Nur 48 Cent, hat der Bund der Steuerzahler angeblich errechnet, bleiben einer Durchschnittsfamilie mit einem Kind nach dem Abzug von Steuern und Abgaben von jedem Euro, den der Arbeitgeber zahlt. Und damit man mal eine Vorstellung davon bekommt, wieviel das ist, hat man bei Bild.de entsprechend große Stücke von einem Kuchen abgeschnitten:
Bloß: Die Größe der Stücke steht in keinem Verhältnis zu den Anteilen, die sie darstellen sollen. Ob aus Sorge, dass die Leser das 48-Cent-Stück nicht klein genug finden könnten, um sich genügend zu empören (“So raubt der Staat die Steuerzahler aus”) oder aus Unvermögen – wer weiß. Das 48-Cent-Stück ist jedenfalls in Wahrheit nur ungefähr 39 Cent groß. Dafür wächst das Steuer-Stück von tatsächlich 33,2 Cent auf scheinbare knapp 40 Cent.
In der gedruckten “Bild” findet sich heute indes eine andere Version der Grafik. Stückgrößen und Cent-Angaben stimmen dort überein. Und dass der 48-Cent-Anteil dennoch irgendwie kleiner wirkt, als er ist, ist bestimmt nur der geschickten unbeholfenen perspektivischen Verzerrung geschuldet:
(Dass man es ohnehin als gezielte politische Irreführung werten kann, die Abgaben für Renten-, Kranken-, Pflege und Arbeitslosenversicherung dem “Räuber” Staat zuzuschlagen, haben die “Nachdenkseiten” schon beim letzten Mal erläutert, als “Bild” und der “Bund der Steuerzahler” sich ähnlich empörten.)
Mit Dank an Eric H. und Marc B. und die vielen anderen Hinweisgeber!
Nachtrag, 13.30 Uhr. Bild.de hat noch einmal neue Kuchenförmchen gefüllt. Diesmal stimmen die Größenverhältnisse, aber der Bäcker hat nicht gemerkt, dass auch eine Beschriftung falsch war: Als Arbeitslosenbeitrag sind nur 2,5 Cent statt 2,8 Cent angegeben, so dass das Eurostück nur 99,7 Cent wiegt.
The Charms of Wikipedia (nybooks.com, Nicholson Baker)
In einem sehr langen, aber sehr lesenswerten Artikel beklagt Wikipedia-User Wageless zuviel (und nicht etwa zuwenig) Kontrolle bei Wikipedia. Das aktuelle Problem des gemeinschaftlich erarbeiteten Lexikons sei nicht die ausufernde Anzahl an Artikeln, sondern dass sich auch lesenswerte Artikel oft nicht halten können. Ein Löschantrag (“irrelevant”) und eine Zustimmung (“stimmt”) reichen aus, damit es der Artikel gar nicht erst auf Wikipedia schafft.
Die SPD holt die absolute Mehrheit in Bayern (Quelle: SPON) (blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Es gibt Tage, da mag man sich über die Akzeptanzprobleme, die Journalismus hat, nicht mehr wundern. Beispielsweise wenn Spiegel Online so wie heute ein Lehrstück abgibt, wie Journalismus nicht sein sollte: wenig fundiert, voreingenommen, vorurteilsbehaftet, ideologisch, vermessen, handwerklich unsauber. Und ahnungslos. Völlig ahnungslos.
Wir wollen unseren geistigen Reichtum teilen (faz.net, Jordan Mejias)
Die Bibliothek der Harvard University will ihre Bücher und Zeitschriften fast unbegrenzt im Internet zugänglich machen. Ihr Direktor Robert Darnton ist einer der angesehensten Buchhistoriker. Im Gespräch mit der F.A.Z. spricht er von einem der tiefsten Einschnitte in der Geschichte der Wissensverbreitung.
Web 2.0-Studie: “Community-Anbieter wissen zu wenig über Communitys” (portel.de)
Portel.de-Interview mit Prof. Dr. Jens Böcker, FH Bonn-Rhein-Sieg: “Um überhaupt dauerhaft eine Chance zu haben, müssen die Portale möglichst schnell die kritische Masse von etwa 20.000 bis 50.000 angemeldeten Usern überschreiten. Dann ist eine Community nach Ansicht der meisten befragten Anbieter überhaupt erst lebensfähig.”
CRM: «It’s all coming 2.0gether» (infoweek.ch, Clint Oram)
Dank Web 2.0 bekommt der Kunde die Macht zurück. Neu entstehende CRM-Strategien und -technologien greifen diesen wachsenden Trend auf.
Der Brockhaus im Internet – Fünf Fragen an Klaus Holoch (upload-magazin.de, Christian Noe)
“Mit Brockhaus online starten wir mit einer hochwertigen Substanz, die wir für das Medium ?Internet? entwickelt und aufbereitet haben. Zum Start wird das Portal bereits rund 300.000 Stichworteinträge enthalten. Neben der hervorragenden Textsubstanz bietet Brockhaus online multimediale Elemente, die Sie in dieser Menge und Qualität noch nicht kennen.”
Die “Bild”-Leser Michael E., Joachim R. und Manfred S., deren Leserbriefe “Bild” heute abdruckt, sind offenbar einigermaßen empört:
Und das liegt daran, dass sie vergangenen Sonnabend eine Geschichte in der “Bild”-Zeitung gelesen haben:
Muss ein Neunjähriger wissen, dass Muslime kein Schweinefleisch essen? Drittklässler Philipp aus Seelze (Niedersachsen) wusste es nicht. Deshalb gab er zwei muslimischen Klassenkameraden jeweils ein Cocktailwürstchen ab. Als die Jungen ihn fragten “Ist da Schweinefleisch drin?”, antwortete Philipp: “Ihr werdet daran schon nicht sterben …” Später erfuhren die muslimischen Kinder, das eben doch Schwein in den Würstchen war. (…) Der Vorfall landete bei der Grundschuldirektorin. Sie verdonnerte Phillip dazu, vor Schulbeginn den Pausenhof sauber zu machen. (…) Die Rechtfertigung der Landesschulbehörde: “Die Strafe sollte zum Nachdenken anleiten. Für Muslime ist das mit dem Schweinefleisch schlimm.”
Was die “Bild”-Leser Michael E., Joachim R. und Manfred S. nicht wissen: “Bild” erzählte ihnen nur eine Seite der Geschichte. Nämlich die Version, die offenbar die Mutter des neunjährigen Philipp (der jetzt angeblich “Angst vor Würstchen” hat) der “Bild”-Zeitung erzählte.
Um zu erfahren, wie die Direktorin der Grundschule den Vorfall darstellt, müsste man schon die “Leine Zeitung” lesen. Die berichtet nämlich heute über den Vorfall und hat, anders als “Bild”, auch die Version der Direktorin aufgeschrieben. Laut ihr ist der neunjährige Philipp schon “mehrfach negativ aufgefallen” und zeige sich “uneinsichtig”. Der Vorfall mit den Würstchen sei nur der Tropfen gewesen, der “das Fass zum Überlaufen brachte.” Die Sache mit den Würstchen habe sich anders abgespielt, als in “Bild” dargestellt:
Die Variante der Schule: Die Frage der Kinder, ob die Würstchen Schweinefleisch enthielten, habe [Philipp] verneint. Als seine Mitschüler die Würstchen gegessen hatten, habe er sie ausgelacht und sich lustig darüber gemacht, dass sie trotz ihres religiösen Verbots Schweinefleisch gegessen hätten. Die Mutter erzählt das anders. Sie sagt, ihr Sohn kenne das muslimische Gebot nicht. [Die Schulleiterin] dagegen sagt, dieses Thema begegne den Kindern im Schulalltag immer wieder. Sie schließt kindliche Naivität bei dem Neunjährigen aus.
Der religiöse Hintergrund sei im Übrigen unerheblich. “Es geht darum, dass sich der Junge über seine Mitschüler lustig gemacht hat”, sagte die Schulleiterin gegenüber der “Leine Zeitung”.
Wie gesagt, all das wussten die “Bild”-Leser nicht, als sie ihre Leserbriefe verfassten und an “Bild” schickten. Insofern mag ihre Empörung naheliegend sein.
“Bild” indes kannte offenbar beide Versionen. Jedenfalls teilt uns die Niedersächsische Schulbehörde auf Nachfrage mit, dass man “Bild” auch die Darstellung der Schulleiterin geschildert habe.
Genützt hat es nichts. Eher im Gegenteil. Denn die “Bild”-Zeitung legt heute in ihrer Hannover-Ausgabe noch einmal nach. Einen erheblichen Teil der Seite 3 hat sie dem Thema gewidmet (siehe Ausriss), für die Darstellung der Schulleitung allerdings immer noch keinen Platz gefunden. Stattdessen hat “Bild” Elisabeth Heister-Neumann (Kultusministerin Niedersachsen), Aliou Sangaré (Chef eines Kulturvereins) und Ina Wunn (FDP-Politikerin und Religions- und Gesellschaftswissenschaftlerin) zu dem Fall befragt. Alle drei halten die Bestrafung des neunjährigen Philipp offenbar für überzogen.
Aliou Sangaré wird von “Bild” bedeutungsschwanger (“Sogar Moslems verteidigen Philipp”) mit den Worten zitiert: “Die Bestrafung ist nicht richtig. Der Junge hatte keine Ahnung, dass Muslime kein Schweinefleisch essen (…) Dieser Vorfall ist kontraproduktiv für die Integration von Moslems!” Uns gegenüber sagte er allerdings, dass er nur die “Bild”-Version der Geschichte kannte.
Elisabeth Heister-Neumann, so sagt uns ihre Büroleiterin, habe sich “auf Ansprache der ‘Bild’-Zeitung” dahingehend geäußert, dass sie sich über den Fall informieren wolle (“Bild”: “Ich werde das genau prüfen!”), ließ sich aber vorab schon mal zu der Aussage hinreißen, es könne von keinem Neunjährigen erwartet werden, “dass er religiös bedingte Ernährungsvorgaben fremder Religionsgemeinschaften” kenne. In unseren Worten: Auch ihr war die Darstellung der Schulleitung unbekannt.
Ina Wunn konnten wir leider noch nicht erreichen. Wir werden ihre Antwort selbstverständlich nachreichen, sobald wir wissen, ob wenigstens sie beide Versionen der Würstchen-Geschichte kannte, bevor sie der “Bild”-Zeitung sagte, ihrer Meinung nach sei das “eine überzogene Reaktion auf einen völlig normalen Vorgang”:
Auf das unbefangene kindliche Verhalten mit Strafe zu reagieren, zeige, so Prof. Wunn, “dass die Schulleitung nicht in der Lage ist, gelassen mit kultureller und religiöser Vielfalt umzu gehen”. Hier sei “mit vorauseilendem Gehorsam” reagiert worden.
Wir vermuten allerdings, dass Wunn genauso schlau war wie die “Bild”-Leser, die auf der Grundlage von “Bild”-Artikeln Leserbriefe verfassen oder sich ihre Meinung bilden. Nicht nur über Cocktailwürstchen an Grundschulen, sondern auch über die “schleichende Islamisierung” unserer Gesellschaft.
Heute lernen wir mal wieder Grundsätzliches über “Bild”.
Dabei trifft das, was “Bild”-Kolumnist Peter Heinlein da aufgeschrieben hat, zunächst durchaus den Kern der Sache. Unter der Überschrift “Prinz Harry im Krieg — wer hat das verraten?” schildert Heinlein, dass der “notorische amerikanische Drudge Report” über den Einsatz des britischen Prinzen Harry als Soldat in Afghanistan berichtet und damit eine vor drei Monaten zwischen “Buckingham Palace, britischer Regierung und den nationalen Medien” vereinbarte Nachrichtensperre unterlaufen habe. “Wütend”, so Heinlein, hätten die britischen Medien [und, wiewirwissen, im Anschluss auch “Bild”] daraufhin “die Schleusen” geöffnet und all das berichtet, was eigentlich erst nach Harrys sicherer Rückkehr im April hätte veröffentlicht werden sollen. So kannman das sehen.
Doch dann schreibt Heinlein einen Satz, wie man ihn wohl nur in “Bild” finden kann:
Das ist ein Schlag für die als unbändig frei angesehene britische Presse, bei dieser Presseverhinderungsabsprache und gnadenlosen Selbstzensur erwischt worden zu sein.
“Presseverhinderungsabsprache”? “gnadenlose Selbstzensur”? “erwischt”? Gegenüber Prinz Harry war die vereinbarte Sperrfrist das Gegenteil von gnadenlos. Denn es besteht kein Zweifel, dass sie vor allem einen Grund hatte: das Leben von Prinz Harry und der anderen Soldaten in seiner Einheit zu schützen. Man könnte es verantwortungsvoll nennen.
Du sollst nicht langweilen (+) (espace.ch, Alexander Sury)
Der Chefredaktor des «Blicks» teilt mit Fussballnationaltrainer Köbi Kuhn eine Erfahrung: Alle wissen, wie man seinen Job besser macht. Für die einen ist «Blick» zu rechts, für andere zu links, zu seriös oder dann zu seicht. Am 5. März erscheint ein neuer «Blick» – vielleicht seine letzte Chance.
Internet ist jetzt wichtigstes Nachrichtenmedium für Amerikaner (medienkonvergenz.com, Andreas Göldi)
Die Verschiebung der Publikumsgunst von den alten zu den neuen Medien scheint sich weiter zu beschleunigen. Eine neue Umfrage der Marktforschungsfirma Zogby International bestätigt einmal mehr, wie wichtig das Internet als Nachrichtenmedium geworden ist.
“Russen fahren total auf Neues ab” (zoomer.de, Wladimir Kaminer, Video)
Wozu braucht Russland eigentlich einen neuen Präsidenten, wenn es mit dem alten auch nicht schlecht lief? Weil die Russen einfach total auf alles Neue abfahren, sagt Wladimir Kaminer zur Mentalität seiner Landsleute. Aber ist nicht das Bessere der Feind des Guten? Wie dem auch sei: Nicht der nächste, aber der übernächste Präsident wird auf jeden Fall wieder eine Glatze haben.
Matt Drudge: world’s most powerful journalist (telegraph.co.uk, Toby Harnden)
Ten years ago, he was a reclusive, pasty-faced 31-year-old who, bashing away on his laptop in his grungy Hollywood apartment, shot to prominence when he threatened to bring down Bill Clinton’s presidency by breaking news of the Monica Lewinsky scandal (drudgereport.com).
Schalt mal um (dasmagazin.ch, Michèle Roten)
Wer damit prahlt, keinen Fernseher zu haben, hat vor allem zu wenig Arroganz.
“Schäuble will mehr Mohammed-Karikaturen“, hiess es am 27.02.2008. Doch schon einige Stunden später, am 28.02.2008, lautete der Titel “Karikaturen-Streit: Schäuble ruft nicht zum Abdruck auf“. Der Grund dafür? Die Zeit informierte die anderen Medien in einer Vorabmeldung und riss, jedenfalls gemäss Ansicht von Schäubles Pressesprecher, einen Satz aus einem längeren Streitgespräch aus dem Zusammenhang. Er nannte die Vorabmeldung der Zeit “sehr verantwortungslos”, konnte aber immerhin zugeben, dass Schäuble “im Wesentlichen” diesen Satz gesagt habe: “Eigentlich müssten jetzt alle europäischen Zeitungen diese Karikaturen abdrucken, und zwar mit der Erklärung: Wir finden sie auch miserabel, aber die Inanspruchnahme von Pressefreiheit ist kein Grund, Gewalt zu üben.”
Dass eine “Wetten dass..?”-Wette bei Bild.de von zwei Autoren als “beeindruckend” bezeichnet wird, während dieselben Autoren in einem (in Teilen identischen aber etwas längeren) Text in der “BamS” über dieselbe Wette schreiben, sie sei “nicht gerade unter die Haut” gegangen – geschenkt.
Darüber, dass Halle in Sachsen-Anhalt liegt (“BamS”) und nicht in Sachsen (Bild.de), sollte es allerdings keine zwei Meinungen geben: