Im Internet kursiert derzeit ein Video, das eine Frau zeigt, die sich am Flughafen von Miami auszieht und nackt durch das Gebäude läuft. Dabei singt die Frau.
Die Bild.de-Redaktion veröffentlicht diese Aufnahmen — wohl wissend, dass die Person, die dort zu sehen ist, “verwirrt” ist:
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)
Auch im Video schreibt Bild.de, dass die Frau verwirrt sei und “unter Wahnvorstellungen” leide:
Rücksicht nimmt die Redaktion darauf nicht. Aber was ist auch schon sowas wie Menschenwürde im Vergleich zu ein paar geilen Klicks?
Am vergangenen Donnerstag war großer Messer-Tag bei den “Bild”-Medien. Die “Bild”-Zeitung verkündete auf ihrer Titelseite, dass die “Messer-Gewalt” “immer schlimmer” werde:
Und bei Bild.de lief am Morgen die auf der Titelseite angekündigte “große Sondersendung”.
Ein paar Stunden später, am frühen Nachmittag, gab es noch eine “Bild live”-Sendung. Denn es gab einen “NEUEN MESSERANGRIFF”:
Im baden-württembergischen Rottweil hatte ein Mann eine Mitarbeiterin des örtlichen Jobcenters mit einem Messer attackiert und schwer verletzt. Die Frau musste per Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. Die Polizei konnte noch vor Ort einen Tatverdächtigen festnehmen. Und “Bild” berichtete mit einer Messer-Sondersendung.
Diese Sendung dürfte ein weiterer Testballon der Redaktion und ein Vorgeschmack darauf gewesen sein, wie das von Chefredakteur Julian Reichelt und dem Axel-Springer-Verlag geplante “Bild TV” aussehen könnte. Wenn das “Bild”-Team mehrere Stunden am Tag durchgängig senden möchte, muss es auch kurzfristig Sendungen zu aktuellen Themen auf die Beine stellen können. Durch die gut 16-minütige “Bild live”-Sendung vom Donnerstag konnte man einmal mehr erahnen, wie schrecklich das alles werden dürfte.
Das größte Problem war, dass es diese Sendung überhaupt gab; dass ein singuläres Ereignis, das eher von lokalem Interesse ist, durch “Bild” zu einer “BREAKING NEWS” von angeblich deutschlandweiter Relevanz aufgeblasen wurde. So schlimm der Angriff im Jobcenter in Rottweil war, bleibt es ein Vorfall von begrenzter Bedeutung. Die “Bild”-Redaktion aber schnappt ihn sich und schaltet zwei, drei Alarmgänge hoch: Hier, schaut her! Schon wieder ein Messerangriff! Überall Messergewalt! Und wie ist es beim nächsten Vorfall und beim übernächsten — berichtet “Bild live” dann wieder? Vermutlich nicht. Nicht einmal die “Bild”-Redaktion schafft es, aus jedem Messerangriff in Deutschland eine angstverbreitende TV-Sendung zu machen.
Ein möglicher Grund, warum gerade der Angriff in Rottweil zu einer “Bild live”-Sendung führte: Ein Plan von Julian Reichelt soll sein, plattformübergreifende Themenschwerpunkte zu setzen, mit denen er dank “Bild”-Zeitung, Bild.de und eben “Bild TV” bis zu 40 Millionen Menschen erreichen will. Wenn man zufällig sowieso schon eine Titelseite zur “Messer-Gewalt” an den Kiosken liegen hat, und dann ein aktueller Fall reinkommt, kann man doch wunderbar mit einer Messer-Sondersendung testen, wie das klappen könnte. Auch Moderatorin Juliane Bauermeister sagte gleich zu Beginn der Sendung:
Ein Mann greift eine Frau mit dem Messer an und verletzt sie schwer. Ja, dieser furchtbare Angriff passierte heute Vormittag. Das Opfer: eine Mitarbeiterin des Jobcenters in Rottweil in Baden-Württemberg. Ja, und wir haben ja erst heute morgen in unserer 8-Uhr-Sendung über den Anstieg von Messerangriffen in Deutschland berichtet. Nun also dieser neueste tragische Fall.
Durch diese Aktualitätshechelei begibt sich die “Bild”-Redaktion in einen selbst auferlegten Breaking-News-Modus, der dazu verpflichtet, irgendetwas zu erzählen und irgendetwas zu zeigen, auch wenn kaum bis gar nichts zu erzählen und zu zeigen ist. Das führt etwa dazu, dass Moderatorin Bauermeister dann einen Tweet wie diesen der Polizei Konstanz vorliest:
Bauermeister: “Da müssen wir also abwarten, was jetzt die Ermittlungen dazu bringen.” Diesen Tweet, der eigentlich nur sagt, dass es noch nichts zu sagen gibt, liest sie später in der Sendung noch ein zweites Mal vor. Viel weniger kann man nicht zu berichten haben.
Und auch “Bild”-Redakteur Frank Klauss, der mit der Moderatorin im Studio steht, kann nicht viel mehr beitragen als: Mann, Messer, Jobcenter, Mitarbeiterin, Hubschrauber, Krankenhaus, Polizei, Festnahme. Ansonsten sagt er Dinge wie:
Ob sie in Lebensgefahr schwebt, ist derzeit noch nicht bekannt. Wir warten da auch noch auf weitere Nachrichten von Seiten der Polizei.
Und: Angriffe in Jobcentern kämen immer wieder vor …
so dass viele Jobcenter auch mittlerweile einen Sicherheitsdienst haben und auch ihre Mitarbeiter schulen. Ob das hier in Rottweil der Fall war, das wissen wir noch nicht. Aber das ist sicherlich auch eine interessante Frage, der wir noch nachgehen werden.
Dazu noch ein paar Allgemeinplätze: Die Polizei sei jetzt damit beschäftigt, Spuren zu sichern und mit Zeugen zu sprechen. Außerdem werde der Tatverdächtige nun vernommen. Schau an. Zum möglichen Motiv des Mannes sagt Klauss:
Über das Motiv können wir bislang erst noch spekulieren.
… und spekuliert dann über einen möglichen Streit um Leistungskürzungen.
Noch trauriger ist nur die Schalte zu “Bild”-Reporter Frank Schneider, der aus irgendeinem Grund vor einer Burger-King-Filiale steht, aber nicht in Rottweil. Schneider erzählt von der Statistik aus Nordrhein-Westfalen, die die Grundlage für die “Bild”-Titelseite mit der “immer schlimmeren” “Messer-Gewalt” ist:
Naja, die wichtigste Nachricht ist natürlich: Die Attacken nehmen deutlich zu. Es gibt ja wenige Zahlen in der Vergleichbarkeit, weil natürlich viele Bundesländer sie noch nicht erheben. Aber wir haben zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen seit einem Jahr diese Erhebung. Und man sieht ja schon: Vom ersten zum zweiten Halbjahr nimmt die Zahl der Attacken deutlich zu.
Das ist deswegen bemerkenswert, weil nur kurz darauf von der “Bild”-Redaktion ein morgens aufgezeichnetes Interview mit Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul eingespielt wird, der gewissermaßen Herausgeber der Statistik ist, zu der “Bild”-Reporter Schneider behauptet, dass das alles “deutlich” steige. Reul sagt:
Man muss da behutsam sein, weil wir es das erste Mal machen, aber auch die einzigen sind in Deutschland, die das gemacht haben. Aber die Zahlen sind erschreckend. Wir können jetzt nicht sagen, ob sie wirklich gestiegen sind. Aber mein Gefühl ist, das nimmt zu, da tut sich was, da müssen wir achtsam sein. Das muss man vor allen Dingen ernst nehmen. Und das ist auch nicht einfach mit billigen Parolen zu lösen, sondern da muss man ganz genau hinschauen: Warum passiert das? Und welche Möglichkeiten haben wir als Polizei oder als Staat oder als Gesellschaft?
Aber zurück zu “Bild”-Mann Schneider, der noch mal sagen will, auf wen die Gesellschaft da besonders schauen muss: die Ausländer:
Es sind hauptsächlich männliche Tatverdächtige, es sind junge Männer. Es sind nicht nur Jugendliche, es sind auch viele Erwachsene, aber junge Männer, dabei. Es sind relativ viele Nicht-Deutsche dabei. Von den Deutschen haben viele auch noch Migrationshintergrund. Es ist offenbar auch ein kulturelles Problem. Der Psychologe hat es heute morgen ja auch noch mal erklärt: Das ist so ein Männlichkeitssymbol. Und das kommt eben diesem archaischen und patriarchalischen Männerbild von vielen Zuwanderern nahe. Man hat das Messer dabei, um seine Ehre, seine Männlichkeit zu verteidigen. Und das ist sicherlich die Aussagekraft dieser Statistik bisher.
Auch zu dieser billigen Parole zu diesem Aspekt gibt es eine Aussage von NRW-Innenminister Reul. Auf die Frage, wie “das Täterprofil von solchen Menschen” aussehe, sagt er im Interview:
Sie haben es richtig beschrieben: Vorrangig Männer. Vorrangig Männer und vorrangig Deutsche. Und das heißt zum Beispiel, dass die einfache Erklärung ‘Das sind nur diejenigen, die aus dem Ausland kommen’ falsch ist und nicht reicht. Aber auch da gibt es 40 Prozent. Und deswegen sind beide Sachverhalte ernst zu nehmen.
Inzwischen steht fest, dass der 58-jährige Tatverdächtige in Rottweil Deutscher ohne Migrationshintergrund ist.
Am Ende der “Bild live”-Sondersendung sagt Moderatorin Juliane Bauermeister:
So viel zu dem, was wir wissen über den heutigen Messerangriff.
Und:
Wir halten Sie natürlich weiterhin auf dem Laufenden.
Vielleicht braucht man bestimmte Medikamente, die derzeit nicht geliefert werden können, um dieses Balkendiagramm aus der Wochenendausgabe der “Eßlinger Zeitung” verstehen zu können. Ohne blickt man jedenfalls nicht ganz durch:
Weitere sich biegende Balken und falsche Torten gibt es in unserem Archiv.
Die kommende Fußballweltmeisterschaft findet bekanntermaßen in Katar statt. Weil dort recht hohe Temperaturen herrschen, hat die FIFA entschieden, nicht, wie sonst üblich, im Juni und Juli spielen zu lassen, sondern vom 21. November bis 18. Dezember 2022. Das hat Folgen für die nationalen Ligen, auch die Bundesliga, schließlich sind zu dieser Zeit des Jahres normalerweise Spieltage angesetzt. Für die Deutsche Fußball Liga (DFL) stellt sich daher die Frage: Soll sie die Bundesligasaison im Winter 2022 während der Weltmeisterschaft in Katar unterbrechen, weil bei vielen Teams Spieler fehlen werden, die bei der WM für ihre Länder auflaufen? Oder andersrum:
Das fragt die “Sport Bild”-Redaktion in ihrer aktuellen Ausgabe. Sie schreibt dazu:
Bei der DFL wird deshalb ein Plan diskutiert: Die Bundesliga soll auch während der WM weiterspielen!
Werder-Manager Frank Baumann, der in der zuständigen DFL-Kommission Fußball sitzt, bestätigt den Plan. “Wir werden unsere Spieler ganz sicher nicht zehn Wochen in den Urlaub schicken, sofern sie nicht bei der WM sind. Denkbar ist, dass sie ein oder zwei Wochen Zeit zur Regeneration erhalten”, sagt Baumann: “Möglich ist, dass es parallel zur WM Spielrunden der Bundesligisten gibt. Wie die geartet sein könnten, wird in den nächsten Wochen erarbeitet.”
Das ist eine ziemliche Überraschung, vor allem für den zitierten Frank Baumann. “Mit großer Verwunderung” habe er “die Berichterstattung der ‘Sport Bild’ zur Kenntnis genommen”, schreibt sein Verein Werder Bremen auf der eigenen Website. Baumann stellt dort klar:
Ich wurde im Rahmen einer Umfrage danach gefragt, wie Werder Bremen die Bundesligapause während der WM nutzen wird. Ich habe geantwortet, dass die Spieler sicherlich ein bis zwei Wochen frei bekommen werden. Dass es für die Vereine dann aber auch darum gehen wird, in der zehnwöchigen Pause Test- und Freundschaftsspiele auszutragen. Ob das internationale Vergleiche werden, da dieses Problem ja alle Verbände haben, oder Turniere, Spielrunden oder einzelne Partien, ist noch völlig unklar. Bundesligaspieltage werden aber sicherlich nicht ausgetragen. Ich wurde nicht zu Plänen der DFL bezüglich weiterer Spieltage der Bundesliga während der WM befragt und habe somit auch nichts bestätigt.
Mit Dank an den Hinweisgeber!
Nachtrag, 16:12 Uhr: Ein BILDblog-Leser weist uns darauf hin, dass unsere Aussage “hat die FIFA entschieden, nicht, wie sonst üblich, im Sommer spielen zu lassen, sondern im Winter” nicht ganz korrekt ist: Die WM 2010 beispielsweise fand in Südafrika statt, als dort Winter war. Wir haben die Stelle angepasst.
Auf der “Bild”-Titelseite von heute kommen beide Nachrichten vor:
… wobei die “Bild”-Redaktion die “immer schlimmere” “Messer-Gewalt” offenbar für ein deutlich größeres Thema hält als den Angriff mit einer Schusswaffe auf das Büro eines gewählten Parlamentariers — allein das Wort “Messer-” ist größer als die gesamte Meldung zu Karamba Diaby auf Seite 1. (Dazu muss auch noch sagen, dass nur die aktuellen Zahlen aus Nordrhein-Westfalen die These “immer schlimmer” nicht stützen beziehungsweise gar nicht stützen können: Sie wurden zum ersten Mal erhoben, Vergleichswerte aus den Vorjahren gibt es nicht. Außerdem heißt “Messerstraftaten” nicht, dass es sich automatisch um “Messer-Gewalt” im Sinne von Gewaltdelikten handelt.)
In der auf der Titelseite angekündigten “großen Sondersendung bei Bild.de” hat die Redaktion es dann leider nicht geschafft, die zwei Nachrichten, die nichts miteinander zu tun haben, auseinanderzuhalten. Auf einmal meldet “BILD LIVE”, dass es eine “Messer-Attacke auf SPD-Politiker Karamba Diaby” gegeben habe:
Was kann schon schiefgehen, wenn “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt seine TV-Pläne erfolgreich umsetzen sollte und mit dieser grottenschlechten Berichterstattung 40 Millionen Menschen erreicht?
Wer — wie ich — lange Jahre bei Boulevard-Zeitungen gearbeitet hat, kennt auch die Kniffe, mit denen man immer halbwegs überleben kann, auch wenn man gerade ins Klo gegriffen hat. Eine Rettungs-Regel z.B. lautet: wenn Du falsch berichtet hast, lass die Korrektur aussehen wie eine neue Enthüllung.
Das schrieb Georg Streiter im Dezember 2018 über eine fehlerhafte “Bild”-Kampagne gegen Annette Widmann-Mauz, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Streiter hat früher selbst bei “Bild” gearbeitet.
Vergangene Woche lieferte die “Bild”-Redaktion neues Anschauungsmaterial, wie sie diese “Rettungs-Regel” in der Paraxis umsetzt.
Viele Medien berichteten, dass die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin scheinbar eine 24-Stunden-Woche einführen wolle — nur vier Tage in der Woche à sechs Stunden arbeiten. Auch bei Bild.de gab es einen Artikel zum “JOB-HAMMER IM NORDEN”:
Premierministerin Sanna Marin will zudem den Arbeitstag von acht auf sechs Stunden verkürzen
Nach einer Runde großem Staunen und Abschreiben kamen die ersten Journalistinnen und Journalisten auf die verrückte Idee, doch noch zu recherchieren. Und siehe da: Sanna Marin sprach zwar mal von einer Vier-Tage-Woche und auch von einem Sechs-Stunden-Tag, aber erstens nie in Kombination (also: entweder eine kürzere Arbeitswoche oder kürzere Arbeitstage — und nicht beides auf einmal) und zweitens nie in ihrer Rolle als Ministerpräsidentin. Im August 2019 erwähnte Marin, damals noch Transportministerin Finnlands, bei einer Podiumsdiskussion ihrer Partei die Vier-Tage-Woche und den Sechs-Stunden-Tag. Sie twitterte noch etwas dazu. Das war’s aber auch schon — im aktuellen Regierungsprogramm findet man zu dem Thema nichts. Das stellte auch die finnische Regierung recht schnell klar. Der Journalist David Mac Dougall hat versucht nachzuzeichnen, wie sich die falsche Nachricht zur finnischen Arbeitswoche vermutlich von Belgien aus über Großbritannien bis nach Indien und Australien verbreitet hat.
Was macht man nun als Redaktion, “wenn man gerade ins Klo gegriffen hat”, wie Ex-“Bild”-Ressortleiter Georg Streiter es nennt? Man könnte den Murks transparent korrigieren, wie in diesem Fall etwa Stern.de, Welt.de und Handelsblatt.de.
Oder man tut so, als wären die anderen schuld; als hätte man selbst keinen Fehler gemacht, sondern eine neue Enthüllung zu bieten; als gäbe es “bei den Finnen” eine “Rolle rückwärts”; und als hätte die finnische Regierungschefin auf einmal “kalte Füße” bekommen:
Rolle rückwärts bei den Finnen!
Was fällt Sanna Marin auch ein, die 24-Stunden-Woche nicht so einzuführen, wie “Bild” und die anderen es falsch vermeldet hatten?
Damit war aber noch nicht Schluss bei Bild.de. Noch bescheuerter wurde es, als die Redaktion einen Tag später wieder behauptete, dass es in Finnland nun doch die schon längst rückwärtsgerollte Vier-Tage-Woche geben werde:
Vier Tage pro Woche und jeden Tag nur sechs Stunden arbeiten?
Finnlands neue Regierungschefin Sanna Marin (34) will eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit testen.
Wenn sich in einem Gerichtsprozess herausstellt, dass ein Angeklagter nicht so ganz in das Feindbild passt, das die “Bild”-Medien ihrer Leserschaft präsentieren wollen, kennt die Redaktion ein paar Kniffe.
Ein 27-Jähriger stand am Mittwoch in Leipzig vor Gericht, weil er in der Silvesternacht einem Polizisten ein Bein gestellt hatte. Der Beamte fiel zu Boden und verletzte sich leicht an Arm und Knöchel. Der Angeklagte wurde wegen Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung schuldig gesprochen — sechs Monate Haft auf Bewährung und 60 Stunden gemeinnützige Arbeit, so das Urteil. Der Prozess hat vor allem deswegen viel Aufmerksamkeit bekommen, weil das Beinstellen im Leipziger Stadtteil Connewitz passiert ist, wo es an dem Abend gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen mutmaßlichen Linksradikalen und der Polizei gab.
Kniff 1: Bei Bild.de schreibt der anonyme Autor, der Angeklagte sei nach wie vor uneinsichtig:
Wohl auch wegen der eindeutigen Beweislage hatte [A.] vor dem Urteilspruch ein Geständnis abgelegt. Einsicht zeigte der Mann jedoch nicht. Er rechtfertigte den Angriff auf die Polizei vielmehr: Er sei das erste Mal zu Silvester am Connewitzer Kreuz gewesen. Bevor er den Beamten angriff, habe er gesehen, wie Polizisten auf Zivilisten losgegangen seien.
Bei so gut wie allen anderen Medien klingt das völlig anders:
Der nicht vorbestrafte Angeklagte entschuldigte sich in der Verhandlung immer wieder. Er könne sich nicht erklären, warum er das Bein gestellt habe. “Das war eine riesengroße Dummheit”, sagte er.
Der 27-jährige Straßenkünstler zeigte sich reumütig.
Auch Bild.de erwähnt die Entschuldigung in einem Halbsatz und schreibt, dass der Mann von einem riesengroßen Fehler “gestammelt” habe.
Anders als Bild.de behauptet, nutzte der Angeklagte es auch nicht als Rechtfertigung für seine Tat, dass er gesehen habe, “wie Polizisten auf Zivilisten losgegangen seien”: Die Frage des Richters, ob er dem Beamten deswegen das Bein gestellt hatte, verneinte der Angeklagte.
Kniff 2: Bild.de schreibt, die Staatsanwaltschaft sei davon überzeugt gewesen, dass der Mann in Connewitz “mitgemischt” habe:
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hatte der 27-Jährige mitgemischt, als an Silvester nach Mitternacht die Situation zwischen Linksradikalen und der Polizei eskalierte.
Die dpa schreibt hingegen:
Der 27-Jährige war eher eine Randfigur in dem gewalttätigen Geschehen auf dem Connewitzer Kreuz in dem als linksalternativ geltenden Stadtteil Leipzigs. Mit dem schwerwiegendsten Tatvorwurf aus der Silvesternacht — einem versuchten Mord an einem 38 Jahre alten Polizisten — hatte er laut Staatsanwaltschaft nichts zu tun.
Die Darstellung von Bild.de passt schon zeitlich nicht richtig. Bei taz.de steht:
Was der 27-Jährige sich hat zuschulden kommen lassen, geschah weit später als die Tat, die nun als Mordversuch gilt und über die jetzt alle reden. In dem Zusammenhang habe man A. nicht gesehen, bestätigen auch die zwei Polizeizeugen.
Und der MDR schreibt:
Zum Tatzeitpunkt gegen ein Uhr nachts war es wieder ruhiger am Connewitzer Kreuz. Auch sei der Angeklagte den Polizisten zuvor nicht aufgefallen. Daher sah das Gericht keinen Zusammenhang mit den Ausschreitungen in der Silvesternacht.
Kniff 3: Im Post in den Sozialen Netzwerken lässt die “Bild”-Redaktion es trotzdem so aussehen, als habe der Angeklagte mit jenen “Angriffen auf Polizisten” zu tun, über die seit Tagen heftig debattiert wird:
(Der Augenbalken stammt von “Bild”, die restliche Unkenntlichmachung von uns.)
Kniff 4: In der Überschrift des Artikels schreibt Bild.de, dass der Angeklagte ein “mildes Urteil” bekommen habe:
Darüber lässt sich natürlich streiten. Man kann aber auch der Meinung sein, dass bei einem nicht vorbestraften, geständigen und reumütigen Täter sowie den überschaubaren Folgen der Körperverletzung ein halbes Jahr Gefängnis auf Bewährung plus 60 Stunden gemeinnützige Arbeit durchaus angemessen sind — wenn man nicht gerade versucht, auf Biegen und Brechen ein Feindbild zu bedienen.
Da waren sie bei “Bild am Sonntag” und Bild.de aber ziemlich empört:
Irgendwelche Leute versuchen nämlich, mit den Image von Greta Thunberg Geld zu machen, indem sie deren Gesicht auf T-Shirts packen, Puppen der Klimaaktivistin herstellen oder Kaffeebecher mit Greta-Sprüchen bedrucken. “Bild am Sonntag” erklärt, dass man sich dagegen wehren kann, und dass Greta Thunberg das auch macht, indem sie “den Schutz ihres eigenen Namens beantragt” habe: “Einen entsprechenden Antrag hat ihr Anwalt beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eingereicht.”
Zur Situation in Deutschland schreibt “BamS”:
In Deutschland hat jeder ein Recht am eigenen Bild und Namen. Wenn jemand anderes das kommerziell nutzt, kann man als Betroffener dagegen vorgehen.
Ein Markenrechtsexperte erklärt das noch mal genauer:
Der Frankfurter Markenrechtsexperte Eckart Haag (46) sagt: “Ich kann den Nutzer auffordern, das zu unterlassen und mir Auskunft zu erteilen, wie viele Tassen, T-Shirts oder Sonstiges er mit meinem Bild oder Namen verkauft hat. Wenn er das nicht tut, lasse ich per Gericht die Handlung stoppen.”
Im nächsten Schritt kann man Schadenersatz einklagen. Haag: “Das positive Image des Prominenten fördert den Absatz und steigern der (sic) Wert eines Gegenstandes erheblich. Dadurch kann ein erheblicher Teil des erzielten Gewinns eingefordert werden. 80 Prozent sind durchaus denkbar.”
Bei “Bild am Sonntag” kennen sie sich mit dem Thema aus: Im Oktober des vergangenen Jahres entschied das Oberlandesgericht Köln, dass die Redaktion ein Foto des Schauspielers Sascha Hehn in dessen früherer Rolle als “Traumschiff”-Kapitän nicht hätte verwenden dürfen. Im Blatt hatte sie mit diesem Foto, auf dem Hehn und zwei weitere Schauspieler zu sehen waren, für ihr “Urlaubslotto” geworben, bei dem die Leserinnen und Leser eine Kreuzfahrt gewinnen konnten, wenn sie eine kostenpflichtige Telefonnummer anriefen oder eine kostenpflichtige SMS schickten. Sascha Hehn hatte mit dem Gewinnspiel aber überhaupt nichts zu tun. Er hatte einer Verwendung des Fotos in diesem Zusammenhang nicht zugestimmt. Und er war auch nicht Teil des Gewinns — in “Bild am Sonntag” stand sogar, die Abgebildeten werde man auf der Kreuzfahrt “zwar nicht treffen. Aber wie auf dem echten TV-Traumschiff schippern Sie zu den schönsten Buchten und spannendsten Städten.”
Das Gericht schrieb dazu in einer Pressemitteilung (PDF):
Die Beliebtheit des Klägers als Traumschiff-Kapitän habe als “Garant” für eine Traumreise ersichtlich auch auf den Hauptgewinn abfärben sollen. Außerdem sei mit dem Bild des Klägers die Aufmerksamkeit der Leser auf die kostenpflichtigen Mehrwertdienstnummern gelenkt worden, mit denen eine gewisse Refinanzierung des Gewinnspiels erfolgt sei.
Das Urteil war zu dem Zeitpunkt, als die Pressemitteilung veröffentlich wurde, noch nicht rechtskräftig.
Die “Bild”-Medien wollen mit Greta Thunberg übrigens auch ein bisschen Geld verdienen, wenn auch auf etwas andere Weise: Den Artikel, der “das miese Geschäft” mit Thunberg anprangert, kann man nur mit einem “Bild plus”-Abo lesen:
Wofür in der “Bild”-Ausgabe von heute unter anderem Platz war:
“Schluck! DEUTSCHES BIER WIRD TEURER” — der größte deutsche Bierhersteller hebt die Preise für Fassbier an
die Gewinnquoten beim Lotto
einen Leserbrief zum möglicherweise drohenden Aus des “Tatort” mit Til Schweiger: “Bitte ARD, keinen Cent mehr für solchen Filmschrott ausgeben.”
Franz Josef Wagners Geschreibsel an Oliver Kahn
“IHR HOROSKOP” für den 8. Januar
“Die traurige Wahrheit” hinter der Liebe zwischen “Dianas Nichte” und einem “Mode-Millionär”
“Schluss mit Blond”: “TV-Star Christine Neubauer (57) färbt ihre Haare nicht mehr blond.”
die Kinder des dänischen Kronprinzenpaars “pauken jetzt in der Schweiz”
Sidos Ehefrau Charlotte Würdig will ihrem Mann helfen, von einer Nasenspray-Sucht wegzukommen
die “Playboy”-Fotos von Laura Müller, der Freundin des Wendlers
“Frau trocknet nasses Telefon in Mikrowelle”
“HITLER-DOUBLE WILL IN MÜNCHEN AUFTRETEN”
“Rentnerin hatte Granate als Deko”
Wofür in der “Bild”-Ausgabe von heute kein Platz war:
eine Bitte um Entschuldigung oder wenigstens eine Korrektur, dass die Redaktion gestern auf ihrer Titelseite ein unvepixeltes Foto einer Frau gezeigt hat, die laut “Bild” bei einem Unfall in Südtirol ums Leben gekommen sein soll — die aber in Wirklichkeit überhaupt nichts mit dem Unfall zu tun hat, die nicht mal in Südtirol war und die vor allem: lebt.
“Bild”-Chef Julian Reichelt sagte mal über sich selbst:
Es fällt mir grundsätzlich leicht, mich zu entschuldigen, wenn wir Fehler gemacht haben. Es ist aber nicht so, dass ich mich über Entschuldigungen freue, gar nicht. Ich glaube aber, dass sie ein wichtiger Teil der journalistischen Aufrichtigkeit und Ausdruck unserer proaktiven Kommunikation sind.
Und Springer-Chef Mathias Döpfner lobte mal die angeblich so “tolle” Fehler-Kultur bei “Bild”:
Und was ich toll finde: Dass Julian Reichelt, wenn er Fehler macht, sich dafür entschuldigt und sofort Transparenz herstellt.
Die “Bild”-Medien berichten seit einigen Tagen ausgiebig über einen Unfall in Südtirol, bei dem sieben Menschen starben, und der Fahrer stark alkoholisiert war. Dabei läuft sehr vieles sehr schief.
***
Auf der heutigen “Bild”-Titelseite zeigt die Redaktion Fotos der Opfer und des Unfallfahrers:
Die Unkenntlichmachung bei drei der Opfer und beim Fahrer stammt von uns, die beim Opfer ganz rechts stammt von “Bild” (dazu später mehr). Das zweite Opferfoto von links, das “Bild” heute auf Seite 1 und auf Seite 3 unverpixelt zeigt und das auch bei Bild.de auf der Startseite unverpixelt zu sehen war, zeigt allerdings eine Frau, die mit dem Unfall rein gar nichts zu tun hat. Sie war nicht in Südtirol und vor allem: sie lebt.
Gestern Abend schrieb sie bei Facebook (nur für Freunde öffentlich zu sehen):
LIEBE BILD? Wie kann das passieren? Ich bin am Leben und es wird wahllos ein Bild vor gefühlt 8 Jahren ins Netz gestellt obwohl ich nicht betroffen bin? HABT IHR SIE NOCH ALLE? schlimm genug dass ihr mit der Story Kohle verdient!
Bild.de hat das Foto inzwischen ausgetauscht und zeigt nun zum selben Opfernamen ein unverpixeltes Foto einer anderen Frau. Im “Bild”-E-Paper war das Foto noch lange zu sehen. Inzwischen sind auch dort die Fotos auf der Titelseite und auf Seite 3 ausgetauscht. An Tankstellen, in Bäckereien und an Kiosken liegen hingegen weiter Hunderttausende “Bild”-Exemplare aus, auf deren Titelseiten eine lebende Frau mit unverpixeltem Foto für tot erklärt wird.
Wir haben bei “Bild”-Sprecher Christian Senft nachgefragt, wie es zu dem Fehler kommen konnte. Er hat uns bisher nicht geantwortet.
***
Die “Bild”-Medien zeigen Fotos von vier weiteren Personen, bei denen es sich um Menschen handeln soll, die bei dem Unfall gestorben sind. Als Quellenangabe gibt die Redaktion für alle “PRIVAT” an, was nichts anderes heißen dürfte als: Bei Facebook oder Instagram per rechter Maustaste zusammengeklaubt.
Außerdem geht “Bild” sehr unterschiedlich bei der Unkenntlichmachung vor: Manche Fotos sind verpixelt, andere nicht. Bei den zwei Personen, die verpixelt sind, steht in den Bildunterschriften:
(Unkenntlichmachung durch uns.)
Eines der Fotos zeigt einen Mann, das andere eine Frau. Bei dem Mann ist die “Bild”-Redaktion ziemlich inkonsequent: Im Blatt ist sein Gesicht entsprechend der Bildunterschrift verpixelt, auf der Titelseite hingegen nicht — zumindest in der E-Paper-Ausgabe. Bei der gedruckten “Bild” ist sein Gesicht zumindest in Berlin auch auf der Titelseite verpixelt. Nachdem wir “Bild”-Sprecher Senft in unserer Mail auf die fehlende Verpixelung auf Seite 1 aufmerksam gemacht haben, hat die Redaktion es auch im E-Paper überall verpixelt.
Wir wollten von Christian Senft wissen, ob “Bild” und Bild.de bei den Eltern aller Opfer nachgefragt hat, ob diese mit einer Foto-Veröffentlichung — gepixelt oder ungepixelt — einverstanden sind. Er hat uns bisher nicht auf unsere Frage geantwortet.
Und wir haben Senft gefragt, ob “Bild” die Eltern und Familien, die in den Bildunterschriften erwähnt werden, vor der Veröffentlichung der Fotos gefragt hat, ob das verpixelte Zeigen ihres Kindes für sie in Ordnung ist — oder ob diese sich bei “Bild” melden mussten, nachdem die Redaktion die Fotos bereits unverpixelt veröffentlicht hatte, um wenigstens noch die Verpixelung zu erreichen.
Auch darauf hat Christian Senft nicht geantwortet. Es spricht aber vieles dafür, dass die Familien intervenieren mussten, damit die Fotos ihrer Kinder nachträglich verpixelt werden: Der oben bereits erwähnte Mann, dessen Foto die “Bild”-Medien “auf Wunsch der Eltern” verpixelt haben, war gestern Nachmittag noch ohne Unkenntlichmachung auf der Bild.de-Startseite zu sehen:
(Unkenntlichmachung durch uns.)
Entweder haben die Eltern sich umentschieden (erst unverpixelt in Ordnung, dann nur verpixelt in Ordnung). Oder die “Bild”-Redaktion hat einfach, ohne zu fragen, das Foto unverpixelt veröffentlicht, und die Eltern mussten aktiv werden.
Ganz ähnlich bei der Frau, deren Foto “Bild” “auf Wunsch der Familie” verpixelt hat: Anfangs war ein Foto, das sie zeigt, bei Bild.de verpixelt, dann nicht mehr und nun wieder.
***
Wir haben “Bild”-Sprecher Senft gefragt, ob die Eltern und Familien der Opfer, deren Fotos nicht verpixelt sind, einer unverpixelten Veröffentlichung zugestimmt haben, oder ob sie sich bisher einfach nicht gegen die unverpixelte Veröffentlichung gewehrt haben. Auch darauf bekamen wir keine Antwort.
Die Veröffentlichung des Fotos der Frau, die “Bild” fälschlicherweise für tot erklärt hat, spricht dafür, dass die “Bild”-Medien niemanden vorher gefragt haben — denn wer stimmt schon einer (unverpixelten) Veröffentlichung zu, wenn man überhaupt nichts mit dem Fall zu tun hat?
***
Viele Beiträge zum Thema hat Bild.de hinter die Paywall gestellt. So auch diesen “MIT VIDEO”:
(Unkenntlichmachung des Namens und der Person in der Mitte durch uns. Unkenntlichmachung der beiden Personen außen durch Bild.de.)
Nicht nur, dass die Redaktion sich private Videoaufnahmen einer verstorbenen Person besorgt — sie versucht dann auch noch, damit ein paar Abos zu verkaufen und Geld zu machen.
***
Um an Informationen zu kommen, scheinen die “Bild”-Medien nicht nur die Profile der Opfer in den Sozialen Netzwerken zu durchforsten — offenbar behelligen sie auch deren Familien. Bei Reddit schreibt ein User:
Heute hab ich plötzlich eine Nachricht von einer Freundin bekommen, dass eines der Opfer der Bruder ihres Freundes ist. Ich kannte den verstorbenen Bruder nicht persönlich, aber dafür ihren Freund und war auch wenn ich nicht viel mit ihm zutun habe zutiefst geschockt.
Was mir allerdings dann erzählt wurde lässt mir echt den Kragen platzen. Anscheinend haben irgendwelche fuckig Reporter von der Bildzeitung wie auch immer herausgefunden, wo die Angehörigen des verstorbenen wohnen und noch am selben Tag angeschellt, die Familie bedrängt und nach einem Interview gefragt. Wie kann man so fucking dreist sein? Man kriegt die Nachricht von der Polizei, dass dein Sohn/Bruder gestorben ist und am selben Tag kommt die scheiß Bildzeitung zu dir nach Hause und fragt nach einem Interview, damit sie aus der Tragödie anderer Menschen Material für ihre scheiß Titelseite haben um Leute zu ködern ihre scheiß Zeitung zu kaufen?
Außerdem haben uns mehrere BILDblog-Leserinnen und -Leser geschrieben, dass sie Verwandte der Opfer kennen. Sie alle sagen, dass die Berichterstattung der “Bild”-Medien für die Familien nur schwer zu ertragen sei.
***
Neben den Fotos der Opfer veröffentlichen “Bild” und Bild.de auch mehrere unverpixelte Fotos des Unfallfahrers. Online ist sein Gesicht seit mehreren Tagen durchgängig auf der Startseite zu sehen. Dass der Mann derzeit “als psychisch nicht stabil gilt”, berichten die “Bild”-Medien zwar; ein Grund, seine Fotos nur verpixelt zu zeigen, ist das für sie aber offensichtlich nicht. In einem Video zeigte Bild.de sogar eine unverpixelte Aufnahme, während ein Reporter erzählt, dass der Mann gerade in eine psychiatrische Einrichtung eingeliefert wurde.
Wir haben den “Bild”-Sprecher gefragt, ob die Redaktion eine Erlaubnis des Mannes hat, seine Fotos ohne Unkenntlichmachung zu zeigen. Christian Senft hat darauf nicht geantwortet.
***
“Bild” und Bild.de hauen alles zu dem Fall raus, was sie in die Finger bekommen. Zwei Titelseiten sind zu dem Unfall in Südtirol schon erschienen, im Blatt zwei Doppelseiten, weit mehr als ein Dutzend Artikel bei Bild.de und dazu online mehrere Live-Sendungen. Es wirkt ein bisschen wie ein weiterer Probelauf für den geplanten “Bild”-TV-Sender: Wie groß können alle “Bild”-Kanäle auf einmal ein Thema machen?
Dafür sind 14 (!) Autorinnen und Autoren im Einsatz. Mit ihrer Arbeit sorgen sie dafür, dass Familien, die gerade einen geliebten Menschen verloren haben, sich in ihrer Trauer auch darum kümmern müssen, dass das Schicksal ihres Kindes, ihres Bruders oder ihrer Schwester nicht gnadenlos von einer Boulevardredaktion ausgeschlachtet wird.
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!
Nachtrag, 8. Januar: Von “Bild”-Sprecher Christian Senft haben wir nach wie vor keine Antworten auf unsere Fragen bekommen. “DWDL” hat er heute allerdings geantwortet:
Gegenüber DWDL.de äußerte sich Springer-Sprecher Christian Senft am Mittwoch jedoch zu der Foto-Panne: “Aufgrund eines bedauerlichen Fehlers in der Herstellung ist bei der umfassenden Berichterstattung von ‘Bild’ zum tragischen Unfall in Südtirol in der gedruckten Zeitung ein falsches Foto für eines der Unfallopfer erschienen. Wir haben dafür bei der betroffenen Familie um Entschuldigung gebeten und das Foto online sowie im E-Paper sofort ausgetauscht. Insofern uns die Familien darum gebeten haben, wurden die Fotos der Opfer bei der Berichterstattung verpixelt.”
Eine Antwort auf die Frage, weshalb sich “Bild” überhaupt dazu entschlossen hat, Fotos der Opfer unverpixelt zu drucken, gab es nicht.
Nachtrag, 9. Januar: Für eine Bitte um Entschuldigung oder wenigstens eine Korrektur, dass die Redaktion eine falsche Person für tot erklärt hat, war in “Bild” bisher leider kein Platz.