In Großbritannien ist eine 21-Jährige, die keinerlei Vorerkrankungen gehabt haben soll, am Coronavirus gestorben. Dass die “Bild”-Redaktion in so einem Fall loszieht, Soziale Netzwerke nach Fotos der Frau durchsucht und die zusammengeklaubten Bilder dann ohne Skrupel und Verpixelung veröffentlicht, ist zwar erbärmlich, aber nichts Neues. Dass sie dabei den vollen Namen der Person nennt, überrascht uns auch nicht mehr.
Dass sie aber auch einen Link zum Facebook-Profil der Verstorbenen setzt, das kannten selbst wir bisher nicht:
Es ist nur ein Beispiel, aber dafür ein recht typisches, das zeigt, wie die “Bild”-Redaktion in diesen unsicheren Tagen a) Angst verbreitet und b) versucht, mit dieser Angst der Menschen Kohle zu machen:
Jeder, der bisher nicht daran gedacht hat, dass ja vielleicht “auch bei uns die Tankstellen dicht” machen könnten, kann nun denken: Oh Gott, machen auch bei uns die Tankstellen dicht?
In Italien schließen demnächst die ersten Tankstellen, kündigen die Betreiberverbände an. Ab Mittwochabend sollen demnach zunächst die Zapfstellen an Autobahnen dichtmachen, dann sollen nach und nach andere Tankstellen folgen.
Tankstellen dicht — ist das auch bei uns möglich?
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Die Antwort auf die “Bild”-Überschrift lautet, wie so oft, wenn dort ein Fragezeichen am Ende steht: nein. In Deutschland sei es “offenbar nicht der Fall”, dass Tankstellen bald schließen müssen, steht im Artikel. Ein Sprecher des Mineralöl-Wirtschaftsverbands sagt, “bei uns” sehe es gut aus. Und der Hauptgeschäftsführer des Verbands antwortet auf die Frage, ob die Versorgung aufrechterhalten werden kann:
“Eindeutig ja, Benzin und Diesel sind jederzeit verfügbar.”
Die durchaus wichtige Info, dass an der Tankstellenfront alles in Ordnung ist, gibt es nur gegen Bezahlung.
Klar, auch die “Bild”-Redaktion muss zusehen, wie sie ihre Arbeit finanziert. Aber muss sie dafür wirklich die Notlage von Menschen ausnutzen, wie in diesem Fall?
Zumal gestrandete Urlauberinnen und Urlauber die Antworten auf ihre wichtigsten Fragen sowieso beim Auswärtigen Amt bekommen — ohne vorher ein Abo abschließen zu müssen.
Wir würden gar nicht soweit gehen, dass alle Artikel zum Coronavirus, egal von welcher Redaktion, kostenfrei abrufbar sein sollten. Aber die grundlegenden. Die, die Menschen zum Beispiel bei der drängenden Frage helfen, ob sie sich “jetzt testen lassen” sollen. Die “Bild”-Redaktion will mit der “ANGST VOR CORONA-INFEKTION” aber lieber Geld machen:
Wäre es nicht vielleicht eine gute Idee, auch das Schild mit dem Nachnamen des Mannes unkenntlich zu machen, wenn man den Nachnamen des Mannes in der Bildunterschrift schon extra abkürzt? Sollte die Redaktion möglicherweise, wenn sie sowieso schon dabei ist, dann nicht auch die öffentliche Position des Polizisten, die ziemlich flott Rückschlüsse auf seinen Namen zulässt, aus dem Beitrag streichen (folgt in der Bildunterschrift nach “Horst N. (55) ist”)? Und wie wäre es, auch gleich noch das Gesicht zu verpixeln, das bisher nicht verpixelt ist, sollte das Ziel des abgekürzten Nachnamens tatsächlich Anonymität gewesen sein?
Mit Dank an @yeboah17 für den Hinweis!
Nachtrag, 15:03 Uhr: Vielleicht waren wir mit unserem Vorwurf etwas vorschnell: Der Artikel ist Teil einer “Mopo”-Serie über “Hamburgs Helden in der Corona-Krise”. Zum Konzept dieser Serie scheint zu gehören, dass die Nachnamen der interviewten Personen immer abgekürzt werden — ob nun beim Busfahrer, beim Chefarzt oder bei der Friseurin. Alle diese Personen sind im Foto (unverpixelt) zu sehen. Im Gegensatz zum Polizisten ist bei den anderen allerdings nie ein Namensschild mit dem vollen Nachnamen erkennbar.
Dass wir zu doof waren, dieses Konzept zu verstehen — dafür möchten wir um Entschuldigung bitten. Die Diskrepanz zwischen Bildunterschrift mit abgekürztem Nachnamen und Bild mit vollem Nachnamen im Falle des Polizisten halten wir aber immer noch für eine merkwürdige Lösung.
Gestern, um 10:54 Uhr, erschien im Bild.de-Corona-Liveticker diese Meldung:
Wir benötigen im Klinikum Offenburg dringend helfende Hände. Ob mit oder ohne medizinische Erfahrung spielt keine Rolle. Es gibt Bedarf in der Küche, an der Pforte, Essen verteilen, Betten schieben. Und wer medizinische Kenntnisse hat im pflegerischen Bereich.
Wer jemand kennt, der jetzt zum Beispiel in Kurzarbeit ist, bitte melden. Per E-Mail: […] oder telefonisch […]
Bitte weiterleiten. Vielen Dank und bleibt gesund.
Die “Bild”-Redaktion nannte auch eine E-Mail-Adresse und eine Telefonnummer, die man anschreiben beziehungsweise anrufen soll, wenn man helfen möchte. Das Problem dabei: Das Ortenau Klinikum in Offenburg sucht derzeit gar nicht “händeringend Helfer”. Es handelt sich um “Fake News”, die Bild.de verbreitet hat.
Zuvor kursierte bei WhatsApp der vermeintliche Appell der Klinik samt Kontaktdaten. Während die “Bild”-Redaktion das Rundschreiben blind eins zu eins abgeschrieben hat, hat das Team von Hitradio Ohr recherchiert und bei der Klinik mal nachgefragt, was es mit dem Aufruf überhaupt auf sich hat:
Auf HITRADIO OHR-Anfrage hieß es heute (Sonntag) vom Ortenau Klinikum, das sei wohl Fake News.
Es gebe Überlegungen, ob das irgendwann nötig sei und intern gebe es beim Ortenau Klinikum die Überlegung, ob man sich — wenn sich die Situation verschlechtere — auch an die Öffentlichkeit wende. Das sei aber nur eine Idee und momentan KEIN Aufruf an die Bevölkerung. Beim Klinikum stehe wegen des “Fake-Aufrufs” das Telefon nicht mehr still.
Nun ist es eine Sache, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik auf “rund 1000 Anfragen” (Stand: Sonntagmittag) reagieren mussten und damit von ihrer wichtigen Arbeit abgehalten wurden. Vielleicht noch gefährlicher: Der gefakte Appell, den Bild.de verbreitet hat, vermittelt den falschen Eindruck, dass das Klinikum in Offenburg die Situation nicht mehr im Griff habe und “am Limit” sei. Daher hat das Klinikum mit einer Stellungnahme reagiert:
Zur Zeit kursiert in verschiedenen Medien ein Aufruf, das Ortenau Klinikum Offenburg-Kehl würde sofort dringend “helfende Händen” benötigen. Das ist gut gemeint, aber nicht zielführend! Aktuell laufen alle Prozesse in unseren Häusern im Rahmen der Planungen. […]
Derzeit ist das Ortenau Klinikum hinsichtlich Personal und Intensivbetten bestens ausgestattet.
Erst nach mehreren Stunden löschte Bild.de die Falschmeldung klammheimlich aus dem Liveticker. In einer späteren Meldung im selben Liveticker, die davon berichtet, dass ein gefälschter Appell des Klinikums Offenburg im Umlauf ist, erwähnte die Redaktion mit keinem Wort, dass sie kräftig mitgemischt hat.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in ihrer Ansprache, die am Mittwochabend im TV gezeigt wurde, unter anderem:
Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt.
Auf der “Bild”-Titelseite von Donnerstag klingt das etwas anders:
Ist es wirklich zu viel verlangt, in dieser Situation, bei dieser Bedeutung einer Rede mal etwas akkurat zu arbeiten?
Nachtrag, 19. März: Die “Bild”-Redaktion ist mit der Wahl dieser Überschrift leider nicht allein:
Teilweise wurde sogar ein wörtliches Zitat daraus gemacht:
Beim Fußballbundesligisten Hertha BSC gibt es einen Spieler, der positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Der Verein veröffentlichte dazu heute eine Pressemitteilung:
Eigentlich sollte es heute nach drei Tagen mit individuellen Trainingsplänen wieder mit dem Teamtraining auf dem Schenckendorffplatz für diese Woche losgehen. Nachdem jedoch nun ein Spieler der Profimannschaft bei Hertha BSC positiv auf das Corona-Virus getestet wurde, wurde für alle Spieler des Lizenzspieler-Kaders und für das Trainer- und Funktionsteam nun eine 14tägige häusliche Quarantäne angeordnet.
Liest man die komplette Mitteilung, dann fällt auf, dass der Klub an keiner Stelle den Namen des positiv getesteten Spielers nennt. Das sei “nach interner Rücksprache” ganz bewusst geschehen, sagt uns Herthas Pressesprecher Marcus Jung auf Nachfrage, denn dafür gebe es “gute Gründe”: Privatsphäre, Datenschutz, ärztliche Schweigepflicht.
Das alles scheint den Leuten bei Bild.de herzlich egal zu sein.
Im Artikel nennt die Redaktion den Namen des Spielers (“Nach BILD-Informationen handelt es sich bei dem Betroffenen um (…)”) und zeigt ein Foto von ihm. Inzwischen berichten zahlreiche andere Medien, um wen es sich “laut der ‘Bild’-Zeitung” handeln soll.
Nachtrag, 18. März: In der heutigen Berlin-Ausgabe der “Bild”-Zeitung berichtet die Redaktion auch groß über den ersten Corona-Fall bei Hertha BSC. Sie nennt auch dort den Namen des Fußballers, direkt in der Überschrift:
[…] infiziert! Hertha in Quarantäne
In der “Bild”-Bundesausgabe gibt es zum Thema eine Meldung im “CORONA-TICKER” auf der Sportseite. Auch dort wird der Name genannt.
Der Spieler selbst hat sich nach wie vor nicht öffentlich, etwa auf seinem offiziellen Instagram-Profil, zum positiven Corona-Test geäußert.
Die Überschrift soll vermutlich sowas wie Aufklärung versprechen:
Was das Newsportal tag24.de dann aber heute liefert, ist das exakte Gegenteil von Aufklärung: eine gefährliche Verdrehung und falsche Information.
Die Redaktion schreibt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler “mittlerweile immer mehr Zahlen (vor allem aus China) über die Krankheitsverläufe und Sterberaten auswerten konnten”, und dass daher “die Gefahr des Virus immer offenbarer” werde. Um konkreter zu werden, zieht tag24.de den Virologen Christian Drosten heran:
Christian Drosten (48), Chef-Virologe der Charité Berlin, warnt, dass jeder vierte Erkrankte, der über 65 Jahre alt ist, an dem Virus sterben könnte.
Das liegt vorallem daran, dass Menschen in diesem Alter kein so starkes Immunsystem mehr haben und oft unter Vorerkrankungen leiden.
“Jenseits des Rentenalters muss man die Bevölkerung wirklich schützen”, erklärte Drosten im NDR Podcast.
Aus der “könnte”-Warnung von Drosten macht tag24.de eine unausweichliche Tatsache, extra gefettet und mit Ausrufezeichen:
Um es noch einmal anders auszurücken [sic]: Jeder Vierte, der sich in einem Alter ab 65 das Virus einfängt, stirbt daran!
Ich habe gestern mit meinem Vater telefoniert, der lebt in einem ländlichen Bereich. Und der sagt mir, alle seine Altersgenossen sehen das im Fernsehen, und die finden das super, dass der Sohn von dem Drosten immer im Fernsehen ist. Die finden das verfolgungswürdig und schicken sich per WhatsApp die neuesten Informationen zu. Aber die beziehen das noch nicht wirklich auf sich. Die haben noch nicht verstanden, dass sie in dieser Altersgruppe sind — mein Vater ist über 70 und seine Alterskollegen, Vereinskollegen und so weiter, das ist ein blühendes Vereinsleben dort im ländlichen Bereich –, dass sie eigentlich die wirklich Betroffenen sind und dass auch das Sozialleben jetzt für einige Monate aufhören muss. Der Verein, das Fitnessstudio, und auch leider das Schützenfest. Dass das alles in diesem Sommer betroffen sein wird, und dass es jetzt ernst ist. Und wenn man das nicht ernst nimmt, dass man davon ausgehen muss, dass Raten, die sich im Bereich von 20 Prozent, 25 Prozent dieser Personen bewegen, sterben werden. Da schluckt man dann natürlich, das muss man aber vermitteln.
Zahlen aus China, für die 1023 Todesfälle ausgewertet wurden und die tag24.de in dem Artikel auch in einer Grafik eingebaut hat, zeigen, dass dort die Sterberate für 60- bis 69-Jährige, die sich infiziert haben, bei 3,6 Prozent lag, für 70- bis 79-Jährige bei 8,0 Prozent und für Über-80-Jährige bei 14,8 Prozent.
Mit Dank an Ronny für den Hinweis!
Nachtrag, 20:53 Uhr: Die Redaktion hat die Stelle inzwischen, ohne Korrekturhinweis, geändert. Dort steht nun:
Um es noch einmal anders auszudrücken: Bis zu jeder Vierte, der sich in einem Alter ab 65 das Virus einfängt, könnte daran sterben!
Es gibt derzeit viele Redaktionen, die mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit, aber ohne unnötige Panik über die Verbreitung des Coronavirus berichten. Und dann gibt es die “Bild”-Redaktion:
Unglaubliche Zahlen aus dem Iran! 7,5 Millionen Menschen wurde auf das Coronavirus getestet — davon 175 000 positiv.
… steht seit gestern Abend bei Bild.de im Corona-Live-Ticker. Und das ist wirklich “unglaublich”, aber im Sinne von: Das stimmt so nicht.
Die “Bild”-Redaktion bezieht sich auf diesen Tweet der Iran-Korrespondentin der ARD Natalie Amiri:
Während Amiri also von “gescreened” spricht, schreibt Bild.de: “getestet”. Während Amiri von “zeigen Symptome” spricht, schreibt Bild.de: “positiv” getestet.
Das sind zwei riesige Unterschiede — erst recht, wenn man sich mal etwas genauer anschaut, wie die iranische Regierung auf die von Amiri genannten und von Bild.de falsch weitergetragenen Zahlen gekommen sein soll. Leider erst gut vier Stunden nach ihrem ersten Tweet zum Thema schilderte Natalie Amiri in einem weiteren Tweet, mit welcher Methode im Iran “gescreened” wurde: Auf der Website des iranischen Gesundheitsministeriums konnten die Menschen selbst Daten über sich eintragen und wurden gegebenenfalls zurückgerufen. Diese Selbstauskunft sollen 7,5 Millionen Iranerinnen und Iraner vorgenommen haben; 175.000 von ihnen sollen dabei Symptome genannt haben, die auf eine Erkrankung durch das Coronavirus hinweisen können, aber natürlich nicht automatisch bedeuten, dass jemand am Coronavirus erkrankt ist.
Das verdreht Bild.de also zur Schockmeldung: “7,5 Millionen Menschen wurde auf das Coronavirus getestet — davon 175 000 positiv.”
In Dresden läuft derzeit ein Prozess gegen einen Mann, der seine beiden Kinder getötet haben soll. Die “Bild”-Medien berichten seit mehreren Wochen über Fall und haben für den Angeklagten, der bei der Tat Bauschaum verwendet haben soll, auch schon eine boulevardtaugliche Bezeichnung gefunden: Es handele sich um “den mutmaßlichen Bauschaum-Killer”.
Ebenfalls “Bild”- und boulevardtypisch zeigt die Redaktion wiederholt Fotos der Kinder, die getötet wurden, ohne jegliche Unkenntlichmachung. Als Quelle gibt sie an: “Foto: Privat”.
Wir haben bei “Bild”-Sprecher Christian Senft nachgefragt, ob die Mutter (oder der Vater) einer Veröffentlichung der unverpixelten Kinderfotos zugestimmt hat. Bisher haben wir keine Antwort erhalten. Wir wollten von Senft auch wissen, woher die “Bild”-Medien die Fotos haben. Darauf gab es ebenfalls keine Antwort.
Im Artikel zum dritten Prozesstag berichtet Bild.de über die Aussage der Mutter vor Gericht. Auch in diesem Beitrag zeigt die Redaktion wieder unverpixelte Fotos der Kinder. Außerdem veröffentlicht sie ein Foto der Frau “auf dem Weg ins Gericht”, aufgenommen von einem “Bild”-Fotografen, ungeachtet der Tatsache, dass die Frau versucht, sich mit einem Schal vor Aufnahmen zu schützen. Am Ende des Textes erfährt man über sie:
M[.] ist schwer traumatisiert, befindet sich in Therapie.
Wir haben bei Christian Senft nachgefragt, ob die “Bild”-Redaktion abgewägt hat, die Fotos der getöteten Kinder aus Rücksicht auf die Mutter, die laut Bild.de “schwer traumatisiert” sei und sich “in Therapie” befinde, nicht zu veröffentlichen. Der “Bild”-Sprecher hat darauf nicht geantwortet.
Gestern erschien der neueste Artikel zum Thema, sowohl bei Bild.de als auch in der Dresden-Ausgabe der “Bild”-Zeitung. Die Redaktion verknüpft darin den einen Fall mit einem anderen, bei dem ebenfalls zwei Kinder getötet wurden, und der Vater bereits verurteilt wurde. Die Kinder und die Mütter hatten sich, auf der Flucht vor den Vätern, in einem Frauenhaus kennengelernt und angefreundet:
(Unkenntlichmachungen durch uns.)
Auch hier haben wir bei “Bild”-Sprecher Christian Senft nachgefragt, ob der Redaktion eine Erlaubnis vorliegt, die Fotos der zwei anderen Kinder ohne Unkenntlichmachung zu drucken. Eine Antwort haben wir nicht bekommen. Als Fotocredit ist einmal der Name des bereits erwähnten “Bild”-Fotografen angegeben und: “FACEBOOK”.
Die vermeintliche Antwort auf die Frage in der Unterzeile, “warum die vier Freunde von ihren Vätern ermordet wurden”, liefert der Text direkt im ersten Satz:
Die schrecklichen Doppelmorde von Dresden — Väter töteten ihr Liebstes, weil die Mutter der Kleinen sie verlassen hatte.
Damit übernimmt “Bild” eins zu eins die Perspektive des bereits verurteilten beziehungsweise des mutmaßlichen Täters.
Warnung: In diesem Beitrag geht es um einen versuchten Suizid.
Solltest Du Suizid-Gedanken haben, dann gibt es Menschen, die Dir helfen können, aus dieser Krise herauszufinden. Eine erste schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommst Du etwa bei der “TelefonSeelsorge”, die Du kostenlos per Mail, Chat oder Telefon (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 und 116 123) erreichen kannst.
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Ein zehnjähriger Junge wollte laut seiner Mutter einen Suizid begehen. Die Frau sagt, dass ihr Sohn in der Schule heftig gemobbt, getreten und bespuckt werde. Bild.de und die Frankfurt-Ausgabe der “Bild”-Zeitung berichten heute groß über den Fall.
Es ist gut, dass die “Bild”-Medien kritisch über Mobbing und die Folgen berichten. Die entscheidende Frage ist, wie sie es tun. Seit vielen Jahren ist bekannt, dass die Berichterstattung über (versuchte) Suizide gefährlich sein, und der sogenannte Werther-Effekt zu Nachahmungstaten führen kann. Forscherinnen und Forscher haben dieses Phänomen ausgiebig untersucht. Viele Medien berichten dennochimmerwiederausgesprochenproblematisch über Suizide und Suizidversuche.
Es gibt Leitfäden für Redaktionen, wie sie am besten berichten sollten — und wie auf keinen Fall. Die “Stiftung Deutsche Depressionshilfe” hat zum Beispiel einen herausgegeben (PDF), genauso die “Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention” (PDF). In diesen Leitfäden steht unter anderem:
In der Berichterstattung sollte alles vermieden werden, was zur Identifikation mit den Suizidenten führen kann, z.B. (…)
• den Suizid als nachvollziehbare, konsequente oder unausweichliche Reaktion oder gar positiv oder billigend darzustellen bzw. den Eindruck zu erwecken, etwas oder jemand habe “in den Suizid getrieben”. (“Für ihn gab es keinen Ausweg”).
Und:
Nachahmung setzt Identifikation voraus. Diese Gefahr steigt, wenn: (…)
• der Suizid als nachvollziehbare Reaktion oder als einziger Ausweg bezeichnet wird
Außerdem warnen die Fachleute davor, die Suizid-Methode zu beschreiben. Dadurch könne die Gefahr einer Nachahmung ebenfalls steigen. Und auch die Aufmachung der jeweiligen Artikel sei von Bedeutung: Gefährlich könne es werden, wenn “durch Titelgeschichten, Schlagzeilen und Fotos Aufmerksamkeit erregt wird”.
In ihren Artikeln von heute machen “Bild” und Bild.de zum wiederholten Male vieles falsch. Im Text steht über den Suizidversuch des Zehnjährigen unter anderem:
Als ihn dann noch ein Mädchen böse versetzt und mit einem Mitschüler abzieht, ist der Fünftklässler so verletzt, dass er keinen Ausweg mehr weiß.
Direkt im nächsten Absatz erzählen die “Bild”-Medien detailliert, was der Junge bei dem versuchten Suizid wie verwendet hat, also: Welche Methode er nutzte.
Und dann ist da noch die Präsentation der Artikel: Bei Bild.de war die Schlagzeile “Mein Kind wollte sich umbringen” heute längere Zeit auf der Startseite zu finden. Die Frankfurter “Bild”-Redaktion hat die Geschichte mit derselben Überschrift als riesengroße Aufmacherstory auf der ersten Lokalseite gebracht.