Archiv für November 8th, 2016

Prinz Harry wehrt sich gegen den britischen Boulevard

Beim Blick auf die Titelseiten britischer Boulevardblätter, könnte man fast täglich sagen: “Jetzt haben die aber eine Grenze überschritten.” Für Prinz Harry war es in der vergangenen Woche offenbar soweit. Sein “Communications Secretary” hat heute ein Statement im Namen des Prinzen veröffentlicht:

But the past week has seen a line crossed. His girlfriend, Meghan Markle, has been subject to a wave of abuse and harassment. Some of this has been very public — the smear on the front page of a national newspaper; the racial undertones of comment pieces; and the outright sexism and racism of social media trolls and web article comments.

Dieser Absatz ist für viele Leute deswegen so bemerkenswert, weil dort zum ersten Mal offiziell bestätigt wird, was bisher nur ein Gerücht war: Dass die Schauspielerin Meghan Markle die neue Freundin von Prinz Harry ist. Er ist aber auch deswegen so bemerkenswert, weil ein derart direkter Angriff des Kensington Palace in Richtung eines Teils der britischen Medien nicht häufig vorkommt.

Weiter heißt es in dem Statement:

Prince Harry is worried about Ms. Markle’s safety and is deeply disappointed that he has not been able to protect her. It is not right that a few months into a relationship with him that Ms. Markle should be subjected to such a storm.

Es werden keine konkreten Artikel genannt, die “such a storm” verursacht hätten. Aber es sind die üblichen Verdächtigen, die in den vergangenen Tagen richtig aufgedreht haben. Da wäre zum Beispiel “The Sun”, die vor vier Tagen so titelte:

In dem kleinen Teaser unten rechts geht es um Meghan Markle. Es sollen “steamy scenes” von ihr bei “Pornhub” zu sehen sein, schreibt “The Sun”, was nicht völlig falsch ist, allerdings handelt es sich dabei nicht um Pornos, sondern um Bett-Szenen aus der Serie “Suits”, in der Markle mitspielt. Und diese Szenen hat eben irgendjemand bei “Pornub” hochgeladen. Mit “smear on the front page of a national newspaper” dürfte dieses “Sun”-Cover gemeint sein.

Bei den “racial undertones of comment pieces” könnte sich der “Communications Secretary” des Prinzen auf die “Mail on Sunday” beziehen. In einem Kommentar schreibt Rachel Johnson dort über Meghan Markle:

Genetically, she is blessed. If there is issue from her alleged union with Prince Harry, the Windsors will thicken their watery, thin blue blood and Spencer pale skin and ginger hair with some rich and exotic DNA. Miss Markle’s mother is a dreadlocked African-American lady from the wrong side of the tracks who lives in LA

Wie radikal die britischen Boulevardmedien ihre eigene Rolle in dem aktuellen Fall verstehen, zeigt eine Drohung ein Zitat von Katie Nicholl, Königshaus-Korrespondentin der “Mail on Sunday”, das der “Guardian” rausgesucht hat:

“Any journalist worth their salt will leave no stone unturned,” said Katie Nicholl, royal correspondent of the Mail on Sunday, in an interview on LBC radio. “If he really wants this to go away there is one or two things he could do. You give the press what they want. You make a statement, or you give an interview or you issue a picture. There has not been one picture of them together. Fleet Street will not rest until they have got their picture of them together and they have got some words either from Prince Harry or Meghan about the relationship.”

Ein Halbsatz aus der Veröffentlichung des Kensington Palace schlägt dann übrigens noch die Brücke zur deutschen Regenbogenpresse, wenn auch nicht zwingend gewollt:

He [Prinz Harry] has rarely taken formal action on the very regular publication of fictional stories that are written about him

Gerade erst gestern hat “Das goldene Blatt” diese Tatsachenbehauptung über Harry und seine frühere Freundin Chelsy Davy in die Welt gesetzt:

Das dürfte angesichts des heute veröffentlichten Statements sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich sein.

We are BILDblog. And we don’t approve this message.

An der US-Präsidentschaftswahl gibt es heute kein Vorbeikommen. Egal ob “Spiegel Online”, “Zeit Online” oder sueddeutsche.de, Radio- oder Fernsehsender — alle berichten breit und ausführlich. Und selbst auf der Bild.de-Startseite hat es das Duell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump immerhin an Nachrichtenplatz Nummer zwei geschafft. Nur das Hickhack zwischen Sarah und Pietro Lombardi hält die Redaktion für noch wichtiger:

Klar, dass auch stern.de über die US-Wahl berichtet. Das Portal hat sich unter anderem das abschließende Wahlwerbe-Video von Hillary Clinton angesehen, das das Team der Demokratin gestern bei Facebook gepostet hat:

Clinton wirke in dem Video “ruhig und besonnen”, schreibt stern.de, sie mache darin “ein Friedensangebot an alle Trump-Anhänger” und spiele “auf die immer wiederkehrenden düsteren Zukunftsmalereien an, derer sich Donald Trump im Wahlkampf so oft bedient hat”. Der Namen von Donald Trump falle aber “kein einziges Mal und doch weiß jeder, wer gemeint ist. Damit gelingt ihr ein kluger Schachzug. Trump muss nicht mehr beim Namen genannt werden. Jeder weiß, worum es geht.”

Und dann noch das:

Ihren Wahlaufruf schließt Clinton mit einem Satz, den Donald Trump berüchtigt gemacht hat. “I am Hillary Clinton and one last time: I approve this message”, sagt sie lächelnd in die Kamera (zu deutsch: “Ich bin Hillary Clinton und zum letzten Mal: Ich genehmige diese Botschaft”). Trump pflegte während des Wahlkampfs seine Werbevideos mit den Worten abzuschließen: “I am Donald Trump. And I approve this message”.

Treffer, versenkt — könnte man meinen. Bloß: Der abschließende (oder manchmal auch einleitende) Satz “I approve this message” ist keine Trump’sche Erfindung oder Eigenart des Republikaners, sondern eine Vorschrift für Wahlwerbung in den USA. Der “Bipartisan Campaign Reform Act” von 2002 schreibt seine Verwendung in Wahlwerbung von Kandidaten für bundesweite Ämter vor.

Es handelt sich bei Hillary Clintons Verabschiedung also nicht um einen ausgeklügelten Seitenhieb Richtung Donald Trump, sondern um eine schlichte Formalie.

Mit Dank an Conny S. für den Hinweis!

“6 vor 9”-Sonderausgabe: US-Wahl

1. “Was Sie zur Wahl wissen müssen” (Links im Text)
(diverse)
Heute schaut die ganze Welt nach Amerika und die dort stattfindende Präsidentschaftswahl. Viele Medien erklären noch einmal den genauen Ablauf, meist unter Verwendung der beliebten “Was Sie wissen müssen”-Formel:

Welt.de schreibt, “Worauf Sie in der Wahlnacht achten sollten”. Bei “Spiegel Online” steht, “Was Sie jetzt zur US-Wahl wissen müssen”. Sueddeutsche.de verrät ebenfalls, “Was Sie zur US-Wahl wissen müssen”. Bei “N24” heißt es: “Das sollten Sie über die Wahlnacht wissen”. Merkur.de variiert leicht mit “US-Wahl 2016: Das müssen Sie zum amerikanischen Wahlsystem wissen”. Und “Zeit Online” kürzer: “So läuft die US-Wahl ab”.

2. Die allerletzten Worte
(zeit.de, Rieke Havertz)
Nachdem der Wahlkampf (fast) vorüber ist, entscheiden jetzt die Wähler. Nun heißt es, keine Fehler zu machen (siehe dazu auch: “Mitarbeiter nehmen Trump Twitter-Account weg”) und in den letzten Reden auf einfache Botschaften, starke Emotionen und Symbole zu setzen, analysiert Rieke Havertz: “Die Worte passen sich den Themen der Zeit an, das Drehbuch bleibt stets gleich. Doch wohl noch nie war die wiederkehrende Phrase über das auf dem Spiel stehende Schicksal Amerikas so wahr wie in dem Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump, der nun endlich sein Ende gefunden hat.”

3. Hillary Trump gegen Amerika
(heute.de, Ulf Röller)
Ulf Röller, Leiter des ZDF-Studios in Washington, zieht eine Wahlkampfbilanz: “Was für eine Wahl? Das Wort Schlammschlacht trifft es nicht. Es ist leider mehr gewesen. Machtkämpfe sind immer hart und schmutzig, besonders in Amerika. Aber diesmal stieß das Land, das sich für außergewöhnlich hält, für eine von Gott gewählte Nation, in neue, furchteinflößende Dimensionen vor.”

4. How Foreign Journalists Here Try To Explain The U.S. Election Back Home
(npr.org, Hannah Bloch)
Das “National Public Radio” hat Auslandskorrespondenten nach ihren Eindrücken vom amerikanischen Wahlkampf gefragt: Alberto Flores d’Arcais von “La Repubblica”, Joyce Karam von “Al-Hayat”, Matthias Kolb von der “Süddeutschen Zeitung” und Tolga Tanis von “Hurriyet”. Herausgekommen sind einige interessante Wahrnehmungen und Beobachtungen von außen, die auch die jeweils anderen Kulturkreise widerspiegeln.

5. A!154 – Amerika (Staffelfinale)
(aufwachen-podcast.de, Tilo Jung, Stefan Schulz & Andreas Cichowicz, Audio, 2:51 Stunden)
Fast drei Stunden widmet das “Aufwachen”-Podcast-Team um Stefan Schulz und Tilo Jung dem “Staffelfinale” zur US-Wahlkampfberichterstattung. Im Gespräch zu Gast: “NDR”-Chefredakteur Andreas Cichowicz, der vor Ort die “ARD”-Sendungen zum Wahlabend vorbereitet.

6. LdN028 Erdoganokratie, Bundeswehr-Recruiting, Trumps Psychotricks, Brexit nur mit Parlament
(kuechenstud.io, Philip Banse & Ulf Buermeyer, Audio, 1:05 Stunden)
Hörenswert auch der Podcast “Lage der Nation”, in dem die Wissenschaftlerin Elisabeth Wehling Trumps Psychotricks (“Framing”) erklärt (ab Minute 17:26). Es handelt sich dabei um Ausschnitte ihres Vortrags “Politik, Stimmungen und Emotionen — Beobachtungen aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf”, den sie auf der “Deutschlandfunk”-Konferenz “Formate des Politischen” gehalten hat.

Monetarismus-Dilemma, Kalkofe-Kritik, Volksverhetzungsbutton

1. Zur Not auch ohne Print
(sueddeutsche.de, Viola Schenz)
“New York Times”-CEO Mark Thompson erklärt seine Strategie für die Zukunft des Medienunternehmens und die liegt (natürlich) im Digitalen. Die Zeitung hat wie fast alle anderen Medien mit einer sinkenden Druckauflage zu kämpfen, investiert jedoch konsequent in ihren Netzauftritt. Bis 2020 will Thompson die Digitaleinkünfte auf 800 Millionen Dollar verdoppeln.

2. Keine Angst vor dem Publikum
(de.ejo-online.eu, Marlis Prinzing)
Der Weltverband der Zeitungen (WDZV) hat Standpunkte von 78 Medienhäusern aus weltweit 46 Ländern zum Umgang mit Leserkommentaren erfasst. In vielen Redaktionen herrsche Furcht: “Schadet es dem Ruf der Zeitung, wenn Nutzer sich im Ton vergreifen? Wer haftet dann? Lohnt es sich überhaupt, in die Kommentar-Moderation zu investieren? Weil sie keine klaren Antworten sehen, ermöglicht jede fünfte keine Nutzerkommentare mehr oder leitet den Publikumsdiskurs von den eigenen Kanälen um auf Facebook und andere soziale Medien.” Prinzing rät dazu, den Draht zum Publikum nicht abreißen zu lassen und blickt auf Best-Practice-Beispiele wie die “New York Times” und “Dawn” aus Pakistan, die sich konsequent in die Diskussion einschalten.

3. So klischeehaft berichten Medien über Unternehmerinnen
(gruenderszene.de, Kim Richters)
Kim Richters weist auf eine neue Studie des Instituts für Mittelstandsforschung hin. Darin wurde untersucht, wie sich die Berichterstattung über Unternehmerinnen und Gründerinnen in den vergangenen Jahren veränderte. Ergebnis der Studie: Es wird immer noch zu selten über Frauen berichtet, obwohl diese ein Drittel aller Selbstständigen ausmachen. Und wenn dann über sie berichtet werde, dann oft klischeehaft und mit Bemerkungen über ihr Aussehen.

4. Ein §130-Button, aber schnell!
(taz.de, Roberto de Lapuente)
Facebook sei zum Tummelplatz für Rassisten geworden, so Roberto de Lapuente in seinem Debattenbeitrag auf “taz.de”. Lapuente fordert Konsequenzen auf verschiedenen Ebenen: Um das Melden von Hasskommentaren zu erleichtern, soll es gleich neben dem „Gefällt mir“-Button auch einen Volksverhetzungsbutton mit „§130“-Icon geben. Bei volksverhetzenden Kommentaren soll es eine Meldepflicht des Unternehmens an die Behörden geben. Und Facebook soll bei Beleidigungen oder Angriffen auf Privatpersonen zur Beweissicherung verpflichtet werden.
Nun denn, die Reaktion des Unternehmens auf derartige Vorschläge kann man sich wohl vorstellen.

5. Blocker und Keule
(medienwoche.ch, Anne-Friederike Heinrich)
Die Chefredakteurin der “Werbewoche” Anne-Friederike Heinrich beschäftigt sich mit dem Monetarismus-Dilemma der Medien: “Wie bringt man den mit Kostenlosmedien verwöhnten Nutzern bei, dass Journalismus etwas kostet? Mit sanftem Druck oder mit dem Holzhammer?”

6. oliver kalkofe ist gegen eigenwerbung
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Felix Schwenzel äußert sich kritisch über einen Oliver-Kalkofe-Clip, in dem dieser die Youtuberin “Bibi” aufs Korn nimmt. Schwenzel wirft Kalkofe unter anderem Doppelmoral vor: “werbung machen für eigene produkte ist verachtenswert? kurz nach seiner bibi-nachäffung kann man im video sehen, wie kalkofe werbung für seine sendung auf dem premium-kanal tele5 macht, seine twitter- und facebook-kanäle anpreist und (seine „dummen“ fans?) dazu auffordert seinen youtubekanal zu abonnieren.” (Schwenzelsche Kleinschreibung im Original belassen)