Beim 4:2-Sieg gegen Portugal am Samstag hat Fußball-Nationalspieler Robin Gosens eine starke Leistung gezeigt: ein Tor, zwei Vorlagen, viel Wirbel über die linke Seite. Schon während der Partie hieß es auf der Bild.de-Startseite:
Und direkt nach dem Spiel:
Es dauerte nicht lange, da war vom “EM-Helden” die Rede:
Und so geht der Jubel heute ungebremst weiter: In der “Bild”-Zeitung gibt es für “GIGA-GOSENS” eine große Titelgeschichte plus eine komplette Seite im Sportteil:
Es ist die volle Ladung Gosens: sein ungewöhnlicher Karriereweg (Gosens ist beispielsweise nie in einem Nachwuchsleistungszentrum gewesen), seine “MARKTWERT-EXPLOSION”, seine Verlobte. Die “Bild”-Redaktion entlockt sogar Lukas Podolski ein großes Lob:
Der Ex-Nationalspieler: “Einen wie Gosens braucht jede Mannschaft. Der tut gut, denkt nicht immer nur an Fußball.”
Völlig richtig. Robin Gosens denkt zum Beispiel auch darüber nach, was bei Medien so alles falsch läuft – etwa bei “Bild”. In seinem im April erschienenen Buch “Träumen lohnt sich – Mein etwas anderer Weg zum Fußballprofi” schreibt er über “ein Beispiel aus eigener Erfahrung”. Zusammen mit seinen “besten Kumpels aus der Heimat” war Gosens, nachdem er sich mit seinem Klub Atalanta Bergamo erstmals für die Champions League qualifiziert hatte, zum Feiern nach Budapest gereist. An einem Abend, an dem auch einige Biere im Spiel waren, nahm die Gruppe “aus irgendeiner Laune heraus” auf dem Heimweg ein Straßenschild mit. Gosens postete Aufnahmen von dieser “maximal dummen Aktion” bei Instagram: “Zu der Zeit, sollte man wissen, hatte ich bei Instagram um die 20 000 Follower, also keine allzu große Sache. Dachte ich.” War es dann aber doch:
Mama schickte mir einen Link von Bild.de. Dort lautete die Schlagzeile: “Bergamo-Profi klaut mit Kumpels Straßenschild.” Alleine, dass dort in dieser Kürze überhaupt eine Neuigkeit draus gemacht wurde, verwunderte mich schon, aber der Zusatz, der darüber zu lesen war, machte mich ziemlich fassungslos. “Die Gosens-Bande.” Hallo? Waren wir Juwelendiebe, oder was? Die Gosens-Bande, was soll denn das? Als hätten wir irgendwelche kriminellen Machenschaften am Laufen. (…)
Boulevard hin und oder her, aber aus uns die “Gosens-Bande” zu machen, um den hunderttausend Lesern zu zeigen, was ich für ein Depp war … Das war mir zu viel, ich war halt manchmal auch einfach noch der Junge von früher. Vom Land. Kurz, auf bestimmte Blätter bin ich nicht gut zu sprechen. Deren Methoden gefallen mir nicht.
(Im Buch folgt der selbstkritische Hinweis, dass “wir, die Leser,” dazu beitragen, “dass dieser klickgeile Stil fast schon gang und gäbe ist”. Offenbar seien wir naiv genug, “auf solche reißerischen Überschriften zu klicken, sonst würde es ja nicht funktionieren”. Passend dazu liefern Gosens und dessen Co-Autor Mario Krischel noch eine kritische Betrachtung des Klickbait–Portals “Der Westen”.)
Obwohl ein großer Teil der ausführlichen “Bild”-Berichterstattung auf dem Buch von Robin Gosens basieren (die Geschichte mit dem Restalkohol stammt beispielsweise daraus), spielt dessen Aussage zu den “Bild”-Methoden darin merkwürdigerweise gar keine Rolle.
Mit Dank an Wolfgang T.!