Wird Paul Ziemiak mit 91 Prozent als Bundesvorsitzender der Jungen Union (JU) wiedergewählt, ist das laut Bild.de ein “Traum-Ergebnis”:
Wird Martin Schulz mit 100 Prozent zum Vorsitzenden der SPD gewählt, ist das laut “Bild” ein “DDR-Ergebnis”:
Wird Paul Ziemiak mit 91 Prozent als Bundesvorsitzender der Jungen Union (JU) wiedergewählt, ist das laut Bild.de ein “Traum-Ergebnis”:
Wird Martin Schulz mit 100 Prozent zum Vorsitzenden der SPD gewählt, ist das laut “Bild” ein “DDR-Ergebnis”:
Alexander Hitler heißt nicht Alexander Hitler, und dennoch nennen “Bild” und Timo Lokoschat ihn Alexander Hitler, denn andernfalls käme ihre Titelgeschichte von heute noch ein Stück dünner daher:
Ihre komplette Seite 3 hat die Redaktion für die Story freigeräumt:
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)
Bei Bild.de, dort hinter der Bezahlschranke, prangte sie heute lange Zeit ganz oben auf der Startseite:
Und auch online ist fast ausschließlich von Alexander Hitler die Rede, was — das möchten wir hier gern noch mal betonen — falsch ist, da der Mann, den Lokoschat und “Bild” aufgestöbert haben, gar nicht Alexander Hitler heißt: Er ist tatsächlich mit Adolf Hitler verwandt, um einige Ecken, laut “Bild”-Medien soll er dessen Großneffe sein. Aber den Nachnamen des Diktators trägt er nicht, hat er nie. Das schreibt auch Lokoschat:
Ihren Namen hat die Familie 1946 verändert. Zuerst in Hiller, später in einen englischen Doppelnamen.
Alexander wurde 1949 geboren. Und dennoch heißt es in dem Artikel unter anderem:
“DEAD END” steht auf dem Schild vor der Straße, in der Alexander Hitler wohnt.
Alexander Hitler lebt in einem Holzhaus
Gepflegt sind dafür die vielen Topfpflanzen, die hier stehen. Fleißiges Lieschen, Bartnelken, Eisbegonien, Funkien. Die amerikanischen Hitlers haben einen grünen Daumen.
Herr Hitler fährt Hyundai.
Er ist groß, zirka 1,85 Meter, trägt ein türkis-weiß-kariertes Hemd und eine beigefarbene Cargohose. Alexander Hitler.
“Deutsche Politik?”, wiederholt Alexander Hitler ungläubig und zieht die Augenbrauen hoch.
Und so weiter. Mehrere Dutzend Mal fällt der Name Hitler. Auch wenn seit 72 Jahren niemand mehr so heißt.
Zum Aufplustern der “Bild”-Titelgeschichte gehört auch: Es handelt sich gar nicht, wie auf Seite 1 behauptet, um den “letzten Hitler”. Es gibt noch mindestens zwei weitere — die allerdings auch nicht Hitler heißen. Bei den beiden Brüdern von Alexander, die wohl zusammenleben, stand Timo Lokoschat ebenfalls vor der Haustür. Einer von ihnen öffnete die Tür, schloß sie sehr schnell wieder, als der “Bild”-Mann sein Anliegen schilderte, und schaltete die Rasensprenger an. Viel deutlicher kann man nicht sagen: “Lass uns in Ruhe”.
Alexander sprach hingegen mit Lokoschat. Was aber nicht das rechtfertigt, was “Bild” und Bild.de mit ihm anstellen. Mal abgesehen von der hingebogenen Schlagzeile, penetrant genutzten falschen Nachnamen und den ganzen Belanglosigkeiten (Lokoschat klammert sich nicht nur an die bahnbrechenden Entdeckungen von grünen Daumen und Automarken, sondern auch an solche “kuriosen Zufälle”: “Kurioser Zufall: Die Nachbarin kommt aus Österreich!” Große Enttäuschung direkt im nächsten Satz: “Aber auch sie weiß nichts.”) ist das eigentlich Grässliche an dem Artikel: Das Eindringen in die Privatsphäre eines Menschen, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen; der nichts dazu beigetragen hat, dass die “Bild”-Redaktion sich für ihn interessieren könnte; der einfach nur das verdammte Pech hat, dass es sich bei einem entfernten Verwandten um eine der schlimmsten Personen der Menschheitsgeschichte handelt.
Und das gilt für Alexander genauso wie für seine zwei Brüder. Von dem einen — Alexander — haben “Bild” und Bild.de ein Foto veröffentlicht, ohne Verpixelung, das ganz offensichtlich aus größerer Entfernung aufgenommen wurde. Man sieht darauf noch den Maschendrahtzaun des Grundstücks, vor dem der Fotograf steht. Wir haben bei Lokoschat nachgefragt, ob der Mann wusste, dass er fotografiert wird, und ob er eingenwilligt hat, dass dieses Foto veröffentlicht wird. Der “Bild”-Redakteur wollte uns darauf nicht antworten.
Von den zwei Brüdern, von denen der eine Lokoschat per Rasensprenger deutlich gemacht hat, dass er nichts mit ihm zu tun haben will, haben die “Bild”-Medien eine Außenaufnahme des Hauses veröffentlicht. Zu ihnen steht im Text:
Sie sind die letzten Hitlers.
Das weiß in der 20 000-Einwohner-Stadt fast niemand.
Mit etwas Pech wissen es dort bald ganz viele. Die “Bild”-Redaktion feiert sich jedenfalls schon dafür, dass ihre Geschichte auch international Widerhall findet:
Bei Twitter erklärt Timo Lokoschat, dass er in seinem Text “aus Prinzip” nicht den richtigen Nachnamen von Alexander und dessen Brüdern (natürlich erst recht nicht in anonymisierter Form) verwendet hat:
Was so eine Story offenbar “besser” macht: Leute immer wieder Hitler nennen, die gar nicht Hitler heißen und auch nicht Hitler heißen wollen, und Fotos von ihnen und ihren Häusern in Millionenauflage unter die Leute bringen. Julian Reichelt, der schon dann sauer wird, wenn jemand öffentlich nur sein Jahresgehalt schätzt, und dadurch seine Familie bedroht sieht, scheint kein Problem mit der Veröffentlichung all dieser Details zu haben.
An einer Stelle im Artikel steht zum Vater der drei von “Bild” besuchten Männer:
Den Fluch des schlimmsten Familiennamens der Weltgeschichte wollte er seinen Söhnen ersparen.
“Bild” und Timo Lokoschat wollen das offenbar nicht.
Dazu auch:
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!
Bei Bild.de steht seit gestern ein sehr vernünftiger Satz, und allein das wäre ja schon eine Meldung wert:
Lieber Punk Sänger als provokativ-dümmliche, weitgehend talentfreie Bild Journalisten
Dass dieser Satz bei Bild.de steht, ist Flo Hayler zu verdanken, der 2005 in Berlin ein Ramones-Museum eröffnet und vor Kurzem ein Buch über die New Yorker Punkband geschrieben hat. Für Bild.de hat er daraus “8 überraschende Fakten” über die Ramones zusammengetragen:
Darin auch der oben zitierte Satz zu den “provokativ-dümmlichen, weitgehend talentfreien Bild Journalisten”, wobei er genau genommen so lautet:
Lieber (…) Punk (…) Sänger (…) als (…) provokativ-dümmliche, weitgehend talentfreie (…) Bild (…) Journalisten
Denn Hayler hat diese Botschaft in seine Ramones-Fakten eingeschmuggelt. Man muss nur richtig hinschauen:
Und nein, wir sind nicht völlig irre geworden und sehen Dinge, die es gar nicht gibt. Flo Hayler hat das genau so vorgehabt. Er hat “Bild” sogar bei Facebook für die Möglichkeit gedankt, “einen Gruß an die Redaktion” hinterlassen zu können:
Hallo Bild.
Vielen Dank, dass ich in eurer heutigen Online-Ausgabe ein paar Ramones-Fakten streuen durfte. Hat Spaß gemacht!Noch mehr Spaß hatte ich aber dabei, in die Absätze einen Gruß an die Redaktion einzubauen, allen voran an Peter Tiede und Julian Reichelt — den größten Wahrheitsverdrehern und Angstschürhasen im Springer-Turm, und das nicht erst seit Chemnitz!
Für Monchi Fromm. Für Feine Sahne Fischfilet. Für K.I.Z.
#wirsindmehr #undbleibensauch
Hayler bezieht sich dabei auf den Versuch von “Bild”, Reichelt und Tiede, das Konzert #wirsindmehr in Chemnitz, bei dem unter anderem Feine Sahne Fischfilet und K.I.Z aufgetreten sind, schlecht dastehen zu lassen.
Christian Titz, Trainer der Profi-Fußballer des HSV, soll die Tradition seiner Vorgänger, Extrawürste an “Bild”-Reporter zu verteilen, nicht fortgeführt haben. Dafür soll Titz nun den Zorn der “Bild”-Redaktion spüren. Das berichten jedenfalls andere Hamburger Medien.
Tatsächlich steht Christian Titz in den “Bild”-Medien besonders in der Kritik. Nach der — zugegeben, blamablen — 0:5-Heimniederlage gegen Jahn Regensburg stellte Bild.de den Posten des Trainers direkt in Frage:
Und “Bild” titelte zur Niederlage:
Es folgten ein 0:0 gegen die SpVgg Greuther Fürth und ein weiteres 0:0 im Stadtderby gegen den FC St. Pauli am vergangenen Wochenende. Und schon wieder fragen sie sich bei “Bild”, ob es das für Christian Titz jetzt gewesen ist:
Dazu muss man wissen: Aktuell liegt der HSV auf Platz 4 der 2. Fußball-Bundesliga. Nach der 0:5-Klatsche gegen Regensburg stand der Klub sogar noch auf Platz 2. In den Sportteilen der lokalen Medien gab und gibt es natürlich auch Kritik am HSV-Trainer, gerade nach der deutlichen Niederlage vor eineinhalb Wochen. Es wird dort aber längst nicht so hart gegen ihn geschossen wie bei “Bild”.
Woher kommt die harsche Kritik der “Bild”-Redaktion? Lars Albrecht, stellvertretender Sportchef der “Hamburger Morgenpost” erklärte sie bereits am 25. September so:
Eine Zeitung mit vier Buchstaben, die nicht MOPO heißt, hat es sich zum klaren Ziel gemacht, Christian Titz als HSV-Trainer abzusägen. Die Kampagne läuft schon lange vor und hinter den Kulissen auf Hochtouren, das 0:5 gegen Regensburg kam da gerade recht, im Derby wird dann nun wohl St. Pauli die Daumen gedrückt.
Klar, der “Trainer-Lehrling” (BILD) hat Fehler gemacht – wie jeder andere Trainer auch. Er hat es aber auch mit seiner unvergleichlichen Art geschafft, die Fans trotz des Abstieges für die 2. Liga zu mobilisieren, sie wieder hinter die Mannschaft zu stellen. Der HSV lebt!
Nach dem Derby gegen den FC St. Pauli wird die “Mopo” konkreter. Simon Braasch und Christian Jung schreiben:
Erschwert, und auch das beklagt Titz offen, werde dieser Prozess durch äußere Einflüsse. “Wenn du beim HSV Trainer bist und deine Spiele nicht gewinnst, gibt es immer ein gewisses mediales Tohuwabohu”, erklärt der Coach und schmückt etwas nebulös aus: “Ich nehme gewisse Aufmerksamkeiten wahr. Das Thema, dass man sich auf gewisse Dinge fokussiert, hat schon vor einiger Zeit begonnen.”
Um zu wissen, was genau Titz damit meint, muss man die Hintergründe kennen. Denn einen seit Monaten wirklich schweren Stand (unabhängig von Ergebnissen) hat der Trainer eigentlich nur bei einem Medium, allerdings Deutschlands lautestem, der “Bild”. Darüber, warum das so ist, hält sich vor allem eine Darstellung hartnäckig.
So soll der Trainer zu Beginn seiner Amtszeit im März recht zügig klargestellt haben, dass er im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger nicht beabsichtige, gesondert mit “Bild” kooperieren zu wollen, woraufhin ihm gegenüber unverhohlen angedeutet worden sein soll, er könne sich dann auf ein deutlich schwereres Leben als HSV-Trainer einstellen. War dem so, wurde diesbezüglich Wort gehalten.
Und Kai Schiller schreibt im “Hamburger Abendblatt” zum selben Gerücht:
Dass nach dem dritten Spiel in Folge ohne Sieg und ohne Tor nicht jeder Kritiker so schnell zufriedengestellt werden kann, dürfte Trainer Titz spätestens nach der Lektüre der “Bild”-Zeitung am Morgen klar gewesen sein. “Jetzt letzte Chance für Titz?”, hatte die Boulevardzeitung getitelt — und damit den roten Faden der Berichterstattung der vergangenen Tage konsequent aufgenommen. “Dieser HSV ist ein Titz”, hatte die “Bild” nach dem 0:5 gegen Regensburg getitelt. Danach folgte: “Titz unter Druck — zwei Pleiten könnten schon sein Aus bedeuten.”
Warum Titz, der noch bis zur vergangenen Woche hinter Legende Branko Zebec der nach Punkten und Siegen erfolgreichste HSV-Coach der Clubgeschichte war, so hart kritisiert wird, beantwortet Matthias Müller, Sportchef der Hamburg-Ausgabe der “Bild”, auf Nachfrage so: “Unsere Berichterstattung über den HSV spiegelt das Ergebnis unserer Recherchen wider. Nicht mehr — und nicht weniger.”
Ein anderer Erklärungsansatz könnte dieser sein: Nach Informationen des Abendblatts hatte sich Titz direkt nach seiner Beförderung zum Cheftrainer die Chuzpe herausgenommen, der “Bild” — anders als die meisten seiner Vorgänger — keine Privataudienz nach den wöchentlichen Spieltagskonferenzen zu gewähren. Was erlauben Titz?
Mit Dank an Dirk H., Martin R. und Anonym für die Hinweise!
Möchte man besonders schnell und besonders falsch informiert werden, sollte man die Push-Meldungen der “Bild”-Smartphone-App abonnieren. Vorhin schickte die Redaktion diese Nachricht zu einem angeblichen Notfall auf der Ostsee raus:
Im zugehörigen Bild.de-Artikel heißt es hingegen:
Mit Dank an @BringItOnYFD für den Hinweis!
Michael Spreng war mal Redakteur bei “Bild”, auch in leitender Funktion, später dann viele Jahre Chefredakteur von “Bild am Sonntag”, kurz darauf Wahlkampfmanager von Edmund Stoiber (CSU) und Medienberater von Jürgen Rüttgers (CDU). Kurzum: Michael Spreng steht nun wirklich nicht im Verdacht, ein linker Irrer zu sein.
Gestern saß er in der Sendung von Markus Lanz und sprach dort auch über die “Bild”-Zeitung von heute, die “Bild”-Zeitung unter Julian Reichelt (ab Minute 27:36). “Ziemlich furchterregend” finde er sie, sagt Spreng. “Bild” sei wieder zum “Kampagnen- und Kampfblatt” geworden.
Diese Bewertung finden wir so bemerkenswert, dass wir Sprengs Aussagen hier protokollieren wollen:
Heute, muss ich sagen, haben natürlich auch Massenblätter eine hohe Verantwortung. Und da muss ich sagen, finde ich zurzeit, Herr Wallraff wird mir wahrscheinlich zustimmen, die “Bild”-Zeitung ziemlich furchterregend.
Günter Wallraff, der ebenfalls in der Runde bei Lanz saß, antwortet …
Ja, wieder geworden.
… und Spreng führt fort:
Weil die “Bild”-Zeitung jede kriminelle Tat eines Ausländers oder Asylanten zur Schlagzeile macht. Wenn ein Deutscher einen Syrer ersticht, sind das ein paar Zeilen auf Seite 5. Und wenn mal kein Ausländer kriminell ist, dann kommen Aufmacher und Kampagnen gegen die lasche Justiz, gegen den unfähigen Staat, gegen die faulen oder untätigen Politiker oder unfähigen Politiker. Und diese seit vielen Monaten andauernde Kampagne wirkt auf Dauer, sie zersetzt den liberalen freiheitlichen Staat. Und das ist das Schlimme heute an der “Bild”-Zeitung.
Sie hatte zwischendurch eine Phase, in der zweiten Hälfte von Kai Diekmann, dem damaligen Chefredakteur, da hat sie sich geöffnet, da wurde sie für ihre Verhältnisse geradezu liberal.
Auf Markus Lanz’ Frage “Was ist dann passiert?” antwortet Spreng:
Es hat ja der Chefredakteur gewechselt. Jetzt ist da ein neuer Chefredakteur, der das offenbar völlig anders sieht. Ich finde, die “Bild”-Zeitung ist heute wieder ein Kampagnen- und Kampfblatt. Und das hat Auswirkungen nicht nur auf ihre Leser, sie hat ja immer noch, trotz aller Verluste, ein paar Millionen Leser, sondern damit auch auf die Politik. Denn die Politiker sagen: Was die “Bild”-Zeitung schreibt, ist Volkes Meinung. Wir müssen uns an Volkes Meinung orientieren. Und damit verändert es auch die Politik. Und das macht mir wirklich große Sorgen. Dass also diese Veränderung unserer Gesellschaft, diese Verschiebung nach rechts, dass die auch dadurch gefördert wird.
Es kann doch nicht sein, dass bei “Bild” unter dem neuen Chefredakteur praktisch eine Gruppe von Kriegern sitzt, die glaubt, sie sitzen gemeinsam im Schützengraben und müssten von dort aus einen Feldzug gegen Frau Merkel und gegen den liberalen Rechtsstaat führen. Das ist auf Dauer zersetzend. Und mir tun die anständigen “Bild”-Redakteure leid, muss ich wirklich sagen.
Nach einem nur mittelmäßig geglückten Witz von Markus Lanz sagt Spreng noch:
Ab und zu kommen dann Alibi-Geschichten über ein paar erfolgreiche Flüchtlinge oder über die schlimmen Zustände in einem Flüchtlingslager auf Lesbos. Aber das sind Alibi-Geschichten. Ich verstehe das auch nicht: Wir haben uns im Journalismus schon weiterentwickelt. Die Zeit der großen ideologischen Schlachten und der Missionare, wie sie auch zur Zeit der Ostpolitik noch war, diese große Zeit der ideologischen und auch fanatisierten Schlachten ist vorbei. Und das ist so eine Rückentwicklung. Ich habe manchmal das Gefühl, wir fallen in eine Zeit zurück, die wir eigentlich zivilisatorisch schon überwunden haben.
Manchmal bringen sie bei Bild.de ja auch sinnvolle Texte. Dieser hier zum Beispiel von “Bild”-Redakteurin Silke Hümmer, die aufgeschrieben hat, bei welchen Kursen Eltern ihre Kinder anmelden können, wenn diese sich fürs Programmieren interessieren:
Wobei — dass Hümmer die Tipps aufgeschrieben hat, stimmt so auch nicht. Ihren Text, der erstmals am 22. August dieses Jahres bei Bild.de erschienen ist und am 12. September ein weiteres Mal, hat sie sich in weiten Teilen zusammengeklaut.
Bereits am 7. August 2017 veröffentlichte Philipp Knodel bei t3n.de diesen Text:
Und dort hat sich Silke Hümmer ganz offensichtlich großflächig bedient.
Es fängt harmlos an. Oben Bild.de, unten t3n.de:
Ja, gut, hier ein ähnlicher Satz, dort dieselbe Formulierung. Kann ja mal vorkommen. Doch dabei bleibt es nicht. Zur “Hacker School” schreibt Hümmer bei Bild.de:
Und so stand es schon lange vorher bei t3n.de:
Zu “Creative Gaming” — Bild.de:
t3n.de:
Hümmer bei Bild.de zur “Haba-Digitalwerkstatt”:
Knodel bei t3n.de zur “Haba-Digitalwerkstatt”:
Und dann noch die “Codingschule”. Bild.de:
t3n.de:
Wenn Eltern, aus welchen merkwürdigen Gründen auch immer, möchten, dass ihre Kinder mal bei Bild.de landen, müssen sie sie nicht zur “Codingschule” schicken und auch nicht bei der “Hacker School” anmelden. Es reicht, wenn sie ihnen zwei Tastenkombinationen zeigen: Strg+C, Strg+V.
Mit Dank an @PhilKnodel, @hexitus und @heydanvin für die Hinweise!
Die Räumung des Hambacher Forsts geht weiter. Eine Woche, nachdem ein Journalist von einer Hängebrücke gestürzt und kurze Zeit später gestorben ist, ließ die Polizei nun auch die Gedenkstätte für diesen Journalisten entfernen. Sie sicherte allerdings zu, dass die Kerzen und Blumen und Fotos nach Abschluss der Arbeiten wieder aufgebaut werden könnten.
Zu diesem aktuellen Vorgang und dem tödlichen Unfall in der vergangenen Woche schreiben Morgenpost.de, Abendblatt.de und “DerWesten” (alle Teil der Funke Mediengruppe) unter anderem:
Der 27-Jährige war am vergangenen Mittwoch in dem von Aktivisten besetzt gehaltenen Waldgebiet durch die Bretter einer mindestens 15 Meter hohen Hängebrücke gebrochen, die zwischen zwei Baumhäusern gespannt war. Er starb noch am Unglücksort. “Er war wohl zu schnell eine Leiter hochgeklettert und dann abgerutscht. Von uns helfen lassen wollte er sich anschließend nicht”, sagte ein Polizeisprecher.
Das, was so klingt, als sei jemand lieber gestorben, als sich von der Polizei helfen zu lassen, ist tatsächlich nur schlampige Arbeit der Funke-Redaktionen.
Ihre Artikel sind ein Mix aus Meldungen der Agenturen dpa und epd. Die oben zitierte Passage stammt von der dpa, wobei Morgenpost.de, Abendblatt.de und “DerWesten” sie so unglücklich gekürzt haben, dass ein völlig falscher Eindruck entsteht.
Man kann das zum Beispiel beim “Greenpeace Magazin” nachvollziehen, wo die dpa-Meldung ungekürzt veröffentlicht wurde:
Der 27-Jährige war am vergangenen Mittwoch in dem von Aktivisten besetzt gehaltenen Waldgebiet zwischen Köln und Aachen durch die Bretter einer mindestens 15 Meter hohen Hängebrücke gebrochen, die zwischen zwei Baumhäusern gespannt war. Er starb noch am Unglücksort. Die Landesregierung hatte daraufhin die Räumung der Baumhütten im Wald vorübergehend gestoppt.
Bei einem Sturz aus rund zwei Metern Höhe verletzte sich am Dienstag ein Baumbesetzer leicht. «Er war wohl zu schnell eine Leiter hochgeklettert und dann abgerutscht. Von uns helfen lassen wollte er sich anschließend nicht», sagte ein Polizeisprecher.
Die Aussage des Polizeisprechers bezieht sich also auf einen völlig anderen, viel harmloseren Vorfall.
Mit Dank an @bjokie für den Hinweis!
Nachtrag, 27. September: Die drei Redaktionen haben ihre Texte inzwischen korrigiert und im Sinne der Transparenz diesen Hinweis hinzugefügt:
(Anm. d. Red.: In einer früheren Fassung dieses Artikels haben wir leider einen Polizeisprecher aus dem Kontext gerissen zitiert. Im Anschluss an den oberen Absatz hieß es: “‘Er war wohl zu schnell eine Leiter hochgeklettert und dann abgerutscht. Von uns helfen lassen wollte er sich anschließend nicht’, sagte ein Polizeisprecher.” Diese Aussage bezog sich aber auf einen anderen Vorfall. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.)
Mit Dank an @de_noogle für den Hinweis!
Der NABU, also der Naturschutzbund Deutschland, kümmert sich um Umwelt- und Naturschutz und hat das Wort “Bund” im Namen. Der BUND, also der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kümmert sich auch um Umwelt- und Naturschutz und hat auch das Wort “Bund” im Namen. Trotz dieser Ähnlichkeiten handelt es sich um zwei verschiedene Vereine.
BUND, NABU, Umwelt, Natur — das scheint die Leute bei Bild.de ein bisschen zu verwirren, denn sie schreiben dort über einem Artikel zum Moorbrand auf einem Bundeswehr-Testgelände im Emsland:
Und im Artikel selbst:
Nachdem der Staatsanwalt Bundeswehr-Büros durchsuchen ließ, erstattete jetzt der Bund für Umwelt und Naturschutz Niedersachsen (BUND) Strafanzeige wegen fahrlässiger Brandstiftung, leichtfertiger Freisetzung von Schadstoffen und Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete.
Auch wenn sich NABU und BUND für sehr ähnliche Dinge einsetzen, hat in diesem Fall nur einer von ihnen Strafanzeigen erstattet: der BUND.
Gegen Brett Kavanaugh, Donald Trumps Richterkandidat für eine vakante Stelle am Obersten Gerichtshof der USA, gibt es mehrere Vorwürfe der sexuellen Belästigung und des sexuellen Missbrauchs. Darunter auch eine mutmaßliche versuchte Vergewaltigung.
Es handelt sich um Vorwürfe, bewiesen ist nichts. Medien sollten also aufpassen, dass sie Kavanaugh nicht vorverurteilen. Sie sollten die Vorwürfe aber auch ernst nehmen.
Letzteres klappt bei Bild.de nicht so richtig:
“Schmuddel-Vorwürfe” ist derart verharmlosend, dass wir nicht mal sicher sind, worauf sich das “Schmuddel” beziehen soll: Auf das, was Kavanaugh vorgeworfen wird, oder auf die Vorwürfe an sich?