Archiv für September 27th, 2006

David Blieswood und seine Liebe zu Gillette

Der offizielle Berater des “Bild”-Chefredakteurs Kai Diekmann heißt Norbert Körzdörfer. Wenn er im Blatt schreibt, nennt er sich manchmal aber “David Blieswood” (ein Pseudonym, das er der “Süddeutschen Zeitung” so erklärte: “David ist unser Sohn, wir wohnen in Bliesdorf und träumten immer von Hollywood — so einfach ist das”).

Als Blieswood schrieb Körzdörfer auch schon für “Welt” und “Welt am Sonntag”. Und man könnte sagen, er ist sich über viele Jahre treu geblieben.

Blieswood am 25. September 2006 in “Bild”:

Ich nassrasiere mich mit einer Sensation: “Gillette Fusion” (5 + 1 Klinge). Ich bin ein Babypopo.

Blieswood am 29. März 2003 in der “Welt”:

Ein Milliardär hatte Geburtstag. Worüber freute er sich am meisten? Über neue Rasierklingen aus den USA. Ich komme ins Bad. Da liegt ein Geschenk meiner Frau: Die neuen “Gilette Mach3 turbo”-Anti-Friction- Klingen. Ein Mann braucht so wenig zum Glück.

Blieswood am 9. September 2002 in der “Welt”:

Mein Lieblings-Friseur, Gerhard Meir, empfahl mir jetzt ein Wunder-Öl: “Huile de Rasage” von “Clarins” (ca. 30 Euro). Man schmiert einige Tropfen Öl auf die nasse Gesichtshaut – und gleitet mit dem “Mach 3” von Gillette sanft drüber. Ein Gefühl wie beim Baby-Popo.

Blieswood am 23. August 1998 in der “Welt am Sonntag”:

Ich habe die Zukunft gespürt.

Sie heißt Gillette “Mach3”, kostet 7,99 Dollar. Es ist ein Quantensprung im jahrtausendalten Kampf Mann gegen Bart.

Angeblich über 500 Millionen Mark verschlang die Entwicklung der dreimesserigen Kompaktklinge. Blitztest: Das Gleiten ist wie Streicheln. Das Griffgefühl liegt zwischen Kartoffelschäler und Tapezierrolle.

Ein blauer Feuchtigkeits-Streifen löst die ewige Frage: Noch scharf oder fast schon stumpf? Wenn der Streifen weg ist, ist die Klinge verbraucht. Ein geniales Ding. Deutschland-Start: September. Preis: 13,99 Mark (Internet: www.gillette.com).

Danke an Nils M. für den Hinweis!

Nachtrag, 29. September. Aus David Blieswoods Buch “Das ABC der feinen Lebens-Art” (Ullstein, 1999), S.76:

Nur wer sich naß rasiert, fühlt sich wie früher. Seit 20 Jahren rasiere ich mich mit den Top-Modellen von Gillette. Da tritt Langeweile ein. Ich testete den neuen “Wilkinson FX Performer”. Sanfter, aber nicht besser. Rückkehr zu “Gillette Sensor Excel”.

Augen auf im Schriftverkehr!

Staat verschwendet 30 Milliarden Euro!

“Unfassbar!” findet “Bild”-Redakteurin Katharina Ugowski die Steuerverschwendung in Deutschland, wie sie der Bund der Steuerzahler gerade wieder in seinem “Schwarzbuch” dokumentiert, hat ihren Artikel darüber aber leider offenbar verfasst, bevor sie ihre Fassung wiederfand.

Sie schreibt:

Der Beschwerde-Ausschuss des bayerischen Landtags fuhr ausgerechnet nach China, um vom Beschwerde-Recht des kommunistischen Landes zu lernen. Kosten: 4345,98 Euro für jedes der 13 (!) Ausschussmitglieder.

Richtig ist: 4345,98 Euro ist das Budget, das jedem Ausschussmitglied während der gesamten fünfjährigen Wahlperiode zur Verfügung steht. Dieser Etat ist nach Angaben des Bayerischen Landtages, wie im Schwarzbuch nachzulesen, bislang noch nicht ausgeschöpft, obwohl der Ausschuß in der aktuellen Wahlperiode nicht nur nach China, sondern auch noch nach Rumänien gereist ist. Die China-Reise muss also deutlich weniger als 4345,98 Euro gekostet haben.

Anders als Frau Ugowski behauptet, kostete auch nicht “eine Brücke” über die A14 in Mecklenburg-Vorpommern, die für die Bauern zu schmal geworden ist, 480.000 Euro — das ist
nach Angaben des Bundes der Steuerzahler der Preis für “mehrere Brücken”.
*

Ugowskis Kollege Einar Koch fordert in seinem Kommentar zum Thema übrigens, Menschen, die Steuergelder verschwenden, “mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren”** zu bestrafen. Nicht auszudenken, wenn auch das falsche Abschreiben von Informationen unter Strafe gestellt würde!

Nachtrag, 18.45 Uhr. Möglicherweise hat “Bild” die Fehler nicht selbst gemacht, sondern aus einer fehlerhaften dpa-Meldung übernommen.

*) Korrektur, 28. September. Tatsächlich sind 480.000 Euro der Preis für eine Brücke. Die Angaben auf der Internet-Seite des Schwarzbuchs, wo etwas zweideutig von “mehreren Brücken” die Rede ist, seien “unglücklich formuliert”, wie der Steuerzahler-Bund auf Nachfrage einräumt.

Vielen Dank an Christoph S. und Arno L.!

**) Nur mal so zum Vergleich (und mit Dank an Robert S.): Eine Freiheitsstrafe “nicht unter drei Jahren” sieht das Strafgesetzbuch u.a. für Körperverletzung mit Todesfolge und schweren Raub vor.

Wie, “WER”? Was!

Was da heute in “Bild” über eine “geheime Kraft im All” steht (siehe Ausriss), ist immerhin kein kompletter Unsinn. Denn diese"WER zwang die Raumsonden auf neuen Kurs" “Kraft” existiert wirklich und ihre Ursache ist bisher ungeklärt. Im Allgemeinen wird das Phänomen als Pioneer-Anomalie bezeichnet, und es existieren zahlreiche Erklärungsansätze dafür. Die meisten davon findet man in einem Text in der aktuellen Ausgabe von “Astronomie heute” (pdf), worauf “Bild” sich ausdrücklich bezieht, und seit gestern auf Spiegel-Online.

“Bild” fügt den Hypothesen heute allerdings eine weitere hinzu:

Sind möglicherweise sogar Aliens im Spiel? (…) Haben Aliens diese Nachricht verstanden und die Sonden vom Kurs gelenkt?

Nun ja, man weiß es nicht, aber dazu später.

So ganz scheint “Bild” nämlich nicht begriffen zu haben, was die Pioneer-Anomalie eigentlich ausmacht. Im Text heißt es:

Doch der Kurswechsel [der Sonden] wurde immer größer. Rund 400 000 Kilometer auf einer Strecke von 14 Milliarden Kilometern. Gleichzeitig verlangsamte sich die Geschwindigkeit.

Tatsächlich sind Verlangsamung und Kurswechsel keine zwei unterschiedlichen Phänomene, sondern die Verlangsamung ist der “Kurswechsel” bzw. die Ursache dafür. Deshalb sind die Pioneer-Sonden heute rund 400.000 Kilometer von dem Punkt entfernt, an dem sie eigentlich sein sollten. Der Bremseffekt ist allerdings, anders als “Bild” suggeriert, konstant.

Das war’s im Grunde schon*, und es ist für die Wissenschaft tatsächlich überaus interessant, weil die Möglichkeit besteht, dass sich die Pioneer-Anomalie nicht allein mit den bislang gültigen physikalischen Gesetzen erklären lässt.

Die Möglichkeit aber, dass diese Anomalie sich mit Aliens erklären lässt, die hat noch kein seriöser Wissenschaftler erwähnt. Auch nicht Prof. Hans Jörg Fahr, Astrophysiker der Uni Bonn, den “Bild” Hans Jürgen Fahr nennt und dreimal korrekt zitiert, wie er uns bestätigte. Zur Alien-Hypothese sagt er allerdings:

Das ist natürlich Unfug.

*) So ganz war es das, was den Artikel in “Bild” angeht, eigentlich nicht. Der Vollständigkeit halber seien hier deshalb noch weiter Ungenauigkeiten erwähnt: Die “Kraft im All” ist natürlich nicht “geheim”, und sie wurde bereits 1980 “entdeckt”. “Astronomie heute” schreibt, anders als “Bild” behauptet, nicht, dass der Pioneer-Effekt “das größte Rätsel der Weltraumforschung” sei. Außerdem konnten wir keinen Hinweis darauf finden, dass Forscher vermuten, die wahrscheinlichste Erklärung für die Anomalie sei “die Schwerkraft unbekannter Objekte außerhalb unseres Sonnensystems”.

Mit Dank an Dietmar H., Thorsten L., Philip K., Benedikt H., Stephan K., Ereglam und Daniel K. für die sachdienlichen Hinweise.

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