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Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit

Direktor: (...) Die Masse könnt Ihr nur durch Masse zwingen, Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus. Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; Und jeder geht zufrieden aus dem Haus. Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken! Solch ein Ragout, es muß Euch glücken; Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht. Was hilfts, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht? Das Publikum wird es Euch doch zerpflücken. (...) Ich sag Euch, gebt nur mehr und immer, immer mehr, So könnt Ihr Euch vom Ziele nie verirren Sucht nur die Menschen zu verwirren, Sie zu befriedigen, ist schwer – (...) Lustige Person: In bunten Bildern wenig Klarheit, Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit, So wird der beste Trank gebraut, Der alle Welt erquickt und auferbaut.

“Die übliche Heuchelei” und einen “PR-Gag allererster Güte” nannte Hans Leyendecker vor einer Woche auf sueddeutsche.de (und in einem ähnlichen Text in der “Süddeutschen Zeitung”) die erste öffentliche Blattkritik der “Bild”-Zeitung und schrieb über den “Bild”-Chefredakteur:

(…) Diekmann, der bei der heimlichen Hochzeit von Altkanzler Helmut Kohl Trauzeuge, Reporter und Ministrant war, ist ein Virtuose des Scheins. Ihm wäre die Chuzpe zuzutrauen, dass er sich auf Goethe und Heine beruft, wenn er Bild erklärt. (…)

Heute nun druckt die “Süddeutsche” dazu folgenden Leserbrief:

Den raren Moment, einmal mit meinem geschätzten SZ-Kollegen Hans Leyendecker übereinzustimmen, möchte ich nicht ungewürdigt verstreichen lassen: Völlig zu Recht traut er mir zu, mich "auf Goethe zu berufen", wenn ich "die Bild-Zeitung erkläre". Nur, die mir unterstellte Chuzpe ist überflüssig - schließlich sagte Goethe zu Eckermann: "Wer aber nicht eine Million Leser erwartet, sollte keine Zeile schreiben." Dieser virtuose Ratschlag vom 12. Mai 1825 wird heute leider viel zu selten beherzigt.

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1. “Google will alle Zeitungen der Welt online bringen”
(blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
“Alle Zeitungen. Der Welt. In Original-Optik. Volltext durchsuchbar. Online.” Soweit das Blog. Die Meldung für die Zeitung hier: “Google plant riesiges Online-Zeitungsarchiv

2. “Die wechselhafte Rolle der Medien im US-Wahlkampf”
(medienheft.ch, Gerti Schön)
“Das Wahl- wie auch das Medienvolk, hin- und hergerissen zwischen Barack Obamas Charisma und Sarah Palins mädchenhafter Dreistigkeit, muss sich nun der Substanz der Kandidaten und ihrer Programme zuwenden und aufhören, sich auf Jon Stewarts abendliche Satireshow ‘Daily News’ zu verlassen. Denn hier, bei dem Kabelsender ‘Comedy Central’, hat man die besten Chancen, die Widersprüchlichkeiten in den Aussagen der Politiker schonungslos serviert und die allgemeine Verzerrung der Realität durch eine Dosis Realsatire ersetzt zu bekommen.”

3. “Die neuesten Leserzahlen der Schweizer Presse”
(persoenlich.com)
“Bei der Auswertung der Reichweiten der Printmedien ‘Mach Basic 2008-2’ zeigt sich, dass die Gratiszeitungen weiter im Vormarsch sind. Die Sonntagszeitungen können das Niveau halten — nur der ‘SonntagsBlick’ hat erneut signifikant Leser verloren. Die grossen Tageszeitungen haben tendenziell an Reichweite eingebüsst. “

4. Dr. Kai Gniffke fragt: “Bin ich naiv?”
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
“Ich fürchte, ich bin naiv. Nicht nur weil ich mich zum Beispiel immer mal wieder dabei erwische, dass ich an das Gute im Menschen glaube. Ich bin wohl ein völlig naiver Journalist: Ich glaube doch tatsächlich, dass es unser Job ist, über Politik zu berichten, aber eben nicht zu unseren Aufgaben zählt, Politik zu machen.”

5. “Hat DER SPIEGEL erneut einen Sozialdemokraten abserviert?”
(pottblog.de, Jens Matheuszik)
Jens Matheuszik fragt sich, ob es einen Grund gab, dass das Cover des Spiegels nicht wie üblich schon am Samstagnachmittag online war. Über das Titelblatt schreibt er: “Dort konnte man noch – zusätzlich zum Hauptthema RAF – schnell den Steinmeier-Coup abbilden. (…) Da hat man meiner Meinung nach also von der Entscheidung schon vorher gewußt und dann auf die eigene Vorab-Veröffentlichung im Internet gewartet.”

6. “Liebeserklärung ans Internet”
(spreeblick.com, Sascha Lobo)
“Ich liebe das Internet, weil es die Welt verbessert. Viele Menschen vor uns haben dafür gekämpft, dass die Umstände besser werden. Einige haben es tatsächlich Stück für Stück geschafft. Aber keine Generation vor uns hatte eine derart mächtige Waffe der Weltverbesserung in der Hand wie das Netz.”

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1. “Journalisten fallen auf Steinmeiers PR herein”
(ndr.de, Video, 5:27 Minuten)
Die mit dem deutschen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier nach Afghanistan mitreisenden Journalisten berichten unkritisch über dessen symbolische Aktionen. So wurde eine Schule für Armeefahrer schon zum dritten Mal eröffnet, ein Trinkwasserprojekt eingeweiht, das seit Jahren in Betrieb ist und eine Altstadt-Sanierung verkündet, die aber nur einen kleinen Teil davon abdeckt.

2. Will tagesschau.de Google News zensieren?
(blog.jan-filter.de)
Der tagesschau.de-Artikel “Wie braune Propaganda zur Nachricht wird” sorgt bei mehreren Bloggern für Unmut. Das Filterblog fragt sich, “wie man sich mit den Positionen der politischen Ränder auseinandersetzen soll, wenn sie totgeschwiegen” werden. “Vielleicht sollen wir uns auf das verlassen, was uns die Tagesschau zu diesem Thema liefert?”. Die Öffentlich-Rechtlichen nennt er “8.000.000.000 Euro teure Pay-TV-Sender, deren Abo keiner von uns legal kündigen kann”.

3. “Transparenz: Glücksache” bei den Rundfunkgebühren
(fr-online.de, Daniel Bouhs)
Ein Journalist verklagt den WDR, um Transparenz bei der Ausgabenpolitik zu erhalten: “Er will wissen, mit welchen dieser Firmen der WDR Geschäfte macht, welche Honorare vereinbart wurden und ob die Aufträge ausgeschrieben wurden.”

4. “John Miller”, Redakteur eines staatlichen chinesischen Mediums
(zeit.de, Steffen Dobbert)
Ein unter dem Namen “John Miller” verdeckter chinesischer Redakteur gibt Auskunft und ernüchtert gleich mal die zum Teil missionarischen Texte vieler westlicher Medien. “ZEIT ONLINE: Kommt vom Protest der westlichen Medien gegen die Zensur etwas in China an? – Miller: Wo denken Sie hin? Das wird hier nicht wahrgenommen und auch nicht gelesen.”

5. “Internet killed the Kochzeitschrift?”
(antsinp.antville.org, herr paulsen)
“Sind Kochzeitschriften also tatsächlich die ersten ‘Print-Opfer’ des Internets?”

6. Norbert Neininger zu news1.ch
(shn.ch, Erwin Küenzi)
Norbert Neininger wird von der Zeitung, der er als Chefredaktor vorsteht, zu seinem neuen Projekt befragt. News1.ch sei mit mehreren 100.000 Franken finanziert: “Der Return on Investment wird durch Onlinewerbung erzielt. Nach einem Jahr sollte die Investitionsphase abgeschlossen sein.”

“Bild” verzichtet auf Urinprobe

Anscheinend ist es ja nicht so, dass “Bild” dieses kleine, nützliche Wort nicht kennte:

  • WER WIRD KANZLERKANDIDAT FÜR DIE BUNDESTAGSWAHL 2009? Dabei ist anscheinend längst alles klar: Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird’s!
  • Anscheinend wollen viele Frauen wahrgenommen werden als furzende, stinkende, schwitzende Urgeschöpfe.
  • Sie war die wildeste Pop-Diva der 80er – jetzt ist ihr anscheinend eher nach gediegenen Abenden: Sängerin Annie Lennox (53) war gemeinsam mit Ur-Rocker Mick Jagger (64) bei einem noblen Bankett in London.

Beliebt ist es bei “Bild” anscheinend aber nicht, das kleine Wort.

Kürzlich zum Beispiel, als die rechts-konservative “Junge Freiheit” zu berichten wusste, dass auf der Internetseite der Grünen Jugend Fotos vom 30. Bundeskongress zu sehen waren, auf denen u.a. drei junge Männer “offensichtlich eine Deutschlandfahne geschändet” hätten, hieß es in dem Bericht:

Unter den Bildern vom ersten Tag fanden sich bis gestern vier Fotos, auf denen drei Männer vor einer Deutschlandfahne stehen. Der Mittlere läßt dabei die Hosen herunter und uriniert anscheinend auf eine am Boden liegende Deutschlandfahne.

Doch als “Bild” die “Junge Freiheit”-Story anschließend weiterverbreitet, ist darin von einem Anschein keine Spur mehr:

"Grünen-Nachwuchs pinkelt auf Deutschland-Flagge!

Berlin - Drei junge Männer stehen im Kreis, lassen ihre Hosen herunter – und urinieren auf die deutsche Flagge. (...)"

Jedoch heißt es in einer Stellungnahme der Grünen Jugend zu der Entgleisung:

Bislang wurde von Augenzeugen klar bestätigt, dass auf die Deutschlandfahne nicht uriniert wurde, wie etwa von BILD berichtet wurde.

Und weil die sächsische NPD-Fraktion verbreitet, ihr Geschäftsführer Frank Ahrens habe Strafanzeige wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gestellt, schreibt “Spiegel Online”:

Sollte der Fall tatsächlich vor Gericht landen, werden die Details des Vorfalls beim Strafmaß (…) eine große Rolle spielen.

Gerichtsrelevante Fragen sind: Woher stammte die Fahne? Fand der Vorfall am Rande, während, vor oder nach dem Bundeskongress statt – wurden die Hosen also privat oder öffentlich heruntergelassen? Und schließlich: Pinkelten sie oder pinkelten sie nicht?

Dabei hatte “Bild” doch die letzte Frage schon beantwortet — aber anscheinend nur scheinbar.

*) Über die “Bild”-kritische Stellungnahme der Grünen Jugend heißt es in “Bild” übrigens nur: “Die Nachwuchsorganisation hat sich mittlerweile zu dem Vorgang geäußert. ‘Wir begrüßen, dass die Grüne Jugend sich eindeutig von dem Vorgang am Rande ihres Bundeskongresses distanziert hat’, sagt die Bundesgeschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen, Steffi Lemke, in BILD.”

Nachtrag, 7.6.2008: Die Grünen-Politikerin Julia Seeliger schreibt auf ihrer Homepage unter der Überschrift “Von der ‘Jungen Freiheit’ zu ‘Bild'” u.a. über ihren Versuch, “herauszufinden, wer denn mit dem ‘Pinkel-Vorwurf’ begonnen hatte”.

Was trickste Strunz mit Schröder?

Zunächst die Theorie:

Am vergangenen Sonntag nutzte Claus Strunz in seiner “Bild am Sonntag”-Kolumne “Der Chefredakteur antwortet” die Gelegenheit, dass ihn ein Leser auf eine vermeintliche Ungereimtheit in den vorangegangenen “BamS”-Ausgaben aufmerksam machte.

Während nämlich die “BamS” am 6. April “Was trickste Schröder mit Gaddafi?” gefragt habe, sei in der Ausgabe vom 13. April gestanden: “Tatsächlich gibt es bisher keine Beweise für eine persönliche Verwicklung Schröders in die Affäre.”

“BamS”-Chef Strunz antwortete:

Sie sprechen zu Recht einen Widerspruch in unserer politischen Berichterstattung an.

Nach allem, was man zum jetzigen Zeitpunkt wissen kann, haben wir einen Fehler gemacht. Gerhard Schröder ist nicht persönlich in die Affäre um deutsche Ausbildungshilfen für libysche Polizeibeamte verwickelt gewesen. (…)

Das haben wir am 13. April 2008 auch so berichtet und damit unsere Berichterstattung der Vorwoche korrigiert – prominent platziert im Politik-Aufmacher. So deutlich, dass Sie es natürlich sofort bemerkt haben. Denn wir wollen nichts, was wichtig ist, unseren Lesern vorenthalten – und sei es die Richtigstellung eigener Fehler. Das gehört zu unserem Selbstverständnis als größte Sonntagszeitung Deutschlands. (…)

Und nun zur Praxis:

Mit anderen Worten: Eine Woche nach der großen, aber offensichtlich falschen Schröder-Geschichte (nicht mehr online) stand in einem anderen Text:

  • “Riesen-Wirbel um den Bericht von BILD am SONNTAG (…)”
  • “Schröder (SPD) dementierte (…)”
  • “(…) bisher keine Beweise (…)”

Und wir sehen es deutlich, das Selbstverständnis als größte Sonntagszeitung Deutschlands! Bleibt nur noch eine Frage: Wenn doch die “Bild am Sonntag” ihre ursprüngliche Berichterstattung der Vorwoche korrigiert hat – prominent platziert und so deutlich, dass der Leser es natürlich sofort bemerkt, wie Strunz behauptet, warum dann stehen die Worte “Fehler”, “korrigiert” und “Richtigstellung” erst eine weitere Woche später in Strunz’ Leserbriefkastenonkelkolumne? Beziehungsweise: Warum steht auf Seite 4 derselben Ausgabe – prominent platziert – unter ein paar Polit-Meldungen dann noch dies:

Und apropos “wir wollen nichts, was wichtig ist, unseren Lesern vorenthalten”: Als die “Bild am Sonntag” vergangene Woche in Riesenlettern auf die Titelseite schrieb, dass der TÜV vor neuem Diesel warne, wollte der TÜV im Nachhinein von seiner Warnung nichts mehr wissen. Wer seither beim TÜV nachfragt, wird dort niemanden mehr finden, der offiziell vor neuem Diesel warnt, womit die “BamS”-Titelschlagzeile zwar keine Ente war, aber quasi im Moment ihres Erscheinens in sich zusammenfiel. In der “BamS” stand davon anschließend kein Wort.

Im Gegenteil: Unmittelbar neben Strunz’ Sonntagsrede findet sich zwar ein Ausriss der (unhaltbaren) TÜV-Schlagzeile und die (unhaltbar gewordene) Kernaussage: “Gegenüber BILD am SONNTAG warnt ein TÜV-Experte vor dem neuen Dieselkraftstoff, der einen höheren Biodieselanteil enthält” – allerdings bloß unter der schönen Überschrift: “BILD-am-SONNTAG-Leser wussten es zuerst!”

Fehlt nur noch: “Im Sitzen pinkeln”


Silvana Koch-Mehrin, 37, ist Mitglied im FDP-Präsidium und Vorsitzende der FDP-Gruppe im Europaparlament. Als Vize-Fraktionsvorsitzende der ALDE arbeitet sie im Haushalts- und Haushaltskontrollausschuss und ist u.a. verantwortlich für das Thema Parlamentsreform.

Die “freundin” wählte die Unternehmensberaterin zur “Frau des Jahres 2000”, “Bild” nennt sie, je nach Anlass, “wichtige EU-Abgeordnete” oder “umwerfend schwanger”. 2005 forderte sie “Bild”-Chef Kai Diekmann auf, “zumindest einen Korrespondenten nach Brüssel zu schicken”. Doch als sie im selben Jahr im “Stern” “ihren nackten Babybauch” zeigte, war das auch “Bild” fast eine halbe Zeitungsseite wert — und ein sehr privater Schicksalsschlag im Frühjahr eine Meldung mit großem Foto auf Seite 2. Unter den “50 schönsten Deutschen” belegte sie für “Bild” als “schönstes Gesicht der Europa-Politik” Platz 29.

Koch-Mehrin ist Mitglied des Fördervereins der “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” und bloggt selbst auf ihrer Homepage koch-mehrin.de. Sie erwartet ihr drittes Kind und verabschiedet sich Ende dieser Woche in den Mutterschutz.

Von Silvana Koch-Mehrin

Natürlich kann man es sich einfach machen. Irgendwo was “Völkisches” suchen und finden, Wagner für einen Irren halten und “Bild” generell blöd finden. Damit ist man hier auf der sicheren Seite und findet garantiert haltungsstarke Reflexlacher.

Aber so einfach macht es sich eine Liberale und blonde Karrieretusse nicht. Denn “Bild” ist Teil des deutschen Politikbetriebs — egal, wie man sie findet. Ich gestehe also hiermit und rede mich auch gar nicht raus: Ich lese “Bild” jeden Tag. In Brüssel auf dem Weg zur Arbeit. Bisweilen gern, weil ich zweierlei Nutzen erwarte und manchmal sogar bekomme: Information und Unterhaltung.

Das Blatt von diesem Dienstag bringt leider weder-noch. Wo waren am Montag die Kerle (Frauen gibt’s ja kaum dort), die ein aufregendes, brutales, virtuoses, irres Blatt machen können? Alle in ihrer Männer-Gruppe, um Weihnachtsschmuck aus Salzteig zu backen?

"Diesel teurer als Super" -- "Lotto-Wahnsinn"
Solche Schlagzeilen sind nur insofern gefährlich, als sie inhaltlich wie sprachlich spontanen Sekundenschlaf auslösen, was im Brüsseler Frühverkehr hochriskant ist.

Genauso schnarchig geht es durch die halbe Zeitung (ich lese immer nur die halbe “Bild”, weil ich den Sportteil seit jeher bestenfalls nutze, um die nassen Schuhe der Kinder auszustopfen): Devote CDU-Schlaffis bejubeln ihre Kanzlerin, Wagner spricht mit dem Jackpot, der Regenwald wird gerodet, ein hässlicher Mann hatte seit sieben Jahren keinen Sex und Herr Blome keine Kommentar-Idee: Dass eine Volkspartei und ihre Anführer wie eine Schiffsschaukel schwingen müssen, um alle Mitglieder zu bedienen, das ist weder bemerkens- noch kritisierenswert, sondern seit 60 Jahren selbstverständlich. Klarheit im Programm können sich (Achtung: Werbeblock!) nur die kleinen Parteien leisten. Steht schon bei Kohl. Der kommt übrigens auch vor, wie eigentlich jeden Tag. Bei Müller-Vogg, dem Altmeister der entertainment-freien Kolumne.

Gibt es denn gar nichts Überraschendes, Originelles, Gemeines, Relevantes?

Doch, aber es ist gut versteckt: Wenn Außenminister Steinmeier und Regierungssprecher Steg, zwei enge Vertraute des Altkanzlers und Putin-Freundes Schröder, die Wahlen in Rußland massiv kritisieren, dann müsste das mehr wert sein als sechs Sätze [und ist nicht mal online, d. Red.]. Den Zwist zwischen Gazprom-Gerd und seinen alten Kumpels könnte “Bild” wunderbar hochziehen.

Letzte Rettung letzte Seite, aber auch da gähnt mich überwiegend unspektakuläres Frauenfleisch an: Entweder eine ernüchternde Kate Moss oder dicke Bäuche oder heulende Elends mit Tattoos. Alternativ ein spektakulärer Typ, der als Augenweide taugt? Auch nicht. Und was ist “in” an diesem Dienstag?

"Mal wieder Milch trinken -- Knirps einstecken"

Auweia. Fehlt nur noch: “Im Sitzen pinkeln”. Was ist nur aus den wetterfesten Machos von “Bild” geworden?
 
BILDblogger für einen Tag ist morgen Hans-Peter Buschheuer.

Kanzler! Das traut er sich zu?

Vielleicht hätte Kai Diekmann, “Bild”-Chef und Herausgeber von “Bild” und “Bild am Sonntag”, damals, vor zweieinhalb Jahren, auch eine Kopie seiner Mail an die “Bild”-Mitarbeiter an den Kollegen Strunz (Claus Strunz, Chefredakteur “Bild am Sonntag”) schicken sollen. Schließlich hatte Diekmann in seiner Mail ja u.a. auch gegen “übergeigte Überschriften” gewettert.

BILD am SONNTAG: Sie sind Außenminister, im Oktober wollen Sie zudem stellvertretender SPD-Vorsitzender werden — und damit automatisch der Reservekanzlerkandidat. Trauen Sie sich das alles zu, Herr Steinmeier?
FRANK-WALTER STEINMEIER: Ich trete an als stellvertretender Parteivorsitzender. Wenn ich mir das nicht zutrauen würde, hätte ich nicht Ja gesagt, als Kurt Beck mich gebeten hat, zu seinem Team zu gehören. (…)

Als früherer Chef des Kanzleramts kennen Sie den Kanzlerjob aus dem Effeff: Kanzler — können Sie das?
Die SPD wird sich rechtzeitig für das Wahljahr 2009 aufstellen und den Kanzlerkandidaten benennen. Wen ich mir wünsche, ist völlig klar: Kurt Beck.”

Und Strunz? Hat für die heutige “Bild am Sonntag” den Außenminister Frank-Walter Steinmeier interviewt (siehe Kasten). Über das Interview berichten inzwischen auch verschiedene Nachrichtenagenturen und haben sich dabei für folgende Überschriften entschieden:

Steinmeier für Beck als Kanzlerkandidat (AP)

Steinmeier: Wünsche mir
Beck als Kanzler
(dpa)

Steinmeier wünscht sich Beck als Kanzlerkandidaten (ddp)

Nur die “BamS” selber hat beim eigenen Interview (“Das Rennen um die SPD-Kanzlerkandidatur ist eröffnet.”) offenbar nicht richtig zugehört und titelt überm Steinmeier-Interview:

"Kanzler? Das traut er sich zu!"

Mit Dank an Sag Ich für den Hinweis.

Bundeswehr “erschüttert” über “Bild”-Zeitung

Gestern befand sich auf Seite 2 der “Bild”-Zeitung ein großes Foto. Es zeigte einen “blutüberströmten” Bundeswehrsoldaten, der am vergangenen Samstag bei dem Selbstmordanschlag auf einem Marktplatz in Kundus offenbar verletzt wurde. “Bild” hatte den Mann nicht unkenntlich gemacht, so dass deutlich sein verstörter Gesichtsausdruck zu sehen war (wir berichteten).

"Lafontaine soll sich bei Soldaten entschuldigen"Heute zeigt “Bild” noch einmal das gleiche Foto des Soldaten auf ihrer Seite 2. Wieder ist er nicht unkenntlich gemacht worden (siehe Ausriss). Als Anlass für die erneute Abbildung des Mannes dient “Bild” der Auftritt von Oskar Lafontaine bei “Sabine Christiansen”. Lafontaine habe der Bundeswehr vorgeworfen, “mittelbar in terroristische Aktionen verwickelt” zu sein. Und “Bild” schreibt unter der Überschrift “Lafontaine soll sich bei Soldaten entschuldigen!”:

Hat er nicht einen Moment an die Opfer gedacht, an die trauernden Angehörigen?

Eine Frage, die man auch “Bild” stellen kann. Denn der Sprecher des Bundeswehr-Wiederaufbauteams im nordafghanischen Kundus, Oberstleutnant Günter Schellmann, zeigte sich “erschüttert über die Berichterstattung” in Teilen der Presse zum Anschlag in Afghanistan, wie es in einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa heißt:

“Ich glaube, da ist viel kaputt gemacht worden”, sagte er am Dienstag am Rande eines Besuchs von Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Es sei sehr schwer gewesen, die Soldaten und auch die Führung zu beruhigen, als die “hässlichen Bilder” in Teilen der deutschen Presse kursierten und auch die Familien der unmittelbar Betroffenen des Anschlags erreicht hätten. “Das hat uns alle tief getroffen. Ich habe nicht geglaubt, dass so was in Deutschland möglich ist.” Nach dem Anschlag am Samstag waren drastische Bilder einer privaten afghanischen Fernsehstation auch von einigen deutschen Medien übernommen worden.

Allgemein  

Noch eine Umfrage-Sensation aus der “BamS”

Überhaupt wären wir gerne einmal dabei, wenn bei der “Bild am Sonntag” die allwöchentlichen “Umfrage-Sensationen” interpretiert oder visualisiert werden — schon um herauszufinden, welche Drogen dabei gereicht werden.

In der Woche, bevor “BamS”-Politikchef Jochen Gaugele vermeldete, dass Deutschland “nach links kippt” bzw. “rot wird”, hatte er schon mithilfe einer Forsa-Umfrage herausgefunden, dass Arbeiter angeblich Gerhard Schröder als SPD-Kanzlerkandidat wollen. Die Ergebnisse im Detail stellte “BamS” in einer Grafik dar, in die wir schon mal behelfsweise in Grün ein paar Markierungen eingetragen haben, die sich grob an den 15-Prozent-Säulen orientieren:

Und wir merken uns:

  • 20 Prozent für Beck sind mehr als 20 Prozent für Steinmeier.
  • 20 Prozent für Steinmeier sind weniger als 18 Prozent für Schröder.
  • 7 Prozent sind höchstens ein Drittel von 15 Prozent.
  • 9 Prozent sind nicht mal die Hälfte von 15 Prozent.

Nicht auszuschließen ist natürlich die Möglichkeit, dass es sich bei der Darstellung um ein ausgeklügeltes, aber versehentlich falsch gefaltetes 3D-Modell handelt, auf das wir aus einer ganz ungünstigen Perspektive blicken.

Vielen Dank an Benjamin!

Im Zweifel gegen den Angeklagten

Wenigstens kann man “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner nicht vorwerfen, die Leser über sein Verständnis von den Grundlagen eines Rechtsstaates im Unklaren zu lassen. Im Zusammenhang mit dem Fall Kurnaz/Steinmeier schreibt er heute:

Der Bremer Türke ist für mein Leben nicht so wichtig. Wichtig ist für mich die Sicherheit.

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