Archiv für November 6th, 2009

Jeckes Jubiläum

Es hat ja fast etwas beruhigendes, wenn jemand trotz des momentanen medialen Overkills zum Thema nicht so genau weiß, in welchem Jahr eigentlich die Berliner Mauer gefallen ist.

Aber musste dieser Jemand ausgerechnet das große Special der “B.Z.” erstellen?

Der 9. November 1998

Lassen Sie sich nicht verwirren: Die Mauer fiel natürlich am 6. November 1989.

Mit Dank an Michael H.

Nachtrag, 7. November, 17:20 Uhr: Aaaaah:

Der 9. November 1989

Gericht kürzt Diekmanns Blog

Nachdem Jung-Blogger Kai Diekmann sich zu Beginn damit brüsten konnte, von der “taz” verklagt und von einer falschen Alice Schwarzer als “Sexist” beschimpft worden zu sein (BILDblog berichtete), kann er nun den neuesten Erfolg für sich reklamieren: Das Landgericht Berlin hat ihm auf Antrag des Kulturmagazins “Lettre International” offenkundig falsche Behauptungen untersagt, wie kress.de berichtet.

“Lettre International” hatte ein Interview mit dem Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin geführt, das bald darauf Aufsehen erregte. “Bild” hatte dieses Interview nahezu vollständig in seiner Printausgabe und bei Bild.de zitiert — ohne Einwilligung von “Lettre International”, wie deren Chefredakteur Frank Berberich sagte.

Kai Diekmann hielt in seinem Blog dagegen und behauptete, dass es “normal” sei, wenn eine “große Zeitung” eine “kleine Zeitschrift” “zitiert”. Dass “Bild” die Genehmigung für den Abdruck fast des gesamten Interviews hatte, meinte Diekmann sogar mit einem handschriftlichen Vermerk der “Lettre”-Redatktion belegen zu können:

Lieber Herr Berberich: Da müssen Sie etwas übersehen haben. Denn natürlich haben wir das Interview nicht geklaut, sondern uns vorher die Erlaubnis zur Veröffentlichung geholt. Mein Kollege Hans-Jörg Vehlewald aus der Politikredaktion bat dafür telefonisch in ihrem Büro um den kompletten Text, den er anschließend auch per Fax bekam - versehen mit dem handschriftlichen Vermerk: "z. Hd. Herrn Vehlewald, mit Nennung der Quelle: Lettre International" (siehe ganz unten).

Nun muss man BILD ja nicht mögen. Und man kann sich auch immer alles anders überlegen. Aber uns zuerst den Abdruck zu erlauben, und dann davon nichts mehr wissen zu wollen, finde ich…komisch.

“Komisch” dürften auch Nicht-Juristen Diekmanns Behauptung gefunden haben, dass aus den Worten

z. Hd. Herrn Vehlewald, mit Nennung der Quelle: Lettre International

die Genehmigung zu einem Komplettabdruck zu entnehmen sei.

Berberich blieb entsprechend bei seinen Vorwürfen, wie kress.de vergangene Woche meldete, und zog vor Gericht. Das entschied: Diekmann muss seine Behauptungen unterlassen. Außerdem muss er in seinem Blog eine Gegendarstellung veröffentlichen, in der “Lettre” wiederholt, “Bild” keine Genehmigung zum Komplettabdruck gegeben zu haben. Diese Gegendarstellung soll in gleicher Aufmachung wie der “Erlaubnis-Text” veröffentlicht werden und so lange dort abrufbar sein wie der beanstandete Eintrag.

Der allerdings ist seit heute um die zwei oben zitierten Absätze kürzer:

Hier stand ein Absatz, den wir aus rechtlichen Gründen nicht mehr veröffentlichen dürfen (raten Sie, wer das erwirkt hat…)

Bild  

Weltstar-Halluzinationen: With or Without You

Ja, da macht “Bild” keiner was vor. Tausende sahen gestern den Auftritt von U2 am Brandenburger Tor, aber nur eine Zeitung hat bemerkt, dass da zwei sensationelle prominente “Überraschungsgäste” auf der Bühne standen:

“Bild” hat sogar Beweisfotos von den Auftritten von Bruce Springsteen und Mick Jagger mit U2 (siehe links).

Allerdings lautet der Original-Bildtext, mit dem die Agentur Getty Images das Foto von Springseen und The Edge verbreitet, so:

NEW YORK – OCTOBER 30: The Edge of U2 and Bruce Springsteen performs on stage during the 25th Anniversary Rock & Roll Hall of Fame Concert at Madison Square Garden on October 30, 2009 in New York City. (Photo by Kevin Mazur/WireImage)

Und auch das Foto von Mick Jagger stammt von derselben Veranstaltung: einem Konzert im Madison Square Garden am Freitag vergangener Woche.

Die “Überraschung” bei den “Überraschungsgästen” bestand also darin, dass “Bild” sie gestern am Brandenburger Tor sah, obwohl sie gar nicht da waren.

… stellt sich also die Frage, ob “Bild” eine ganze besondere Konzertrechercheschwäche hat oder ob das der ganz normale Recherchestandard von “Bild” ist, dessen Schwächen wegen der vielen Augenzeugen bei Konzerten nur besonders offenkundig werden.

Mit Dank an Norbert M., Alexander, Martin S., Marco S. und Clarissa von A.!

Regividerm, Schmitt, Prognoseindustrie

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Springers digitaler Amoklauf”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert hält die Idee des Axel-Springer-Verlags, Bild.de und Welt.de auf dem iPhone zwingend kostenpflichtig zu machen, für keine gute. Besser fände er: “Ein kostenloses Basis-Angebot, das von einer kostenpflichtigen Applikation komplettiert wird, die sexy genug ist, um ohne Zwang Leser in zahlende Nutzer zu konvertieren.”

2. “Der Regividerm-Skandal – eine Medienbetrachtung”
(blog.esowatch.com)
Esowatch.com arbeitet nochmals die Berichterstattung der Medien nach dem Film “Heilung unerwünscht” von Klaus Martens auf: “‘Pharma-bashing’ ist en vogue bei Vielen. Bei einem Nicht-Journalisten würde man so etwas selektive Wahrnehmung aufgrund von Vorurteilen nennen, die auch noch in die Fehlwahrnehmung mündet, selber besonders kritisch zu sein.”

3. Interview mit Harald Schmitt
(cicero.de, Bettina Stuhr und Thore Barfuss)
Fotograf Harald Schmitt erinnert an die Arbeitsbedingungen für Journalisten in der DDR: “Alles, was in Berlin war, konnte man fotografieren. Ansonsten war jedes journalistische Vorhaben genehmigungspflichtig. Wenn wir also das Thema ‘Jugend in der DDR’ machen wollten, mussten wir uns mit dem Außenministerium in Verbindung setzen. Da hieß es wir kümmern uns drum, dann passierte Monate lang nichts.”

4. “Wozu noch Journalisten?”
(sueddeutsche.de, Frank Keil)
“Wozu Journalisten? Frau M. und Herr H. und auch Frau R. hätten darauf eine glasklare Antwort: Damit ihnen diese helfen. Damit sie sich ihrer annehmen und ihnen zuhören und sie beim Reden nicht gleich unterbrechen und wieder alles besser wissen, also: was zu tun wäre.”

5. “Das seltsame Blatt für Deutsche in der Schweiz”
(tagesanzeiger.ch, Thomas Knellwolf)
Mindestens genau so interessant wie die Recherchen von Thomas Knellwolf ist die Sicht auf diese aus der Warte der Redaktion der “Deutschen Wochenzeitung Schweiz”, die heute mit ihrer ersten Ausgabe aufwartet und Knellwolf auf der Hauptseite der eigenen Website antwortet.

6. “Propheten und Moneten”
(ardmediathek.de, Video, 43:55 Minuten)
Eine Dokumentation von Tilman Achtnich über die Prognoseindustrie: “(…) Vorhersagen machen Meinung, beeinflussen Politik und Wirtschaft und nicht zuletzt unser Seelenheil. Wir sind prognosehörig und merken gar nicht, wie uns Vorhersagen manipulieren.”