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Irrflug mit Hitler-Ufo

Ein Glück, dass wir die Aufklärer der “Bild”-Zeitung haben!

Ausriss Bild-Zeitung - Nazis flogen mit Ufos in die Arktis - und weitere irre Verschwörungstheorien und was dahintersteckt

Nazi-Ufos in der Antarktis, Kennedy-Attentat, Mondlandung — dazu gibt’s im Internet haufenweise Theorien, doch die meisten davon seien hanebüchener Unsinn, wie die Zeitung gestern auf einer ganzen Seite erklärte: “Sie klingen zunächst plausibel, sind aber bewusst in unwahre Zusammenhänge gesetzt.”

“Bild” selbst würde solche Spinnereien natürlich nie verbreiten!

Gut, außer zu Nazi-Ufos in der Antarktis.

Screenshot Bild.de - Bauten Nazis eine Ufo-Basis in der Antarktis?

Und zum Kennedy-Attentat.

Screenshot Bild.de - Hat ein verkaterter Bodyguard John F. Kennedy erschossen?

Und zur Mondlandung.

Screenshot Bild.de - Mondstein gefälscht - hat die Landung nie stattgefunden?

Ansonsten aber hat die “Bild”-Zeitung mit irren Theorien natürlich nichts am Hut!

Gut, außer …

Ausriss Bild-Titelseite - UFO-Sekte will jetzt Hitler klonen!

Screenshot Bild.de - Rapper Tupac Shakur soll in Somalia im Luxus leben

Screenshot Bild.de - Clinton ist ein Alien und Trump der Antichrist

Screenshot Bild.de - Liegt da ein abgehacktes Bein auf dem Mars?

Collagen mit drei Ausrissen der Bild-Zeitung - Hitlers geheime Ufo-Pläne - Wir wurden von Außerirdischen entführt - Russische Fischer fingen Aliens und aßen es auf

Screenshot Bild.de - Überwachen uns Aliens mit Funk-Implantaten?

Screenshot Bild.de - Mega-Experiment im All - haben Aliens die Venus versetzt?

Screenshot Bild.de - Aliens bei Obama-Vereidigung?

Ausriss Bild-Titelseite - Hitler ließ heimlich Ufos bauen

Screenshot Bild.de - Hat Goethe ein Raumschiff gesehen?

Screenshot Bild.de - Großbritannien - Gibt es auf der Insel eine geheime UFO-Basis?

Screenshot Bild.de - Traf Neil Armstrong auf Aliens?

Screenshot Bild.de - Zeigten Kornkreise Hitlers Bombern den Weg?

Screenshot Bild.de - Verschwörungstheorie - Prophezeite Kanye West David Bowies Tod? Und ahnte Bowie Kanye Wests Geburt voraus?

Collate mit drei Ausrissen der Bild-Zeitung - Mars-Menschen leben im Mars! Darum haben wir sie auch noch nie gesehen - Geheimsignale! Raumsonde Voyager von Aliens entführt? - Das Rätsel um die verschwundenen Nasa-Satelliten Locken Aliens die Raumsonden auf ihren Planeten?

Screenshot Bild.de - Raumfahrt-Ingenieur behauptet kurz vor seinem Tod: Aliens arbeiten für die Nasa in der Area 51!

Screenshot Bild.de - Ist Wladimir Putin unsterblich?

Screenshot Bild.de - Nach dem Wirbel um den falschen Schädel - Starb ein Hitler-Double im Bunker?

Screenshot Bild.de - Versteckt sich in der Mona Lisa ein Alien?

Und die viel drängendere Frage: Wo erfahren wir jetzt, dass das alles hanebüchener Unsinn ist? Demnächst in “Bild”.

“Bild” und Hitlers Badewanne

Der folgende Text sollte eigentlich in unserem Buch “Ohne Rücksicht auf Verluste” erscheinen, hat aus Platzgründen aber einfach nicht mehr reingepasst. Darum freuen wir uns, ihn nun exklusiv hier zu veröffentlichen.

***


Unser Buch ist überall erhältlich, zum Beispiel bei euren lokalen Buchhändlern, bei GeniaLokal, bei Amazon, bei Thalia, bei Hugendubel, bei buch7, bei Osiander oder bei Apple Books. Es ist auch als eBook und Hörbuch erschienen.

Das Drei-Millionen-Dollar-Märchen

Um ihre spektakulären Schlagzeilen zu konstruieren, braucht die “Bild”-Zeitung nicht viel. Manchmal genügt ein kleines Stück altes Papier.

„Es ist nur ein kleines Stück altes Papier, doch es kann ihr Leben verändern!“, schreibt die Dresdner “Bild”-Regionalausgabe im Herbst 2012.1 Auf einem Flohmarkt hätten Rentner Herbert und Lebensgefährtin Astrid (Namen geändert) einen Schwung alter Briefmarken gekauft. „Als ich diese auf dem Küchentisch ausbreitete, stockte mir der Atem!“, sagt Opa Herbert. Denn vor ihm liegt allem Anschein nach eine absolute Rarität: eine blaue One-Cent-Briefmarke mit dem Konterfei von Benjamin Franklin und einem eingepressten Muster, dem sogenannten „Z Grill“. Sie ist eine der seltensten Briefmarken der Welt, bisher sind lediglich zwei Exemplare bekannt (zum Vergleich: von der „Blauen Mauritius“ existieren noch zwölf2). Darum beträgt der Katalogwert der „Z Grill“ auch stolze drei Millionen Dollar.3

Ob Opa Herbert auf seinem Küchentisch genau diese Marke liegen hat, muss aber erst noch geprüft werden. „Das Echtheitszertifikat kann in diesem Fall jedoch nur die ‚Philatelic Foundation‘ in New York ausstellen“, zitiert “Bild” einen Briefmarkenexperten. Doch da gibt es einen Haken. Opa Herbert: „Ich habe nur 600 Euro Rente. Damit kann ich mir die Reise und die Prüfgebühr nicht leisten.” Verzweifelt suche er jetzt einen Sponsor, schreibt “Bild”, und damit endet der Artikel.

Dann passiert ein paar Tage lang gar nichts. Doch als plötzlich die britische “Daily Mail” über den Fall berichtet4, erkennt “Bild” offenbar das Potenzial der Story und hebt sie groß in die Bundesausgabe: „SAMMLERGLÜCK! Rentner findet 2,5-Mio.-Briefmarke auf dem FLOHMARKT“.5 Nun springen auch andere nationale und internationale Medien auf und berichten über die „Sammlersensation vom Flohmarkt“.6 Ob es sich bei der Briefmarke wirklich um das seltene Stück handelt, stehe aber immer noch nicht fest, schreibt “Bild”: „Offiziell muss die Echtheit der One-Cent-Marke noch von der ‚Philatelic Foundation‘ in New York bestätigt werden. Ohne ein Zertifikat dieser Stiftung kann die Marke nicht in einem Auktionshaus verkauft werden.“

Und dank der bundesweiten Aufmerksamkeit gibt es für die „Briefmarken-Millionäre“, wie “Bild” sie schon nennt, eine gute Nachricht: Ein Verlag für Briefmarkenzubehör bietet an, die Reisekosten nach New York zu übernehmen. Opa Herbert beantragt sofort einen neuen Reisepass: „Mein alter ist fast abgelaufen, genügt für den Flug nach New York nicht mehr.“7

Drei Wochen später ist es dann so weit: Endlich treten Opa Herbert und der “Bild”-Reporter die langersehnte Reise an. Endlich kann die Briefmarke auf Echtheit geprüft werden. Endlich geht es mit dem Flugzeug nach: London. „Jetzt brachte er seine Marke persönlich nach London – zur Wertermittlung. BILD begleitete ihn!“

Nanu? Statt in die USA fliegen sie auf einmal nach England. Und legen die Marke nicht der „Philatelic Foundation“ in New York, sondern der „Royal Philatelic Society“ in London vor. Eine Erklärung für den plötzlichen Kurswechsel liefert “Bild” nicht.

Der Grund ist aber nicht schwer zu erraten. Denn in New York wäre ihnen etwas dazwischengekommen, das der sensationellen Berichterstattung ein schnelles Ende bereitet hätte: die Wahrheit.

Schon einen Tag nachdem “Bild” zum allerersten Mal über den Fall berichtet hatte, also lange bevor die “Bild”-Maschinerie so richtig anlief, hatte die New Yorker „Philatelic Foundation“ bereits öffentlich und sehr eindeutig erklärt, dass die Briefmarke nicht die erhoffte Rarität sei: „Wir haben ihm [Opa Herbert] mitgeteilt, dass es nicht der Z-Grill ist“, sagte David Petruzelli von der Foundation gegenüber der amerikanischen “Huffington Post”, die den Fall in der “Bild”-Zeitung entdeckt und dann bei der Foundation nachgefragt hatte. 8 „Er hat uns einen guten Scan davon zugeschickt. Es ist nicht die Briefmarke“, so das Ergebnis der Experten. Der Mann solle sich nicht damit herumquälen, einen Sponsor zu suchen und nach New York zu fliegen. Das hätten schon viele Sammler getan und seien dann enttäuscht worden. Die Marke von Opa Herbert sei es nicht mal wert, daran zu lecken, jedenfalls nicht im Vergleich zu drei Millionen Dollar. „Ich habe mein Bestes gegeben, ihm zu erklären, dass es nicht die Briefmarke ist. Wir wollten nicht, dass er sich die Mühe macht.” Der Fund sei wahrscheinlich nicht der „Z Grill“, sondern ein „F Grill“. Er schätze den Wert auf unter hundert Dollar.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürften die Leute von “Bild” also gewusst haben, dass an der Geschichte nichts dran ist. Doch statt ihre Leser darüber aufzuklären, geben sie sich erst richtig Mühe, das Märchen von der „Millionen-Marke“ als Wahrheit zu verkaufen. So zitieren sie (eine Woche nachdem der New Yorker Experte erklärt hatte, dass es nicht die besagte Briefmarke sei) unter der Überschrift: „Profis von Millionen-Marke begeistert“ einen deutschen Gutachter mit den Worten: „Sie ist zu 99 Prozent echt, womöglich wertvoller als die Blaue Mauritius. Eine Fälschung ist unwahrscheinlich.“9

Derselbe „Gutachter“ erklärt jedoch wenig später dem “Briefmarken Spiegel”:

„Also erstmal bin ich kein Gutachter. Und zweitens sind die Sätze vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen. Ich habe zwar erwähnt, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine echte, also schlichtweg um eine nicht gefälschte Briefmarke handelt, die auch echt gelaufen sein dürfte. Aber ich habe nie behauptet, dass es sich um die besagte Rarität handelt. Dies könnte ich ja auch gar nicht beurteilen.” Dazu in der Lage wäre einzig die Philatelic Foundation.10

Und was die von der Briefmarke hält, wissen wir ja nun. “Bild” aber erwähnt New York einfach überhaupt nicht mehr und reist ohne Erklärung nach London – wo die Marke erst einmal in einem Tresor landet, weil die Prüfung „ein halbes Jahr dauern“ könne, wie “Bild” schreibt.

Am Ende des Tages durfte [Opa Herbert] seine Marke persönlich in den großen Tresorraum der Royal Society legen – wo sie jetzt bleibt. Dann rief er Freundin [Astrid] (71) in Sachsen an: „Es ist geschafft, ich liebe dich!“11

Mit dieser rührenden Szene endet die Serie über das kleine Stück Papier, aus dem “Bild” ein halbes Dutzend Artikel und internationale Aufmerksamkeit generieren konnte. Während die eigentliche Frage, ob es wirklich drei Millionen Dollar wert ist, für die “Bild”-Leser weiter unbeantwortet bleibt.

Im Sauseschritt Ost-West-Konflikt

Die Wahrheit, schreibt Günter Wallraff schon 1977 in „Der Aufmacher“, liege bei “Bild” „oftmals weder in noch zwischen den Zeilen, sie liegt mehr unter den Zeilen, jedenfalls unter den gedruckten“. Gedruckt werde alles, was die Auflage steigert; nicht gedruckt werde, was den Verkauf nicht fördert. „Ein klassisches Prinzip, einfach und gleichzeitig universell anwendbar.“ 12

Dass die Briefmarke von Opa Herbert laut den Experten in New York weniger als hundert Dollar wert ist, wird nicht gedruckt. Und dass auch die Prüfer in London schließlich zu dem Ergebnis kommen, dass es sich mitnichten um die wertvolle Rarität handelt, wird von “Bild” erst Jahre später in einem Nebensatz erwähnt. Aber auch davon lässt sich die Redaktion nicht beirren: Im selben Artikel behauptet sie weiterhin, Opa Herbert habe die „Millionen-Briefmarke“ gefunden, einen „wertvollen Schatz, der sogar die blaue Mauritius in den Schatten stellt“.13

Diese selektive Realitätsverweigerung ist ein wesentlicher Bestandteil in der Berichterstattung der “Bild”-Medien. Ein Mittel, das die Redakteure einsetzen, um Geschichten künstlich aufzubauschen und am Leben zu halten. Nicht nur bei den großen, ernsten Themen wie Ausländerkriminalität oder Corona, auch bei kleineren, leichteren wie eben Briefmarken. Oder dem Sandmännchen.

Über das hat der “Bild”-Reporter, der für die Briefmarken-Story verantwortlich war, ein paar Jahre zuvor auch mal einen Artikel geschrieben, der ebenfalls für großes Aufsehen sorgen sollte. „Sandmann in den Westen verkauft“, lautet die Schlagzeile, die im Februar 2009 ausschließlich in den ostdeutschen Ausgaben von “Bild” zu lesen ist. Im Artikel schreibt der Reporter, dass „der Osten“ ab April „die Lizenz für seinen größten TV-Liebling“ verliere:

Generationen von Kindern brachte Sandmännchen (…) seit 1959 ins Bett. Und bis heute schalten ihn täglich 1,5 Mio. Fans ein. Genauso erfolgreich ist der TV-Knirps als Märchenfigur auf den Bühnen zwischen Rügen und Fichtelberg.

Doch damit ist jetzt Schluss. Ausgerechnet zum 50. Sandmann-Geburtstag hat der RBB die Sandmann-Lizenz in den Westen verkauft. Und zwar an das Kölner Theater Cocomico. (…) Der Vertrag läuft vorerst zwei Jahre. Danach können wir wieder auf unseren Sandmann hoffen!14

Tatsächlich wurden lediglich die Musical-Rechte an das Kölner Theater vergeben, wie uns ein RBB-Sprecher damals auf Nachfrage erklärt. Für das Sandmännchen im Fernsehen bleibe alles wie gehabt – was auch “Bild” bekannt gewesen sein dürfte, denn zwei Tage vorher hatte bereits die “Sächsische Zeitung” berichtet, dass sich an der Ausstrahlung im Fernsehen nichts ändere.

Nach Erscheinen des “Bild”-Artikels ruft ein Sprecher des RBB beim Autor des Textes an und weist ihn darauf hin, dass die Berichterstattung irreführend sei. Doch der lässt sich nicht vom Kurs abbringen und schreibt in der nächsten “Bild”-Ausgabe wieder über das Sandmännchen:

Der schnelle Verkauf unseres Sandmännchens in den Westen – Tausende Kinder zwischen Rügen und Fichtelberg sind traurig. (…) „Die Entscheidung, die Lizenz nach Köln zu geben, ist uns nicht leicht gefallen“, räumt [ein RBB-Sprecher] ein.15

Letzteres sei übrigens, wie uns der RBB-Sprecher damals versichert, ein Satz, den “Bild” „komplett frei erfunden“ habe.16 Er selbst habe das „nie gesagt“ – nicht zuletzt deshalb nicht, weil das Sandmännchen im Westen ohnehin längst so beliebt sei wie „zwischen Rügen und Fichtelberg“ und mehrere Jahrzehnte nach dem Mauerfall eigentlich nicht zum Ost-West-Konflikt tauge.

Eigentlich.

„Ist das die Unterhose von Eva Braun?“

Auch bei anderen Themen wird die Wahrheit häufig tief unter den Zeilen begraben. Gut zu beobachten beispielsweise in der Berichterstattung über einen alten Dauergast der “Bild”-Medien.

„Hitlers geheimer Gold-Zug!“, heißt es im Spätsommer 2015 groß auf der Titelseite der “Bild”-Zeitung, dazu ein Foto von Adolf Hitler, hinter ihm ein mit Kanonen bestückter NS-Zug.17 Im Westen Polens sei „ein verschollener Panzerzug der Wehrmacht entdeckt“ worden, schreibt “Bild”, an Bord sollen sich „von den Nazis geraubte Schätze und Kunstwerke befinden“. Zwei Hobbyforscher seien auf den Sensationsfund gestoßen, weil ihnen ein alter Mann auf dem Sterbebett das Versteck verraten habe. Ein polnischer Minister habe den Fund „zu 99 Prozent“ bestätigt.

In seriösen Medien kommen sofort Zweifel auf. “Spiegel Online” zitiert den polnischen Zentralbankchef, der die Geschichte einen „Hoax“ nennt.18 “Zeit Online” interviewt einen polnischen Geschichtsjournalisten, der sich an die erfundenen Hitler-Tagebücher erinnert fühlt. Auch die angeblichen Beweisfotos seien „dubios“, befindet “Zeit Online” und ahnt: Der Sensationsfund „könnte zur Ente verpuffen“.19

“Bild” hingegen lässt so gut wie keinen Zweifel an der Sache und ist ganz vorne mit dabei: „BILD vor Ort – Was passiert mit Hitlers Gold-Zug?“, „BILD traf den Mann, der das Geheimnis lüften kann“, „Historikerin brachte BILD-Reporter auf die Spur“. Tagelang folgt ein Artikel auf den nächsten: „Nazi-Zug versetzt Experten in Goldrausch“, „Juwelen, Gold, Bernsteinzimmer? Das Geheimnis um den Nazi-Zug von Polen“, „Zeigen Satelliten-Bilder, wo der Nazi-Zug steckt?“, „Geteilte Böschung mit auffälligem Bewuchs: Führt diese Furche zu Hitlers Gold-Zug?“20

Währenddessen machen sich, wie der Korrespondent von “Zeit Online” berichtet, „tausende Schaulustige und Abenteurer“ auf den Weg nach Niederschlesien, „um sich in den teils einsturzgefährdeten und womöglich verminten Stollen auf Schatzsuche zu begeben – und dabei in Lebensgefahr“.21 Sechs Tage später stürzt ein 39-jähriger Mann auf der Suche nach dem Zug in eine Vertiefung und stirbt.22

Als auch in den Wochen danach keiner der zahllosen Schatzsucher fündig wird, verschwindet der vermeintliche Hitler-Schatz nach und nach wieder aus der Berichterstattung der “Bild”-Medien. Als die Suche einige Monate später offiziell abgebrochen wird23, ist ihnen das nicht mal mehr eine kleine Meldung wert.

Die “Bild”-Artikel zum angeblichen Nazi-Gold-Zug sind auch heute noch online abrufbar. Viele davon sind mit großen Fotos von Adolf Hitler bebildert, einige nur gegen Bezahlung lesbar. Hitler verkauft sich. Was selbst “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner sauer aufstößt:

Was mich anwidert, ist, dass Hitler eine Art Marke geworden ist. (…) Was mich nervt, ist seine unverminderte Gegenwart. Hitler-Filme, Zeichnungen von ihm werden in Auktionshäusern feilgeboten, Filme, „Der Untergang“, Bücher, „Er ist wieder da“.

Seine Ur-Enkel sind wieder da, sie werfen Brandbomben auf Flüchtlingsheime.

Mit dem Gold-Zug ist Hitler wieder da. Das Finstere, das Abscheuliche.

Die Schatzsuche nach dem Nazi-Gold ist für mich wie in Scheiße suchen.24

In der wühlt Wagners Heimblatt aber immer wieder gerne. Die Münchner Regionalausgabe von “Bild” zum Beispiel macht ein paar Monate vor dem Nazigoldrausch in Polen eine andere vermeintliche Hitler-Entdeckung, diesmal im Keller einer Hochschule.

„Das ist Hitlers Reichspartei-Badewanne“, titelt sie über dem halbseitigen Foto einer gammeligen Badewanne. Sie sei „schon ganz braun“, witzeln die Autoren: ein „rechteckiges Stück Geschichte – direkt aus Adolf Hitlers Büro-Badezimmer!“ Und exklusiv hinein in die “Bild”-Zeitung. Die Wanne sei zwischen 1933 und 1937 „in das Dienstbad des Diktators“ eingebaut worden und schließlich im Keller der Hochschule gelandet, heißt es im Artikel.25

Auf die Frage, ob sich Hitler „am Feierabend hier bei einem Schaumbad“ entspannte, gibt sich “Bild” die Antwort zwar gleich selbst – „höchstwahrscheinlich nicht“ –, doch das hält sie nicht davon ab, groß über den angeblich sensationellen Fund zu berichten. Belege gibt sie für das alles nicht an, weder Zitate von Experten noch handfeste Spuren oder Beweise, nicht mal ihre Quelle verraten die Autoren.

Der Kanzler der Hochschule erklärt uns damals auf Nachfrage:

Die Meldung ist aufgrund einer nicht autorisierten Auskunft unseres Hausmeisters erschienen. “Bild” hatte einen Bericht über unterirdische Gänge in München bringen wollen. Dabei sahen die Reporter die Badewanne im Keller und haben nachgefragt. Ob die Badewanne wirklich aus Hitlers Badezimmer stammt, wissen wir nicht. Ich wehre mich deshalb stets gegen Spekulationen. Leider war “Bild” nicht bereit, auf die Meldung zu verzichten.26

Stattdessen macht “Bild” aus der ranzigen Badewanne, in der Hitler höchstwahrscheinlich nicht gebadet hat, eine fast ganzseitige Geschichte und lässt jegliche Zweifel unter einer großen Schlagzeile verschwinden.

Im Juni 2017 dominiert Hitler wieder die “Bild”-Titelseite. „Hitlers Silberschatz gefunden“, heißt es dort groß neben einem Foto des Diktators. In Argentinien sei hinter einem Bücherregal ein „bizarrer Nazi-Schatz“ entdeckt worden: „STATUEN, KATZEN-SPARDOSE!“27 Als sich drei Monate später herausstellt, dass es sich um Fälschungen handelt28, ist davon in der “Bild”-Zeitung nichts mehr zu lesen.

„Hitlers geheimer Cognac-Keller entdeckt“, titelt “Bild” im Sommer 2015.29 Hier, in einem Keller in Sachsen, behauptet die Zeitung, habe „Adolf Hitler (†56) Ende 1944 seine Delikatessen und Unmengen Cognac“ versteckt. Beweise dafür hat sie bis heute nicht geliefert.30

„Es ist immer das Gleiche“, heißt es im 1978 erschienenen Dramolett „Der deutsche Mittagstisch“ von Thomas Bernhard: „Kaum sitzen wir bei Tisch an der Eiche, findet einer einen Nazi in der Suppe. Und statt der guten alten Nudelsuppe bekommen wir jeden Tag die Nazisuppe auf den Tisch. Lauter Nazis statt Nudeln.“31

Bei “Bild” wird vor allem einer aufgetischt. „Hitlers Lieblingsbücher“32, „Hitlers Bar“33, „Hitlers Mietvertrag“34, „Hitlers Hoden-Diagnose“35, “Grüner mit Hitler-Droge erwischt”36. Zwischendurch auch mal ein bisschen personelle Abwechslung: „BILD findet Görings Modell-Eisenbahn“37. Oder: „Wie kam Costa Cordalis an den Nazi-Teppich von Goebbels?“38 Oder: „Ist das die Unterhose von Eva Braun?“39

Solche „Hitlereien“ finden sich auch in anderen Medien, schreibt Daniel Erk, der für die Onlineausgabe der “taz” sechs Jahre lang das “Hitlerblog” geführt hat:

In diesen Jahren ist keine, wirklich keine Woche vergangen, in der Hitler nicht Thema in der Presse gewesen wäre, in der nicht irgendein Kasper einen mal guten, mal schlechten Hitler-Witz gemacht hätte oder in der die Symbole und Begriffe des Dritten Reiches nicht in einem abwegigen oder ärgerlichen Kontext aufgetaucht wären. Wirklich: keine einzige Woche.

Zu einem Erkenntnisgewinn hätten die Geschichten aber so gut wie nie geführt:

Idealerweise wäre das ja ein Kommunikationsanlass, um über den Hitler-Wahn, die Ängste, Symbole und Tabus zu sprechen. Stattdessen sieht man immer nur Titelgeschichten über Hitlers letzte Stunden und liebste Hunde. Die Boulevardisierung des Themas hat die Substanz längst verdrängt.40

Aber um Substanz, darum, die Leser zu informieren, geht es ja auch nicht, jedenfalls nicht der “Bild”-Zeitung. Verkauft werden nicht Tatsachen, sondern Geschichten. Und wenn die Fakten nicht zur Schlagzeile passen, werden sie geschickt umgedichtet oder verschwiegen. Dann erwähnen die “Bild”-Medien einfach gar nicht, dass sich der Sensationsfund als Fälschung entpuppt hat. Oder sie fliegen statt nach New York, wo sie die Realität erwarten würde, nach London, wo sie die Geschichte noch weiterfüttern können. Wer sich nur in “Bild” informiert, glaubt womöglich heute noch, dass in Polen ein Nazi-Zug voller Gold gefunden, dass das Sandmännchen in den Westen verkauft und dass Opa Herbert Briefmarkenmillionär wurde.

„Versteckt sich in der Mona Lisa ein Alien?“

Dass gerade die Hitler-Geschichten in “Bild” seit Jahren so eine prominente Rolle spielen, dürfte aber nicht nur daran liegen, dass sie gut geklickt und gekauft werden. Absurde Schlagzeilen wie „UFO-Sekte will jetzt Hitler klonen!“41 oder „Zeigten Kornkreise Hitlers Bombern den Weg?“42 haben der Zeitung insbesondere unter Chefredakteur Kai Diekmann hin und wieder einen ironischen Touch verliehen: auch mal albern sein, sich selbst nicht so ernst nehmen. In dieser Zeit erschienen immer wieder Geschichten wie „Haben Außerirdische den Windrad-Flügel geklaut?“43, oder „Versteckt sich in der Mona Lisa ein Alien?“44, oder „Liegt da ein abgehacktes Bein auf dem Mars?“45

Doch seit Julian Reichelt das Steuer übernommen hat, finden solche Blödeleien kaum noch statt. Die “Bild”-Themenseite „Mystery“ („Aliens, Ufos, Übersinnliches“), die unter Diekmann laufend mit bekloppten Ufo-Geschichten befüllt wurde, besteht heute aus Artikeln wie „Mutter (84) und Sohn saßen wochenlang tot auf dem Sofa“46 oder „Wie Corona-Leugner um die Promis werben“47. Generell findet man in den heutigen “Bild”-Medien augenzwinkernde Elemente eher selten. Der Ernst hat Einzug gehalten. Und: die Politik.

Denn unter Reichelt ist auch die scherzhafte Seite von “Bild”, so sie denn mal zum Vorschein kommt, oft politisch aufgeladen. „Ist Wladimir Putin ein unsterblicher Vampir?“, heißt es dann zum Beispiel: „Gruselige Nachrichten zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin: Ist der Kreml-Chef unsterblich? Beteiligt er sich seit knapp 100 Jahren an russischer Kriegspolitik? Oder sogar schon seit Jahrhunderten?“48

Oder: „Ist Donald Trump die dritte Inkarnation des Teufels? Wird der New Yorker Immobilienmogul einen 27 Jahre langen Weltkrieg auslösen?“, wie “Bild” Anfang 2017 fragt, unter der Überschrift: „Sagte Nostradamus die Trumpocalypse voraus?“49

Andere Albernheiten, mit Aliens und ohne Agenda, hat “Bild” auf vereinzelte Ausnahmen reduziert. Hitler geht aber immer noch.

„Letzter Hitler bricht sein Schweigen!“, verkündet “Bild” im Oktober 2018 exklusiv auf der Titelseite: „BILD traf den Groß-Neffen in den USA“.50 Für die Story hat die Redaktion die komplette Seite 3 der Bundesausgabe freigeräumt, in der Mitte: ein riesiges Foto von Adolf Hitler.

Der Mann, den “Bild” in den USA gefunden hat und „Alexander Hitler“ nennt, soll um viele Ecken ein Nachfahre Adolf Hitlers sein. Mit Medien redet er eigentlich nicht. Als die “New York Times” ihn 2006 aufspürt, bittet er „vehement und wiederholt“ darum, nicht identifiziert zu werden, aus Angst vor einem Mediensturm und davor, dass man ihn fälschlicherweise für einen Nazi halten könnte.51

Er heißt nicht mal Hitler. Das schreibt auch der “Bild”-Redakteur im Artikel – und nennt ihn trotzdem so, immer und immer wieder. „Alexander Hitler lebt in einem Holzhaus.“ „DEAD END steht auf dem Schild vor der Straße, in der Alexander Hitler wohnt.“ „Gepflegt sind dafür die vielen Topfpflanzen, die hier stehen. Fleißiges Lieschen, Bartnelken, Eisbegonien, Funkien. Die amerikanischen Hitlers haben einen grünen Daumen.“

In der kleinen Stadt wisse „fast niemand“, dass der Mann „der letzte Hitler“ sei, schreibt die “Bild”-Zeitung. Und als wollte sie etwas daran ändern, verrät sie, in welcher Gegend der Mann wohnt, beschreibt sein Grundstück, was für ein Auto er fährt. „Er ist groß, zirka 1,85 Meter, trägt ein türkis-weiß-kariertes Hemd und eine beigefarbene Cargohose. Alexander Hitler.“ Im Artikel zeigt “Bild” über die gesamte Seitenbreite ein Foto, das offenbar aus größerer Entfernung aufgenommen wurde: Der Mann steht in der Tür seines Hauses, sein Gesicht ist nicht verpixelt.

Wir haben damals bei “Bild” nachgefragt, ob der Mann wusste, dass er fotografiert wird, und ob er eingewilligt hat, dass dieses Foto veröffentlicht wird. Der “Bild”-Redakteur wollte uns darauf nicht antworten.

Die Geschichte und das unverpixelte Foto des Mannes gehen um die Welt. Stolz präsentiert “Bild” am nächsten Tag „internationale Presse-Reaktionen“52: Zeitungen in England, Spanien, der Türkei „und über 100 weitere Medien“ hätten über die “Bild”-Zeitung und den „letzten Hitler“ berichtet.

Obwohl er weder ein „Hitler“ ist noch „der letzte“ – er hat noch zwei Brüder. Die auch nicht Hitler heißen. Auch bei deren Haus (das “Bild” ebenfalls abbildet) klingelt der Redakteur. „Die Tür öffnet sich einen Spalt. Ein Mann, um die 50 Jahre alt, schiebt das Fliegengitter beiseite und streckt seinen Kopf heraus. Volles, dunkles Haar, glatt rasiertes, kantiges Gesicht. Hitler trägt kurze Hose.“

Als sich der “Bild”-Redakteur als solcher zu erkennen gibt, schließt der Mann sofort die Tür. Und schaltet die Rasensprenger an.

Ablauf mit Gabriel, Antisemitismus im Schulbuch, UFO-Theorien bei “N24”

1. Erster!
(sueddeutschte.de, David Denk)
Wie lief das jetzt eigentlich genau mit der Gabriel-Geschichte? Wessen Scoop war das? Und wer hat wann zuerst berichtet? David Denk rekonstruiert: Eigentlich habe es eine Sperrfrist (Dienstagabend) gegeben, damit Sigmar Gabriel vorher die SPD-Gremien unterrichten könne. Dann aber platzte der Branchendienst “Meedia” dazwischen, der wohl aus “Grossistenkreisen” von der “Stern”-Story erfahren hatte. Und dann war die Geschichte in der Welt. Bei faz.net erzählt “Stern”-Chefredakteur Christian Krug im Interview, wie es zum Gabriel-Interview kam.

2. Live bei Cobra-Einsatz: “Krone”-Lecks mit Tradition
(derstandard.at)
Vergangenen Freitag in Wien: Um 18:03 Uhr wird ein möglicher Attentäter festgenommen. Um 18:09 Uhr twittert die Redaktion der “Kronen Zeitung” über die Festnahme des möglichen Attentäters. “Da stellen sich Fragen wie: Wenn die Bedrohung tatsächlich so dramatisch war, wie sie insbesondere die ‘Krone’ beschrieb — könnte eine so frühe Veröffentlichung nicht etwa mögliche Mittäter zum Losschlagen motivieren?” derStandard.at über die “lange Geschichte von “Festnahmen mit ‘Krone’-Begleitung”.

3. Harald Martenstein macht “Lügenpresse”-Vorwürfe salonfähig
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
In seiner (inzwischen vergangenen) Kolumne im “Zeit Magazin” schreibt Harald Martenstein “über Einwanderung und Abschiebungen” und einen Hindu aus Afghanistan, von dessen Fall er im “ZDF” erfahren habe. Weil Martenstein “ARD” und “ZDF” misstraut (“Tagesschau”, “heute” und “Tagesthemen” erinnerten ihn “wegen ihrer Regierungsnähe zunehmend ans DDR-Fernsehen”), recherchiert er den Fall selber nach. Und es zeigt sich: Es ist alles so gewesen, wie das “heute journal” berichtet hat. Stefan Niggemeier kann das nicht so richtig fassen: “Das ist also der Anlass für Martenstein, ausführlich im ‘Zeit Magazin’ darzulegen, dass er ARD und ZDF für DDR-fernsehhaft hält und erstmal davon ausgeht, dass sie die Unwahrheit sagen: Dass er erleben musste, dass ein ZDF-Bericht einer Überprüfung standhält.” Im zweiten Teil der Martenstein-Kolumne geht es um die deutsche Flüchtlingspolitik. Und auch da wird’s nicht besser.

4. Kein Anfangsverdacht gegen Anne Will
(faz.net, Michael Hanfeld)
Nachdem im November vergangenen Jahres im “Ersten” die Konvertitin Nora Illi zu sehen und zu hören war, gingen bei der Staatsanwaltschaft Hamburg sieben Strafanzeigen gegen “ARD”-Moderatorin Anne Will sowie gegen Verantwortliche der “ARD” ein. Illi hatte sich unter anderem relativierend zu den Verbrechen der Terrormiliz “IS” geäußert. Vier ihrer Ermittlungen habe die Staatsanwaltschaft nun beendet, schreibt Michael Hanfeld, es fehle ein begründeter Anfangsverdacht: “Für die Moderatorin sieht es gut aus.”

5. Wie es eine antisemitische Karikatur in deutsche Schulbücher geschafft hat
(vice.com, Philipp Frohn)
Ein Schulbuch des “Klett”-Verlags zeigt in einer Illustration ein riesiges gelbes Wesen, das gerade dabei ist, Europa zu verschlingen. Im Hintergrund kann man den Schriftzug “ROTHSCHILDBANK” lesen. Philipp Frohn schreibt dazu: “Eine solche Zeichnung hätte in einem deutschen Schulbuch des 21. Jahrhundert niemals auftauchen dürfen. Denn die Vorstellung, dass die jüdische Bankiersfamilie der Rothschilds im Verborgenen die Geschicke der Welt (zum Nachtteil der Mehrheit) beeinflusst, ist eine klassische antisemitische Verschwörungstheorie, die sich schon die Nazis zunutze gemacht haben.”

6. UFO-Sichtungen in Nachrichtensendern
(ndr.de, Caroline Ebner, Video, 4:15 Minuten)
Schon mal nachts aus Versehen bei “N24” reingeraten? Zwei Möglichkeiten gibt es dann: Entweder läuft irgendwas über Hitler. Oder irgendwas über UFOs (manchmal auch irgendwas über UFOs im Dritten Reich). Seit Herbst vergangenen Jahres gibt es zusätzlich den Spartenkanal “N24 Doku”, wo man noch mehr UFO-Filme mit Suggestivfragen und starken Verschwörungstendenzen (“Soll hier etwas vertuscht werden?”) findet. Caroline Ebner hat bei “N24” nachgefragt — dort sehe man “die Glaubwürdigkeit als Nachrichtensender” nicht in Gefahr.

Hitler

“Hitler” macht sich hierzulande meistens ziemlich gut in einer Überschrift, das Wort “geheim” auch, “UFO” immer. Und “Bild” hatte es am gestrigen Montag geschafft, alle drei Wörter in einer einzigen Schlagzeile unterzubringen und schrieb also:

“Historiker enthüllen: Hitlers geheime UFO-Pläne”

Und natürlich sind – um das vorweg zu sagen – die erwähnten UFOs keine Fortbewegungsmittel Außerirdischer, wie das Wort “UFO” im alltäglichen Sprachgebrauch suggeriert, sondern bloß bombentragende, fürs Radar unsichtbaren, tragflächenlose „Flugkreisel” mit Propeller an der Unterseite, Düsenantrieb und einem Cockpit mit Plexiglas-Kuppel, wie auch “Bild” die Enthüllungen einer Doku des “renommierten TV-Senders ‘Discovery'” zusammenfasste, auf welcher der komplette Artikel beruhte und die, wie “Bild” nicht mal unerwähnt ließ, bloß “neue, größenwahnsinnige Details” zu bieten hat.

Worin genau die neuen “Details” bestehen, machte “Bild” zwar in ihrer Berichterstattung nirgends deutlich. Aber egal, denn Tatsache ist: “Hitlers geheime UFO-Pläne” waren damals, vor ungefähr 60 Jahren, fraglos geheim. Inzwischen sind sie es aber nicht mehr so. Und mehr dazu würde hier auch definitiv zu weit führen – oder noch weiter.

Tatsache ist aber außerdem, dass die Geschichten und Verschwörungstheorien rund um “Hitlers geheime UFO-Pläne” insbesondere in der Neonazi-Szene verbreitet sind und werden, wie man, wenn man will, vielleicht am besten beim “Informationsdienst gegen Rechtsextremismus”* von Margret Chatwin nachlesen kann. Aber auch das führt hier vielleicht zu weit. Schließlich handelte es sich bei der “Bild”-Geschichte doch im Grunde nur um eine Art Programmhinweis (bei dem “Bild allerdings in ihrem Mitteilungsbedürfnis über die “bizarren Wunderwaffen” völlig zu erwähnen vergaß, wann, wo oder wieso der “Discovery Channel” die Doku zeigt/gezeigt hat/zeigen wird), oder? Außerdem ist “Bild” ja heute bereits wieder bei ganz anderen Themen angelangt und berichtet lieber über:

“Hitlers irre Wunder-Waffen”

Mit Dank an Thomas H., Adrian J., Daniel. R., Henrik T., Denis M., Rainer M. und andere für die Hinweise.

Nachtrag, 13:23:
Okay, überall dort im Lande, wo die gestrige “Hitler”-Story sogar die Titelschlagzeile war, stand (anders als z.B. in der Berlin-Ausgabe) offenbar auch ein Hinweis, dass die Doku vom “Discovery Channel” am 18.12. ausgestrahlt werde. Beim “Discovery Deutschland” weiß man davon allerdings auf Nachfrage nichts. Auch im Programmablauf ist nichts dergleichen verzeichnet. Aber das muss ja noch nichts heißen…

Nachtrag, 15:37:
Zum Glück weiß ein “Bild”-Sprecher auf Nachfrage Genaueres: So ging die Berichterstattung in “Bild” offenbar zurück auf eine Veröffentlichung im britischen “Daily Express”, der am 5.12. über die TV-Doku berichtete, die wiederum im britische Spartensender “Discovery Science” am 18.12. um 20 Uhr (Ortszeit) ausgestrahlt werde – womit (nachdem bei Bild.de – Nachtrag, 8.12.2004 – nachträglich sogar der Hinweis “am 18. Dezember im TV” hinzugefügt wurde) wenigstens das soweit geklärt ist.

*) inzwischen leider offline

Sorgen vor Desinformation, Fehler2Go, ChatGPT halluziniert

1. Verunsicherung bei Mediennutzenden: Sorgen vor Desinformationen im Superwahljahr 2024
(de.ejo-online.eu, Torben Kassler)
Torben Kassler fasst die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung zur Sorge der Deutschen und der US-Amerikaner vor Desinformation im Superwahljahr 2024 zusammen (PDF). Dabei geht es auch um das schwindende Vertrauen der Menschen in Medien: “Ein Vertrauensschwund, dem von journalistischer Seite zwar entschieden entgegengetreten werden muss; stets jedoch unter Bedacht des Spannungsfelds zwischen dem Schutz vor absichtlichen Falschinformationen auf der einen Seite und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite.”

2. Fehler im ZDF: Bei “MrWissen2Go” werden englische Stallburschen zu Hitlerjungen
(msn.com, Jochen Zenthöfer)
Beim ZDF-Format “MrWissen2Go” gab es anscheinend derart gravierende Fehler, dass sich der Sender gezwungen sah, über 300 Videos auf dem zugehörigen Youtube-Kanal “MrWissen2Go Geschichte” zu überprüfen. Jochen Zenthöfer hat sich einige der Fehler angeschaut und geprüft, wie der Sender hinsichtlich der Korrekturen vorgegangen ist. Und er hat prompt weitere Fehler entdeckt: “Wie es aussieht, hat das ZDF die Videos von ‘MrWissen2Go’ noch nicht gründlich genug unter die ­Lupe genommen.”

3. Datenschützer reichen Beschwerde gegen OpenAI ein
(zeit.de)
Die Datenschützer der österreichischen NGO “none of your business” (“noyb”) haben eine Beschwerde gegen den ChatGPT-Entwickler OpenAI eingereicht. Die KI-Software erfinde falsche Informationen über Personen: “ChatGPT halluziniert und nicht mal OpenAI kann es stoppen”, sagt Maartje de Graaf, Datenschutzanwältin bei “noyb”. Weitere Informationen dazu: ChatGPT verbreitet falsche Infos über Personen – und OpenAI kann nichts tun (noyb.eu)

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4. Die große Freiheit – vorbei
(taz.de, Katrin Gänsler)
Katrin Gänsler berichtet über ihre Erfahrungen als Journalistin in Westafrika, insbesondere in Nigeria, wo sie über 14 Jahre verbracht hat. Sie beschreibt die täglichen Herausforderungen wie Treibstoffknappheit, Stromausfälle, bürokratische Hürden und Transportprobleme. Darüber hinaus thematisiert sie die zunehmenden Einschränkungen der journalistischen und der Bewegungsfreiheit durch Gruppen wie Boko Haram.

5. TikTok-Star Om Fahad in Bagdad erschossen
(spiegel.de)
Aufnahmen einer Überwachungskamera zufolge ist die irakische Influencerin Om Fahad, die mit bürgerlichem Namen Ghufran Sawadi hieß, vor ihrer Wohnung in Bagdad erschossen worden. Offenbar wurde dabei auch ihre Assistentin verletzt. Om Fahad war vor allem über TikTok bekannt geworden, wo sie mit Tanzvideos viele Menschen erreichte. Zuvor war sie von einem irakischen Gericht wegen “unanständiger Äußerungen” in ihren Videos verurteilt worden.

6. Gemeinwohlorientierte Digitalisierung braucht Unterstützung statt Steine im Weg
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Das Finanzamt hat den Hauptentwicklern von Mastodon die Gemeinnützigkeit erst zuerkannt, dann jedoch wieder aberkannt. Bei netzpolitik.org kommentiert Markus Reuter: “Man kann in dieser Frage die Schuld nicht nur dem Finanzamt geben, das erst die Gemeinnützigkeit der Mastodon gGmbH genehmigt und jetzt wieder aberkannt hat. Gefragt ist auch die Politik – und genauer gesagt die Ampel-Koalition. Sie hat die Möglichkeit die Entwicklung von freier und offener Software als gemeinnützig abzusichern.”

KW 46/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Geht’s noch? Weshalb haben Medien Hubert Seipels Putin-PR so gerne verbreitet?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 25:54 Minuten)
Der Journalist und Dokumentarfilmer Hubert Seipel, bekannt für seine Bücher über und Interviews mit Wladimir Putin, soll Recherchen von ZDF und “Spiegel” zufolge 600.000 Euro aus Russland erhalten haben. Der NDR hat daraufhin eine Untersuchungskommission eingerichtet, der Verlag Hoffmann und Campe Seipels Bücher aus dem Verkauf genommen. Im “Übermedien”-Podcast spricht Holger Klein mit der Osteuropa-Historikerin Franziska Davies über den Fall, die nicht überrascht ist, dass Seipel Geld aus Russland bekommen hat.

2. Schlagabtausch zwischen Lindemann-Anwalt und Spiegel-Anwalt über MeeToo
(youtube.com, Felix W. Zimmermann, Video: 1:06:58 Stunden)
Im “LTO-Streitgespräch” zwischen den Rechtsanwälten Simon Bergmann (vertritt unter anderem Till Lindemann und Luke Mockridge) und Marc-Oliver Srocke (vertritt unter anderem den “Spiegel”) diskutieren die beiden Juristen anhand aktueller Fälle über das Thema Verdachtsberichterstattung. Außerdem geht es um Cancel Culture, Berichterstattung trotz eingestellter Ermittlungsverfahren und den sogenannten “fliegenden Gerichtsstand”. Eine leidenschaftlich geführte und medienethisch wie rechtlich spannende Debatte.

3. Mafia, Korruption, Sex: Die Skandale des Silvio Berlusconi
(macht-und-millionen.podigee.io, Solveig Gode & Kayhan Özgenç, Audio: 53:23 Minuten)
In “Macht und Millionen” berichten Solveig Gode und Kayhan Özgenç von “Business Insider” regelmäßig über spektakuläre Wirtschaftsverbrechen. Diesmal geht es um die Skandale des italienischen Medienmoguls Silvio Berlusconi und insbesondere um dessen Verbindungen zur Mafia.

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4. Wie wir durch True Crime zu Mittätern werden
(laeuft-programmschau.podigee.io, Alexander Matzkeit, Audio: 20:10 Minuten)
Bei “Läuft”, der “Programmschau” von epd medien und Grimme-Institut, geht es in der aktuellen Folge um das erfolgreiche, aber nicht unumstrittene True-Crime-Genre. Der Schriftsteller und Fernsehkritiker Torsten Körner findet es beispielsweise “einerseits widerlich, zum anderen lächerlich – und auf jeden Fall medienethisch bedenklich”. Alexander Matzkeit hat Körner nach dessen Beweggründen für diese Einschätzung gefragt.

5. Undercover in der Hitler-Zeitung
(br.de, Linus Lüring & Victoria Koopmann, Audio: 23:24 Minuten)
In der Sendung “Undercover in der Hitler-Zeitung” geht es um die journalistische Undercover-Arbeit von Paula Schlier im Jahr 1923. Sie schleuste sich damals in den “Völkischen Beobachter” ein, das Propagandablatt der NSDAP, um zu den Machenschaften der Nationalsozialisten zu recherchieren. Dabei wurde sie überraschend Zeugin des historischen, gescheiterten Hitler-Putsches vom 8. November 1923. Die von der BR-Journalistin Paula Lochte recherchierte Geschichte basiert auf Schliers Tagebüchern und Memoiren und bietet Einblicke in die Frühzeit des Nationalsozialismus.

6. Galleripky – Fotografie mit Paul Ripke
(ardmediathek.de, Benjamin Rost, Videoserie mit vier Folgen zu je etwa 30 Minuten)
Fotograf, Podcaster, Multitalent Paul Ripke hat für die ARD recherchiert, wie erfolgreiche Fotografen und Fotografinnen zu ihren Bildern kommen. In der ersten Folge geht es um Eventfotografie (“vom Rockfestival zur Trauung”), in der zweiten um Porträtfotografie (“Intimität im Studio”), in der dritten um Naturfotografie (“Alpenpanorama und Wildlife”) und in der vierten Folge um Straßenfotografie (“Architektur und Ruhrgebiets-Flair”).

Mit Tätern sprechen?, Front-Verbot in der Ukraine, Auf1 und das Klima

1. 3,4 Millionen Deutsche waren noch nie im Internet
(spiegel.de)
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nutzen knapp sechs Prozent der 16- bis 74-Jährigen in Deutschland das Internet nicht. Am größten sei der Anteil der sogenannten Offliner in der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen. Insgesamt liege Deutschland damit knapp unter dem EU-Durchschnitt.

2. Mit Tätern sprechen
(journalist.de, Malte Herwig)
Malte Herwig ist Journalist, Buchautor und Podcast-Host von Produktionen wie “Faking Hitler” und “Jack”, ein Podcast über den österreichischen Serienmörder Jack Unterweger. Für sein aktuelles Podcast-Projekt interviewt Herwig Frauenmörder, Serienkiller und NS-Verbrecher. Das wirft verschiedene, auch ethisch-moralische Fragen auf, denen er in seinem Gastbeitrag nachzugehen versucht.

3. Front-Verbot für Medienschaffende
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Ukraine hat zahlreiche Städte und Dörfer an der Front im Osten des Landes für Medienschaffende gesperrt. Reporter ohne Grenzen ist damit nicht einverstanden: “Wir halten die neuen Regeln für übertrieben”, so Geschäftsführer Christian Mihr: “Sie machen die Berichterstattung von der Front praktisch unmöglich.” Die ukrainische Regierung müsse sicherstellen, dass Journalistinnen und Journalisten weiterhin aus erster Hand über den russischen Krieg gegen die Ukraine berichten können.

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4. Auf1 verbreitet mehrere falsche Behauptungen zum Klimawandel
(correctiv.org, Paulina Thom)
Der österreichische Fernsehsender Auf1 verbreitet in einem Video sieben Behauptungen über den Klimawandel, die sich einem Faktencheck durch “Correctiv” zufolge als falsch erwiesen hätten und dem Stand der Wissenschaft widersprächen: “Fünf der Hauptbehauptungen im Video sind größtenteils falsch, zwei Behauptungen fehlt relevanter Kontext. An einigen Stellen im Video werden aus richtigen Aussagen falsche Schlüsse gezogen.”

5. Was die neuen EU-Regeln für die Wikipedia bedeuten
(netzpolitik.org, Anna Biselli)
Das Digitale-Dienste-Gesetz bringt neue Regeln für Online-Plattformen, die sich auch auf Wikipedia auswirken werden. netzpolitik.org hat mit Dimitar Dimitrov von Wikimedia in Brüssel darüber gesprochen, was das neue Regelwerk für die Online-Enzyklopädie bedeutet, und wo es noch Herausforderungen gibt.

6. Eine künstliche Blondine spricht Nachrichten für Kuwait
(faz.net)
Die “Kuwait News” wollen ihre Nachrichten künftig von “Fedha” vorlesen lassen, einer virtuellen Sprecherin, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz geschaffen worden sei. Die Website, die zur englischsprachigen Zeitung “Kuwait Times” gehört, teste zurzeit das Potential von Künstlicher Intelligenz, um “neue und innovative Inhalte” zu liefern, so der stellvertretende Chefredakteur.

Von dusseligen Mächten verhängnisvoll gegoogelt

Wer die Zeile “Von guten Mächten wunderbar geborgen” googelt, dem wird in den Ergebnissen ganz oben angezeigt: “Von guten Mächten”, Lied von Glashaus, verfügbar bei Spotify, Deezer und Google Play Music. Soso.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig fügte einem Video, in dem sie gestern ankündigte, ihre Parteiämter auf Bundesebene (und nicht alle Ämter, wie Bild.de zwischenzeitlich behauptete) wegen einer Krebserkrankung niederzulegen, eben dieses Zitat bei: “Von guten Mächten wunderbar geborgen…” Darauf vertraue sie.

Die “Bild”-Zeitung vertraut dagegen aufs erste Google-Ergebnis. Der Redaktion zufolge zitiert Schwesig nämlich die Pop-Gruppe Glashaus:

Ausriss Bild-Zeitung - Auf Twitter zitierte sie aus einem Lied der Pop-Gruppe Glashaus das sie auch morgens beim Joggen hört: Von guten Mächten wunderbar geborgen, darauf vertraue ich

Tatsächlich aber stammt diese Zeile nicht von einer Pop-Band, sondern vom Theologen und Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime Dietrich Bonhoeffer, der das dazugehörige Gedicht in der Vorweihnachtszeit 1944 schrieb, wie man etwa in der Bonhoeffer-Biografie des Theologen Wolfgang Huber nachlesen kann. Bonhoeffer verfasste den Text während seiner Gefangenschaft im Gestapo-Gefängnis in Berlin und fügte ihn einem Brief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer an.

Es sollte sein letztes Gedicht sein, das der Nachwelt erhalten blieb. Und wohl auch das berühmteste. In Ermangelung einer Überschrift wurde es erst mit dem Titel “Neujahr 1945” veröffentlicht, später ging es dann mit dem Titel “Von guten Mächten” um die Welt, so Biograf Huber. Wenig später, am 9. April 1945, wurde Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg erhängt — auf direkten Befehl Hitlers, alle Mitverschwörer des Attentats vom 20. Juli 1944 hinzurichten, zu denen die Nazis auch Bonhoeffer zählten.

Heute kennen viele Bonhoeffers letztes Gedicht aus der evangelischen Kirche, wo es sich, unter anderem vertont von Siegfried Fietz, großer Beliebtheit erfreut. Die von “Bild” erwähnte Band Glashaus hat Bonhoeffers Werk 2009 recht schmalzig interpretiert.

Es wäre wahrlich nicht schwer gewesen herauszufinden, wer der wirkliche Urheber der Worte ist, die Manuela Schwesig gestern twitterte. Eine Alternative zum Runterscrollen bei den Google-Ergebnissen hätte übrigens ein kurzer Blick ins “Bild”-Archiv sein können: Erst vor drei Monaten berichtete die Redaktion über einen Tweet des thüringischen CDU-Landeschefs Mike Mohring, in dem dieser dieselben Worte Bonhoeffers zitierte — diesmal aber richtig eingeordnet durch das “Bild”-Team.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

“Compact”: Lesen, was andere sich nicht zu schreiben erdreisten

Es wäre zu kurz gegriffen, zu behaupten, “Compact” betreibe ausschließlich Hofberichterstattung für die AfD. Diese ist zwar ein wichtiges Standbein des Magazins. Das zeigte sich auch am Wahlabend in Sachsen-Anhalt, als der AfD-Spitzenkandidat André Poggenburg, bevor er sich anderen Journalisten stellte, zuerst mit “Compact”-Chefredakteur Jürgen Elsässer sprach, der ihn im eigenen Studio freundlich duzte und unterwürfigst Vorlagen lieferte. Aber “Compact” berichtet auch über andere Themen.

“Lesen, was andere nicht schreiben dürfen”, lautet eine der vielen Parolen, mit denen das Magazin für sich wirbt. Wie rebellisch. Und tatsächlich finden sich in “Compact” Geschichten, die man in der seriösen “Mainstreampresse” eher nicht finden wird. Allerdings nicht, weil das verboten wäre, wie “Compact” verschwörerisch mitklingen lässt. Vielmehr serviert “Compact” seinem Publikum Geschichten, für die andere sich in Grund und Boden schämen müssten.

Zum Beispiel die Story über das Zika-Virus. Laut “Compact”-Autor Michael Morris ist dieses nämlich Teil eines geheimen Plans zur Bevölkerungsreduzierung.

Michael Morris kennt sich mit den ganz großen Intrigen aus. Er veröffentlicht sonst im Amadeus Verlag Verschwörungsliteratur. Sein Herausgeber ist Jan Udo Holey, der es unter dem Pseudonym Jan van Helsing zu einiger Prominenz als rechter Esoteriker gebracht hat. Unter der großen Weltverschwörung machen es die beiden nicht.

Dabei schwadroniert Holey gern von Hitlers UFOs, deren Rückzug ins antarktische Neuschwabenland und arischen Außerdischen. Das klingt noch eher lustig, doch er zitiert auch ausgiebig aus richtig üblen, antisemitischen Pamphleten wie den “Protokollen der Weisen von Zion”. Holeys erste Schriften wurden indiziert.

Sein Schützling Michael Morris hat daher gelernt, sich in weniger angreifbaren Chiffren auszulassen, zum Beispiel über angebliche Machenschaften der Rothschild-Familie oder darüber, wie ein “westliches Bankenkartell den Goldhandel kontrolliert”. Seine Bücher tragen Titel wie “Was Sie nicht wissen sollen” und führen, wie der Verlag schreibt, “anschaulich aus, wie eine kleine Gruppe von Bankiers dabei ist, durch Wirtschafts- und Währungskriege die totale Herrschaft über die Welt zu erlangen”.

In seinem Artikel über das Zika-Virus vermischt Morris nun eine Geschichte, die ursprünglich in einem Sub-Reddit für Verschwörungstheorien auftauchte, mit schon länger kursierender Panikmache mancher Impfgegner. Das Virus soll mit genveränderten Mücken aufgekommen sein — Überschrift:

Der Artikel steht übrigens im Politikteil, nicht in irgendeinem Aluhut-Ressort, wie es etwa Bild.de mit “Bild Mystery” betreibt.

“Compact” muss sich für sein Schauermärchen nicht direkt bei Reddit bedient haben, sondern könnte auch von Krawallmedien wie der Daily Mail, Russia Today oder Fox News inspiriert worden sein. Auch dort wird die These verbreitet, gentechnisch veränderte Stechmücken seien für den Zika-Ausbruch verantwortlich.

Die veränderten Mücken gibt es tatsächlich. Ziel der Technik ist es, dass transgene männliche Mücken Nachkommen zeugen, die in freier Natur nicht überleben können, und so die Population reduziert wird. Michael Morris setzt ganz auf die alarmierende Wirkung, die das Thema Gentechnik bei vielen Lesern auslöst. Einmal gesetzt, scheint er zu glauben, mit allem durchzukommen.

Denn interessanterweise prüft das Magazin, das sich ganz dem Kampf gegen die “Lügenpresse” verschrieben hat, die Behauptungen offenbar nicht besonders kritisch. Sie passen eben zu gut ins paranoide Weltbild.

Gut, dass sich statt ihnen andere diese Arbeit machen. Die Fact-Checking-Plattform der Tampa Bay Times “Politifact” lässt schnell die heiße Luft aus der Geschichte:

We wondered if there is any truth to the notion that Zika is being spread by transgenic mosquitoes.

In a word, no. Epidemiologists told us the rumor is baseless. The mosquitoes in question wouldn’t have been capable of starting the outbreak in 2015, and the geographic correlation offered doesn’t hold up.

Zeit und Ort des Zika-Ausbruchs passen, anders als behauptet, nicht zu den Feldtests, die bisher mit transgenen Gelbfiebermücken stattfanden. Diese wurden viele Moskitoleben vorher in weiter Entfernung durchgeführt. Auch sonst gibt es keine Belege für einen Zusammenhang zwischen dem Virus und der Gentechnik. Das Zika-Virus ist auch nicht neu, sondern seit etwa 70 Jahren bekannt, die Bausteine der DNS wurden erst 20 Jahre später entschlüsselt.

Michael Morris ist die ursprüngliche Verschwörungstheorie aber noch nicht genug. So fragt er etwa:

Wieso überträgt er [der Moskito] nun statt dem Dengue-Virus vorwiegend das Zika- und das Guillain-Barré-Virus (…)?

Die richtige Antwort lautet: Die Mücke überträgt nach wie vor das Dengue-Virus, über 1,5-Millionen Fälle zählten die brasilianischen Behörden 2015 (pdf der Pan American Health Organization). Das eine Guillain-Barré-Virus gibt es außerdem nicht, bekannt ist nur das Guillain-Barré-Syndrom, für das verschiedene Viren als Auslöser infrage kommen.

Das könnte man noch als schlampige Recherche abtun. Wirklich kreativ wird Morris aber mit folgender Wendung, die für ihn auf der Hand liegt, weil die Bill & Melinda Gates Foundation auch Versuche der Firma Oxitec mit transgenen Gelbfiebermücken unterstützte:

Bill Gates hatte bereits 2009 während eines Vortrags im Rahmen der TED-Konferenz scherzhaft Malaria-Mücken im Publikum freigesetzt, was alle Anwesenden noch für einen Spaß hielten. Doch mit dem Mann ist nicht zu spaßen. Er und seine Freunde, wie Rupert Murdoch, Zbigniew Brzezinski und Ted Turner, sind bekannt dafür, die Weltbevölkerung drastisch reduzieren zu wollen, und Gates betonte immer wieder, dass Impfstoffe dafür am besten geeignet wären.

Dem Monster, das Clippy die Büroklammer auf die Menschheit losgelassen hat, ist eben alles zuzutrauen.

Und seinen Geschäftssinn hat Bill Gates wohl auch verloren. Er soll also im Besitz eines ominösen Verhütungsmittels sein, das er aber nicht vermarktet, um dadurch noch reicher werden, obwohl es scheinbar bequemer als Pille, Spirale und Kondom anzuwenden ist. Außerdem verbreitet er für diesen genial-gemeinen Plan erst das Zika-Virus, für das es noch gar keinen Impfstoff gibt, statt sein Zaubermittel gängigen Schutzimpfungen beizumischen.

Und dann gibt er auch noch selbst zu, dass Impfungen beitragen sollen, das Bevölkerungswachstum zu verlangsamen:

Bei der TED-Konferenz im Jahr 2010 führte er [Bill Gates] aus: “Auf der Erde leben heute 6,8 Milliarden Menschen (…), diese Zahl wird auf ungefähr neun Milliarden anwachsen. Wenn wir nun bezüglich neuer Impfstoffe, im Gesundheitswesen und in der Fortpflanzungsmedizin wirklich gute Arbeit leisten, können wir diese um ungefähr 10 bis 15 Prozent verringern.”

Potzblitz! Jetzt hat die Spürnase Michael Morris den Multimillionär aber überführt, oder?

Damit das Zitat zum Geständnis wird, muss Morris den Kontext weglassen. Bill Gates spricht sich hier nicht dafür aus, Menschen per Impfung ohne deren Wissen unfruchtbar zu machen. Er wirbt vielmehr dafür, die medizinische Versorgung zu verbessern. Denn dann, so seine Hoffnung, könnten Entwicklungsländer sich ähnlich wie die Erste Welt verhalten. Dort hat sich gezeigt, dass die besseren Gesundheitssysteme dazu führen, dass weniger Kinder sterben und alte Menschen nicht ausschließlich auf die Fürsorge ihres Nachwuchs angewiesen sind. Kinder zu zeugen ist dann keine Notwendigkeit mehr und Familien werden planbar, weshalb sich mehr Leute gegen Kinder entscheiden. Auch rechnet sich die Gates Foundation dadurch keinen Reduktion der Weltbevölkerung aus, wie die Verschwörungstheoretiker behaupten, weil in der Formulierung auch ein bisschen Völkermord mitschwingt. Sie erwartet nur ein langsameres Wachstum.

So zerfällt die Geschichte von “Frankensteins Killer-Moskito” bei näherer Betrachtung in das, was auch von den meisten anderen “Compact”-Geschichten bleibt, wenn man sich etwas genauer mit ihnen befasst: ein paar Krümel Wahrheit und ein riesiger Haufen Bullshit.

Für Sie geklickt (2)

Für die kniffligen Fragen des Lebens gibt es bei Bild.de das Ressort “Mystery”. Seit Jahren werden dort die spannendsten aller Geschichten erzählt, nahezu jede Schlagzeile der absolute Oberwahnsinn.

Wie? Kennen Sie gar nicht?

Macht nichts. Denn wir haben erneut unsere Task-Force losgeschickt. Wir klicken für Sie. Damit Sie Lebenszeit und Gehirnzellen sparen — und trotzdem immer auf dem neuesten Stand bleiben!

Heute: das Mystery-Ressort von Bild.de.

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Hat die NASA hier einen Alien entdeckt?
Zeigt diese Aufnahme einen Außerirdischen?
Versteckt sich in der Mona Lisa ein Alien?
Beweist diese Sternenkarte, dass Aliens existieren?
Ist das eine fliegende Untertasse?
Fliegt hier ein Ufo vorbei?
Fliegt hier ein Ufo am Vulkan vorbei?
FLiegt hier ein Ufo an einem Asteroiden vorbei?
FLiegt hier ein UFO neben der ISS?
Parkt hier ein UFO neben dem Merkur?
Haben hier die Aliens das Licht angeknipst?
Besuchen Aliens die Erde als Touristen?
Filmt ein Ami hier ein Ufo?
Sehen wir hier ein Alien?
Ist das ein Alien?
Beamt hier ein Ufo Aliens auf die Erde?
Wurde in Guatemala ein Schweine-Alien geboren?
Ist das hier ein Amazonas-Alien?
Inka-Alien in Peru entdeckt?
Wurde die Cheops-Pyramide von Aliens erbaut?
Umkreist ein Alien-Satellit die Erde seit 13000 Jahren?
Verhandelte US-Präsident Eisenhower mit Aliens?
Traf Neil Armstrong auf Aliens?
Hat schon Gagarin Aliens gesehen?
Hat Goethe ein Raumschiff gesehen?
Sah ein biblischer Prophet ein Ufo?
Rast hier ein Ufo mit 6500 km/h über Chile?
Kreisen hier Aliens über Kanada?
Ufo über England gesichtet?
Schwebt hier ein UFO über dem Jerusalemer Tempelberg?
Ufos über New York?
Tanzen Ufos über Honolulu?
Fliegen hier etwa Ufos über Krefeld?
Tarnt sich hier ein UFO über Melbourne?
FLiegen hier Ufos über Danzig?
Ufos über Hamburgs Norden?
Außerirdischer Besuch? Ufo über dem Vatikan gefilmt
Fliegende Pyramide über dem Kreml gefilmt?
Grüßen Aliens am Brandenburger Tor?
Ist in der Ostsee ein Ufo gelandet?
Alien in Australien gefilmt?
Gibt es eine Ufo-Basis auf dem Mond?
Haben Außerirdische Apollo 17 beobachtet?
Zeigt Google Maps einen UFO-Abdruck im ewigen Eis?
Überholt hier ein Ufo ein Ryanair-Flugzeug?
Beobachten Aliens die ISS?
Wurde hier ein Alien beigesetzt?
Hat dieser Junge ein Ufo fotografiert?
Explodiert hier ein UFO?
Gibt es auf der Insel eine geheime UFO-Basis?
Fliegt hier ein Alien-Mutterschiff?
Fliegt hier eine Ufo-Armada durch die Nacht?
Ist diese Münze der Beweis für einen Alien-Besuch?
Aliens bei der Obama-Vereidigung?
Gucken Aliens hier Olympia?
Ist das etwa der Fingerabdruck eines Aliens?
Alien-Baby in Tierfalle gefangen? Es lebte noch
Flugscheibe auf dem Merkur gefunden?
Riesiges Alien-Raumschiff auf dem Mond entdeckt?
Mond-Station für Alien-Raumschiffe entdeckt?
Jagt hier ein Kampfjet ein echtes Ufo?
Zeigt dieses Video ein echtes Alien?
Mega-Experiment im All - haben Aliens die Venus versetzt?
Raumsonde Voyager von Aliens entführt?
Wird hier ein Alien angebetet?
War es die Rache der Aliens?
Zeigt dieses Video Aliens im Anflug?
Beweis für Alien-Besuch auf der Erde entdeckt?
Alien-Stadt auf dem Mars entdeckt?
Wachsen da etwa Bäume auf dem Mars?
Versteckt sich hier eine Alien-Krabbe auf dem Markt?
Ist das ein Denkmal auf dem Mars?
Ist das ein Schädel auf dem Mars?
Ghandi-Gesicht auf dem Mars?
Steht hier ein Kreuz auf dem Mars?
Liegt da ein abgehacktes Bein auf dem Mars?
Überwachen uns Aliens mit Funk-Implantaten?
Läuft hier ein Alien durchs Fernsehbild?
Beamt hier ein Ufo eine Kuh in die Luft?
Suchen die Außerirdischen nach dem toten Baby-Alien?
Haben Außerirdische den Windrad-Flügel geklaut?
Verschweigt China den Ufo-Beweis?
Hat sich hier ein Alien-Geist auf das Sefie geschmuggelt?
Beobachten Aliens die ISS?
Kriegt Nessie hier gerade Besuch von Außerirdischen?
Zeigten Kornkreise Hitlers Bombern den Weg?
Haben die noch alle fliegende Untertassen im Schrank?

Vielleicht ja, vielleicht nein. Wahrscheinlich nein. Aber wer weiß?

***

Bitte. Gern geschehen.

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