Über den bayerischen Finanzminister Markus Söder schrieb die Zeitung:
Die neueste Gemeinheit kommt allerdings von unerwarteter Seite – genauer: von einer hinteren Seite im aktuellen Ikea-Katalog. Dort wird ein Armleuchter “Söder” zum Preis von 89 Euro feilgeboten, der Teil einer ganzen “Söder-Serie” ist, zu der auch mehrere Wand- und Hängelampen in verschiedenen Designs gehören.
Nach einer ausführlichen Durchsicht des Angebots kann man sagen: Eine große Leuchte ist dieser Söder nicht. Den Herstellerangaben zufolge verbreitet er lediglich ein “weiches Stimmungslicht”, und dem Käufer wird die Verwendung des Leuchtmittels “Sparsam” empfohlen. Selbst damit bringt Söder es laut Katalog nur zur “Energieeffizienzklasse C auf einer Skala von A (sehr effizient) bis G (weniger effizient)”.
Es war nur ein kleiner Text im Regionalteil, aber natürlich genau die Sorte Meldung, die weite Kreise ziehen würde. Sehr weite Kreise:
Außerdem berichteten noch die “Junge Welt”, die “Rheinische Post”, die “taz”, die “Welt kompakt”, der Kölner “Express”, der “Berliner Kurier”, die “Berliner Morgenpost”, der “Tagesspiegel”, die “Welt” und verschiedene kleine Medien über die Lampe mit dem lustigen Namen.
Die Geschichte hätte eigentlich schon vor einem halben Jahr derartige Kreise ziehen können, als die “Abendzeitung” aus München erstmals über “Söder” berichtet hatte (was diese übrigens nicht davon abhielt, jetzt noch einmal darüber zu schreiben).
Aber die “Abendzeitung” hatte damals die Chance zur naheliegenden Pointe verstreichen lassen, die die “Süddeutsche Zeitung” jetzt genutzt hat.
Eigentlich ist “Söder” nämlich gar kein “Armleuchter”:
“BILD liegt es bereits vor”, das Buch von Bettina Wulff, in dem die Frau des ehemaligen Bundespräsidenten ihr Bild in der Öffentlichkeit zurechtrücken will. BILDblog liegt es auch vor, wir stehen sogar im Quellenverzeichnis, weil Wulff sich darüber lustig macht, dass die “Bild am Sonntag” im März 2008 meldete, sie erwarte ein Mädchen. Es war ein Junge.
Ein ganzes Kapitel hat sie den Medien gewidmet, und es geht, obwohl die “Bild”-Zeitung in ihrer Zusammenfassung nichts davon erwähnt*, natürlich über weite Strecken auch um “Bild” und ihr Verhältnis zu den Wulffs. Es sind keine spektakulären Enthüllungen, aber interessante Beobachtungen.
Es ist alles ein großes Spiel, bei dem es nur ein Ziel gibt: Auflage zu machen! Und plötzlich Teil dieses Spiels zu sein, ein Spielball der gesamten Medien, denn da schließe ich andere Blätter mit ein, bei diesem Spiel irgendwie mitzumachen, um nicht gleich der Verlierer zu sein, das war für mich schon merkwürdig und hat mich von Beginn an überrumpelt.
Sie schildert, wie Christian Wulff Pfingsten 2006 bewusst den Kontakt zur “Bild”-Zeitung und anderen Medien herstellt habe, um “unser — sozusagen — Outing so gut es geht selbst (zu) bestimmen”.
Es ist Fakt: Wenn man in Deutschland einen bestimmten Grad an Öffentlichkeit erreicht hat, kommt man nicht um die Bild herum. Auf einer gewissen Ebene gilt es, mit dem Blatt zurechtzukommen. Und, das streite ich nicht ab, es eventuell auch zu nutzen, um Dinge bekannt zu machen, bevor andere spekulieren.
Ein “recht guter Draht zu der ‘Bild’-Zeitung in Hannover” habe sich bereits entwickelt, als Christian Wulff niedersächsischer Ministerpräsident war:
Es gab eine bestimmte Mitarbeiterin, die vertrauensvoll vom Sprecher meines Mannes mit Informationen zu ihren Anfragen versorgt wurde, die uns auf offiziellen Reisen begleitete und mit der ich mich zu Exklusiv-Interviews verabredete. Ganz ohne Zweifel war uns die Bild-Zeitung zu diesen Zeiten sehr wohlgesonnen, im von Mathias Döpfner erwähnten Fahrstuhl ging es nach oben. Ich glaube durchaus, dass beide Seiten, wir wie die Bild, damals davon profitiert haben.
Als Wulff für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte, hätten “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann und seine Frau Katja Kessler das Ehepaar Wulff zu einem Abendessen in ihr Haus in Potsdam eingeladen:
Für mich war es die erste Begegnung mit Kai Diekmann und ich weiß noch, wie unwohl ich mich an diesem Abend fühlte. Zum einen kam ich mir mehr wie das schmückende, aber völlig unwichtige Beiwerk an Christians Seite vor, zum anderen, und das war besonders ausschlaggebend für meine Gefühle, war da dieses wahrlich beeindruckende Haus und dieses Paarensemble Diekmann-Kessler. Er der Typ “Macher”, sie lässig durchgestylt. Mich beschlich das Gefühl, dass dies alles eine mächtige Inszenierung ist. Zugegeben perfekt. Dass so eine Fassade mit zum Spiel gehört, wusste ich damals noch nicht.
Ende September 2010, nach der Wahl Wulffs zum Bundespräsidenten, revanchierten die Wulffs sich — weil es wichtig sei den Kontakt zum Axel-Springer-Verlag zu pflegen — und luden Diekmann und Kessler zu sich ein. Beim Frühstück habe Diekmann plötzlich gefragt:
was denn an den Gerüchten zu meiner vermeintlichen Vergangenheit im Rotlichtmilieu dran sei. Einige seiner Redakteure hätten Derartiges in einer Redaktionskonferenz erwähnt und recherchierten in diese Richtung. (…) Zwar versuchte ich noch, meine Fassungslosigkeit mit einem ironisch gemeinten “Das ist ja interessant!” zu überspielen und Kai Diekmann meinte, dass damit das Thema für ihn erledigt sei. Doch für mich war damit auch das ganze Frühstück gegessen.
Den berüchtigten Anruf Ende 2011, als Christian Wulff Kai Diekmann auf die Mailbox sprach und wütend forderte, einen geplanten Artikel über seine Kreditaffäre wenigstens zu verschieben, bezeichnet Bettina Wulff als einen “riesengroßen Fehler”. Sie könne das Verhalten ihres Mannes aber nachvollziehen: “Es war ein hochemotionaler, aufgeladener Moment. Es ging um unser ganz privates Leben.”
Ich weiß, dass Christian nicht nur entsetzt, sondern auch enttäuscht war über die Handlungsweise von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann — eben gerade aufgrund der vorangegangenen Zusammenarbeit. Und jemandem auf die Mailbox zu sprechen, ist ja quasi ein Gespräch, das nur zwischen zwei Menschen stattfindet. Das hätte man auch privat abhandeln und zunächst mit der jeweiligen Person klären können.
Von der Mailbox gelangte der Inhalt der Nachricht aber bekanntlich in die “Bild”-Redaktion und andere Medien.
In den Wochen von Dezember 2011 bis zum Rücktritt Wulffs im Februar 2012 habe sie aufpassen müssen, schreibt Bettina Wulff, nicht zum “Menschenhasser” zu werden. Journalisten per se seien für sie wie ein rotes Tuch geworden, und in Gedanken habe sie dem einen oder anderen Journalisten “ordentlich gegen das Schienbein getreten. Auch einem Kai Diekmann”.
Sie hoffe nun, dass ihre Vergangenheit als Gattin des Bundespräsidenten bald uninteressant für die Medien werde.
Ich konzentriere mich auf meinen Job, auf meine Termine, auf meine Kinder, auf unsere Zukunft als Familie. Und dabei denke ich und gehe davon aus, dass man sich mindestens zweimal im Leben sieht. Auch mit einem Kai Diekmann wird es für mich ein Wiedersehen geben, da bin ich mir fast sicher.
Vor ein paar Tagen wurde in Berlin der neue VW Golf vorgestellt. Zu Gast auf der pompösen Premierenfeier waren – neben einigen “Stars” – vor allem jede Menge Journalisten. Ungewöhnlich ist das nicht, immerhin ist der Golf eines der meistverkauften Autos der Welt.
Ungewöhnlich ist vielleicht eher, in welchem Ausmaß “Bild” und Bild.de seit einer Woche über den neuen Golf berichten:
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “‘Endlich macht das mal einer'” (taz.de, R. Lorenzen und M. Ferraz)
Seit zwei Jahren verkaufen ein Bäcker und ein Kioskbesitzer in Hamburg keine “Bild” mehr. Die “taz” interviewt die beiden: “Für manche ist es anscheinend nicht zu fassen, diese Zeitung irgendwo einfach mal nicht zu bekommen. Meistens fragen aber nur noch Auswärtige oder Bauarbeiter auf Montage – hier im Viertel wissen alle Bescheid.”
2. “Seid umschlungen Millionen” (ad-sinistram.blogspot.de, Roberto J. De Lapuente)
Auch in öffentlich-rechtlichen Sendern würden Personen vermehrt mit “fraternisierenden Pronomen” vereinnahmt, schreibt Roberto J. De Lapuente. “Die distanzlose Ver-Wir-ung und Ver-Uns-ung ist weder seriös noch realitätsnah, denn sie suggeriert, es gäbe eine nicht näher definierte Schicksalsgemeinschaft.”
3. “Journalismus wird immer mehr zu Scripted Reality” (newsroom.de)
Oberstaatsanwältin Ina Holznagel kritisiert die Arbeitsweise einiger Journalisten: “In den letzten Jahren habe ich den Eindruck bekommen, dass manche Medienvertreter nicht anrufen, um zu erfahren, was eigentlich los ist. Die haben dann eine Geschichte und suchen dafür Bausteine. Man wird angerufen, um eine bestimmte Rolle zu spielen, oder man darf nicht mitspielen. Das ist teilweise wie ‘Scripted Reality’. Und das geht mir wirklich auf den Wecker.”
4. “Öko-Test macht sich die Skandale selbst” (iva.de, 1. September)
Der Industrieverband Agrar kritisiert das Verbrauchermagazin “Öko-Test”: “Öko-Test ist Wiederholungstäter, wenn es darum geht, mit der Angst der Verbraucher die Auflage zu steigern. Schon die Mai-Ausgabe der Zeitschrift (‘Unser täglich Gift’, 05/2012) sollte dem Käufer suggerieren, seine Lebensmittel wären nicht sicher.”
5. “Schleichender Verlust der Glaubwürdigkeit” (sonntagonline.ch, Hanspeter Bürgin)
Ein Kommentar zu den 500 Franken, die Schweizer Journalisten von einem PR-Veranstalter in einem Couvert überreicht erhielten. Es sei längst bittere Realität, schreibt Hanspeter Bürgin: “Ohne das Zusammenspiel mit den Kunden hätten Tages- und Wochenzeitungen ihre Lifestyle-Beilagen, Reise- und Autoseiten, Technik- und Computerseiten längst aufgeben müssen. Frauenzeitschriften gäbe es schon lange nicht mehr.” Siehe dazu auch “Journalisten im Sonderangebot” (suedostschweiz.ch, David Sieber).
6. “Endlich reden wir mal über Sex: fickt euch!” (pantelouris.de)
Michalis Pantelouris kommentiert Vorwürfe gegen Bettina Wulff: “Leben wir wirklich immer noch in Zeiten, in denen wir Hexenjagden veranstalten auf Frauen, weil sie (in diesem Fall: angeblich) einmal Prostituierte waren? Verstehe ich das richtig, dass ein deutscher Ministerpräsident sich nicht in eine/n Prostituierte/n verlieben und sie/ihn heiraten darf?”