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Heinze, Finanzen100, Kuba

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Tatort ARD”
(sueddeutsche.de, Nicolas Richter und Hans Leyendecker)
Der NDR trennte sich am Donnerstag von Doris J. Heinze, gemäss “Süddeutscher Zeitung” eine “sehr einflussreiche Leiterin der Fernsehfilmabteilung”: “Die 60-Jährige hatte jahrelang ein System der Vetternwirtschaft betrieben.”

2. “Wir machen es (uns zu) einfach”
(print-würgt.de, Michalis Pantelouris)
Michalis Pantelouris hat “noch nie so viel Gejammere gehört wie in der letzten Zeit”: “Wir sind nicht auf Kuba. Kein Staat, kein Verleger und keine materielle Not hindern uns daran, geilen Journalismus zu machen. Und wenn ich als Freier mir angucke, wie früh manche festangestellte Redakteure nach Hause gehen, dann fehlt uns nicht einmal die Zeit.”

3. “Sterbende Zeitungen: Verschwindet endlich die Journaille?”
(konkret-verlage.de, Michael Hahn)
“Konkret”, nach eigenen Angaben “die einzige linke Publikumszeitschrift Deutschlands”, schreibt über die Zeitungskrise: “Daß Journalisten massenhaft entlassen werden, hat schon in den boomenden neunziger Jahren begonnen, als immer mehr Verlage an die Börse gingen oder von großen Konzernen aufgekauft wurden. So ist die Redaktion der ‘Los Angeles Times’ heute nur noch halb so groß wie vor 15 Jahren.”

4. “Finanzen100: Was Google kann, können wir auch”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Finanzen100, ein neues Finanzportal der Burda-Tochter Tomorrow Focus, wird als “Kernangebot zunächst aggregierte Informationen aus fremden Quellen” anbieten. Thomas Lückerath fragt nach der Doppelmoral – hatte doch Verleger Hubert Burda noch letzten Monat derartige Vorgehensweisen bei Google angeprangert und sogar Geld dafür gefordert.

5. “Online-Kommentare: Mehr löschen oder nicht?”
(30jahre.taz.de, Sebastian Heiser)
Die “taz” weiß nicht recht, ob sie mehr oder weniger Leser-Kommentare online gehen lassen soll und stellt Meinungen von Lesern dazu zur Diskussion. Eine lautet: “Gustave Flaubert habe einmal gesagt, er sei gegen die Einführung der Eisenbahn, weil sie es noch mehr Leuten gestatte, zusammenzukommen und zusammen dumm zu sein. Womit alles wesentliche zum Internet (und erst recht zu all seinen Mitmachfunktionen) gesagt ist.”

6. Der geduldigste Reporter
(break.com, Video, 2:20 Minuten)
Aus Prag berichtet ein Journalist mit Nerven aus Stahl. Ein echter Profi.

Fleißig weglassen, bis wir fleißig sind

Immer dann, wenn wir in Deutschland mal was nicht so richtig gut können, verweisen wir gerne darauf: Vielleicht sind wir nicht die Ästheten des Planeten, aber immerhin voll fleißig. So gesehen waren das sehr beruhigte Schlagzeilen in den vergangenen Tagen:

Der angebliche “Fleiß” berechnet sich dabei danach, wie viele Stunden die deutschen Arbeitnehmer im Schnitt pro Woche leisten — und zwar nicht die tariflich vereinbarte Zeit (danach liegt Deutschland mit 37,6 Stunden relativ weit hinten im europäischen Vergleich), sondern die tatsächliche Zeit. Die liegt, weil häufig mehr als tariflich vereinbart gearbeitet wird (aus welchen Gründen auch immer), in Deutschland angeblich bei 41,2 Stunden pro Woche. Und das reicht immerhin zu einem siebten Platz unter den 27 EU-Ländern.

Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die die Arbeitszeit nicht über die Woche, sondern über das ganze Jahr betrachtet. Weil die Deutschen mehr Urlaub und Feiertage haben als die meisten Länder, liegt Deutschland plötzlich weit hinten — weshalb die “FAZ” sogar titelte: “So fleißig sind die Deutschen doch nicht”. Nur Schweden, Dänen und Franzosen haben danach noch geringere Arbeitszeiten als die Deutschen. Diese Rechnung hat nur wieder den Haken, dass sie von den tariflichen und nicht den tatsächlichen Arbeitszeiten ausgeht.

Rechnet man die tatsächlichen Wochenarbeitszeiten aufs Jahr hoch und zieht die Urlaubs- und Feiertage ab, stellt man fest, dass der “Fleiß” der Deutschen fast exakt dem EU-Durchschnitt entspricht. Ein ziemlich unspektakuläres Ergebnis.

Und wie kommt es, dass trotzdem so viele Medien die Geschichte von den “fleißigen Deutschen” verbreiten? Die Studie der EU, die dem Ganzen zugrunde liegt, wurde weitgehend unbemerkt von der deutschen Presse schon am 24. Juli veröffentlicht. Sie enthält eine Vielzahl von Daten über Arbeitszeiten, auf Jahr und auf die Woche bezogen, tatsächlich und tariflich.

Und obwohl die Studie frei im Netz verfügbar ist, haben sich die meisten Agenturen, Zeitungen und Online-Medien die differenzierten Werte gar nicht angesehen, sondern stattdessen auf eine Vorabmeldung der “Welt” verlassen, die besonders die hohe Wochenarbeitszeit betonte. (Bild.de fantasierte sogar, der Bericht läge der “Welt” “exklusiv” vor.) Und so behaupteten die Agenturen noch in der Nacht unter Berufung auf die “Welt”:

Studie: Deutsche arbeiten länger (dpa)

Studie – Deutsche arbeiten im EU-Vergleich deutlich länger (Reuters)

Arbeitnehmer in Deutschland im EU-Vergleich mit langer Arbeitszeit (AP)

Deutsche arbeiten 41,2 Stunden – Mit an der Spitze im EU-Vergleich (epd)

Es dauerte bis zum Freitagmittag, bis die Agentur AFP die gute Idee hatte, sich nicht auf die “Welt” zu verlassen, sondern die Studie selbst auszuwerten, und entsprechend differenziert meldete: “Deutsche arbeiten viel – haben aber auch viel Urlaub”. Am Nachmittag zog endlich auch dpa nach mit einer Meldung, in der die Agentur erstmals die verhältnismäßig kurze Jahresarbeitszeit erwähnte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Mär vom Beweis für den Fleiß der Deutschen längst die Runde gemacht. Und was soll’s, dass die Geschichte nicht ganz stimmt: Sie liest sich doch viel knackiger.

Mit Dank an Steffen P.,  Gerrit L. und Ralf B.!

Bild, sid  

Luca Toni? Ich glaub, et hackt!

Man darf aber auch wirklich nichts glauben, was so im Internet steht:

Hacker-Attacke auf die Homepage: Luca Toni beim BVB eingeschmuggelt

Bild.de berichtete gestern über eine “Hacker-Attacke” auf die Website des Fußballbundesligisten Borussia Dortmund (in der Printausgabe war es gar eine “dreiste Hacker-Attacke”): Dort waren in der Rubrik “Mannschaft” für kurze Zeit die Daten des Bayern-Stürmers Luca Toni zu sehen gewesen.

Alles nur ein Scherz. Ein Unbekannter war wohl in den Server eingedrungen und hatte die Falschmeldung auf der Homepage platziert.

Was Bild.de nicht schrieb: Dort wären nicht nur Tonis Daten zu finden gewesen, sondern die jedes beliebigen Bundesliga-Spielers seit 1965. Die IT-Abteilung von Borussia Dortmund erklärte uns auf Anfrage, dass die angezeigten Daten aus einer externen Datenbank stammten, in der jeder Spieler eingetragen ist, der jemals in der Bundesliga gespielt hat.

Wenn man die Pfadangabe im Browser entsprechend veränderte, konnte man diese Daten auf der BVB-Website sehen. Mitglieder eines BVB-Fanforums hatten am Mittwoch genau das zur gegenseitigen Erheiterung getan — unter anderem mit Christopher Katongo, dem längst verstorbenen Hans Auernhammer und eben Luca Toni.

Auch der Hinweis “Die unterschriebene Autogrammkarte von Luca Toni liegt leider noch nicht vor, wird aber so schnell wie möglich nachgeliefert…” hätte sich (natürlich mit entsprechendem Namen) bei jedem Spieler gefunden, der nicht beim BVB unter Vertrag steht.

Wäre das Laden von externen Inhalten ein Hacker-Angriff, hätte Bild.de vor zwei Jahren auch einen gehabt. Also nichts mit einer “Falschmeldung auf der Homepage” oder “einem Unbekannten”, der “in den Server eingedrungen” war. Vor allem aber auch nichts mit einer solchen Montage:

Luca Toni auf der BVB-Homepage. Er muss in der neuen Saison bei den Bayern um seinen Stammplatz zittern. Trotzdem ist der Italiener, hier als Montage im BVB-Trikot, für die Borussen kein Thema

Die hatte Bild.de der Einfachheit halber in Ermangelung spannender Fotos nämlich gleich selbst gemacht.

Das wiederum war dem Sportinformationsdienst (sid) nicht klar, als er gestern nicht nur die Behauptung vom Hackereingriff weiterverbreitete, sondern ihr auch noch die völlig falsche Überschrift “Hacker zieht Toni BVB-Dress an” gab.

Und damit war die Geschichte nicht mehr aufzuhalten: Sie stand beim Sportportal spox.com, auf Handelsblatt.com und Focus.de und unter einer anderen sid-eigenen Überschrift bei 11freunde.de. Für die Netzeitung handelt es sich um “eine höchst peinliche Angelegenheit” und die niederländische Website “Soccerway” überspannt den Bogen gleich richtig:

“Luca Toni joins Borussia Dortmund, it’s official.” This is the news many German fans woke up to this Friday, only to find out that it had all been the work of a rather inventive hacker.

The headline appear on the official website of Borussia Dortmund. To add to the hoax, the hacker included a picture of Toni wearing a Borussia jersey.

Das schwedische “Aftonbladet” bebilderte seine Meldung zum Thema gleich mit einem Screenshot von Bild.de und auch die renommierte italienische Sportzeitung “Gazzetta dello Sport” ließ es sich nicht nehmen, über den “Fall” zu berichten.

Mit Dank an die Hinweisgeber.

Nachtrag, 25. Juli, 00:15 Uhr: Bild.de hat sich zu einer kleinen (jetzt natürlich etwas späten) Überarbeitung der Bildunterschrift entschieden, den Rest des Artikels aber unverändert gelassen:

Luca Toni auf der BVB-Homepage. Er muss in der neuen Saison bei den Bayern um seinen Stammplatz zittern. Trotzdem ist der Italiener, hier als BILD-Fotomontage im BVB-Trikot, für die Borussen kein Thema

Nachtrag, 27. Juli: Bereits am Samstag hat “Welt Online” (wo man die Geschichte vom Hacker-Angriff auch verbreitet hatte) in einem Artikel klargestellt, was wirklich geschehen ist.

Alle anderen hier verlinkten Medien bleiben nach wie vor bei ihrer Darstellung — bzw. der von “Bild” und dem sid.

Droste, Newsnetz, Robson, Barber

1. “Für ein paar Anzeigen”

(fr-online.de, Heinz Tutt)

Heinz Tutt bringt etwas Licht in die Beziehung zwischen dem Focus und dem Bundesland Nordrhein-Westfalen, dessen Regierungssprecher (nach einer Beschwerde der WAZ über kritische Berichterstattung) einen Brief schrieb an den Chefredakteur des Focus: “Ein ranghoher Mitarbeiter in der Staatskanzlei bestätigte den Inhalt der WAZ-Beschwerde: ‘Es kann doch nicht sein, dass Focus-Spezial vom Land finanziert wird und dann gleichzeitig NRW-Unternehmen angeschossen werden.'”

2. “Matthew und wie er die Welt sah”

(blog-cj.de, Christian Jakubetz)

Christian Jakubetz beschäftigt sich mit den “acht DIN A4-Seiten” des 15-jährigen Matthew Robson: “In seinem Bekanntenkreis gebe es keinen einzigen Zeitungsleser, zumindest keinen, der für eine Zeitung bezahlt. Die Gründe sind so einleuchtend und banal zugleich, dass es den Verlagen vermutlich die Tränen in die Augen treibt.”

3. Wiglaf Droste, Stadtschreiber zu Rheinsberg

(dradio.de, Joachim Scholl)

Was ist eigentlich mit dem ehemaligen taz-Mitarbeiter Wiglaf Droste? Er geniesst das Landleben in Brandenburg und kann nur “hoffen, dass es gelingt, wenn man auf andere Weise lebt, die Art und Weise, wie man hier den Tag anfängt, dass man den Kopf wirklich sehr lange erst mal medienfrei hält, nichts hineintut, was da in einen frischen Kopf noch nicht hineingehört, sondern erst mal wirklich guckt, was der liebe Gott, den man einen guten Mann sein lässt, über Nacht wieder angestellt hat und sich dann ganz langsam diesem Paralleluniversum zuwendet, das manche Leute die Realität nennen.”

4. “Wie der Rhythmus der Nachrichten entsteht”

(spiegel.de, Markus Becker)

“Wie schnell wird eine Nachricht zur Top-Meldung, wann verschwindet sie wieder? Forscher haben eine einzigartige Studie vorgelegt: Drei Monate lange verfolgten sie Millionen Artikel anhand markanter Zitate. So erfassten sie den Puls der Medien – mit überraschenden Ergebnissen.”

5. Noch ein Jahr bis Paid Content

(guardian.co.uk, John Plunkett)

Lionel Barber, Chefredakteur der Financial Times, glaubt, dass es nur ein Jahr geht, bis “fast alle” News-Websites Geld für ihre Inhalte verlangen.

6. “Unsäglich rüpelhafte Zoten im Newsnetz der Tamedia”

(thinkabout.ch)

“Dass sich die Tamedia-Erzeugnisse nicht zu schade sind, im Stil vieler anderer Zeitungen ebenfalls wie tratschende Weiber Gerüchte weiter zu verbreiten, ja, sie regelrecht zu sammeln, ist eines. Dass die Titel und Schlagzeilen längst den reisserischsten Boulevard-Standards Konkurrenz machen, ist ganz offensichtlich Absicht – und wird dazu führen, dass sich weitere Leser verabschieden werden.”

Bild.de  etc.

Kräht der Zapfhahn auf dem Mist…

“Bad news is good news”, sagt der Journalist. Insofern lautet derzeit die gute Nachricht:

Das Bier wird teurer

(Screenshot: dpa-Meldung im Bild.de-Wirtschaftsressort, siehe auch: sueddeutsche.de, Focus.de, Handelsblatt.com u.a.)

Biertrinker müssen sich auf höhere Preise einstellen. Angesichts gestiegener Rohstoffkosten etwa beim Malz und des sinkenden Absatzes stünden die Brauereien unter Druck, sagten Vertreter des Deutschen Brauer-Bundes am Donnerstag in Darmstadt.

Und jetzt die schlechte:

Bier wird nicht teurer

(Screenshot: ddp-Meldung im Bild.de-Newsticker, siehe auch: rp-online.de, pfaelzischer-merkur.de u.a.)

Deutschlands Biertrinker müssen nicht mit steigenden Preisen rechnen, obwohl die Rohstoffpreise gestiegen sind. Zurzeit seien Preiserhöhungen kaum zu realisieren, sagte der Präsident des Deutschen Brauer-Bunds, Wolfgang Burgard, in Darmstadt.

P.S.: Zum Wohle unserer Leser werden wir natürlich baldmöglichst einfach mal beim Brauer-Bund nachfragen, was denn jetzt stimmt.

Mit Dank an Jan-Dirk S., Benjamin Z., Theo W., Stephan F. und Mark F.

Nachtrag, 13.57 Uhr: Marc-Oliver Huhnholz, Sprecher des Brauer-Bundes, sagt uns auf Anfrage, der Brauer-Bund hielte es zwar für gerechtfertigt, wenn das Bier in Deutschland teurer würde, aber:

“Wir gehen nicht davon aus, dass es flächendeckend zu Preiserhöhungen kommt.”

Anders gesagt: Nachdem inzwischen ausgerechnet die korrekte Meldung (“nicht teurer”) aus den Bild.de-Newsticker gerutscht ist, ist wohl das, was beispielsweise bei Bild.de übrig bleibt und gestern sogar die Startseite zieren durfte, falsch.

Gut erhaltenes Hochhaus (fast) zu verschenken

Sie haben zufällig ein paar Euro auf der hohen Kante? Wir hätten da einen Anlagetipp, der ist mindestens so seriös wie das, was Sie in Banken angeboten bekommen: Kaufen Sie doch mal ein Hochhaus — sowas gibt’s momentan ganz besonders günstig. Aktuell beispielsweise: Hochhaus in allerbester Lage in New York City, wenige Schritte vom Museum of Modern Art entfernt, Central Park in unmittelbarer Reichweite, 40 Stockwerke für nur sagenhafte 100.000 Dollar. Ein echtes Schnäppchen, greifen Sie zu: Das komplette Stockwerk für gerade mal läppische 2.500 Dollar! Wenn Sie bitte vergleichen wollen: Dafür bekommen Sie in München eben mal einen Quadratmeter Eigentumswohnung, aber auch nur dann, wenn Sie Glück haben und nicht gerade in bester Lage wohnen wollen.

Sie misstrauen diesem Angebot ein wenig? Recht haben Sie, denn das, was die “Süddeutsche Zeitung” heute mit dem Zusatz: “kein Einzelfall” groß berichtet (und außerdem die Online-Kollegen von der “Neuen Zürcher Zeitung”, “Focus”, “Rheinischer Post” und “20 Minuten”) — ist natürlich blanker Unsinn.

Das Hochhaus, das gerade in New York verkauft wurde, ist zwar nicht mehr die 500 Millionen wert, die es mal gekostet hat. Einen Preisverfall von rund 99,8 Prozent muss man aber nicht mal in dieser Krise befürchten.

Tatsächlich war die Geschichte so, dass der bisherige Eigentümer einen bestehenden Kredit nicht mehr bedienen konnte. Der Deal, auf den sich der Käufer des Gebäudes einließ, war der folgende: Man bot als Kaufpreis lediglich das Mindestgebot von 100.000 Dollar, verpflichete sich aber zugleich zur Übernahme der auf dem Gebäude lastenden Hypothek. Das sind stolze 240,1 Millionen Dollar (im Detail ist das hier nachzulesen).

Dieser nicht ganz unwesentliche Teil, der aus einem Schnäppchen dann doch eine schwere, nun ja: Hypothek macht, fehlt in der Meldung, die die Nachrichtenagentur AP über den Verkauf verbreitete. Und die “Süddeutsche” und die anderen schienen nicht einmal zu stutzen über das unglaubliche Angebot.

Ist es übrigens dann tröstlich, wenn auch amerikanische Blätter nachdrucken ohne nachzudenken?

Mit Dank an O.S.!

Nachtrag, 11. Juni: In allgemeiner Form findet sich in den Meldungen doch ein Hinweis auf die Hypotheken. Im drittletzten Absatz heißt es: “Deshalb verkaufen sie die Bürohochhäuser teils erheblich unter Wert mit der Bedingung, dass der Käufer die damit verbundene enorme Schuldenlast übernimmt.” Danke an den Hinweisgeber!

Guardian, BNO News, Markwort

1. Zu Besuch beim “Guardian”
(blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer besucht den “Guardian” in London und ist angetan: “So werden Medienhäuser der Zukunft aussehen”. Vor allem die Audio- und Video-Infrastruktur des “Guardian” sei aussergewöhnlich gut ausgebaut.

2. Wie ein Niederländer etablierte Nachrichtenagenturen aufmischen will
(axel-springer-akademie.de, Thomas Wanhoff)
Michael van Poppel kennt wohl kaum jemand, sein Twitter-Dienst @breakingnews wird hingegen von 330.000 Abonennten gelesen. Und der gelernte Journalist plant Grosses: BNO News soll profitabel und zu einem vollwertigen Nachrichtendienst ausgebaut werden.

3. Uli Hoeness, Helmut Markwort und die Internet-Situation
(probek.net, Kai Lorentz)
Bayern-Manager Uli Hoeness spricht im “Sonntags-Stammtisch” des Bayrischen Rundfunks über die Gefahren des Internets und hätte wohl besser geschwiegen. Und Focus-Chef Helmut Markwort hält so ziemlich alle, die im Internet publizieren (und nicht für klassische Medien schreiben) für “Narren die an Klowände schreiben”.

Read On…

Aus BILDblog wird BILDblog für alle

Nicht erschrecken: BILDblog verändert sich. Aber wir bleiben uns treu.

Aus BILDblog wird am Montag BILDblog für alle. Wir schauen über “Bild” hinaus und nehmen uns auch anderer Medien an. Sie haben es sich verdient.

Es ist nicht so, dass uns der Stoff ausgegangen wäre. Wir haben zwar den Eindruck, dass die Zahl der besonders krassen Lügengeschichten in “Bild” seit einiger Zeit zurück gegangen ist; der neue Unterhaltungsschef scheint weniger auf erpresserische Methoden bei der Informationsbeschaffung zu setzen, und Bild.de ist nicht mehr ganz das Schleichwerbeportal, das es einmal war.

Andererseits spricht wenig dafür, dass “Bild” im Kern eine bessere Zeitung geworden wäre und plötzlich Respekt vor so abwegigen Dingen wie der Wahrheit oder den Persönlichkeitsrechten von Menschen entwickelt hätte.

Aber es ging uns nie nur um die “Bild”-Zeitung, sondern um ihre Macht als (trotz allem noch) viel gelesenes und für wichtig genommenes Leitmedium. Von Anfang an stand über unserer Arbeit der Satz: “Was heute in ‘Bild’ steht, steht morgen überall”. In den vergangenen viereinhalb Jahren haben wir eine Menge darüber erzählt, was so “in ‘Bild'” steht. Jetzt haben wir Lust, uns dem “überall” zuzuwenden.

Beim Amoklauf von Winnenden zeigte nicht nur die “Bild”-Zeitung mit ihrer Mischung aus Schlampigkeit und Skrupellosigkeit ihr wahres Gesicht. Auch die Berichterstattung vieler anderer Medien über dieses Ereignis war erbärmlich. Am Sonntag versuchte die “Bild am Sonntag”, mit privaten Bildern der Opfer auf der Titelseite Auflage zu machen — am Montag erschien der “Focus” mit fast identischem Cover. Fernsehsender überschritten viele Grenzen. Die “Welt am Sonntag” veröffentlichte ein großes Foto von einem Jungen und erweckte den Eindruck, es handele sich um den Attentäter — dass es sich nur um einen unschuldigen Besucher der Trauerfeier handelte, stellte das Blatt auch im Nachhinein nicht klar; Nachfragen ignorierte der Chefredakteur Thomas Schmid einfach.

Es gibt viele Beispiele dafür, wie deutsche Medien ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Oft fehlt es schon an der schlichten Bereitschaft, eigene Fehler zu korrigieren. Sinkende Werbeerlöse und der Medienumbruch bedrohen gerade die Qualität: Die Verlockung wächst, mit Schleichwerbung die Einnahmen aufzupeppen; oft fehlt es an Geld oder Personal, um nicht nur Texte von Kollegen oder PR-Leuten abzuschreiben, sondern selbst zu recherchieren. Noch nie war es so leicht für Falschmeldungen, in kurzer Zeit weite Verbreitung zu finden.

Was wir dagegen setzen wollen, ist dasselbe wie bisher: Aufklärung. Wir glauben, dass es hilft, die Fehler und Abgründe öffentlich zu machen — die kleinen Pannen und die große Desinformation. Damit deutlich wird, wie wichtig es ist, in Qualität zu investieren.

Im vergangenen Dezember haben wir das Konzept “BILDblog für alle” schon einmal ausprobiert und unter anderem berichtet, wie die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” im Reiseteil für die Lufthansa wirbt und “Spiegel Online” im Autoteil für Audi, wie der “Remscheider General-Anzeiger” an dem Versuch scheitert, über HIV und Aids aufzuklären, und wie der “Spiegel” die Geschichte klittert, um Stimmung für ein Konjunkturprogramm zu machen. An diesen Versuch wollen wir ab Montag anknüpfen. Und wir sind dabei, wie schon bisher, auf Ihre Mithilfe angewiesen. Bitte unterstützen Sie uns durch “sachdienliche Hinweise”, wenn Ihnen Fehler und Falschmeldungen auffallen, in welchem Medium auch immer. Nach dem alten BILDblog-Motto: “Die kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme.”

Stefan Niggemeier und Lukas Heinser sind wie bisher dabei; neu ins Team kommt der freie Journalist, Blogger und Journalistenausbilder Christian Jakubetz. Den Namen BILDblog wollen wir beibehalten, weil er für die Art von unideologischer Medienkritik steht, die wir weiter pflegen wollen. Es ist zu befürchten, dass “Bild” darin auch in Zukunft eine tragende Rolle spielen wird.

Danke für die sensationelle Unterstützung in den vergangenen fast fünf Jahren! Wir hoffen, dass Sie uns gewogen bleiben.

 

Ebenfalls zum Thema:

Gewalt, Tages-Anzeiger, Web-Wörter

1. “Brüssel soll die Presse retten”

(faz.net, Hajo Friedrich)

“Der Europäische Verband der Journalistenverbände sieht angesichts der Medienkrise die Demokratie gefährdet. Grund genug für ihn, von der Europäische Union Hilfe zu fordern. Setzen die Medien dabei ihre Unabhängigkeit aufs Spiel?”

2. “Bündnis der Medien mit der Gewalt”

(heise.de/tp, Benjamin Laufer)

“Man kennt das von vielen Großereignissen sozialer Bewegungen: Die mediale Berichterstattung ist getrieben von Sensationslust, dramatisiert Gewalttaten und reduziert die gesamten Proteste gerne auf solche. Über die Inhalte der Protestierenden wird in verschwindend geringem Ausmaß berichtet.”

3. Interview mit Andreas Strehle und Markus Eisenhut

(tagesanzeiger.ch, Peter Wälty und Michael Marti)

Die neuen Chefs der Printausgabe des Tages-Anzeigers stellen sich den kritischen Fragen der Chefs online. Res Strehle: “Wir wollen mehr Eigenleistungen bringen. Mehr Glanzlichter setzen. Der Tages-Anzeiger kann nicht mehr eine Art Protokollführer des Zeitgeschehens sein, der über alles berichtet. Wir werden mehr gewichten, mehr Schwerpunkte setzen – und damit exklusive, aussergewöhnliche Leistungen erbringen.”

4. Berliner Kurier: Überfall auf die Redaktion

(berlinonline.de)

Die Redaktion der Boulevardzeitung Berliner Kurier wurde von mehreren Vermummten überfallen. “Ohne ein Wort zu verlieren, warfen die schwarz gekleideten Männer Tische um, zerstörten Computer und Arbeitsmaterial. Verletzte gab es nicht.” Eine Bildergalerie zeigt das Ausmass der Verwüstung.

5. “Wie bitte? Was sagen die da auf der Re:publica?”

(morgenpost.de, Sonja Haase)

Die Berliner Morgenpost erklärt zur heute beginnenden re:publica’09 “Spezialbegriffe”. Gemeint sind damit “Web-Wörter” von “Alpha Blogger” über “Posten” bis “Youtube”.

6. “Dodale Verandwordung”

(focus.de, Josef Seitz)

“Können die Zeiten hart werden, wenn der Wirtschaftsminister aus Franken kommt? Egal. ‘Beckmann’ spült eh alles weich.”

Wie “Bild” Dieter Althaus halb freispricht

Aufatmen, Erleichterung in Thüringen!

Mit diesen Worten beginnt die “Bild”-Zeitung heute ihren Bericht darüber, dass der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) von einem österreichischen Gericht wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Das ist angesichts der vielfältigen Kritik an dem Urteil und dem schnellen Verfahren (nur “Bild” spricht davon, dass Althaus nun “endlich” Gewissheit habe), eine erstaunliche Formulierung. Sie stimmt aber natürlich, wenn man “Thüringen” für gleichbedeutend mit der thüringischen CDU hält — wie es offenbar die “Bild”-Zeitung und ihr Autor Jörg Völkerling tun.

Und so macht sich “Bild” auch gleich die Interpretation der Partei zu eigen und erklärt schlichtweg:

Seiner Rückkehr in die Landespolitik steht damit nichts im Wege.

Aber die “Bild”-Zeitung (die Althaus bereits eine erstaunliche rückwirkende Wunderheilung bescherte) hat von der CDU nicht nur Perspektive und Interpretation übernommen. Die Überschrift über dem Artikel lautet:

Althaus ist schuldig, aber nicht vorbestraft

Doch das Gegenteil ist der Fall das ist in dieser Eindeutigkeit falsch. Das Bundesjustizministerium hat inzwischen bestätigt, dass Althaus als “vorbestraft” gilt, sobald das Urteil rechtskräftig ist. In Österreich verhängte Geldstrafen würden auch ins deutsche Bundeszentralregister eingetragen. In Althaus’ Führungszeugnis wird die Strafe allerdings nicht erscheinen, weil sie gerade noch unter der Geringfügigkeitsgrenze liegt.

Die Fehlinformation stammt offenbar von Leuten, die ein Interesse daran haben, sie zu verbreiten: der CDU-Thüringen. Deren Fraktionschef Mike Mohring hatte gestern behauptet, der Ministerpräsident sei nach österreichischem Recht nicht vorbestraft. Und ihr Sprecher Heiko Senebald verkündete, mit dem Urteil sei kein Eintrag in das Strafregister verbunden.

Agenturmeldungen, die diesen Äußerungen gestern schon widersprachen, hat “Bild” ignoriert und sich ganz in den Dienst der Partei gestellt. Immerhin scheint man heute gemerkt zu haben, dass der eigene Bericht nicht haltbar ist. Bei Bild.de erschien ein Artikel, der zwar sich zwar heillos in den unterschiedlichen Vorschriften über Einträge ins Strafregister und das Führungszeugnis verheddert und eine gewagte Interpretation der “umgangssprachlichen” Bedeutung des Wortes “vorbestraft” versucht. Die Überschrift aber lautet schlicht:

Dieter Althaus vorbestraft

Mit Dank an Lars S.!

Nachtrag, 5. März. Bild.de hat den “Dieter Althaus vorbestraft”-Artikel gelöscht, warum auch immer.

Nachtrag, 23.15 Uhr. Geklärt ist nach Ansicht von “Bild” heute immerhin, dass die Frage der Vorstrafe “geklärt ist”. In der gedruckten Ausgabe heißt es:

Geklärt ist auch: Das Urteil gegen Althaus (180 Tagessätze) gilt als Vorstrafe, die auch in sein deutsches Führungszeugnis aufgenommen werden kann.

Online lautet derselbe Absatz im selben Artikel vom selben Autor so:

Geklärt ist auch: Das Urteil gegen Althaus (180 Tagessätze) wird weder in Österreich noch in Deutschland in das polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen.

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