Archiv für Oktober 7th, 2016

“Das war noch nicht die Pointe”

Diese Sachsen. Ziehen zu Tausenden mit Deutschlandfahnen durch Dresden und nennen sich “PEGIDA”. Schreien ausländerfeindliche Parolen in Clausnitz, wenn ein Bus mit Geflüchteten ankommt. Und jetzt sollen die Jugendlichen in Sachsen auch noch so blöd sein, dass sie Facebook als glaubwürdigstes Medium ansehen, wenn es um Nachrichten geht:

Jan Böhmermann und sein Team vom “Neo Magazin Royale” haben die Geschichte vergangene Woche in ihrer Sendung ebenfalls aufgegriffen:

Böhmermann sagte dazu (ab Minute 4:56):

Übrigens, laut einer Studie der Mark-Zuckerberg-Facebook-Akademie ist Facebook, ist Facebook, das ist wirklich wahr, laut einer wissenschaftlichen Studie ist Facebook für junge Sachsen das glaubwürdigste Nachrichtenmedium. Das war noch nicht die Pointe, meine Damen und Herren, das war erst das Setup.

Facebook ist für junge Sachsen laut einer wissenschaftlichen Studie das glaubwürdigste Medium. Die meisten jungen Sachsen wollen deswegen 2017 Jan Leyk als Bundeskanzler haben, und Bundespräsident soll “Minusmensch” werden. […]

Nachrichten sind bei Facebook für junge Sachsen am glaubwürdigsten. Nachrichten, oder wie man in Sachsen sagt: “LÜGEN!” Facebook ist für junge Sachsen das glaubwürdigste Nachrichtenmedium, allerdings nur weil sie nicht wissen, dass Facebook einem Juden gehört.

Grundlage für diese nächste Schreckensmeldung über die Sachsen ist die Studie “Mediennutzung und Medienkompetenzen jugendlicher Migranten in Sachsen” von Lutz Hagen, Susan Schenk, Rebecca Renatus und Claudia Seifert. Beziehungsweise ein Teil von ihr. Hagen hatte neulich beim “Zeitungskongress 2016” einzelne Ergebnisse daraus präsentiert und dabei auch “Folie 29” (“Die glaubwürdigsten Medien für junge Sachsen”) gezeigt, die anschließend eine beachtliche Social-Media-Karriere hinlegte.

Das Forscherteam hatte Jugendlichen aus Sachsen unter anderem folgende Frage gestellt:

Stell dir einmal vor, auf der Welt ist eine schlimme Naturkatastrophe passiert. Die Berichte in den Medien unterscheiden sich aber, so dass Du nicht weißt, was wirklich passiert ist. Welchem Medium würdest Du dabei am ehesten vertrauen? Du kannst maximal zwei Medien ankreuzen! Bitte notiere auch, an welchen Sender, welche Zeitung oder welche Internetseite Du dabei genau gedacht hast. Du kannst deutsche und fremdsprachige Medien nennen!

Die Antwort der meisten Jugendlichen darauf war allerdings nicht, dass sie in einer solchen Situation am ehesten Facebook vertrauen. Das hat das Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden inzwischen auch in einer Pressemitteilung klargestellt (PDF):

Tatsächlich liegen Soziale Netzwerke auf Platz fünf — hinter Fernsehen, gedruckten Tageszeitungen/Wochenzeitungen, Radio und Onlinenachrichtenseiten. Das zeigt Tabelle 93 der Studie:


(Hervorhebung durch uns.)

Die 83,3 Prozent für Facebook, die auf Hagens “Folie 29” auftauchen, stammen hingegen aus Tabelle 94. In der geht es um “Medien konkret”. Soll heißen: Von den beispielsweise 35,9 Prozent der Jugendlichen, die im Zweifelsfall dem Fernsehen vertrauen würden, haben 31 Prozent die “ARD” als konkretes Medium genannt. Und von den 7,1 Prozent der Jugendlichen, die Sozialen Netzwerken bei widersprüchlichen Meldungen vertrauen, haben eben 83,3 Prozent Facebook genannt:


(Hervorhebung durch uns.)

In absoluten Zahlen heißt das übrigens: Von den insgesamt 2117 befragten Jugendlichen aus Sachsen haben gerade mal 181 angegeben, dass sie bei unterschiedlichen Medienberichten den Sozialen Netzwerken am meisten trauen. Und von diesen 181 haben 151 Facebook genannt.

Ken-Jebsen-Interview, BND-Klausel, Trumpinator

1. Die Leute sollen politisiert werden.
(planet-interview.de, Jakob Buhre, Adrian Arab)
Es ist das längste Interview, das bisher auf “Planet Interview” erschienen ist: Ganze vier Stunden haben sich Jakob Buhre und Adrian Arab mit dem politischen Journalisten und Aktivisten Ken Jebsen unterhalten. Themen sind u.a. sein Werdegang, NATO, “Eliten”, Terroranschläge, Mustererkennung, Pressefreiheit, Tilo Jung, KenFM, journalistische Unabhängigkeit, Ukraine-Konflikt, Drohungen gegen Jebsen – und warum Jebsen so schnell spricht. Lesen sollte man unbedingt auch betr. Interview mit Ken Jebsen, das eine Art Making of und einordnende Rückschau ist. So hat es bei der Freigabe wohl etwas geknirscht. Bei der Autorisierung habe Jebsen fünf seiner Antworten komplett gestrichen.

2. Falscher Scheich auf Tauchstation
(faz.net, Gina Thomas)
Der britische Enthüllungsreporter Mazher Mahmood ist vor Gericht als Betrüger entlarvt und verurteilt worden. Die Jury habe den „König der verdeckten Recherche“ (Eigenbezeichnung) für schuldig befunden, in dem Verfahren gegen die Sängerin Tulisa Contostavlos Beweismaterial gefälscht zu haben. Mahmood sei zwei Mal als Reporter des Jahres ausgezeichnet worden, obwohl sein Vorgehen wie seine Glaubwürdigkeit wiederholt in Frage gestanden hätten. Die Karriere des fragwürdigen Promi-Täuschers ist nun jedoch beendet: Seinem Arbeitgeber “News UK”, der zu Rupert Murdochs Medienimperium zählt, sollen Schadensersatzklagen von achthundert Millionen Pfund drohen.

3. Digital killed the Radio Star: Warum irgendwann alle Popsongs gleich klingen werden
(netzpiloten.de, Joshua Reiss)
Für eine Studie haben Wissenschaftler aus den USA und Österreich über 500.000 Alben, viele Genres und 374 Sub-Genres untersucht. Das Ergebnis: Genres klingen mit zunehmender Popularität immer ähnlicher. Doch auch andere Faktoren würden dafür sorgen, dass Musik von den Hörern als immer ähnlicher wahrgenommen wird. Joshua Reiss nennt da zunächst den “Krieg der Lautstärke”. Außerdem würde eine überraschend hohe Anzahl von Plattenfirmen die “Autotune”-Funktion verwenden, um die Tonhöhe ihrer Sänger zu korrigieren.

4. Zerstörung, Hunger und Massenflucht in Jemen
(infosperber.ch)
“Infosperber” lenkt den Blick auf den Jemen. Medien würden in Wort und Bild fast nur über Gräueltaten in Syrien berichten. Über das unmenschliche Elend in Jemen werde hingegen wenig berichtet. Dabei sei die Bilanz in Jemen nicht minder grauenvoll. UNO und UNICEF hätten veranschlagt, dass 1,5 Millionen Kinder an Unterernährung leiden. Mehr als 2.100 Schulen seien zerstört. Wegen der täglichen Gewalt würden im letzten Jahr 350.000 Schulkinder ohne Unterricht geblieben sein. Und über 2,4 Millionen Jemeniten mussten aus ihren Häusern an andere Orte im Land flüchten.

5. netzwerk recherche gegen „BND-Klausel“ bei der Akteneinsicht
(netzwerkrecherche.org, Manfred Redelfs)
Manfred Redelfs erklärt, warum das “Netzwerk Recherche” fordert, die sogenannte „BND-Klausel“ des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Bundesarchivrechts zu streichen. Bei der geplanten Novellierung des Bundesarchivgesetzes sei eine Schutzklausel geplant, nach der der BND selbst entscheiden könne, was an das Bundesarchiv abgegeben wird und was weiterhin in seinen eigenen Beständen unter Verschluss bleibt. Dies sei ein Bruch mit der bisherigen Regelung, dass die Bundesbehörden ihre Bestände nach 30 Jahren an das Bundesarchiv abgeben. “Netzwerk Recherche”-Vorstandsmitglied Redelfs dazu: “Auch die Geheimdienste müssen sich demokratischer Kontrolle und mehr Transparenz stellen. Informationen, die einst sensibel waren, sind es oft nach vielen Jahren nicht mehr und sollten deshalb offengelegt werden. Eine “BND-Klausel” im Bundesarchivgesetz ist deshalb genau das falsche Signal.”

6. The 273 People, Places and Things Donald
Trump Has Insulted on Twitter: A Complete List

(nytimes.com, Jasmine C. Lee & Kevin Quealy)
Die “New York Times” hat mit viel Sammelfleiß eine Liste der 273 bevorzugten Donald Trumpschen Hassobjekte und -Subjekte zusammengestellt. Viele davon hat er ausdauernd und immer wieder aufs Neue betrumpt.