Archiv für Februar, 2010

Dummheit macht Rauch

Bild.de verkündete am Donnerstag:

IQ-Test israelischer Forscher soll zeigen: Rauchen macht dumm!

Nikotin verursacht Krebs UND macht dumm! Das wollen Israelische Forscher herausgefunden haben. Demnach haben Raucher einen deutlich niedrigeren IQ als Nichtraucher. Und: Je häufiger man zur Kippe greift, desto dümmer wird man demnach.

Über den Sinn und Wahrheitsgehalt solcher Studien lässt sich natürlich streiten. Wenn sich allerdings die Spezialisten von Bild.de mit einer Interpretation versuchen, bei der es auch noch um Dummheit geht, lohnt es sich, zweimal hinzusehen.

Die israelischen Forscher haben nämlich keineswegs herausgefunden, dass Rauchen dumm macht, sondern “nur” dass Raucher im Schnitt einen niedrigeren IQ als Nichtraucher haben, wie Reuters meldet:

Die Erkenntnisse legen nahe, dass Personen mit einem niedrigeren IQ sich eher entscheiden zu rauchen, als dass Rauchen Leute weniger intelligent macht, schlussfolgern [Dr. Mark] Weiser und sein Team.

In “Bild”-Sprache übersetzt lautet das Ergebnis der Studie also nicht “Rauchen macht dumm”, sondern “Dummheit erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass jemand raucht”.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Nachtrag, 2. März: Bild.de hat Überschrift und Textanfang geändert:

Israelische Studie: Wer anfängt zu rauchen, ist dumm!

Rauchen ist eine Entscheidung, die aus Dummheit resultiert! Das wollen israelische Forscher herausgefunden haben. Demnach fangen Personen mit einem niedrigeren IQ eher an zu rauchen als Menschen mit einem höheren IQ.

Milch, 11 Freunde, Zeitungssucht

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Vom Regen in die Traufe”
(merkur.de, Markus Collalti)
Markus Collalti stellt fest, dass im Web “die altvertraute Physis traditioneller Medien” nicht mehr existiert und sieht die Milch (= die produzierten Inhalte) im Internet unrückholbar ausgeschüttet. Es habe “etwas Bigottes, einen Eimer Milch in diesen Fluss zu schütten und dann vom Gesetzgeber zu verlangen, er möge doch bitte dafür Sorge tragen, dass diese Milch als Eigentum geschützt bleibe.”

2. Interview mit Phillip Köster
(meedia.de, Alexander Becker)
Chefredakteur Phillip Köster blickt zurück auf hundert Ausgaben des Fußballmagazins “11 Freunde”: “In Wahrheit waren wir nach 2,5 Jahren so gut wie pleite. Ob Marketing, Anzeigenakquise oder Vertrieb: Wir haben am Anfang in den verlegerischen Dingen fast alles falsch gemacht.”

3. “Die Leiden des Zeitungssüchtigen”
(freitag.de, Michael Angele)
“Wer, so muss man fragen, ersetzt uns dieses Rascheln, wenn es keine Zeitung mehr gibt?”, fragt Michael Angele, der eine Sucht nach beschriebenem Papier beschreibt. Dirk von Gehlen antwortet darauf: “Zeitungssucht rettet die Zeitung nicht”.

4. “Es schnüffelt”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier hat “einige winzige Anmerkungen zur aktuellen Schlammschlacht zwischen ‘Stern’ und ‘Bunte'”.

5. “Kommentieren Sie unter Ihrem richtigen Namen!”
(badische-zeitung.de)
Das Online-Portal der “Badischen Zeitung” will keine Kommentare mit Fantasienamen mehr zulassen: “Jeder Kommentar-Autor wird darüber explizit auf badische-zeitung.de informiert und gebeten, dieser Änderung der Netiquette zuzustimmen. Ohne diese Zustimmung können keine weiteren Kommentare veröffentlicht werden.”

6. “Wie alles begann vor 29 Jahren”
(kalender-fel.blogspot.com, Markus Felber)
Markus Felber ist nun schon 29 Jahre als Berichterstatter am Bundesgericht in Lausanne akkreditiert. Er stellt Veränderungen fest: “Während ich früher schon mal zur Kopfwäsche zitiert wurde, mich anschliessend aber auch verteidigen oder entschuldigen konnte, erfahre ich heute nur noch um mehrere Ecken herum, welcher Richter über mich lästerte und gegenüber welchem Kollegen, der dann seinem Mitarbeiter darüber berichtete, der das Büro gleich neben einem anderen hat, der wiederum …”

Etwas durchschnittlicher

Bild.de ist aufgebracht:

Die Engländer verpassen unserem Super-Star eine ganz miese Note. Was soll denn der Quatsch?

Sagen Sie nicht, es könnte ja sein, dass Ballack einfach schlecht gespielt hat: Dieses Argument kann Bild.de nicht gelten lassen und ruft deshalb einen “Experten-Streit” aus.

Gleich drei (deutsche) Experten werden dafür in den Zeugenstand berufen:

“Ich finde, er spielt gut. Zuverlässig, laufstark”, urteilte Kaiser Franz Beckenbauer bei Sat.1.

Stefan Effenberg meinte bei Sky: “Durchschnittlich. Er spielt ordentlich und erfüllt seine Aufgabe.”

Und Lothar Matthäus war zur Halbzeitpause begeistert: “Er macht ein gutes Spiel. Er ist aktiv, versucht das Spiel zu verlagern und schnell zu machen. Er gefällt mir sehr gut.” Nach dem Abpfiff lautete das Matthäus-Fazit: “Er stand etwas weniger im Mittelpunkt. Eine durchschnittliche Leistung.”

Das sehen die Engländer jedoch anders…

Und wie anders “die Engländer” die im Durchschnitt als durchschnittlich eingeschätzte Leistung von Michael Ballack sahen, verrät Bild.de freundlicherweise auch gleich:

Die Tageszeitung “Guardian” gibt Ballack 5 von 10 Punkten.

Also ziemlich … durchschnittlich, eigentlich.

PS: Außergewöhnlich ist hingegen der Versuch von Bild.de, einen Kommentar über Ballacks Laufgeschwindigkeit mit einem Hinweis auf die von ihm zurückgelegte Strecke widerlegen zu wollen:

Die Engländer lästern: “Er tauchte mal am Rande des Spielfelds auf, war nur halb so schnell wie Inters Mittelfeldspieler.”

Ziemlich daneben. 11,6 Kilometer lief der Deutsche – mehr als jeder andere auf dem Feld. 61 Prozent seiner Zweikämpfe gewann Ballack.

Mit Dank an Ralph K.

Feindliche Übernahme

Bild.de fragt seit gestern Abend:

Wer wird jetzt Chef der Kirche?

Und obwohl Fragen in Überschriften sonst gerne unbeantwortet bleiben, liefert Bild.de auch gleich im ersten Absatz eine Antwort:

Margot Käßmanns Spitzenamt als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) übernimmt vorübergehend Stellvertreter Nikolaus Schneider (62), Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Bei der EKD-Synode im November wird dann regulär ein neuer Ratsvorsitzender gewählt.

Man weiß allerdings nicht, ob die Protestanten, die heute auf Bild.de unterwegs sind, diesen ersten Absatz überhaupt noch gelesen haben — oder ob sie nicht vor Schreck vom Stuhl gefallen sind, als sie direkt unter der Überschrift dieses Foto sahen:

Wer wird jetzt Chef der Kirche? Der rheinische Präses Nikolaus Schneider

Denn auch wenn Bild.de den abgebildeten Mann in der Bildunterschrift zum rheinischen Präses Nikolaus Schneider erklärt: Das ist Joachim Kardinal Meisner, der Erzbischof von Köln. Und der ist streng katholisch.

Mit Dank an Heinz B.

Nachtrag, 16.20 Uhr: Bild.de hat den falschen Nikolaus Schneider durch den richtigen ersetzt.

Quotenwettbewerb, UBS, Backwaren

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. Interview mit Holger Kreymeier
(planet-interview.de, Tobias Goltz)
Der Macher von fernsehkritik.tv im Gespräch: “Es müsste meiner Meinung nach verboten werden, die Quote bei ARD und ZDF zu messen. Es dürfte gar nicht mehr öffentlich gemacht werden. Weil es im Grund genommen egal ist, wie viele gucken. Es ist Quatsch, in einen Quotenwettbewerb mit den Privaten zu treten.”

2. “Die UBS in der Gratispresse”
(medienheft.ch, Steffen Kolb)
Die Universität Fribourg hat untersucht, ob sich die Einflussversuche der Werbekunden in der Berichterstattung widerspiegeln. Als konkretes Beispiel dient die Berichterstattung in den Schweizer Gratiszeitungen “.ch” und “20 Minuten” über die Bank UBS.

3. “Tageszeitungen”
(aktuell.nationalatlas.de, Volker Bode)
Zwei Karten und eine Grafik zeigen die Kooperationen sowie die Auflagen- und die Verkaufsentwicklung der deutschen Tagespresse.

4. “Meinungsfreiheit, unbedingt. Warum Brender poltern darf”
(epd.de, Michael Ridder)
Für Michael Ridder gehören die von Nikolaus Brender über ZDF-Redakteure getätigten Aussagen zur Meinungsfreiheit: “Erst wird jemand ohne triftigen Grund aus dem Amt gejagt, dann wird ihm auch noch das Recht auf Meinungsfreiheit aberkannt, schließlich sein Anspruch auf Pensionszahlungen infrage gestellt. Brender muss sich im Angesicht solcher Volksvertreter wie ein kurdischer Redakteur fühlen, der vor einem gnadenlosen türkischen Richter gelandet ist.”

5. Interview mit Feridun Zaimoglu
(sueddeutsche.de, C. Schmidt)
Schriftsteller Feridun Zaimoglu über die Literaturkritik im Fall Axolotl Roadkill: “Warum halten sich bemerkenswert viele Damen und Herren in der Literaturkritik so gerne am Rande der Schmutzlache auf, in der das Fräulein der Saison badet? Was ich in einigen Zeitungen las, war Schund aus der Feder derer, die sich der Literaturkritik zuschlagen. Was führen die eigentlich für ein ödes Leben? Aber das war ja bei einem ähnlich gelagerten Buch auch schon der Fall.”

6. “Wer ist dran?”
(revierflaneur.de, Manuel Heßling)
“Gestern Vormittag vorm Backwarenstand.”

Bild  

Fakten schaffen mit Don Quijote

Nirgendwo auf der Welt weiß man mit größerer Gewissheit zu verkünden, dass der Iran an einer Atombombe arbeitet, als im Axel-Springer-Haus zu Berlin. Insbesondere Julian Reichelt, Chefreporter der “Bild”-Zeitung, scheint über ganz besondere Quellen zu verfügen — anders sind die steilen Thesen in seinem “Bild”-Kommentar vergangene Woche nicht zu erklären. In diesem Beitrag fordert Reichelt nämlich:

Frieden schaffen mit Atomwaffen!

Zunächst schreibt Reichelt da:

Sogar die Internationale Atomenergiebehörde geht jetzt davon aus, dass der Iran an einem Sprengkopf baut.

Was selbst dem aufmerksamen “Bild”-Leser nicht sofort unbedingt auffällt: Das wichtigste Wort in diesem Satz ist das kleine “sogar”. In den letzten Wochen sind in Sachen Iran nämlich exakt zwei Neuigkeiten zu vermelden gewesen: Der Iran hat den Anteil des Isotopes U235 seines Urans [Nachtrag d. Verf.] auf 20 Prozent angereichert (wobei es 80 prozentigem Urans für eine Atomwaffe bedarf). Und es wurde bekannt, dass bereits vor 2003 mit Hilfe eines russischen Ingenieurs Träger für Raketen  gebaut worden waren, auf denen möglicherweise auch Atomsprengköpfe angebracht werden können.

Und so ist man bei der IAEA ob der Vorgänge im Iran zwar auch äußerst besorgt, aber doch deutlich weniger panisch als Julian Reichelt. Die IAEA schreibt in einem aktuellen Dokument zum Iran unter Punkt 41 auf den Seiten 8 und 9 nämlich lediglich, dass die aktuelle Informationslage Fragen zu einer möglichen Entwicklung von Atomsprengköpfen im Iran aufwerfe.

Es wird im IAEA-Report sogar ausführlich erwähnt, dass diese Entwicklung von Atomsprengköpfen nicht unbedingt aktuell sein müsse, sondern auch in der Vergangenheit habe stattfinden können — im Übrigen ein Umstand, der in sämtlichen Medien und auch in der “Bild”-Zeitung selbst vor einigen Tagen bereits vermeldet worden war (Bildblog berichtete).

Während Reichelt suggeriert, der IAEA-Bericht enthalte neue, schockierende Erkenntnisse, verhält es sich eher so, dass die Pressemeldungen der vergangenen Wochen nun auch von offizieller Seite bestätigt werden.

Von dieser konstruierten Neuigkeit kommt Julian Reichelt alsbald zu einer ähnlich fadenscheinigen Schlussfolgerung:

Lieber 8000 amerikanische Bomben als eine einzige iranische.

Der hier suggerierte Gegensatz beruht, nun ja, im besten Falle auf Unwissen. Tatsächlich steht die Welt nämlich in keiner Weise vor der Wahl zwischen US-amerikanischen und iranischen Atomwaffen. Einer gerade vom US-amerikanischen Think Tank “Carnegie Endowment” veröffentlichten Weltkarte der Atomsprengköpfe hätte der Bild-Reporter zum Beispiel entnehmen können, dass insgesamt acht Staaten weltweit über Atomwaffen verfügen.

Neben Russland (14.000 Atomsprengköpfe) und China (mehr als 125 Atomsprengköpfe) verfügen beispielsweise auch Israel (80 Sprengköpfe), das beunruhigend instabile Pakistan (60 Sprengköpfe) und Indien (50 Sprengköpfe) über Atomwaffen — allesamt Staaten in der Nachbarschaft des Irans.

Überhaupt: Über die für den Iran besonders wichtige Regionalpolitik zwischen den notorischen instabilen Ländern Irak,  Afghanistan und Pakistan verliert Reichelt in der “Bild” eben kein Wort. Ebenso wenig Erwähnung findet auch die Tatsache, dass die in Israel und den USA, aber auch in “Bild” lauter werdende Forderung, den Iran anzugreifen, die Kriegsgefahr tendenziell eher steigert denn senkt.

Aber nicht allein Reichelts Faktenwissen ist ungenügend. Auch sein Wutausbruch gegen die von ihm “Abrüstungs-Groupies” genannten Gegner atomarer Aufrüstung ist allein schon deshalb irritierend, weil Reichelt wie ein neorealistischer Don Quijote Positionen bekämpft, die überhaupt niemand vertritt. Gleich zu Beginn seines Kommentars entwirft er ein reichlich abwegiges Schreckensbild:

Es gibt nur ein Szenario, das furchterregender ist als eine Welt, in der es 25 000 Atomsprengköpfe gibt. Eine Welt, in der es nur noch eine Bombe gibt. Eine Bombe, auf der steht: “Mit Grüßen aus Teheran.”

Dass niemand ernsthaft fordert, allein die USA oder gar alle acht Atommächte mit einsamer Ausnahme des Iran mögen ihre Atomwaffen abschaffen (was im Falle Nordkoreas eine besonders abstruse Vorstellung ist), stört Reichelt wenig. Er keilt weiter gegen seine selbst ausgedachten Kontrahenten:

Gern jammern Abrüstungs-Groupies, man könne die Welt mehrere Hundert Male mit den vorhandenen Atomwaffen zerstören. Absurde Mathematik: Denn nach dem ersten Mal wäre es eh egal.

Und als wäre das des Unsinns nicht genug, löst Reichelt auch einen zentralen Widerspruch seines Kommentar nicht auf: Wenn Atomwaffen, wie Reichelt unterstellt, denn nun Frieden schaffen – was ist dann eigentlich das Problem mit dem vermuteten Atomwaffenprogramm des Irans?

Motorsport, Schmähkritik, Burma VJ

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Motorsportjournalismus – Wo ist der hin?”
(racingblog.de, Don Dahlmann)
Don Dahlmann sieht bei den Printprodukten zum Thema Motorsport eine enge Verzahnung zwischen Industrie, Agenturen und Redaktionen. “Es ist kein Zufall, wenn nach einer doppelseitigen Anzeige für ein Pflegeprodukt man genau diese vier Seiten weiter ‘redaktionell’ empfohlen bekommt. Es ist auch kein Zufall, wenn Promi XY interviewt wird und dessen Film dann ein paar Seiten später als ‘Tipp der Woche’ auftaucht.”

2. “Acht Regeln für Amok-Berichte”
(mediummagazin.de, Annette Milz)
Psychologen haben zur Berichterstattung über Amokläufe “acht konkrete Regeln für das Verhalten der Medien formuliert”. Der kommende 11. März ist der Jahrestag des Amoklaufs von Winnenden.

3. “Das Elend der Debatte um ARD und ZDF”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier weiss, wie “die Verlage vielleicht, möglicherweise, wenn das Wetter stimmt, in der Lage sein” werden, “auch in Zukunft Qualitätsjournalismus anzubieten, und womöglich sogar im Netz”. Nämlich so: “Die Verlage müssen von der (ohnehin schon reduzierten) Mehrwertsteuer befreit werden, Google muss verboten oder zur Zahlung von Lizenzgebühren verpflichtet werden, ARD und ZDF müssen das Internet verlassen, das Zitatrecht muss drastisch eingeschränkt, das kostenlose Anbieten von Informationen untersagt und die Gratis-Kultur im Internet insgesamt vernichtet werden.”

4. “300 Folgen Schmähkritik”
(blogs.taz.de/popblog, Christian Ihle)
“300 Folgen lang haben jetzt schon Zeitschriften, Magazine und Stars über Platten, Filme, Politiker und Bands böse geredet. Zeit also, ein komplettes Inhaltsverzeichnis der 300 Folgen Schmähkritik zum Stöbern aufzubereiten…”

5. “Achtung, Kamera!”
(falter.at, Florian Klenk und Barbara Toth)
Der tschechische Journalist Janek Kroupa recherchiert, verdeckt unter dem Namen Radvít Pokorny, in einem österreichisch-tschechischen Rüstungsgeschäft und deckt so “einen der größten politischen Skandale der letzten Jahre” auf.

6. “Burma VJ”
(plus7.arte.tv, Video, 84 Minuten)
Für sieben Tage online: Der Film “Burma VJ” von Anders Østergaard (Trailer).

Ein Ö für ein Ü vormachen

Andi Möller zum PSV Eindhoven? Fred Rutten überlegt Andreas Möller als technischen Direktor zum PSV Eindhoven zu holen, wie die niederländische Seite www.voetbalprimeur.nl berichtet. Der ehemalige Schalke-Coach trainiert seit dem 01. Juli 2009 das holländische Team von PSV Eindhoven. Rutten und Möller hatten sich während der gemeinsamen Zeit bei Schalke 04 kennen gelernt. Andreas Möller ist seit dem 1. Juli 2008 Manager bei dem Drittligisten Kickers Offenbach.

Zäumen wir diese kleine Sport-Meldung von Bild.de doch mal von hinten auf und schreiben erst mal, was daran richtig ist:

  • Andreas Möller ist seit dem 1. Juli 2008 Manager bei dem Drittligisten Kickers Offenbach.
  • Fred Rutten trainiert seit dem 01. Juli 2009 das holländische Team von PSV Eindhoven.
  • voetbalprimeur.nl berichtet, dass Fred Rutten überlege, Andreas Möller als technischen Direktor zum PSV Eindhoven zu holen.

Und hier kommt das Problem: voetbalprimeur.nl hat sich – im Gegensatz zu vielen anderen niederländischen Seiten – vertan, als es darum ging, eine Meldung aus der Originalquelle “Telegraaf” abzuschreiben.

Es geht nämlich nicht um Andreas Möller, sondern um Andreas Müller, der Manager beim FC Schalke 04 war, als Rutten dort als Trainer arbeitete. Der frühere Nationalspieler Möller war zu diesem Zeitpunkt übrigens schon lange wieder aus Schalke weg.

Zugegeben: Selbst wenn Bild.de direkt beim “Telegraaf” nachgelesen hätte, hätte noch die Chance bestanden, über den falschen Mann zu schreiben. Einmal bezeichnet der “Telegraaf” selbst nämlich Müller als “Möller”.

Mit Dank an Marcus B. und Nabil T.

B.Z., Brender, Wissenschaftsjournalisten

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Online-Gebühren: Über den Wert von Qualitätsjournalismus”
(jensweinreich.de)
Sportjournalist Jens Weinreich setzt ab sofort Bezahlbuttons in seine Blogartikel. “Wer nichts zahlen möchte, weil ihm die Dienstleistung nicht gefällt, weil sie ihm nicht gut genug ist oder gar, obwohl sie ihm nützlich erscheint, trotzdem nichts zahlen möchte, weil er sich sagt: das Zeug gibt es doch sowieso umsonst; der hat Argumente, die ich schwerlich entkräften kann.”

2. “Blogs [metadiskussion]”
(2-blog.net, Luca Hammer)
Ein langer Text über die immer mal wieder aktuelle Debatte “Blogs sind tot”: “Ich sehe die Entwicklungen rund um Blogs sehr positiv. Die Technologie kommt weiter, die Inhalte werden besser, mehr Leute wissen was Blogs sind und wenn die anderen Medien endlich ihre Paywalls hochziehen, steht den Blogs eine tolle Zeit bevor.”

3. “LSVD entsetzt über B.Z.”
(queer.de, dk)
“Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist entrüstet über einen Kommentar in der Boulevardzeitung B.Z., in dem die Überfälle auf Homosexuelle in Berlin bagatellisiert werden.”

4. “Lauscher auf dem Lerchenberg”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Michael Hanfeld über Hugo Diederich, der Nikolaus Brenders Äusserungen über das ZDF als “verbale Entgleisung” geisselte: “Das ZDF sei keine kleine DDR. Der Mann muss es wissen; er sitzt in jenem Fernsehrat des Senders, dessen Mitglieder die Ministerpräsidenten, die im Verwaltungsrat sitzen, als Vertreter vermeintlich unabhängiger gesellschaftlicher Gruppen auswählen und aus deren Mitte wiederum acht Gesandte für den Verwaltungsrat bestimmt werden.”

5. “Mit dem Zweiten spitzelt man besser?”
(spreegurke.twoday.net, Ursula Pidun)
Auch Ursula Pidun kommentiert die Auseinandersetzung: “So taff sich Brenders Worte also in diesen Tagen auch anhören mögen und so traurig die inhaltliche Brisanz für unsere Demokratie auch ist: Ein authentisch arbeitender Journalist hätte diese Zustände – so sie denn tatsächlich in dieser völlig inakzeptablen und verfassungswidrigen Form existent sind – bei Bekanntwerden sofort und auf der Stelle anzeigen und die Öffentlichkeit über die wahren Ausmaße in Kenntnis setzen müssen.”

6. “Splitter aus San Diego (IV): Die Journaille”
(scienceblogs.de/alles-was-fliegt, Alexander Stirn)
Ein Bericht von einem Jahrestreffen der Wissenschaftsjournalisten, das mit viel weniger deutschen Journalisten und ohne Party auskommen muss.

Here Comes “The Sun”

Es geschah John Lennon ganz Recht, dass er 1980 vom geistig verwirrten Mark David Chapman erschossen wurde. Das scheint zumindest “Bild am Sonntag” zu denken:

Das böse Omen der Beatles. Dieses bisher unveröffentlichte Foto zeigt John Lennon, der so tut, als würde er sterben. Zwölf Jahre später wurde er erschossen. Moral: Let it be!

Aber selbst wenn man den Versuch ignoriert, einen Zusammenhang zwischen Foto und Attentat zu konstruieren, und außer Acht lässt, dass “Let It Be” im gleichnamigen Beatles-Song sehr wahrscheinlich eher im Sinne von “lass es geschehen” denn als “lass es sein” gemeint sein dürfte, ist an diesen drei Sätzen noch etwas merkwürdig. Im Sinne von “falsch”.

Das laut “Bild am Sonntag” “bisher unveröffentlichte Foto” ist nämlich alles andere als bisher unveröffentlicht: Es ist Teil einer 23-teiligen Fotoserie, die seit 1998 in Galerien und Museen zu sehen ist — so auch im Jahr 2003 in Liverpool, der Heimatstadt der Beatles. Die BBC berichtete damals darüber und zeigt das Foto seitdem auf ihrer Website.

Vielleicht war “Bild am Sonntag” verwirrt, dass die Galerie, in der die Fotos zur Zeit zu sehen sind, schreibt, dass die Bilder für drei Jahrzehnte “unbesehen, weggepackt in der Dunkelheit, beinahe vergessen waren” — die drei Jahrzehnte zwischen ihrer Entstehung 1968 und der ersten Ausstellung eben.

Aber vielleicht hat “Bild am Sonntag” auch nur auf die Recherche-Qualität der britischen “Sun” vertraut, die am Samstag auf ihrer Internetseite von “unveröffentlichten Beatles-Fotos” schwadronierte, die “für Jahrzehnte in Umschlägen gelagert” gewesen seien.

Von der “Sun” scheint “Bild am Sonntag” zumindest auch die Information zu haben, dass die Fotos (von jedem gibt es 195 nummerierte und signierte Abzüge) “pro Stück 114.000 Euro” kosten sollen — was etwas unwahrscheinlich ist, wenn die Original-Dias laut Ausstellungankündigung vom Auktionshaus Christie’s mit 100.000 US-Dollar (ca. 74.000 Euro) und damit deutlich niedriger bewertet werden.

Trotz all dieser Ungereimtheiten gibt “Bild am Sonntag” an, mit dem Fotografen gesprochen zu haben.

PS:

Am 8. Dezember 1989 transportiert ein Leichenwagen den toten John Lennon vor dem Dakota-Building in New York ab

Keine Ahnung, was das für eine Leichenwagen ist, aber der tote John Lennon wurde damit ganz sicher nicht vor dem Dakota-Building abtransportiert. Lennon war nämlich schwerverletzt mit einem Polizeiauto zum Roosevelt Hospital Center gefahren worden, wo er schließlich für tot erklärt wurde.

Aber das mit John Lennons Tod scheint für deutsche Journalisten sowieso etwas schwierig zu sein.

Mit Dank an RisingEd.

Nachtrag, 24. Februar: Unser Leser Samuel J. wusste, was das für ein Leichenwagen ist: Tatsächlich (laut Getty-Images) der, in dem John Lennons Leiche transportiert wurde — nur eben nicht vor dem Dakota Building und kurz nach den Schüssen:

Der Leichenwagen mit der Leiche des ermordeten britischen Musikers John Lennon, geparkt vor dem Bestattungsinstitut Frank E. Campbell, New York City, Dezember 1980

(“Frank E. Campbell” steht übrigens gleich zwei Mal auf dem Eingang des Gebäudes — aber den hat “Bild am Sonntag” abgeschnitten.)

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