Archiv für März 20th, 2014

Gala  

Grenzüberschreitung mit Kleinwagen

Für ihre vorige Ausgabe hatte die “Gala” — das Gruner+Jahr-People-Magazin, das gerne mit seinen “ehrlichen Interviews” wirbt — zwei “Top-Stars in Film und Fernsehen” zum Gespräch gebeten. Mit Nadja Uhl und Karoline Herfurth plauderte das Blatt über “falsche Klischees und echte Wahrheiten, über kleine Zicken und große Gefühle”. Und über Opel. Insbesondere über Opel.

Denn der Anlass für das Interview war nicht etwa ein neuer Kinofilm, sondern

die neue Image-Kampagne “Umparken im Kopf” des Autokonzerns Opel, in der Uhl und Herfurth an der Seite von weiteren deutschen Stars mitwirken.

Passend zum Slogan unterhalten sich “Gala”, Uhl und Herfurth also erst mal über Vorurteile (“Nadja, Sie sind blond und haben blaue Augen, sehen toll aus. Da ist man doch prädestiniert für bestimmte Vorurteile, oder?”), um dann elegant zum PR-Teil überzuleiten:

Nun sind Sie beide in der Opel-Kampagne “Umparken im Kopf” zu sehen. Hatten Sie denn selbst auch Vorurteile gegen diese Automarke?

Und so erfahren wir, dass Karoline Herfurth es bis heute “doof” findet, dass sie sich nie einen Opel Corsa gekauft hat. Und dass sie ja gar nicht wusste, dass der Manta auch von Opel ist. Und dass sie “total überrascht” war, als sie zum ersten Mal einen Opel Ampera gefahren ist, der übrigens “keinen Lärm” macht und “die Umwelt nicht” verschmutzt, und wussten Sie eigentlich schon, dass Opel “den ersten alltagsgebräuchlichen E-Wagen auf den Markt gebracht” hat?

Nadja Uhl hingegen war sich angeblich “bis vor Kurzem” gar nicht im Klaren darüber, “dass es Opel überhaupt noch gibt!” Inzwischen weiß sie es und findet “den Adam sehr süß”, also den Opel Adam. “Vor allem die ‘Rocks’-Version, die im Herbst rauskommt”. Ein Fahrzeug übrigens, das sich Uhl “auch privat kaufen würde! Es ist für mich authentisch, weil man es sich leisten kann.”

Wir halten also fest: Weil die beiden Schauspielerinnen gerade überall Werbung für Opel machen, dürfen sie auch in der “Gala” Werbung für Opel machen. Und später im Blatt darf Opel selbst auch noch mal Werbung für Opel machen:
opel_anzeige_gala

Das riecht doch … Aber nein, es handele sich “natürlich nicht um Schleichwerbung”, sagte “Gala”-Chefredakteur Christian Krug gegenüber dem “Tagesspiegel”. Und warum? Weil “wir schon im ersten Absatz den Lesern erklären, dass der Anlass des Gesprächs mit den beiden Schauspielerinnen ihr ungewöhnliches Engagement für einen Autohersteller ist”. Aha.

Der Leser werde nicht in die Irre geführt, sondern “von uns im Gegenteil darüber aufgeklärt, warum die Schauspielerinnen bei dieser Kampagne mitwirken. Denn das wird sich der ein oder andere Leser von uns gefragt haben. Wir geben Antworten auf diese Frage.” Und diese Antworten lauten nun mal (zusammengefasst): Opel ist supertoll.

Aber natürlich hat der Konzern “in keiner Weise Einfluss auf die Gesprächsführung genommen”, wie Krug beteuert. Solche Kooperationen habe die “Gala” auch nicht nötig, schließlich stehe sie “wirtschaftlich sehr gut” da.

Der Presserat sieht die Sache aber kritisch. Sprecherin Edda Kremer sagte dem “Tagesspiegel”: “Wenn Prominente für ein Produkt werben, darf darüber durchaus berichtet werden. Problematisch ist es allerdings, wenn sie ausgiebig über die Produktpalette schwärmen dürfen, für die sie selbst werben”. Das “Gala”-Interview sei also “sehr kritikwürdig” und verstoße möglicherweise gegen den Pressekodex (Ziffer 7: Trennung von Werbung und Redaktion). Mindestens eine Beschwerde liegt dem Presserat bereits vor.

Ironischerweise lautet die Überschrift des kritisierten Artikels:
opel_titel
Ein bisschen ehrlicher scheint uns da doch die Artikel-Ankündigung im Inhaltsverzeichnis der “Gala”, wo es heißt:

“Wir sind mit Grenzüberschreitungen vertraut!”

LaterPay, Bitcoin, N24

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “The Newsweek Credibility Matrix”
(mikehearn.com, englisch)
Könnte “Newsweek” gewusst haben, dass es sich bei Dorian Nakamoto nicht um den Gründer von Bitcoin handelt? “I believe the answer is yes. To prove it, let’s go point-by-point through the inconsistencies with Newsweek’s premise – that Dorian was the Bitcoin creator – and the public facts we know about Satoshi Nakamoto.”

2. “Paid Content: Ein neues Bezahlmodell für Journalismus”
(gutjahr.biz)
Zusammen mit dem Startup LaterPay möchte Journalist Richard Gutjahr “den Beweis antreten, dass man mit Journalismus im Netz sehr wohl Geld verdienen kann, wenn man seine Leser ernst nimmt”. “Natürlich ist mir bewusst, dass ich durch mein Engagement bei LaterPay meine Rolle als unbeteiligter Beobachter aufgebe. Nur: Dinge ändern sich nicht allein dadurch, indem man auf Medienkongressen darüber diskutiert. Man muss experimentieren, und ja: auch mal was riskieren.”

3. “Journalistische Start-Ups gehen ins Netz”
(ndr.de, Video, 6:11 Minuten)
“Zapp” stellt das digitale, wöchentlich erscheinende Wissenschaftsmagazin “Substanz” vor, das bereits über 28 000 Euro an Spenden eingenommen hat. Und das journalistische Longform-Projekt “Weeklys”, das “große, exklusive Lesegeschichten herausragender junger Reporter aus Europa” veröffentlichen will.

4. “Lieber Nachrichtensender N24…”
(sheng-fui.de, Lorenz Meyer)
Bezüglich des verschollenen Flugs MH370 schreibt Lorenz Meyer an N24: “Für schmutzige 25 Cent je Anruf, die Du Dir in die Tasche steckst, sollen Deine Zuschauer sagen, ob es ein Unglück war, eine Entführung, auf einen Selbstmord des Piloten oder den Abschuss der Maschine zurückzuführen ist. Das ist dermaßen zynisch, geschmacklos und traurig, dass mir jede weiteren Worte fehlen.”

5. “Anschlag auf Auto von BZ-Journalist Schupelius”
(tagesspiegel.de, Tanja Buntrock und Fatina Keilani)
Das Fahrzeug des “B.Z.”-Journalisten Gunnar Schupelius wird in Berlin Wilmersdorf angezündet, “auf einem linksextremistischen Internetportal” wird dazu ein Bekennerschreiben veröffentlicht. “Die Drahtzieher des Anschlags schreiben in ihrer Erklärung: ‘Angriffe auf Hassbrenner wie Schupelius sind als Akt antifaschistischer Notwehr zu sehen.'”

6. “Man texts Gumtree fraud entire works of Shakespeare”
(telegraph.co.uk, Rhiannon Williams, englisch)
Edd Joseph überweist Geld für eine Spielkonsole, die dann aber nicht geliefert wird. “So he decided to take his revenge by texting the entire works of the Bard to his nemesis – all 30,000 words.”