weniger relevant. Zu viel Transparenz unterläuft den Zweck einer Werbeform. Umgekehrt fühlen sich die Mediennutzer veräppelt, wenn sie dahinterkommen, dass sie gerade etwas gelesen haben, das Werbung ist, aber nicht deutlich genug als solche ausgewiesen ist.”

6. DAS ist die ungewöhnliche Methode, mit nur 3 Schritten mehr KLICKS zu bekommen
(volkerkoenig.de)
Was braucht man für erfolgreiches Klickbaiting? Blogger Volker König lüftet das streng gehütete Geheimnis, das sonst nur Industriemagnaten, Wirtschaftsbosse und Illuminaten kennen. (oder so ähnlich…)

“Bild” befördert Gerhard Schröder ins falsche Rosneft-Gremium

Altkanzler Gerhard Schröder hat sich über “Bild” beschwert. Ein Bericht des Boulevardblatts zu seinem wohl bevorstehenden Engagement beim russischen Öl-Konzern Rosneft sei falsch. “Ich habe den Eindruck, das hat weniger mit meiner Tätigkeit zu tun als vielmehr mit dem Wahlkampf. Hier soll offenbar Frau Merkel geholfen werden”, sagte Schröder dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (“RND”). Das ist wiederum eine recht steile These. Was aber feststeht: “Bild” verbreitet ziemlichen Unsinn über Schröders möglichen Job bei Rosneft.

Gestern erschien in “Bild” und bei Bild.de ein Text über Gerhard Schröders Zukunft bei dem russischen Unternehmen, das zu großen Teilen dem russischen Staat gehört:

Ausriss Bild.de - Riesen-Streit um Russland-Job - Lässt die SPD Schröder Fallen?

Autor Filipp Piatov schreibt dort:

Nun wird die Kritik am Altkanzler immer lauter — im Herbst soll er in den Vorstand des Öl-Giganten Rosneft berufen werden.

Seit 2005 steht Schröder bereits im Dienst von Gazprom, kümmert sich seit 2016 als Verwaltungsrat um das umstrittene Pipeline-Projekt Nord Stream 2. Doch der Aufstieg in den Rosneft-Vorstand ist keine einfache Beförderung. Es ist eine Adelung Schröders, seine Aufnahme in Putins innersten Kreis der Macht.

Die Überwindung moralischer Hindernisse lassen sich die Vorstände des Öl-Riesen fürstlich vergüten. Aus dem Geschäftsbericht von 2016 geht hervor, dass Rosneft seinen neun Vorstandsmitgliedern rund 52 Millionen Euro an Gehältern, Boni und Zuschüssen zahlte. Das sind fast sechs Millionen Euro pro Person.

Die in der “Bild”-Zeitung genannten Summen seien völlig absurd, sagt Schröder. Für die für ihn vorgesehene Rolle werde er weniger als ein Zehntel der von “Bild” genannten “sechs Millionen Euro” bekommen, vorausgesetzt er werde überhaupt in das Gremium gewählt.

Nun behaupten “Bild” und Piatov nirgendwo direkt, dass Gerhard Schröder sechs Millionen Euro pro Jahr bekommen solle. Der Dreischritt aus “in den Vorstand des Öl-Giganten Rosneft berufen werden”, “der Aufstieg in den Rosneft-Vorstand” und “dass Rosneft seinen neun Vorstandsmitgliedern rund 52 Millionen Euro an Gehältern, Boni und Zuschüssen zahlte” könnte bei der Leserschaft aber durchaus den Eindruck erwecken, dass Schröder eine derartige Summe bekommen könnte.

“Bild”-Chefchef Julian Reichelt sieht das naturgemäß anders. Nachdem Andreas Niesmann vom “RND” ihn bei Twitter auf die entsprechende Stelle in Piatovs Artikel hingewiesen hatte …

… twitterte Reichelt:

1) Wir haben große Zweifel, dass der durchschnittliche “Bild”-Leser, bei dem selbst die “Bild”-Redaktion es regelmäßig für notwendig hält, ihm eine Lesehilfe für das Wort “Bachelor” an die Hand zu geben, ohne Weiteres die feinen Unterschiede zwischen “Vorstand wird” und “in den Vorstand berufen wird” erkennt.

2) Im Text von Filipp Piatov steht tatsächlich nicht, dass Gerhard Schröder “Vorstand wird”. Drei Tage zuvor titelte Bild.de allerdings:

Ausriss Bild.de - Russischer Öl-Konzern - Gerhard Schröder wird Vorstand von Rosneft

3) Es ist völlig egal, ob da nun steht, dass Gerhard Schröder “Vorstand wird” oder “in den Vorstand berufen wird” — beides ist falsch. Schröder steht für das Aufsichtsgremium von Rosneft zur Wahl, den sogenannten “Rat der Direktoren”. Bei einer deutschen Aktiengesellschaft wäre das Pendant wohl der Aufsichtsrat. Das mag Schröders Verhalten nicht weniger fragwürdig erscheinen lassen, es handelt sich aber um einen anderen Posten als von “Bild” behauptet.

Auf der Rosneft-Website sind das “Management board”, in etwa der Vorstand, und das “Board of Directors” aufgelistet. Schröder ist einer von mehreren Kandidaten für das “Board of Directors”. Im anglo-amerikanischen Raum vereint das “Board of Directors” laut “Wikipedia” zwar die Funktionen von Aufsichtsrat und Vorstand; im selben “Wikipedia”-Artikel steht aber auch, dass in Russland “statt des Vorstandes der Aufsichtsrat als ‘Rat der Direktoren'” bezeichnet werde.

Der frühere Bundeskanzler wird also kein Vorstandsgehalt bei dem russischen Öl-Konzern bekommen, sondern ein Aufsichtsratsgehalt. Im Rosneft-Jahresbericht für 2016 (PDF, Seite 202) steht, dass die Mitglieder des “Board of Directors” im vergangenen Jahr jeweils zwischen 550.000 und 580.000 US-Dollar erhalten haben. Den neun elf* Mitgliedern des “Management board” zahlte Rosneft 2016 insgesamt 3.726.609.809 Rubel (Seite 203), was, je nach Wechselkurs, den von Filipp Piatov erwähnten 52 Millionen Euro entspricht. Die Summe, die die Mitglieder des “Board of Directors” bekommen haben und die für die Berichterstattung über Gerhard Schröder relevant wäre, erwähnt Piatov nicht. Entweder kannte er sie nicht oder er wollte sie nicht kennen oder er dachte wirklich, dass Schröder ein Kandidat für den Rosneft-Vorstand ist.

Mit Dank an @matthiasquenzer für den Hinweis!

*Nachtrag, 20. August: Bei dem “Bild”-Bericht ist noch mehr falsch als bisher gedacht. Anders als von Autor Filipp Piatov behauptet, besteht der Rosneft-Vorstand (“Management Board”) nicht aus neun, sondern aus elf Personen. So steht es im Rosneft-Jahresbericht für 2016 (PDF, Seite 193):

The number of members of the Company’s Management Board has not changed and totals 11 persons.

Somit verteilen sich die 3.726.609.809 Rubel (rund 52 Millionen Euro), die Rosneft im vergangenen Jahr ans gesamte “Management Board” zahlte, nicht auf neun, sondern auf elf Personen. Im Schnitt bekam also jeder etwa 4,7 Millionen Euro. Piatov hatte geschrieben, dass jedes Rosneft-Vorstandsmitglied im Schnitt “fast sechs Millionen Euro” bekommen hat.

Diese falsche Summe ist übrigens nicht im “Bild”-Kosmos geblieben — sie hat es auch zu FAZ.net geschafft. Eckart Lohse und Markus Wehner schreiben dort:

Die Tätigkeit der bisherigen neun Mitglieder des Aufsichtsrats waren zuletzt mit 52 Millionen Euro an Gehältern, Boni und Zuschüssen dotiert worden, fast sechs Millionen Euro je Person.

Auch wenn die beiden “FAZ”-Autoren es im Gegensatz zu Piatov hinbekommen, Altkanzler Gerhard Schröder mit dem Aufsichtsrat von Rosneft in Verbindung zu bringen und nicht mit dem Vorstand des Unternehmens, ist der Absatz falsch: Die neun Aufsichtsratsmitglieder bekamen 2016 nicht 52 Millionen Euro, sondern deutlich weniger (siehe oben). Offenbar haben Lohse und Wehner bei Piatov abgeschrieben — oder sie benutzen rein zufällig denselben Rubel-Euro-Wechselkurs wie der “Bild”-Autor und kommen rein zufällig auf dieselben falschen “sechs Millionen Euro je Person”.

Mit Dank an Klaus D. für den Hinweis!

Nachtrag 2, 20. August: Das FAZ.net-Team hat auf unsere Kritik reagiert und den Artikel transparent korrigiert.

Blättern:  1 2 3 4