Archiv für Juli 28th, 2008

Allgemein  

“Bild” machte Unbeteiligten zum “Messerstecher”

Am vergangenen Freitag zeigte “Bild” in einem Artikel auch einen zwei Tage zuvor veröffentlichten “Bild”-Artikel und schrieb daneben:

Aber es stimmt nicht. Denn zwei Tage zuvor berichtete “Bild” in Wahrheit nicht so wie oben, sondern:

Wobei: Ursprünglich war die Person auf dem Foto rechts in “Bild” gut bis sehr gut zu erkennen. Die rote Unkenntlichmachung stammt von uns. Denn dass “Bild” das Foto am Freitag unauffällig weglassen hatte, hat einen guten Grund. Er steht allerdings erst in der heutigen “Bild” unter dem Wort “Gegendarstellung”:

"In BILD (Berlin) vom 23.07.2008, Seite 5, wurde über das Urteil für einen Messerangriff auf einen Busfahrer berichtet. Dort war u.a. das Foto einer Person abgedruckt und dazu vermerkt: Mehmet S. (25) kommt mit Müllsack und Plastikbeutel aus dem Knast, feixt und lacht. Er rammte dem Busfahrer das Messer in den Rücken. Hierzu stelle ich fest: Die auf dem Foto abgebildete Person bin ich. Ich kam nicht 'aus dem Knast'. An einem Messerangriff auf einen Busfahrer war ich in keiner Weise beteiligt. Rechtsanwalt Walter Venedey für Sinan Battaloglu. Berlin, 23.07.2008. Herr Battaloglu hat recht. Er hat mit dem Messerangriff nichts zu tun. Wir bedauern die Fotoverwechslung und bitten Herrn Battaloglu um Entschuldigung."

Barack Obama fühlt sich von “Bild” reingelegt

Barack Obama sah schon auf dem Foto, das ihn zeigt, wie “Bild”-Chef Kai Diekmann ihm die Titelseite von “Bild” mit ihm zeigt, nur mittelbegeistert aus.

Der amerikanische Senator hatte bis zu diesem Moment nicht geahnt, dass die junge und weitgehend sprachlose Frau, die sich ein paar Stunden zuvor im Fitnessstudio des Hotels mit ihm hat fotografieren lassen, eine “Bild”-Reporterin war. Ihr Bericht begann mit den Worten: “Während Tausende an der Siegessäule auf ihn warteten, traf ich, die ‘Bild’-Reporterin, Barack Obama allein — im Fitnessstudio!” Obama hingegen sagt: “Wir sind reingelegt worden.” Mit diesen Worten zitiert ihn Maureen Dowd, eine Kolumnistin der “New York Times”. Obama wörtlich:

“Erinnern Sie sich an ‘Die Farbe des Geldes’ mit Paul Newman? Forest Whitaker sitzt so da und tut, als wüsste er nicht, wie man Billiard spielt. Und dann zockt er die Abzocker ab. Sie hat uns abgezockt. Wir kommen in das Sportstudio. Sie ist schon auf dem Laufband. Sie sieht wie ein ganz normales deutsches Mädchen aus. Sie lächelt und winkt ein bisschen verlegen, aber macht sich keine Mühe, irgendetwas zu sagen. Als ich gerade gehe, sagt sie: ‘Oh, kann ich ein Foto haben? Ich bin ein großer Fan.'”

Das schüchterne Mädchen heißt Judith Bonesky und fragt sonst für “Bild”: “Wie war die Hochzeitsnacht, Herr Walz?”, berichtet von tragischen Unfällen: “Schnipp, schnapp, Fingerkuppe ab. Wenn man wie Kult-Sänger Frank Zander (66, ‘Hier kommt Kurt’) auf die Finger zum Gitarrespielen angewiesen ist, sollte man auf die Klampfen-Griffel besser aufpassen…” oder protokolliert erschütternde Missgeschicke: “Kate Moss: Haare im Adlon verloren”.

Ihr Augenzeugenbericht vom Treffen mit Obama las sich anderntags in “Bild” u.a. so:

16.37 Uhr. Die Tür geht auf. ER ist es wirklich! ER (1,87 m) ist viel größer, als ich ihn mir vorgestellt habe. ER trägt schneeweiße Jogging-Schuhe von Asics. Dazu ein graues T-Shirt und eine schwarze Jersey-Hose, beides von Nike. Die Klamotten wirken nicht mehr neu, schon oft getragen. Doch ganz frisch gewaschen. Ich hab den Duft von Weichspüler mit Frühlingsaroma in der Nase... Gar nicht weichgespült ist sein Lächeln, das mich trifft. Einfach umwerfend! Mir wird heiß. Und das nicht nur vom Training... "Hallo, wie gehts?", fragt Obama auf Englisch mit kräftiger, sehr männlicher Stimme. Mein Herz rast. 155, 158, 160... zeigt der Pulsmesser an! Ich antworte: "Sehr gut. Und wie geht es Ihnen?" ER: "Sehr gut, danke!" Obama ist durchtrainiert (spielt Basketball, Golf, joggt). Ich sehe seine muskulösen Arme - und seine knackige Rückansicht...

Obama sagte der “New York Times”, ihm werde gerade erst klar, woran er sich alles gewöhnen müsse.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber und Spiegel Online.

Nachtrag, 29. Juli. Antrieb für die öffentliche Liebeserklärung von Judith Bonesky an Barack Obama ist übrigens, dass sie “Obamas ausgeklügelte, bis ins letzte geplante PR-Inszenierung für den US-amerikanischen Wahlkampf gestört” habe. Das sagte ihr Chefredakteur Kai Diekmann laut “Süddeutscher Zeitung” und fügte hinzu: “Das war eine tolle Reporterleistung, denn Bild ist nicht Teil der Wahlkampfmaschinerie”.

Nachtrag, 15:40 Uhr. “Bild” hat den Obama-Artikel aus seinem deutschen Online-Angebot entfernt. Anstelle einer Erklärung sagte Verlagssprecher Tobias Fröhlich gegenüber dem Medienmagazin “Meedia”: “Das war ja letztlich nur eine regionale Geschichte.” Von einer rechtlichen Auseinandersetzung wisse er nichts. Eine kürzere englische Version ist nach wie vor online.

Nachtrag, 19:00 Uhr. Auch die englische Version ist nun verschwunden.

Nachtrag, 30.7.2008. Eine Nachfrage von uns bei “Bild”, wer aus welchem Grund die Löschung des Artikels auf Bild.de veranlasst hatte, blieb unbeantwortet. Ein “Bild”-Sprecher teilte uns heute morgen lediglich mit, die Berichterstattung sei “mit neuen Aspekten (Resonanz in anderer Presse und Diskussionsforum) online”. Und das stimmt. Allerdings schreibt Bild.de auch: “Viele lobten die Leistung der Reporterin – aber auch von einer ‘blonden Stalkerin’ war die Rede.” Was insofern seltsam ist, als wir in den von Bild.de verlinkten Medienberichten das viele Lob nicht entdecken können. Dafür gibt es aber u.a. einen Link zu einem FAZ.net-Artikel, der nicht frei online ist, sowie einen zu Pravda.ru, der bloß die wörtliche Übernahme von Boneskys ursprünglichem “Bild”-Artikel ist (“Click here to read the full text of the story”). Ach ja, und über Obamas Kritik verliert Bild.de selbst kein Wort.

6 vor 9

Internet, Fernsehen, Radio. Alle müssen bedient werden.
(amerikawaehlt.de, mit Video, 6:33 Minuten)
“Nun haben wir endlich unsere Beweise: Das Weiße Haus hat Fox News quasi mit Scripts für ihre konservativen Shows versorgt und der Sender hat diese dankend angenommen und so getan, als ob sie Journalismus betreiben. Zugegeben, manchen ihrer Show wurde schon seit Jahren kein journalistischer Anklang zugesprochen, doch die Wahrheit kann dennoch schmerzvoll sein.”

Blödsinn am Sonntag
(meedia.de, Jens Schröder)
“Minutenlanges Kopfschütteln hat die aktuelle ‘Bild am Sonntag’ bei mir erzeugt. Unter der Headline ‘Die 50 besten Schauspieler’ wird schon auf der Titelseite eine ‘Quoten-Studie’ angekündigt, die zweifelhafter kaum sein könnte.”

Selbst schuld, wer im Netz verblödet
(faz.net, Oliver Jungen)
“Der Netzkritiker Nicholas Carr hat in einem vielbeachteten Essay beklagt, dass die Konzentrationsfähigkeit durch das Internet sinke. Kein Grund zum Pessimismus, meint Oliver Jungen. Wer das mentale Großkunstwerk Internet nicht zu nutzen wisse, trage dafür selbst die Verantwortung.”

“Die Zukunft des Bürgerjournalismus ist glänzend”
(cicero.de, Sophie Diesselhorst)
Interview mit Markus Beckedahl: “Ein großes Problem, das wir in Deutschland haben, ist das Urheberrecht. Es verträgt sich nicht mit dem digitalen Zeitalter – trotzdem wird es immer noch verschärft. Bald dürfen wir wahrscheinlich noch nicht mal mehr Links setzen. Meiner Meinung nach befinden wir uns in einer Remix-Kultur, und das Urheberrecht ist auf eine ganz andere Kultur abgestimmt. Man sollte es nicht abschaffen, aber es muss an die Gegebenheiten angepasst werden.”

Angriff auf den Platzhirsch
(sonntagszeitung.ch, Michael Soukup)
“Wie das ‘Wall Street Journal’ die ‘New York Times’ online bedrängt.”

Facts 2.0: “Vielleicht sollten wir immer zuerst den Chef, Dr. Bugsierer, fragen.”
(henusodeblog.blogspot.com)
Ein langer Text zu den kürzlich wieder aufgeflammten Problemen des Nachrichtenaggregators Facts 2.0 im Umgang mit seinen Nutzern.