Archiv für November 11th, 2016

Donald Trump will weiter einen Einreisestopp für Muslime

In völliger Verzweiflung klammern sich Menschen ja auch mal an Sprichwörter. Aktuell und mit Bezug auf den Wahlsieg von Donald Trump zum Beispiel: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Soll heißen: Trumps wildeste Ankündigungen im Wahlkampf — Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze, genereller Einreisestopp für Muslime und so weiter — waren eben nur wilde Ankündigungen im Wahlkampf und keine ernsthaften politischen Vorhaben.

Da passte eine Neuigkeit in den “Tagesthemen” (ab Minute 4:50) gestern Abend ganz gut ins Beruhigungsprogramm:

Doch die meisten seiner Pläne sind bisher nicht viel mehr als Gedankenspiele und Worthülsen. Zwei seiner umstrittensten Forderungen sind inzwischen von der Homepage verschwunden: der Einreisestopp für Muslime und die Kündigung des Klimapaktes.

Und nicht nur im “Ersten” wurde über das Verschwinden der Trump-Forderungen berichtet. “Zeit Online” hatte ebenfalls eine Meldung dazu auf der Seite:

Von der Wahlkampfseite des künftigen Präsidenten sind einige brisante Punkte verschwunden. Dazu zählt das von Trump geforderte Einreiseverbot für Muslime.

Genauso n-tv.de:

Einige der umstrittensten Forderungen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump sind von dessen Wahlkampf-Website entfernt worden. Dazu zählt der Aufruf, Muslimen die Einreise in die USA zu verbieten und sein Versprechen, das Pariser Klimaabkommen zu kippen. Auch eine Liste mit potenziellen Richtern für den Obersten Gerichtshof sowie diverse Details seiner Wirtschafts-, Verteidigungs- und Regulierungsvorhaben finden sich nicht mehr auf der Seite.

Die Quelle für diese Artikel ist eine “Reuters”-Meldung. Durch die Agentur ist die Info, dass das Team von Donald Trump einige ausgewählte Ankündigungen und Pressemitteilungen gelöscht haben soll, auf vielen Nachrichtenseiten in die Ticker zur US-Wahl gerutscht.

Schauen wir uns mal die Sache mit dem Einreisestopp für Muslime genauer an. Anders als von “Tagesthemen”, “Zeit Online”, n-tv.de und allen anderen behauptet, kann man Trumps “Statement On Preventing Muslim Immigration” vom 7. Dezember 2015 aktuell auf seiner Wahlkampf-Website abrufen. Es war allerdings tatsächlich mal für eine Weile nicht abrufbar — das zeigt ein Test mit der “Wayback Machine”, bei der man ältere Versionen einer Webseite abrufen kann.

Es zeigt sich: Am 8. November um 8:52 Uhr ist das Statement noch abrufbar. Am gleichen Tag um 23:43 Uhr erscheint eine sogenannte “HTTP 302 response” und man wird automatisch zu donaldjtrump.com weitergeleitet. So bleibt es den gesamten Wahltag über, und erst gestern um 19:40 Uhr ist Trumps Statement zu den Muslimen wieder abrufbar.

Also: Die umstrittene Ankündigung von Donald Trump war zwischenzeitlich tatsächlich nicht abrufbar, allerdings nicht erst nach der erfolgreichen Wahl, sondern schon vor und am Wahltag.

Manche Medien haben erkannt, dass Trumps Aussage inzwischen wieder online einzusehen ist. Handelsblatt.com zum Beispiel. Erst hieß es dort:

Und nun:

Dazu schreibt die Redaktion:

Die meisten Kernforderungen Trumps fanden sich durchweg auf der Website, etwa sein Versprechen, eine unüberwindbare Mauer an der Grenze zu Mexiko hochzuziehen, für deren Bau das Nachbarland zahlen solle.

Dieser Aspekt stammt ebenfalls aus der “Reuters”-Meldung. Und er dürfte nicht stimmen. Die “Washington Post” hat einen Kampagnensprecher zu dem Thema befragt:

“The website was temporarily redirecting all specific press release pages to the homepage. It is currently being addressed and will be fixed shortly,” the campaign told The Post in a statement.

Da die “Wayback Machine” nicht für alle Statements von Donald Trump hinreichend viele Vorgänger-Versionen abgespeichert hat, ist es nicht möglich, diese Aussage komplett zu überprüfen. Es gibt aber Hinweise, dass nicht nur die kontroversesten Pressemitteilungen für eine gewisse Zeitspanne nicht abrufbar waren, sondern deutlich mehr, vielleicht sogar alle.

Nehmen wir mal die drei aktuellsten Trump-Statements:

Die Ursache dafür, dass die Forderung nach einem Einreisestopp für Muslime zwischenzeitlich nicht auf der Trump-Website zu finden war, dürfte also tatsächlich technischer Natur gewesen sein. Oder anders gesagt: Donald Trump hat sich keineswegs von seinen radikalen Forderungen verabschiedet.

Mit Dank an Stefan N. für den Hinweis!

“Breitbart”, Leonard Cohen, Neuköllner Neonazis

1. “Breitbart News” will expandieren
(zeit.de)
Mit seinen Angriffen auf Hillary Clinton gehörte das rechtspopulistische Medium “Breitbart News” im US-Wahlkampf zu den Garanten für Donald Trumps Erfolg. Jetzt könnte es auch nach Deutschland und Frankreich kommen: “Breitbart, das bereits eine Website in Großbritannien betreibt, führt nach Angaben seines Chefredakteurs bereits Gespräche mit deutschen und französischen Journalisten. Ziel sei es, gewählte rechtspopulistische Politiker in Frankreich und Deutschland zu unterstützen.” Als Reaktion auf die Expansionsdrohung von “Breitbart” entwickelt Johannes Kuhn auf seiner Seite kopfzeiler.org eine Empfehlung für die Berichterstattung über den im kommenden Jahr anstehenden Wahlkampf in Deutschland: “Die Lösung für publizistische Portale kann nur lauten, möglichst viele Mitarbeiter weg vom Bildschirm und raus in die deutsche Realität zu schicken, aufzuschreiben, was ist. Normalen Menschen das Wort zu geben, sie erzählen zu lassen, wie es ihnen geht, was sie denken, hoffen, fühlen.”

2. Trump-Wähler scheren sich nicht um die Wahrheit? Du doch auch nicht!
(t3n.de, Lisa Hegemann)
Ob nun die irrtümliche Bebilderung der “Simpsons”-Vorhersage, ein vermeintlicher Titelblatt-Fauxpas der “Märkischen Allgemeinen” oder ein Donald-Trump-Zitat von 1998, das aber gar nicht von Donald Trump stammt — obwohl das alles faktisch falsch ist, verbreitet es sich in den Sozialen Netzwerken wie blöd. Ziemlich problematisch, findet Lisa Hegemann: “Wenn wir Links von Texten teilen, die wir nicht gelesen haben, wenn wir Bilder teilen, deren Ursprung wir nicht geprüft haben, dann prägen wir die postfaktische Ära mit — dann gehen wir nach Gefühl und nicht nach Tatsachen.”

3. Neonazis posten Karte mit Adressen
(juedische-allgemeine.de)
Eine rechtsextreme Gruppierung aus Berlin-Neukölln hat vor zwei Tagen — also zum Jahrestag der Pogromnacht — auf einer Facebook-Seite “eine Grafik mit jüdischen Einrichtungen in Berlin veröffentlicht”: “In Frakturschrift steht auf der Grafik der Satz: ‘Juden unter uns!’. Darauf sind rund 70 Einrichtungen samt Adressen aufgelistet, darunter Kitas, Schulen, Synagogen, Geschäfte, Friedhöfe und Restaurants. Daneben steht die Anmerkung: ‘Heut ist so ein schöner Tag’.” Inzwischen sei die Seite von Facebook gelöscht worden, berichtet “Spiegel Online”.

4. Marxismus im Dauerminus
(taz.de, Judith Freese)
Der “jungen Welt”, in der DDR “das Medium der Freien Deutschen Jugend, kurz FDJ, und mit millionenstarker Auflage zeitweise die meist gelesene Tageszeitung im Osten”, geht es finanziell ziemlich mies: Judith Freese schreibt von einem “nicht gedeckten Fehlbetrag von 953.000 Euro”. Die aktuell 17.000 Abonnenten seien 2000 zu wenig, “um weiterhin die Zeitung produzieren zu können.” Noch solle aber nicht Schluß sein.

5. Leonard Cohen Makes It Darker
(newyorker.com, David Remnick, englisch)
Vor gut einem Monat erschien dieses 60.000-Zeichen-Stück über Leonard Cohen, geschrieben vom “New Yorker”-Chefredakteur David Remnick. Wenn man einen Text zum Tod von Leonard Cohen lesen will, dann diesen.

6. Heisse News vom Vortag
(operation-harakiri.de, Ralf Heimann)
Ralf Heimann wundert sich über die Titelseite der “Augsburger Allgemeinen”, die noch am Donnerstag damit aufmachte, dass Donald Trump “neuer US-Präsident” ist: “Früher war das immer so. Wenn am späten Freitagabend etwas passiert ist, das am Samstagmorgen keinen Platz mehr in der Zeitung fand, na, dann kam es eben am Montag auf die Titelseite.”

7. Liebe Leserinnen und Leser. Wir müssen reden.
(netzpolitik.org)
Heute ausnahmsweise mal ein siebter Link, denn die Kollegen von netzpolitik.org brauchen Hilfe: Die Zugriffszahlen seien zwar 1A, und zu wenig Themen gebe es auch nicht, aber das Geld werde bald knapp. “Sollten sich die Spenden nicht monatlich um 5.000 bis 10.000 Euro erhöhen, werden wir recht bald gezwungen sein, wieder Stellen abzubauen”, schreibt das Team, das nach der “Landesverrat-Affäre” aufgestockt wurde, und bittet um finanzielle Unterstützung.