Soldaten sehn sich alle gleich
Lebendig und als Leich
(Wolf Biermann – Soldat Soldat)
Seit einigen Tagen wird darüber spekuliert, ob britische und amerikanische Soldaten sich schon im kommenden Jahr aus Afghanistan zurückziehen könnten und nicht erst, wie bisher geplant, im Jahr 2014.
“Bild”-Reporter Julian Reichelt war mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière in Afghanistan und hat auch ein kleines Erinnerungsfoto von dort mitgebracht:
Doch die “Bundeswehrsoldaten”, mit denen Herr Reichelt da posiert, sind gar keine: Das sind die “Amis”. Leute, die sich mit dem Thema auskennen, hätten das an den Uniformen, Helmen, der Ausstattung und den Waffen erkennen können — oder schlicht an der US-Flagge am rechten Oberarm des zweiten Soldaten von rechts.
Mit Dank an Johannes und die anderen Hinweisgeber, sowie an meine Facebook-Freunde für die Hilfe!
Nachtrag, 17. März: Mittlerweile hat Bild.de die Überschrift in ein unverfängliches “BILD-Reporter Julian Reichelt mit Soldaten in Afghanistan” geändert.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Habt keine Angst!” (wasmitmedien.de, Dennis Horn)
Viele Journalisten übertragen ihre eigene Angst vor dem Internet auf die Medienkonsumenten. Das muss nicht sein, findet Dennis Horn.
2. “‘Bild’ bleibt ‘Bild’ – ganz tief unten” (vocer.org, Christoph Lütgert)
“Wie ekelhaft!!!” – so kommentiert Christoph Lütgert das Erscheinen von Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer auf der Titelseite von “Bild”. “Da bringt einer viele tausend Menschen um ihre Ersparnisse, rafft sich selbst unvorstellbare Reichtümer zusammen, und die ‘Bild’-Zeitung feiert diesen Mann als Helden, stilisiert ihn sogar zu einem Idol. Jeder, so die Botschaft, könne von ihm lernen.” Am 13. März fragte Lütgert: “Und wann wird Maschmeyer verknackt?”
3. Interview mit Moritz Bleibtreu (planet-interview.de, Denis Demmerle)
Schauspieler Moritz Bleibtreu über den Umgang mit der Presse: “Grundsätzlich ist das ein Spiel, bei dem du dir überlegen musst, ob und wieweit du daran teilnehmen willst. Die Annahme, dass Musiker, Schauspieler & Co diese Medien brauchen, um erfolgreich zu sein, ist nur bedingt richtig.” Und über die Werbekampagne von “Bild”: “Das ist eine perfide, aber intelligente Kampagne. Ich lese die Bild nicht, deshalb würde ich nicht für sie werben.”
4. “leistungsschutz?” (wirres.net, Felix Schwenzel)
Felix Schwenzel analysiert einen Artikel auf “Spiegel Online” und spannt einen Bogen zum von Presseverlegern geforderten Leistungsschutzrecht: “vielleicht können wir über das leistungsschutzrecht nochmal reden, wenn verlage für interviews (also das absaugen von geistigem eigentum aus interviewpartnern), tweets des tages auf dem titelblatt oder paraphrasierungen von fremden inhalten (aus zeitungen, büchern, fernsehen oder blogs) lizenzgebühren oder honorare zahlen.”
5. “Dürfen Print-Medien Tweets abdrucken?” (netzwoche.ch, Marcel Maurice Urech)
Die Schweizer Rechtsanwältin Lilian Snaidero Kriesi wird zum Urheberrecht an Tweets befragt: “Meiner Ansicht nach hängt die Frage, ob retweetet werden darf, nicht davon ab, ob dies online oder in der Printversion erfolgt. Liegt ein urheberrechtlich geschütztes Werk vor, hat man sich an die Zitierregeln zu halten. Das heisst, Zitate müssen einen bestimmten Zitatzweck verfolgen.”
6. “Ein VZ, eine Verlobung und ein Versuch” (elektrischer-reporter.de, Video, 14 Minuten)
Aufstieg und Fall der von der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck aufgekauften VZ-Netzwerke, die Medienberichterstattung über die Verlobung von @laprintemps und die Schwierigkeiten, Medien im Netz auf legale Weise zu erwerben.
Zwischenüberschriften sollen längere Texte gliedern und optisch etwas auflockern. Sie nehmen meist eine prägnante Aussage der folgenden Absätze vorweg. Erfahrungsgemäß werden Zwischenüberschriften von niemandem gelesen.
Auch nicht von den Leuten, die bei n-tv.de die Zwischenüberschriften erstellen:
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1. “API – das bald wichtigste Werkzeug des Journalisten” (blog.zeit.de, Kai Biermann)
Kai Biermann regt Journalisten dazu an, vermehrt Schnittstellen auszulesen und zu verarbeiten: “Noch sind viele Verlage leider sehr mit der Idee beschäftigt, ihre Inhalte so gut wie möglich gegen eine Nutzung durch andere abzuschotten. Es wäre nicht schlecht, wenn sich das bald änderte. Immerhin sind auch Zeitungsarchive riesige Datenschätze, aus denen sich neue Erkenntnisse gewinnen lassen.”
2. “dapd sagt: Schadenersatzforderung gegenstandslos” (jensweinreich.de)
Die Nachrichtenagentur dapd zieht die am 9. März durch eine Anwaltskanzlei verschickte Schadenersatzforderung wegen einer Urheberrechtsverletzung an Jens Weinreich zurück. “Ein Problem besteht darin, dass nicht nur die dapd, sondern viele andere Medienunternehmen mit Kanonen auf Spatzen schießen. Sie schicken Heerscharen von Abmahn- und Inkasso-Anwälten in die Spur. Irgendwas bleibt dann schon hängen, weil manche Betroffene, selbst wenn sie sich nichts zu Schulden kommen ließen, vielleicht nicht die Laune, nicht den Mut oder was auch immer nicht hatten, um sich zur Wehr zu setzen.”
3. “Marvin Oppong und PR in der Wikipedia” (blog.oldmedia.de)
Der “Spiegel Online”-Artikel “Das geschönte Bild vom Daimler-Konzern” berichtet über die Tatsache, “dass jemand einen kritischen Abschnitt im Wikipedia-Artikel des Autobauers gelöscht hat. Die (anonyme) Bearbeitung wurde schnell rückgängig gemacht, sie hatte gerade mal eine Minute Bestand. So etwas ist nichts Ungewöhnliches und passiert tagtäglich in der Wikipedia. In diesem Fall konnte die IP des Bearbeiters aber zur Daimler AG zurückverfolgt werden.” Siehe dazu auch “Der pöse Daimler” (dieganzewahrheit.org, Thomas Weiss).
4. “In Syrien riskieren Berichterstatter ihr Leben” (drs.ch, Fredy Gsteiger)
Verschiedene Hintergründe zu journalistischen Aktivitäten in Syrien: “Zwar lädt das Regime in Damaskus ihm wohlgesonnene Leute ein, aus Deutschland etwa Peter Scholl-Latour oder Jürgen Todenhöfer. Mit ihnen trinkt Syriens Präsident Bashar al-Assad Tee und erkauft sich so ihm zusagende Berichte. Unabhängige Berichterstatter jedoch will der Diktator fernhalten oder loswerden.”
5. “Handelsblatt-Leser schlecht beraten” (heise.de/tp, Peter Mühlbauer)
Peter Mühlbauer erinnert an die “Handelsblatt”-Aktion “Wir kaufen griechische Staatsanleihen!” von 2010 (“Es geht um ein Zeichen der Mitverantwortung, auch unter Inkaufnahme eines nicht bestreitbaren finanziellen Risikos. Am Freitag habe ich daher für 5.000 Euro griechische Staatsanleihen geordert. Gabor Steingart, Chefredakteur des Handelsblatt.”
6. “…dann schreibe ich halt ein paar Zeilen” (blog.bernerzeitung.ch, Johannes Hofstetter)
Ein Interview mit Walter Krebs, der der “Berner Zeitung” in zwölf Monaten 60 Leserbriefe geschrieben hat.
Nur weil “Bild” und Bild.de regelmäßig gegen die Menschenwürde verstoßen, schockierende Fotos zeigen und Politiker oder andere Menschen in Artikeln hart angehen, sollte man nicht automatisch annehmen, dass dort knallharte Zyniker arbeiten. Manche Redakteure sind nämlich echte Mimosen: Sie halten einen kleinen Seitenhieb für “pöbeln” und einen etwas verunglückten Witz für eine “Attacke”.
Wenn Sie am Sonntagabend den Polittalk “Günther Jauch” in der ARD versäumt haben, haben Sie von den dortigen Attacken auf den Moderator womöglich nichts mitbekommen. Und wenn nicht, auch.
• Attacke Nummer 1: Jauch fragt Henning Scherf, ob Wulff nach seiner kurzen Amtszeit einen Ehrensold von rund 199 000 Euro verdiene oder das Ganze nur eine Neid-Debatte sei. Dann zeigt Jauch einen kurzen Einspielfilm, der Wulffs Einkommen mit dem eines durchschnittlichen Arbeitnehmers vergleicht.
Henning Scherf protestiert: Im Vergleich mit der Wirtschaft würden Politiker “miserabel schlecht bezahlt”.
SCHERF KRITISIERT JAUCHS EINKOMMEN
Dann zeigt Scherf auf Jauch und nimmt dessen jährliche Millionen-Einnahmen als Produzent und TV-Star in den Blick: “Sie müssen auch mal selbstkritisch fragen, lieber Günther Jauch, was Sie so im Jahr verdienen. Sie verdienen das Vielfache von dem, was die Bundeskanzlerin verdient und halten das für gerecht!”
Jauch versucht zu kontern: “Das wissen Sie ja gar nicht.”
Doch Scherf lässt sich nicht beirren: “Das ist nicht gerecht! Unsere Gehälter sind ungerecht verteilt.”
Applaus im Studio. Scherf grinst zufrieden.
Zugegeben: Das klingt derart beschrieben nicht sonderlich spektakulär. Aber Sie sollten es selbst gesehen haben, um zu wissen, wie unspektakulär der Vorfall tatsächlich war:
Henning Scherf, Deutschlands freundlichster Kritiker, der sich sofort im Anschluss an seine Attacke auch noch höflich lächelnd dafür entschuldigt.
Doch die Sendung wurde für den armen Günther Jauch noch unangenehmer:
• Attacke Nummer 2: Jauch fragt “Taz”-Chefredakteurin Ines Pohl, ob sie sich nach der Wulff-Affäre ein politisches Engagement vorstellen könne oder ob es ihr mittlerweile vor der Politik grusele.
Nein, sie bleibe lieber Journalistin, antwortet Pohl. Politiker würden in der Öffentlichkeit zu sehr durchleuchtet.
Dann geht die Journalistin selber zum Angriff über – auf den Moderator: “Über Sie, Herr Jauch, – hört man – wird auch nicht immer nett berichtet!”
Jauch verwirrt: “Na, ich kann mich nicht beschweren.”
• Attacke Nummer 3: Der Thüringer Linken-Politiker Ramelow ergreift das Wort, assistiert Pohl als ob die beiden sich vorher abgesprochen hätten.
Ramelow zu Jauch: “Na, ich wollte Ihnen aus Erfurt einen Born-Senf mitbringen.”
Jauch stutzt, versteht nicht, was Ramelow sagen will. Born-Senf ist eine bekannte Erfurter Senfmarke. “Und wie soll der mir jetzt helfen?”, fragt Jauch.
“Na, vielleicht, weil Sie mal einen Partner Born hatten.”
Sind Sie noch wach?
Langsam dämmert Jauch, was Ramelow eigentlich will. Mitte der neunziger Jahre musste Jauch als Chefredakteur des TV-Magazins “Stern TV” gefälschte Beiträge des Dokumentarfilmers Michael Born verantworten.
“Ach so, jetzt gehen Sie auf Stern TV, 17 Jahre zurück”, sagt Jauch.
Ramelow: “Es geht um die Frage: Was bleibt einem haften? Das hatten Sie Frau Pohl gerade gefragt.”
Die rettet die peinliche Situation. “Wir wollen jetzt weg vom Senf”, bestimmt Pohl und erzählt lieber davon, welche Sprüche sich Angela Merkel als Frau in der Politik gefallen lassen müsse.
Jauch aber hört gar nicht richtig zu. Mit zusammengebissenen Zähnen blickt er auf Ramelow, schüttelt den Kopf über dessen Live-Attacke.
Und hier die ganze Szene noch mal in all ihrer Dramatik:
Andererseits hatte Ines Pohl nicht unrecht: Auch über Günter Jauch wird nicht immer nett berichtet.
Am späten Sonntagnachmittag erschien auf Bild.de diese Meldung:
Gefunden wurden diese Toten im Süden Mexikos, der starke Verwesungszustand “deute darauf hin, dass die Leichname bereits vor über 50 Jahren dort abgeladen worden seien”, schreibt Bild.de unter Berufung auf einen Vertreter der örtlichen Staatsanwaltschaft.
Und weiter:
Wer die Toten sind – und wie sie starben, ist bisher unklar. Die Leichname würden derzeit noch untersucht. Anzeichen von Gewalt seien zunächst nicht zu erkennen gewesen.
Sind es möglicherweise Opfer des letzten Bürgerkrieges, der 36 Jahre lang in dem Land tobte und rund 250 000 Todesopfer forderte? Danach blieben rund 45 000 Menschen vermisst.
Nun würden Laien vielleicht annehmen, dass fehlende Anzeichen von Gewalt vielleicht nicht das beste Indiz für ein Massengrab von Kriegsopfern sei. Experten würden an dieser Stelle eher fragen: “Welcher Bürgerkrieg?”
Zwar gab es in Mexiko in den späten 1960er Jahren Unruhen, aber einen 36-jährigen Bürgerkrieg hat das Land in den letzten 50 (oder auch 100) Jahren nicht gesehen.
Der Text bei Bild.de basiert im Wesentlichen auf einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters.
Die hatte allerdings geschrieben:
Das Grab befindet sich in einer Höhle auf dem Gelände einer abgelegenen Farm unweit der Grenze zu Guatemala. Die Gegend wird häufig von Migranten aus Mittelamerika durchquert, die sich auf dem Weg in die USA befinden.
In Guatemala endete 1996 nach 36 Jahren ein Bürgerkrieg, bei dem schätzungsweise 250.000 Menschen starben. 45.000 Menschen blieben vermisst. Aktivisten vermuten, dass die meisten davon von Soldaten getötet und an geheimen Orten vergraben wurden.
In den vergangenen Jahren haben Drogenhändler-Banden die Leichen von Hunderten ihrer Opfer in Massengräbern abgeladen.
Dass das Massengrab “in einer Höhle auf dem Gelände einer abgelegenen Farm unweit der Grenze zu Guatemala” liegt und die Gegend “häufig von Migranten aus Mittelamerika durchquert” werde, hat auch Bild.de weiterverarbeitet. Nur ergibt diese Information im Zusammenhang mit dem angeblichen mexikanischen Bürgerkrieg natürlich nicht sonderlich viel Sinn.
Schon Sonntagabend konnten die Agenturen dann übrigens vermelden, worum es sich bei dem Massengrab wirklich handelt. Und so stand es dann am Montag auch ganz klein in “Bild”:
Das muss man auch erst einmal können: Sich auf die Straße hocken, wo gerade ein Unfall passiert ist und ein junger Mann tot auf dem Asphalt liegt, und ein Foto davon machen, wie der Vater sein Gesicht in der Hand des Jungen vergräbt und weint und um seinen Sohn trauert.
Das muss man auch erst einmal können. Das muss man auch erst einmal wollen.
Der Fotograf Tim Foltin kann das und will das. Auf seiner Internetseite steht:
In seinem Portfolio zeigt er auch eindrucksvolle Fotos, die er von den Toten auf der Loveparade in Duisburg gemacht hat, wie sie im Müll liegen, ihre nackten Arme und Füße ragen unter den notdürftigen Abdeckungen heraus.
In der Nacht zum Samstag überfuhr ein alkoholisierter Autofahrer vor einer Discothek in Dinslaken zwei Fußgänger, die die Straße überquerten. Einer kam mit schwersten Verletzungen ins Krankenhaus, der andere verstarb noch am Unfallort. Hier machte Foltin das eingangs beschriebene Foto.
Foltin arbeitet für die “Bild”-Zeitung. Am nächsten Tag erschien die “Bild am Sonntag”:
Der Artikel liest sich, als zeige “Bild am Sonntag” das Foto aus pädagogischen Gründen. Als diene die Veröffentlichung nicht, die Schaulust zu befriedigen, sondern als könne sie helfen, die Zahl der Opfer von alkoholisierten Autofahrern zu reduzieren. Der Text endet mit den Worten:
Vielleicht wird der Totraser irgendwann dieses Foto sehen. Und mit ihm jeder, der immer wieder betrunken Auto fährt und damit das Leben anderer aufs Spiel setzt.
Vielleicht wollte “Bild” bloß ganz sicher gehen, dass der “Totraser und mit ihm jeder, der immer wieder betrunken Auto fährt” das Foto sieht, und hat es deshalb am Montag noch einmal gebracht:
Diesmal soll das Foto — ergänzt u.a. um eine Aufnahme, wie die eingepackte Leiche weggetragen wird — offenbar nicht nur andere aufrütteln, sondern auch Teil der Strafe für den Verursacher des Unfalls sein:
Schau her, Suffraser, das hast DU angerichtet! Vielleicht sehen dieses Foto auch andere Fahrer, die gerne mal ein Gläschen trinken — und lassen das Auto jetzt lieber stehen!
Ist das eine realistische Annahme? Ist das ein legitimes Anliegen?
Das sind ernst gemeinte, keine rhetorische Fragen. Aber dazu kommt die folgende: Ist das eine glaubwürdige Rechtfertigung für die Veröffentlichung, wenn sie von einem Blatt kommt, das regelmäßig beweist, dass ihm die Befriedigung niederer menschlicher Instinkte im Zweifel wichtiger sind als die Möglichkeit, Positives zu bewirken?
Und noch eine Frage: Wäre nicht trotzdem die Einwilligung der Familie des getöteten Jungen notwendig, die Zustimmung des Vaters, bevor man ihn in diesem intimsten Moment zeigt?
Wir haben Tim Foltin, den Fotografen gefragt, ob er eine Genehmigung hatte und ob er sie für notwendig hält. Seine Antwort:
Eine Einwilligung des Vaters habe ich nicht.
Sowas macht im Prinzip aber niemand bei Unfällen.
Wie aber da die genaue Rechtslage aussieht, weiß ich leider nicht.
Gedruckt wurde das Foto ja und von daher wird das so auch OK sein.
Die “Bild”-Zeitung teilte uns mit, sie äußere sich grundsätzlich nicht zu “Redaktionsinterna”.
Nachtrag, 23:45 Uhr. Foltins Homepage ist nicht mehr zugänglich. Und Bild.de hat seinen Namen unter dem Foto entfernt.
Nachtrag, 20. März. Jetzt ist Foltins Homepage wieder da — anscheinend auch in ihrer ursprünglichen Form.
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2. “Einst Prinzessin, heute Hexe von Syrien” (cicero.de, Marie Amrhein)
Das Bild, das Medien von Asma al-Assad, der Ehefrau des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, zeichnen, wandelt sich. “Asma al-Assad fällt tief in der Gunst der globalen Beobachter. Aus Ermangelung an weiteren Einblicken in ihre Gedanken, wird ihre Persönlichkeit nun kurzerhand umgedichtet – sie wird von der Retterin zur Schlachthelferin. Und wieder ist das Bild klar: Die Frau ist eine Hexe. Mit eiskaltem Blick sieht sie zu, wie ihr Mann Homs, die Heimatstadt ihrer Familie, zerstört. So beschreiben es nun die getäuschten Medien, obwohl doch niemand Genaueres weiß.”
3. “Vom Urheberrecht oder: wie dapd zu Geld kommen will” (jensweinreich.de)
Sportjournalist Jens Weinreich erhält ein Schreiben einer von der Nachrichtenagentur dapd beauftragten Anwaltskanzlei: “Von mir verlangt man für ein Zitat aus dem Oktober 2008, das von AP Deutschland stammt und das ich nun nach Eingang der Anwaltspost gelöscht habe, insgesamt 463,07 Euro.”
5. “Der Angriff des ‘Tages-Anzeigers’ auf SNB-Direktoriumsmitglied Jean-Pierre Danthine” (blog.dasmagazin.ch, Daniel Binswanger)
Daniel Binswanger, Redakteur der “Tages-Anzeiger”-Beilage “Das Magazin”, kritisiert den Vize-Chefredakteur des “Tages-Anzeigers”, Arthur Rutishauser, für einen “Enthüllungsartikel” über ein Direktoriumsmitglied der Schweizer Nationalbank: “Wer eine öffentliche Figur beschädigen will, der suche irgendwelche Lappalien und konstruiere den Vorwurf der ‘moralischen Verfehlung’.”
6. “Wie man Quatsch erfindet: Mythos 11. März” (blog.gwup.net, Bernd Harder)
“Vor einigen Tagen bekam ich eine Anfrage von der neuen Nachrichtenagentur dapd: Ob ich denn nicht vielleicht ein paar Verschwörungstheorien zum 11. März kennen würde? Ich kann mich an meine Antwort nicht mehr im Detail erinnern – aber ich glaube, sie lautete schlicht: Nein.”
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1. “Pressedrama über dem Atlantik” (badische-zeitung.de, Ole Pflüger)
Ole Pflüger war Passagier eines Air-France-Flugs von Paris nach Bogotá. Wegen einem durch Rauchentwicklung ausgelösten Feueralarm sei er “in Todesangst versetzt” worden, liest er in Medienberichten. Doch: “Es roch nicht nach Rauch nach dem Start, nur ein bisschen nach Pilzrisotto. Der Landeanflug dauerte fast eine halbe Stunde; eine Stewardess lief lächelnd durch die Sitzreihen und beruhigte einzelne Passagiere.”
2. “‘Bild’ der Frau” (sueddeutsche.de, Lena Jakat)
Lena Jakat verdankt die Verschiebung der barbusigen Frau von Seite 1 ins Innere von “Bild” (BILDblog berichtete): “Danke, liebe Kollegen, dass ihr diesen Frauen endlich, nach 28 Jahren und mehr als 5000 ‘Seite-1-Girls’, den Weg zurück in die Rechtschaffenheit aufzeigt und eurer weiblichen Leserschaft den verderblichen Anblick dieser liederlichen Luder erspart.” Siehe dazu auch eine statistische Auswertung der Seite-1-Girls auf faz.net und “Jetzt nicht nachgeben, Mädels!” (ahoipolloi.blogger.de).
3. “Ermordet reicht nicht” (carta.info, Leonard Novy)
Trotz des Auflagenschwunds von “Bild” bleibe die Zeitung für Politik und Medien “das Maß aller Dinge”, findet Leonard Novy: “BILD wie BILD-Kritik gehören zum politisch-kulturellen Inventar eines großer normativer Debatten über Macht, Methoden und Verantwortung der Medien letztlich überdrüssigen Landes.”
4. “Der Mann, der zu viel zu berichten wusste” (faz.net, Michael Reinsch)
Matthias Wolf berichtete für die “Berliner Zeitung” kritisch über den Fußballverein 1. FC Union Berlin: “Nach zwei sogenannten Korrekturmeldungen, die Union der Zeitung auf Berichte Wolfs hin abtrotzte, forcierte der Chefredakteur Uwe Vorkötter den Abzug des Reporters von Union. Wolf sollte von anderen Klubs berichten. (…) Wolf lehnt das Angebot ab, für die ‘Berliner Zeitung’ über andere Themen zu berichten. ”
5. “Es lebe das Internet” (dasnuf.de)
Das Nuf greift den Text “Und was machten die Blogs im Jahre 2011?” auf: “Für mich ist das Internet eben nicht Techblogs und Shitstorms sondern Menschen mit interessanten Geschichten, die mich an ihrem Leben teilhaben lassen. (…) Ich habe oft das Gefühl, dass es (bis auf einige Ausnahmen) wenige Platzhirsche sind, die sich gegenseitig ihre großen Geweihe zeigen und um sich herum kleine Herden scharen, die dann eine zeitlang das Gesagte im Ping Pong zitieren und kommentieren, um sich auch ein bisschen wichtig zu fühlen.”
6. “Zapfenstreich von Marschmusik überschattet” (eine-zeitung.net, Satire)
“Immer wieder setzten unerwartet Bläser und Trommeln ein, die die für Wulff spielenden Vuvuzelas und Trillerpfeifen übertönten.”
In einer Volksabstimmung haben sich die Schweizer gegen eine Verlängerung des gesetzlichen Mindesturlaubs von bisher vier auf sechs Wochen ausgesprochen.
Die Gewerkschaften hatten argumentierten (sic), Arbeitnehmer bräuchten angesichts eines gestiegenen Leistungsdrucks mehr Zeit für Erholung. Nach der Niederlage sagte Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerkschaftsverbandes (SGV), die Abstimmenden hätten wohl “Realitätssinn” gezeigt.
Nun erscheint es etwas paradox, dass der Direktor des Schweizerischen Gewerkschaftsverbandes den Wählern “Realitätssinn” unterstellt, während die Gewerkschaften doch für eine Verlängerung der Urlaubszeit waren. Spontaner Sinneswandel? Resignation? Zerwürfnis?
Nö. Einfach ein klitzekleines Missverständnis: Zwar ist Hans-Ulrich Bigler Direktor des SGV, aber das ist der Schweizerische Gewerbeverband.
Im Kontext wird auch klarer, was Bigler mit “Realitätssinn” meinte:
In den Augen von Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV), hätten die Schweizer “Realitätssinn” bewiesen. “Die Arbeitnehmenden wollen flexibel sein bei der Einteilung ihrer Ferien.” Lösungen seien in den Gesamtarbeitsverträgen zu erarbeiten, nicht in überflüssigen Gesetzen, sagte Bigler. Das deutliche Ergebnis zeige zudem, dass “die Schweiz im Vergleich mit Ländern wie Deutschland, Belgien und Frankreich kein Feriendefizit hat”.
Mit Dank an Jan W.
Nachtrag, 22.35 Uhr: dpa hat eine korrigierte Fassung der Meldung verschickt.