Suchergebnisse für ‘flüchtling’

Geheimsache Nord Stream, Flüchtlings-Cover, X-Propaganda

1. Geheimsache Nord Stream: Wird die Aufklärung blockiert?
(ndr.de, Fritz Lüders, Video: 29:31 Minuten)
Vor einem Jahr wurde ein Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines verübt, bei dem drei der vier Pipelinerohre zerstört wurden. Seitdem recherchieren Journalisten und unabhängige Experten weltweit, um die Hintergründe des Anschlags aufzudecken. Dabei würden sie auf zahlreiche Hindernisse stoßen, darunter politischen Druck und Geheimhaltung seitens der Regierung. Das NDR-Medienmagazin “Zapp” ist der Sache nachgegangen und hat mit Journalistinnen und Journalisten gesprochen, die den Fall als einen der schwierigsten ihrer Karriere bezeichnen.

2. Wie der “Spiegel” sich aus einem Foto sein bedrohliches Flüchtlings-Cover bastelte
(uebermedien.de, Frederik von Castell)
Das aktuelle Titelbild des “Spiegel” zur deutschen Asylpolitik wurde vielfach kritisiert, unter anderem auch vom “6-vor-9”-Kurator (“Es ist für mich schwer nachvollziehbar, wie ein renommiertes Leitmedium wie der Spiegel, das für Qualitätsjournalismus stehen will, ein Titelbild veröffentlichen kann, das in Aufmachung und Bildsprache an die Angstmache und Hetze rechter Parteien und Verschwörungsblätter erinnert.”) Bei “Übermedien” hat Frederik von Castell die Bildquelle, die dem vom “Spiegel” verwendeten Ausschnitt zugrunde liegt, recherchiert und mit der Fotografin gesprochen. Es liege der Verdacht nahe, dass “das ‘Spiegel’-Cover mit dem Bild in der Realität nicht allzu viel gemein hat”.
Weiterer Hörtipp: Im NDR kommentiert Nadia Zaboura das Cover: “Man sieht nicht die Personen und die Lebensgeschichten, die damit verbunden sind, sondern es baut eine Art Bedrohungs-Szenario auf: Werden wir überrollt?” Neben ihrer Kritik macht Zaboura aber auch konkrete Vorschläge, was Medien in der Migrations-Berichterstattung aus ihrer Sicht verändern und besser machen können (ndr.de, Audio: 7:34 Minuten).

3. Lust auf die Zukunft
(journalist.de, Jeanne Wellnitz & Anna Faber)
Jeanne Wellnitz und Anna Faber beschäftigen sich im “journalist” mit Gegenwart und Zukunft des Klimajournalismus. Das Schweizer Onlinemagazin “Republik” habe beispielsweise ein “Klimalabor” ins Leben gerufen, in dem es gemeinsam mit seiner Leserschaft journalistische Inhalte entwickelt. Drei zentrale Erkenntnisse aus diesem Projekt seien: Die Mehrheit der Leserinnen und Leser wünsche sich konstruktive Berichte über mögliche Maßnahmen, sie möchten Dialogformate, die den Austausch mit Aktiven ermöglichen, und sie suchen nach Tipps, um Menschen in ihrem Umfeld für Klimathemen zu sensibilisieren.

Bildblog unterstuetzen

4. Investition in die Demokratie
(epd.de, Björn Staschen)
Die deutschen Printmedien leiden unter sinkenden Auflagen und wegbrechenden Werbeeinnahmen. Der Journalist und Medienberater Björn Staschen schlägt in einem Gastbeitrag alternative Fördermodelle vor, um das Mediensystem und die Demokratie zu stärken. Er nennt beispielsweise die Idee eines “Demokratiepasses”, mit dem Bürgerinnen und Bürger ein Jahresbudget für den Zugang zu Informations- und Meinungsbildungsmedien erhalten, und schlägt vor, Qualitätsstandards für Medienangebote festzulegen, die zur demokratischen Meinungsbildung beitragen.

5. Streit mit ARD & ZDF: BDZV wendet sich an EU-Kommission
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie “DWDL” berichtet, scheint die ursprüngliche Einigung zwischen Verlagen und öffentlich-rechtlichen Sendern aus dem Jahr 2018 gescheitert zu sein. Der Verlegerverband BDZV habe sich an die EU-Kommission gewandt und um Unterstützung im Streit mit ARD und ZDF um deren Textangebote im Internet gebeten. Der BDZV kritisiere, dass die Öffentlich-Rechtlichen online ein “presseähnliches Angebot” bereitstellen und damit den Verlagen Konkurrenz machen würden.

6. Einfluss von Propaganda-Accounts steigt
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 6:11 Minuten)
Im Deutschlandfunk hat sich Michael Borgers mit Roberta Schmid vom Faktencheck-Dienst “Newsguard” unterhalten. In dem Gespräch geht es vor allem um den wachsenden Einfluss von staatlichen Propaganda-Accounts auf der Plattform X (vormals Twitter). Die Interaktionsrate staatsnaher chinesischer, iranischer und russischer Medien sei in der Elon-Musk-Ära laut “Newsguard” um 70 Prozent gestiegen.

Bei Mordverdacht macht “Bild” einen Deutschen wieder zum Flüchtling

Wann ist man eigentlich Deutscher? Also so richtig deutsch, akzeptiert sogar von der “Bild”-Redaktion? Braucht man dafür einen deutschen Namen, deutsche Vorfahren, ein irgendwie geartetes deutsches Aussehen? Muss man in Deutschland geboren sein? Oder reicht die deutsche Staatsbürgerschaft?

In Leipzig soll ein Mann seine Ex-Freundin getötet haben. Der 30-Jährige ist Deutscher mit deutschem Pass und lebt seit knapp 25 Jahren in Deutschland. Als 6-Jähriger flüchteten er und seine Familie aus Afghanistan, was bei dieser Geschichte eigentlich keine Rolle spielen sollte. “Bild” und Bild.de sehen das offenbar anders. Denn wenn man möglicherweise zum Straftäter geworden ist, dann kann man noch so lange schon in Deutschland leben und einen noch so deutschen Pass haben. Dann ist man direkt: einstiger “Vorzeigeflüchtling”, wie die “Bild”-Redaktion in einem Facebook-Teaser schreibt.

Mehrere Tage berichteten die “Bild”-Medien in der vergangenen Woche über den Fall. In ihrer Leipzig-Ausgabe titelte die “Bild”-Zeitung am Mittwoch:

Ausriss Bild-Zeitung - Myriams Killer war mal ein Musterbeispiel gelungener Integration

Man kann nur mutmaßen, was der Leserschaft eine solche Überschrift sagen soll — hängen bleibt aber irgendein Zusammenhang zwischen Migration und Gewaltverbrechen. Und dann noch nicht mal von irgendeinem sowieso schon kriminellen Dahergelaufenen verübt, sondern von einem “Musterbeispiel gelungener Integration”. Wenn jetzt die sogar schon …

Die Onlineversion des Artikels wurde über 4000 Mal bei Facebook geteilt, von AfD-Politikern und -Ortsverbänden, von der NPD, von “Pegida”, von Facebookgruppen mit Namen wie “Büdingen wehrt sich — Asylflut stoppen”, “Klartext für Deutschland — FREI statt bunt” und “Aufbruch deutscher Patrioten”. Sie alle stürzen sich auf die Bezeichnungen “Vorzeigeflüchtling” und “Musterbeispiel gelungener Integration”. Die “Bild”-Redaktion weiß sehr genau, für wen sie schreibt.

Den viel passenderen größeren Zusammenhang lässt sie hingegen außen vor: Gewalt gegen Frauen. Der Tod der Frau in Leipzig reiht sich ein in die zahlreichen Frauenmorde, die hierzulande und überall auf der Welt eine traurige Alltäglichkeit haben. Wegen Fällen wie diesem gab es in letzter Zeit Debatten zu verharmlosenden Bezeichnungen in Medien wie “Beziehungsdrama”: Gewalttaten in Beziehungen sollen nicht mehr als einzelne “Tragödien” beschrieben werden, sondern als strukturelles Problem. Die dpa kündigte beispielsweise an, künftig auf Begriffe wie “Familientragödie” verzichten zu wollen.

Anders Bild.de. Als die genauen Hintergründe der Tat in Leipzig noch nicht bekannt waren, titelte die Redaktion:

War der Mordversuch eine Beziehungstat?

Kolumnistin Katja Thorwarth schrieb vergangenes Jahr in der “Frankfurter Rundschau” darüber, “warum Mord keine ‘Beziehungstat’ ist”. Solche Überlegungen scheinen an “Bild” spurlos vorbeizugehen.

Das gilt auch für Überlegungen zu Persönlichkeitsrechten: Regelmäßig veröffentlichen die “Bild”-Medien unverpixelte Fotos von Tatopfern und von bisher nicht verurteilten Tatverdächtigen. Die Unschuldsvermutung ist der Redaktion eher lästig. Und so lässt “Bild” auch diese Gelegenheit nicht aus und zeigt sowohl ein Foto der Getöteten als auch eines des mutmaßlichen Täters ohne jegliche Unkenntlichmachung.

Das Foto der Getöteten hat “Bild” vom Facebook-Account der Frau:

Screenshot Bild.de - Foto: Facebook

Dabei hatte der Deutsche Presserat schon vergangenen Dezember festgestellt:

Facebookeintrag kein Freibrief für Verwendung von Opferfotos

Konkret ging es damals um einen Fall, bei dem Bild.de ein Foto einer getöteten Frau von Facebook gezogen und veröffentlicht hatte — für den Presserat ein Verstoß gegen den Opferschutz. Der Ehemann des Opfers sei in den Sozialen Netzwerken zwar offen mit dem Tod seiner Frau umgegangen, so das Gremium, trotzdem hätte die “Bild”-Redaktion eine Erlaubnis zur Veröffentlichung der Bilder einholen müssen:

Die Veröffentlichung von Fotos und Angaben zu Opfern durch die Angehörigen in sozialen Netzwerken ist nicht gleichzusetzen mit einer Zustimmung zu einer identifizierenden Darstellung in den Medien.

Gab es für die “Bild”-Berichterstattung aus Leipzig so eine Zustimmung? “Bild”-Sprecher Christian Senft wollte sich dazu nicht äußern: Man kommentiere, “wie üblich”, keine redaktionellen Entscheidungen. Nach unserer Anfrage hat die Redaktion die Fotos des Opfers bei Bild.de verpixelt.

Mit Dank an Maria T. und anonym für die Hinweise!

Nachtrag, 23:24 Uhr: Mit dem Herauskramen der Bezeichnung “Vorzeigeflüchtling” ist die “Bild”-Redaktion nicht allein. Auch Sächsische.de bezeichnet den Tatverdächtigen in einem später erschienenen Artikel so.

Mit Dank an @doestrei für den Hinweis!

Nachtrag, 21. April: Auch die “Leipziger Volkszeitung” berichtet von dem Fall und schreibt über den Tatverdächtigen, er sei ein “Musterbeispiel gelungener Integration” gewesen.

“Tag24” bekommt es hin, den Mord an der Frau sprachlich auf ganz besondere Weise zu verharmlosen: Die Redaktion schreibt vom “dramatischen Höhepunkt einer toxischen Liebe im Sozialarbeiter-Milieu”.

Mit Dank an @RASSISMUSTOETET für den Hinweis!

Kino mit Kavanaugh, Fernsehhölle, “Geflüchtete” oder “Flüchtlinge”?

1. Ganz großes Kino mit Kavanaugh
(deutschlandfunk.de, Matthias Dell)
Vergangene Woche fand im Justizausschuss des US-Senats eine denkwürdige Veranstaltung statt: In einer achtstündigen Sitzung wurden Donald Trumps Supreme-Court-Kandidat Brett Kavanaugh und die ihn der versuchten Vergewaltigung beschuldigende Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford angehört. Matthias Dell ist sich im “Deutschlandfunk” sicher, dass das Spektakel in die Mediengeschichte eingehen wird.

2. Christoph Schulte-Richtering: Es gibt keine Fernsehhölle
(dwdl.de, Christoph Schulte-Richtering)
Diese Woche ist auf “DWDL” ein Interview mit dem TV-Regisseur Kai Tilgen erschienen, der ein Buch über seine Zeit bei verschiedenen Unterhaltungsformaten, Scripted Realitys und Dokusoaps geschrieben hat. Im Gespräch beherrscht der moralisch äußerst flexible “Fernsehhöllen”-Autor Tilgen das Kunststück, sich gleichermaßen einsichtig wie uneinsichtig zu zeigen, und rechtfertigt sein verwerfliches Handeln mit seiner Lust an der Manipulation, seiner angeblich großen Professionalität und ökonomischen Zwängen (sechs Kinder). Buch- und Fernsehautor Christoph Schulte-Richtering hat eine lesenswerte Replik verfasst. Es ist die Abrechnung mit der Abrechnung geworden.

3. Begriffsflucht: Warum ich gegen “Geflüchtete” bin
(schantall-und-scharia.de, Fabian Goldmann)
Durch die Diskussion ums Framing sensibilisiert, fordern viele, auf die Verwendung des Wortes “Flüchtling” zu verzichten und stattdessen von “Geflüchteten” zu sprechen. Der Journalist Fabian Goldmann hält nichts von dieser Sprachregelung, und er hat gute Gründe dafür.

4. Weniger Infos für Journalisten? Wie Bundesministerien mit IFG-Anfragen umgehen
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Die Bundesministerien gehen mit Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz von Journalistinnen und Journalisten höchst unterschiedlich um. Der Initiative “Frag den Staat” liegen interne “Anwendungshinweise” vor, die teilweise von falschen Annahmen ausgehen würden oder schlicht falsch seien.

5. “Wir mussten mehrmals wegrennen”
(journalist-magazin.de, Michael Kraske)
Das Medienmagazin “Journalist” hat mit Arndt Ginzel gesprochen, jenem Journalisten, der von der sächsischen Polizei eine Dreiviertelstunde an der Berichterstattung gehindert wurde. Ginzel fordert einen besseren Schutz von Journalisten und ein klares Vorgehen gegen Rechtsextreme. Und erzählt von seinen Erfahrungen aus Chemnitz: “Wir mussten mehrmals wegrennen. Vorne lief die AfD. Weiter hinten in den Seitenstraßen jagten organisierte Hooligans Menschen. Das habe ich auch im Bild. Ich will nicht übertreiben, aber es waren mindestens 100 Hooligans, die in den Gassen alle möglichen Leute jagten, darunter viele Journalisten. (…) Das war hochgefährlich, weil in dem Moment keine Polizei zur Stelle war.”

6. Bin jetzt endgültig überzeugt
(twitter.com/marga_owski, Margarete Stokowski)
Margarete Stokowski ist beim aktuellen Cover der “InTouch” hängengeblieben, bei dem man angesichts des geballten Trashs nicht weiß, ob man Teil eines Satire-Experiments ist. Es geht um eine Muskel-Mutti, um Fusel-Nachschub und, ja, um den “Hupen-Hammer”.

Sprache der Flüchtlingspolitik, Kalte Liebe für Brexit, Lothars Siegtreffer

1. Monsterworte
(spiegel.de, Georg Diez)
Georg Diez schreibt über die Sprache der Flüchtlingspolitik: “Sie denken sich immer neue Monsterworte aus, diese Politiker, um ihre Verantwortung zu verschleiern, schreckliche, technokratische, sterile, bürokratische Maßnahmenworte, Umsetzungsworte, Tatenworte ohne Taten, denn es ist allein die Fiktion von Autorität, die in Worten wie “Masterplan” steckt oder “Ausschiffungsplattform” oder “Ankerzentren” — schlimmer noch, es sind Worte, die einen Rechtsbruch in abwaschbare Sprache verkleiden und so tun, als sei dieser tatsächliche Rechtsbruch die geeignete Maßnahme, um einen fiktiven Rechtsbruch zu bekämpfen.”
Weiterer Lesetipp: Bei “Flüchtlingsforschung gegen Mythen” diskutieren WissenschaftlerInnen Behauptungen aus der Flüchtlingsdebatte. Aktuell in der siebten Ausgabe.

2. Gegendarstellung
(martinsonneborn.de)
Gibt es im Europaparlament immer mehr Fraktionen und Fraktionslose, wie die “FAZ” einen CDU-Abgeordneten zitiert? Martin Sonneborn, fraktionsloses Mitglied im EU-Parlament (Die Partei), widerspricht dem in seiner “Gegendarstellung” und räumt mit aus seiner Sicht weiteren Lügen und Mythen auf.

3. Die kalte Liebe der Medien gegenüber dem Brexit
(nzz.ch, Felix Simon)
Europäische Medien zeichnen sich in Bezug auf den Brexit vor allem durch leidenschaftslose Distanz aus, schreibt Felix Simon. Laut einer neuen Studie würden Fernsehsender, Zeitungen und Online-Medien in acht europäischen Ländern neutral und faktenbasiert berichten — was sich von der Berichterstattung einiger grosser Zeitungen der Insel nicht unbedingt behaupten lasse.
Weiterer Lesetipp: Nach 26 Jahren im Amt tritt der englische Journalist Paul Dacre als Chefredakteur des konservativen Boulevardblatts “Daily Mail” zurück: Eine Pro-Brexit-Stimme wird leiser (nzz.ch, Rolf Hürzeler)

Und für Brexit-Interessierte die aktuelle Meldung: Brexit-Minister David Davis tritt zurück (spiegel.de)

4. Stichwortgeber für die rechte Blase
(taz.de, Lalon Sander)
“Bild” ist oft Stichwortgeber für die rechte Blase, übernimmt jedoch auch Meinungen von dort. Ein Beispiel dafür sei “Bild”-Boss Julian Reichelt höchstpersönlich, der mit seinen Tweets immer wieder Lautsprecher und Stichwortgeber für Deutschlands Rechte sei, so Lalon Sander in seiner “Right Trash”-Kolumne.

5. “Sie sollten Gott danken, dass es hier in Deutschland kein Fox News gibt”
(deutschlandfunkkultur.de, Mike Herbstreuth & Teresa Sickert, Audio, 15:59 Minuten)
Der US-Journalismusforscher Jay Rosen untersucht, wie sich das deutsche und das US-amerikanische Mediensystem voneinander unterscheiden. Zurzeit befindet er sich zu Studienzwecken in Deutschland. Bei “Deutschlandradio Kultur” spricht er über seine Eindrücke und Erkenntnisse: “Egal ob Sie religiös sind oder nicht, sollten Sie Gott danken, dass es hier in Deutschland kein Fox News gibt.”
Weiterer Lesetipp: Auf “Der rechte Rand” geht es aktuell um die Printversion des rechtskonservativen Onlineblogs “Tichys Einblick”. (der-rechte-rand.de, Robert Andreasch)

6. Siegtreffer
(twitter.com/LMatthaeus10, Lothar Matthäus)
“Bild” kritisiert den ehemaligen Fußballspieler Lothar Matthäus dafür, Putin die Hand geschüttelt zu haben, und der macht keine langen Worte, sondern antwortet mit einem Foto. In der Fußballsprache würde man wohl sagen: Siegtreffer!

Dunkle Mächte, Flüchtlingsforschung gegen Mythen, 78-Millionen-Klage

1. Die dunkle Macht, die beim „Stern“ Regie führt
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Das Titelbild der aktuellen Ausgabe des „Stern“ über das angeblich „zerrissene Land“ („Der Mordfall Susanna F. und das Ende von Merkels Flüchtlingspolitik“) hat in der vergangenen Woche viel Kritik ausgelöst. Stefan Niggemeier hat sich die dazugehörige Geschichte durchgelesen, und sagen wir es mal so: Das Ganze wird nicht unbedingt besser.

2. Flüchtlingsforschung gegen Mythen 6
(fluechtlingsforschung.net, Ulrike Krause)
Beim „Netzwerk Flüchtlingsforschung“ werden regelmäßig Behauptungen aus der Flüchtlingsdebatte auf den Prüfstand gestellt, ob Talkshow-Äußerungen, Tweets oder Stammtischparolen. Das Besondere an dieser Form des Faktenchecks: Es sind keine Journalisten, sondern Experten und Expertinnen aus der Wissenschaft, die dort Stellung beziehen. Auch in der sechsten Ausgabe kümmert sich das Wissenschaftlerteam unter der Redaktion von Prof. Dr. Ulrike Krause um typische Aussagen der letzten Zeit, wie der Forderung nach der Beendigung des „Asyltourismus“.

3. Mitarbeiter empören sich über Fox-Berichterstattung
(zeit.de)
Die tendenziöse Berichterstattung des Senders „Fox News“ über Donald Trump und seine Migrationspolitik stößt immer mehr Leute ab, darunter auch dem Sender eigentlich verbundene Personen. So verkündete „Modern Family”-Produzent Steve Levitan seinen Abschied. Auch der Schauspieler und Kreative Seth MacFarlane (u.a. Schöpfer der Zeichentrick-Serien “Family Guy”, “American Dad” und “The Cleveland Show”) ließ auf Twitter seiner Empörung freien Lauf: Er schäme sich, für das Unternehmen zu arbeiten.

4. “Lasst uns jeden Morgen vors Werkstor ziehen”
(kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Es gab einmal einen Betriebsrat, der den längsten Journalistenstreik der Nachkriegsgeschichte angeführt hat (96 Tage). Das war 2011 beim “Schwarzwälder Boten”. Der Mann heißt Thomas Ducks und war bis jetzt Betriebsrats-Vorsitzender der Medienholding Süd (u.a. „Süddeutsche Zeitung“). Doch nun schmeißt Ducks hin, weil er die “extreme seelische Belastung” nicht mehr erträgt.

5. Kläger fordert 78 Millionen Euro von “Süddeutscher Zeitung”
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers im Gespräch mit Sebastian Wellendorf)
Stolze 78 Millionen Euro Schadenersatz verlangt ein Unternehmer von der “Süddeutschen Zeitung”. Der Vorwurf: Ein Bericht der Zeitung habe dazu geführt, dass ein millionenschweres Geschäft geplatzt sei. Der Leiter der „SZ“-Wirtschaftsredaktion Marc Beise warnt vor “amerikanischen Verhältnissen”. Wenn in dieser Form solch ein ungeheurer Druck auf Medien aufgebaut würde, sei das der Anfang vom Ende der Pressefreiheit.

6. Versucht’s doch mal mit Mohammed – TITANIC-Sommerhit
(youtube.com)
Die Satirezeitschrift „Titanic“ bekommt aus einer bestimmten Richtung seit Jahrzehnten immer die gleichen Vorwürfe zu hören. Da es schade wäre, wenn nicht mehr Menschen davon erfahren würden, haben die „Titanic“-Popstars aus den beliebtesten Blasphemie-Stereotypen einen Song gebastelt.

“Bild”-Medien lassen Flüchtlinge durch Deutsch-Tests fallen

Schaut man sich diese Überschrift aus der “Bild am Sonntag” von gestern an …

Ausriss Bild am Sonntag - Nach 1300 Unterrichtsstunden - vier von fünf Flüchtlingen fallen bei Deutsch-Test durch

… könnte man ja meinen, dass “4 von 5 Flüchtlingen” bei ihren Deutsch-Tests durchfallen.

So ist es aber nicht. Es sind nicht 80 Prozent, sondern deutlich weniger. Für “Bild”-Chefchef Julian Reichelt ist die falsche “BamS”-Zeile einfach nur “schlecht formuliert”. Für rechte und rechtsextreme Kräfte ist sie eine tolle Vorlage für ihre Stimmungsmache.

Doch der Reihe nach. Gestern schrieben “Bild am Sonntag” und Bild.de über die “Integrationskursgeschäftsstatistik” des “Bundesamts für Migration und Flüchtlinge” (“BAMF”), in der es auch um Zahlen zu Deutsch-Kursen für Geflohene geht. Online lautete die Titelzeile ganz ähnlich:

Screenshot Bild.de - Nach 1300 Unterrichtsstunden - vier von fünf Flüchtlingen fallen bei Deutsch-Test durch

Bei Bild.de befindet sich der Artikel hinter der Paywall, was schade ist, weil dadurch viele Bild.de-Besucher nur die falsche Überschrift lesen konnten und nicht den Text, in dem unter anderem steht:

Laut aktueller Bamf-Zahlen besuchten allein im ersten Halbjahr 2017 rund 43 000 Menschen einen speziellen Integrationskurs für Analphabeten (…).

Brisant: Trotz extra kleiner Lerngruppen und bis zu 1300 Unterrichtsstunden sprechen vier von fünf Flüchtlingen danach immer noch so schlecht Deutsch, dass sie nicht einmal einen Helfer-Job bekommen oder eine Ausbildung machen können. Das Sprachniveau B1 (…) erreichen in den Analphabeten-Kursen gerade mal 17 Prozent der Teilnehmer, wie das Bamf auf Anfrage bestätigt. (…)

Nicht besser sieht es bei den normalen Integrationskursen aus, also ohne Analphabeten. Insgesamt schafft bloß jeder zweite Teilnehmer den B1-Test.

Nur mit einem “Bild plus”-Abo erfährt man also, dass gar nicht “4 von 5 Flüchtlingen” bei ihrem Deutsch-Test durchfallen, sondern dass vier von fünf Flüchtlingen, die Analphabeten sind, nicht das Sprachniveau B1 erreichen. Das ist gleich ein doppelter Unterschied: Es geht weder um alle Flüchtlinge noch um die Frage “bestehen oder nicht bestehen?”, sondern darum, ein gewisses Niveau beim Bestehen zu erreichen.

Tatsächlich haben laut “BAMF”-Statistik (PDF) im ersten Halbjahr 2017 126.868 von insgesamt 165.997 erstmaligen Integrationskurs-Teilnehmern den “Deutsch-Test für Zuwanderer” bestanden, allerdings mit unterschiedlichen Sprachniveaus (53,9 Prozent mit B1-Niveau, 37,6 Prozent mit A2-Niveau, 8,5 Prozent unter A2-Niveau — zu den verschiedenen Sprachniveaus gleich mehr). Rund 76 Prozent der Teilnehmer haben also einen Abschluss hinbekommen und nicht — wie in der “BamS”-Schlagzeile behauptet — nur 20 Prozent.

Doch mal abgesehen von der falschen Zahl, die die Redaktionen von “Bild am Sonntag” und Bild.de prominent platziert haben: Sind die 17 Prozent der Alphabetisierungskurs-Teilnehmer, die das Sprachniveau B1 erreicht haben sollen, wirklich “ernüchternd”, wie “BamS” schreibt?

Der “Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen” gibt verschiedene “Kompetenzniveaus” beim Erlernen von Sprachen vor. Es gibt sechs verschiedene Stufen: A1 (Einstieg), A2 (Grundlagen), B1 (Mittelstufe), B2 (gute Mittelstufe), C1 (fortgeschrittene Kenntnisse), C2 (exzellente Kenntnisse). In den deutschen “Integrationskursen mit Alphabetisierung”, auf die sich “BamS” und Bild.de beziehen, sitzen einerseits Menschen, die in ihrer Muttersprache nicht lesen und schreiben können, und andererseits Menschen, die zwar lesen und schreiben können, aber nicht in lateinischen Buchstaben. Das Ziel dieser Kurse ist daher keineswegs, das “Mittelstufe”-Niveau B1 zu erreichen. In seinem “Konzept für einen bundesweiten Alphabetisierungskurs” (PDF) hat das “BAMF” die Ziele wie folgt beschrieben:

Für einen großen Teil der Lernenden wird das Sprachniveau A2.2 als realistisches Ziel erachtet. (…)

Für Teilnehmende in der Gruppe der primären Analphabeten ohne “Stifterfahrung” wird das Erreichen des Sprachniveaus A2.1 als realistisches Ziel erachtet. (…)

Für einzelne Teilnehmende (…) ist ein sprachliches Ziel oberhalb des Niveaus A2.2 möglich.

“Einzelne Teilnehmende” könnten laut “BAMF” also B1 erreichen. Im ersten Halbjahr 2017 waren es laut “BamS” und Bild.de immerhin 17 Prozent.

Aber zurück zur falschen Schlagzeile. Der “Bild plus”-Artikel, über dem sie stand, war gestern “meistgeklickt”:

Screenshot Bild.de - Meistgeklickt Bild plus - 4 von 5 Flüchtlingen bestehen Deutsch-Test nicht

Und die falschen “4 von 5 Flüchtlingen” verbreiteten sich wie wild. FAZ.net hat sie abgeschrieben:

Screenshot FAZ.net - BAMF - Vier von fünf Flüchtlingen schaffen Deutsch-Test nicht

Genauso die “B.Z.”:

Screenshot bz-berlin.de - Bundesamt: 4 von 5 Flüchtlingen schaffen den Deutsch-Test nicht

prosieben.de:

Screenshot prosieben.de - Hindernis für erfolgreiche Integration - Vier von fünf Flüchtlingen schaffen den Deutsch-Test nicht

sat1.de:

Screenshot sat1.de - Hindernis für erfolgreiche Integration - Vier von fünf Flüchtlingen schaffen den Deutsch-Test nicht

“Epoch Times”:

Screenshot Epoch Times - Vier von fünf Zuwanderern schaffen Deutschtest nicht – keine Jobaussichten

Auch bei “Focus Online” tauchte die Zeile auf, bei nordbayern.de, wobei die zwei Portale sie inzwischen korrigiert haben. Bei Welt.de schafft “nur einer von fünf Analphabeten” den Deutsch-Test, was ebenfalls falsch ist, denn rund einer von fünf Teilnehmern der Alphabetisierungskurse erreicht das Niveau B1. Es gibt aber weitere Teilnehmer, die den Test mit einem anderen Niveau bestehen.

Dem Publizisten Hugo Müller-Vogg fiel in seiner Ahnungslosigkeit auch was ein:

Und natürlich sprangen die AfD und ihre Fans auf den in die falsche Richtung fahrenden Zug der “Bild”-Medien, der “FAZ”, der “Welt” auf:

Bei Bild.de haben sie die Überschrift inzwischen in “Flüchtlinge haben Probleme bei Deutsch-Test” geändert. Die erste Version war laut “Bild”-Oberchef Julian Reichelt einfach nur “schlecht formuliert”.

Mit Dank an Sandra M. und Kai L. für die Hinwiese!

Als “Bild” Putins Flüchtlings-Sex-Mobs auf die Bundestagswahl losließ

Jetzt also doch!

Screenshot von der Bild.de-Startseite - Jetzt gerade! Während Deutschland wählt! Riesiger Russen-Angriff auf unsere Wahl - Roboter verbreiten AfD-Gerüchte über Wahl-Fälschungen

“Bild”-Redakteur Julian Röpcke hat sich das Hashtag #Wahlbetrug mal genauer angeschaut, unter dem seit Samstag bei Twitter AfD-Inhalte verbreitet werden und das von vielen Bots “gepusht” werde:

BILD analysierte den Hashtag “Wahlbetrug”. Im Netz wird er am engsten im Zusammenhang mit den Begriffen “AfD”, “Islamisierung”, “Wahlbeobachter” und “btw17” verwendet. Außerhalb Deutschlands wird er vor allem von drei Ländern gepusht. Den USA auf Platz 1, Großbritannien auf Platz 2 und Russland auf Platz 3.

Röpcke und Bild.de hätten also genauso gut (und eigentlich noch besser) titeln können: “Ausgewachsener Ami-Angriff auf unsere Wahl”. Doch stattdessen:

Screenshot Bild.de - Während Deutschland wählt - Russen-Accounts pushen AfD-Kampagne

Für Röpcke und seine Kollegen steht schon seit vielen Monaten fest, dass die heutige Bundestagswahl von russischen Kräften, genauer: von Wladimir Putin und dem Kreml, massiv beeinflusst werde. Allerdings hatten sie ganz andere Kaliber vorausgesagt als nur einige Bots aus Russland, die nun kontinuierlich AfD-Hashtags retweeten. Zusammen mit seiner Kollegin Karina Mößbauer veröffentlichte Röpcke im Dezember vergangenen Jahres dieses Dossier zu Putins buntem Propaganda-Blumenstrauß:

Screenshot Bild.de - Kreml-Chef will Merkel loswerden und Extremisten stärken - Putins Geheim-Krieg gegen unsere Wahl - Was Sie wissen müssen, damit Sie nicht aus Versehen Putin wählen - Artikel 2: Propaganda-Feldzug mit Sexmobs - Artikel 3: Bewusst gestreute Fake-News - Artikel 4: Cyber-, Web- und Social-Media-Manipulation

Das Autoren-Duo schreibt:

Attacke auf unsere Bundestagswahl! Es ist ein hybrider Großangriff auf die Wahrnehmung der Deutschen. Und er hat mehrere konkrete Ziele.

Experten sind sich einig: Mit seinen Kampagnen will Russen-Präsident Wladimir Putin (64) das Vertrauen der Bevölkerung in den deutschen Staat, die Behörden und insbesondere Angela Merkel (62, CDU) erschüttern und die Menschen in die Hände von linken und rechten Extremisten treiben.

Manche Punkte dieses “Geheim-Krieg”-Dossiers sind ein bisschen lustig, zum Beispiel jener mit den “bewusst gestreuten Fake-News”. Die einzige uns bekannte richtige “Fake News”, die es in diesem Jahr in ein großes deutsches Medium geschafft hat, wurde von der “Bild”-Zeitung verbreitet und betraf einen vermeintlichen Flüchtlings-“Sex-Mob”, der an Silvester durch Frankfurt am Main “getobt” sein soll. Die Frankfurter “Bild”-Redaktion war dabei auf eine Lüge eines AfD-Sympathisanten reingefallen.

Gar nicht lustig, sondern ziemlich irre ist die Ankündigung eines “Propaganda-Feldzugs mit Sexmobs”:

Screenshot Bild.de - Putins hybrider Großangriff zur Bundestagswahl 2017 - Propaganda-Feldzug sogar mit Sexmobs

Der Artikel von Mößbauer und Röpcke hat wirklich alle Zutaten, die auch ein Neuntklässler wählen würde, wenn er in einer Hausaufgabe eine kreative Verschwörungstheorie erfinden soll: Putin, Flüchtlinge, syrischer Geheimdienst, irakischer Geheimdienst, Mafia, Tote, Sex-Mob. Denn “jenseits von Desinformation”, so Mößbauer und Röpcke, “könnte es noch schlimmer kommen!”

In Sicherheitskreisen wird bereits diskutiert, wie Russland versuchen könnte, mit Störaktionen ein radikales Umdenken in der Bevölkerung zu erzwingen — womöglich sogar mit tödlicher Gewalt. (…)

Eine bislang unbekannte Komponente ergebe sich aus der engen Zusammenarbeit von russischen, syrischen und anderen Geheimdiensten sowie russischer Mafia, sagt Russland-Experte Gustav Gressel (European Council on Foreign Relations).

“Ein Teil der Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien, wenn auch nur ein sehr kleiner Teil, hatte Verbindungen zu Assads oder Saddam Husseins Geheimdiensten.”

Diese Menschen könnten gezielt von Geheimdienstagenten oder aus Mafiakreisen angesprochen und für Störaktionen instrumentalisiert werden, warnt Gressel.

“Was würde zum Beispiel passieren, wenn sich auf einem Sommerfestival vor der Wahl etwas ähnliches wiederholt wie in Köln zur Silvesternacht? Wie würde Merkel dann da stehen? Was wäre die Konsequenz für die Bundestagswahl? Natürlich ist das ein extremes Beispiel, aber es ist im Bereich des Möglichen”, sagt Gressel weiter.

Wir haben nun bis kurz vor Ende der Bundestagswahl gewartet. Nirgends trat ein Putin-Assad-Saddam-Mafia-Flüchtlings-Sex-Mob auf. Auf keinem “Sommerfestival” und auch sonst nirgendwo in Deutschland. Schon bei der Veröffentlichung im Dezember 2016 klangen die Aussagen von Gustav Gressel abwegig genug, um sie für höchst fragwürdig zu halten. Doch statt sie zu hinterfragen, adoptieren Röpcke, Mößbauer und “Bild” die Verschwörungstheorie ihres Experten bereits in der Überschrift.

Julian Röpcke schreibt heute zu den retweetenden Twitter-Accounts aus Russland:

Unklar ist, ob es sich bei der Kampagne um mehr als bloße Propaganda handelt.

Das fragen wir uns manchmal auch.

Express.de verbreitet wegen Flüchtlingen “Angst und Schrecken”

Vergangenen Mittwoch ist ein Schlauchboot mit mehreren Dutzend Flüchtlingen an Bord am spanischen Playa de los Alemanes angekommen. Die Personen sprangen ins Wasser, liefen über den Strand und verschwanden. Drumherum standen Urlauber und Einheimische in Badehosen und Bikinis, die meisten wohl ziemlich überrascht.

Verschiedene Medien berichteten über die Ankunft der Geflüchteten, darunter auch express.de. Dort klang die Situation recht beängstigend. Auf ihrer Startseite schrieb die Redaktion:

Screenshot der express.de-Startseite - Südspanien - Flüchtlinge kommen an Land, Strandbesucher in Angst und Schrecken

Einige der Badegäste hatten ihre Handys gezückt und das Geschehen gefilmt. Im Artikel von express.de ist ein 20-sekündiges Video eingebettet. Was man dort nicht sieht: “Strandbesucher in Angst und Schrecken”.

Für ein paar mehr Klicks dichtet express.de eine Schlagzeile, die kaum etwas mit der Realität zu tun hat, und lässt Flüchtlinge Angst und Schrecken verbreiten.

Bild.de hat zu dem Thema ebenfalls einen Artikel veröffentlicht. Immerhin kommt die Redaktion ohne größere Angstmacherei aus, dafür ist geo­gra­fisch einiges danebengegangen.

Gleich zu Beginn des Textes schreibt Bild.de:

Knapp 100 Kilometer liegen zwischen der afrikanischen Küste und dem Urlaubsort Cadiz auf dem südspanischen Festland. 100 Kilometer, die für viele Flüchtlinge den Unterschied zwischen zwischen (sic) Armut und Arbeit, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit ausmachen — dafür riskieren viele ihr Leben.

Und:

Unwirkliche Szenen mitten in der Urlaubs-Idylle am Strand von Cadiz

Allerdings sind die Geflüchteten gar nicht am Strand der Stadt Cádiz angekommen, sondern an einem Strand in der Provinz Cádiz. Genauer: in der Nähe des Küstenortes Zahara de los Atunes. Dorthin sind es von der afrikanischen Küste (nehmen wir als Startpunkt mal die marokkanische Stadt Tanger) auch nicht 100 Kilometer (wie bis zur Stadt Cádiz), sondern etwas über 40 Kilometer — was noch immer eine verdammt weite Strecke ist, wenn man in einem überfüllten Schlauchboot sitzt, das nicht für solche Überfahrten gemacht ist.

Mit Dank an Jörg N. und Jens W. für die Hinweise!

Weißhaus-Quatsch, Flüchtlingsframing, Prügelknabe Maischberger

1. Unfug mit Absicht
(blog.zeit.de, Yassin Musharbash)
Das Weiße Haus hat eine Liste von 78 Terroranschlägen veröffentlicht, über die die Medien angeblich zu wenig berichtet haben. Das sei Quatsch und diene nur einem Zweck, findet Yassin Musharbash im Blog der “Zeit”. Trump ginge es um nichts weniger als Zersetzung.
Der für die “Welt” arbeitende Kritsanarat Khunkham hat sich die Mühe gemacht und ist das Artikelarchiv der „Welt“ nach den 78 gelisteten Anschlägen durchgegangen. Das Ergebnis: Fast immer wurde berichtet: Wie die „Welt“ über Trumps „under-reported“ Terroranschläge berichtete Und auch Nikolaus Piper greift die Behauptung in seinem lesenswerten “SZ”-Beitrag Die “New York Times”, Donald Trumps Lügendetektor auf.

2. Willkommen oder kriminell? Framing von Einwanderern
(de.ejo-online.eu, Anna Carina Zappe)
In den Medien werden Einwanderer als willkommene Flüchtlinge bis hin zu gefährlichen Kriminellen dargestellt. Eine neue Studie hat 371 Artikel der Tageszeitungen “Welt”, “FAZ”, “Süddeutsche Zeitung” und “taz” aus dem Jahr 2014 untersucht. Politisch eher konservativ orientierte Zeitungen wie “FAZ” und “Welt” würden mehr negative “Frames” verwenden, während Einwanderer in der “SZ” und “taz” eher mit positiven Begriffen “geframet” würden.

3. Wir Prügelknaben
(zeit.de, Thomas Fischer)
Thomas Fischer ist Bundesrichter in Karlsruhe und Urheber der erfolgreichen “Zeit”-Kolumne “Fischer im Recht”. Neulich war er Talkgast in der Sendung “Maischberger”. Die Sendung hatte das Thema “Polizisten: Prügelknaben der Nation?” Fischer hat einen Erlebnisbericht über seinen Besuch in der Fernsehsendung verfasst. Wie immer lässt er es an Deutlichkeit nicht vermissen: “Mir schien: Redaktion und Moderatorin verfügten weder über ein Konzept, noch hatten sie einen Plan oder Grundkenntnisse des Themas Polizei und öffentliche Sicherheit. Der Regie-Einfall bestand darin, irgendwelche Leute zusammenzusetzen in der Hoffnung, dass die sich gegenseitig missverstehen, anschreien und beleidigen.”

4. Veracruz: Journalismus im Staat der Angst
(reporter-ohne-grenzen.de)
In Mexiko wurden in den vergangenen 16 Jahren mindestens 99 Journalisten wegen ihrer Arbeit getötet, so “Reporter ohne Grenzen”. Damit sei Mexiko bis auf das Jahr 2013 stets das gefährlichste Land für Journalisten in Lateinamerika gewesen. Donald Trumps Angriffe gegen die Medien und seine Abschottungspolitik würden nicht nur die Freiheit in den USA gefährden. Gefährlich seien seine Äußerungen auch für Journalisten in Mexiko, die aus Angst um ihr Leben oft in das nördliche Nachbarland fliehen. Gefangen zwischen einem repressiven Staat, gewalttätigen Drogenhändlern und einem korrupten Justizsystem, blieben sie vor allem in der ostmexikanischen Provinz Veracruz auf sich allein gestellt.

5. Alles kann, nichts muss
(sueddeutsche.de, Cornelius Pollmer)
Cornelius Pollmer hat sich Springers neues Jugendportal “Noizz” angeschaut. Große Begeisterung kommt bei ihm nicht auf. Die Internetseite “sediert Millennials mit Klebeband-Bikinis und Rucola-Burgern. Hauptsache, man leiert der Laufkundschaft Klicks aus dem Kreuz. Das politische Weltgeschehen ist der Seite egal, jeglichen Diskurs scheint sie regelrecht zu verachten.”

6. [Rückwärts] – [sträwkcüR]
(mdr.de, Lukas Heinser)
Lukas Heinser (treuen BILDblog-Lesern als langjähriger BILDblog-Autor und Chefredakteur bekannt) schaut in kurzen und unterhaltsamen Videoclips auf die Entstehung von Nachrichtenmeldungen in Print- und Onlinemedien. Wir habens gemocht, aber wir mögen ja auch den Lukas und sind deshalb vielleicht etwas befangen.

Schumacher-Entschädigung, Flüchtlings-FAQ, Döpfner-Sorgen

1. „Was Wahrheit ist, definiert keine Regierung“
(welt.de, Antje Homburger & Esteban Engel)
Mathias Döpfner ist seit vielen Jahren Vorstandsvorsitzender bei “Axel Springer” und seit Oktober 2016 auch Präsident des “Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger” (BDZV). Im Gespräch mit der “Welt” mahnt er die Medien zu mehr Glaubwürdigkeit – auch im Kampf gegen „Fake News“. Aufgabe der Medien sei es, zu recherchieren und wahrhaftig zu berichten. Falsch sei es jedoch, dass professionelle Medien jetzt sozialen Medien helfen sollen, Fake News zu identifizieren und Fakten zu checken: “Wenn soziale Medien nicht mehr Technologieplattformen, sondern Medienunternehmen betreiben wollen, dann müssen sie Redakteure einstellen, die Kosten einrechnen und sich mit einer anderen Regulierung auseinandersetzen. Denn wenn ein Technologiemonopol fast zwei Milliarden Leser erreicht und die Inhalteauswahl kontrolliert, ist das das genaue Gegenteil von Vielfalt.”
Döpfner sieht sich aber auch als Opfer weiterer angeblicher Zumutungen wie dem aus seiner Sicht überzogenen Mindestlohn: “Die Politik sollte überlegen, wie sie uns Knüppel, etwa Überregulierung, weltfremden Datenschutz oder einen überzogenen Mindestlohn im Vertrieb, erspart.”

2. Funke Mediengruppe muss an Corinna Schumacher zahlen
(faz.net, Michael Hanfeld)
Das Oberlandesgericht in Hamburg hat es nun endgültig entschieden: Die “Funke Mediengruppe” muss an Corinna Schumacher eine Geldentschädigung von 60.000 Euro zahlen. Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung waren Bilder, die sie auf dem Weg ins Krankenhaus in Grenoble zeigen. Und die auch dann noch gedruckt worden seien, als bereits einstweilige Verfügungen und Unterlassungserklärungen vorlagen.

3. Flüchtlingsforschung gegen Mythen 5
(fluechtlingsforschung.net, Ulrike Krause)
Im fünften Teil der Serie “Flüchtlingsforschung gegen Mythen” kommentieren Mitglieder des “Netzwerks Flüchtlingsforschung” erneut typische Falschaussagen und Behauptungen aus der Flüchtlingsdebatte. Mit dabei ist auch die Antwort auf die Frauke-Petry-Forderung, das Asylrecht nach Artikel 16a abzuändern und in ein Gnadenrecht des Staates umzuwandeln. Kompetentes Factchecking von Experten (wie auch bei den bereits vorangegangenen Teile der Serie).

4. Wen verlinken die Bundestagsabgeordneten auf Twitter?
(bundestwitter.de)
Der “Bundestwitter”-Macher hat 2016 über einen Zeitraum von sechs Monaten alle Tweets und Retweets der Bundestagsabgeordneten aufgezeichnet und ausgewertet. Welche klassischen Medien werden am häufigsten verlinkt? Wie sieht die Verlinkung zu den sozialen Medien wie Twitter, Facebook und Co. aus? Im Beitrag werden die entscheidenden Informationen übersichtlich und gut lesbar aufbereitet.

5. Merkel muss öffentlich Stellung beziehen
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” hat Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, bei ihrer heutigen Reise in die Türkei öffentlich Stellung zum Thema Pressefreiheit zu beziehen und die Freilassung von inhaftierten Journalisten zu fordern.

6. Und am Wochenende geht´s ins Frauenhaus!
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz hat früher selbst mal bei einer Regionalzeitung gearbeitet und ist deshalb vielleicht besonders offen, als ihn eine freundliche Dame im Supermarkt zu einem zweiwöchigen Probeabo einer Regionalzeitung überredet. Nach einer Woche Lektüre zieht er nun ein Zwischenresumee. Ohne zu viel spoilern zu wollen: Die Heimatzeitung sollte sich nicht allzu große Hoffnungen auf einen neuen Abonnenten machen.

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