Suchergebnisse für ‘fakten’

Paradiespapiere, China-Geschäfte, NSU-Verschwörungs-Murks im ZDF

1. Das sind die Paradise Papers
(projekte.sueddeutsche.de)
Der “Süddeutschen Zeitung” wurden vertrauliche Unterlagen aus dem internationalen Briefkastenfirmen-Business zugespielt. Und zwar nicht ein paar Zettel, sondern 13,4 Millionen Dokumente. Die “Paradise Papers” zeigen nach Angaben der “SZ”, wie Konzerne wie Nike, Apple, Uber oder Facebook ihre Steuern auf lächerlich geringe Sätze schrumpfen lassen. Die Unterlagen würden Anlagen der britischen Königin in Steueroasen belegen, des Rockstars Bono oder von Stephen Bronfman, dem Spendensammler des kanadischen Premiers Justin Trudeau. Mehr als 120 Politiker aus beinahe 50 Ländern sollen auf die eine oder andere Art involviert sein. Wie schon bei den “Panama Papers” hat die “SZ” die Daten mit dem “International Consortium of Investigative Journalists” geteilt. Insgesamt hätten an der Aufarbeitung des Falls mehr als 380 Journalistinnen und Journalisten von 96 Medien aus 67 Ländern mitgewirkt.
Siehe auch: Die ARD-Doku “Paradise Papers: Geheime Geschäfte — Die Milliarden-Deals der Rohstoffkonzerne” (45 Minuten).

2. Wer in China Geschäfte macht, zahlt einen hohen Preis
(wiwo.de, Niklas Dummer)
Der deutsche Wissenschaftsverlag “Springer Nature” hat Teile seines Internetangebots in China zensiert. Und zwar auf Druck der Regierung in Peking. Der Fall zeige symptomatisch, welchen Preis westliche Konzerne für Geschäfte in China zahlen, so Niklas Dummer in der “Wirtschaftswoche”. Den Unternehmen fehle es an einer Strategie, wie man mit den Zensurforderungen Chinas umgehen soll. Ihnen bleibe aktuell nur, sich auf die Forderungen einzulassen oder die Forderungen zu ignorieren.

3. Arte – eine schöne Insel, der das Profil fehlt
(dwdl.de, Hans Hoff)
“DWDL”-Kolumnist Hans Hoff liebt den Fernsehsender “Arte” wegen der Ruhe, des Niveaus, den alten Filmen und neuen Dokus. Trotzdem sei er kürzlich ins Schleudern gekommen, als er gefragt wurde, was denn “Arte” im Kern ausmache. Was auch damit zu tun habe, dass es an Moderatorenpersönlichkeiten fehle, die sich beim Zuschauer als “Arte-Gesichter” festsetzen und am Fehlen eines wahrnehmbaren Profils. “So wie Arte sich aktuell präsentiert, ist es eine Insel. Eine sehr schöne Insel. Aber vielleicht sollte man sich dort in Zukunft ein bisschen deutlicher klarmachen, dass auch schöne Inseln von einem steigenden Meeresspiegel bedroht werden, wenn sie keine Berge, also kein wirkliches Profil zu bieten haben. Auch Gutes kann besser werden.”

4. Die digitale Schranke
(zeit.de, Daniel Bouhs)
Die Mediatheken von ARD, ZDF und “Deutschlandfunk” bieten Hunderttausende von Audio- und Videobeiträgen. Viele davon sind jedoch mit einem knappen Verfallsdatum versehen. Um diese Schranke wird erbittert gerungen. Nun könnte eine Ausweitung erfolgen, doch einen allumfassenden freien Zugang zu öffentlich-rechtlichen Inhalten werde es auch weiterhin nicht geben, so Daniel Bouhs: “Und so deutet sich zwar — aus Sicht des Beitragszahlers — tatsächlich ein besseres Angebot in den öffentlich-rechtlichen Mediatheken an. Der große Wurf wird es aber nach wie vor nicht werden, weil die Medienpolitik immer auch andere Anbieter im Blick hat, in diesem Fall RTL, Netflix und andere.”

5. Rechnen mit falschen Zahlen
(faktenfinder.tagesschau.de, Wolfgang Wichmann)
Der “Faktenfinder” beschäftigt sich mit den jüngsten Artikeln zum Verbleib von Asylbewerbern, den anfallenden Kosten und dem Familiennachzug. Das Thema Flüchtlinge sei hoch emotional. Doch anstelle von Fakten werde in der Öffentlichkeit oft mit falschen Zahlen hantiert (auch BILDblog berichtete dazu: “30 000 Asylbewerber verschwunden? „Bild“ errechnet völligen Unsinn” Teil 1, Teil 2, Teil 3). Dies liege auch daran, dass es nicht so einfach sei, die Kosten zu ermitteln. Die finanzielle Hauptlast trügen die Länder, nicht der Bund. Eine exakte Aufstellung der Kosten würden diese aber nicht liefern.

6. Ein gefährliches Spiel
(sueddeutsche.de, Annette Ramelsberger)
Heute Abend zeigt das ZDF den Polit-Thriller “Dengler — Die schützende Hand” nach dem Bestseller von Wolfgang Schorlau (vorher schon in der Mediathek zu sehen). Dort werden die NSU-Terroristen Mundlos und Böhnhardt zu Opfern eines Mordanschlags gemacht. Annette Ramelsberger fragt sich in der “SZ”, ob man Fakten ignorieren darf, um die große Verschwörung zu inszenieren: “Diese Liebe zur Verschwörung hat allerdings eine Nebenwirkung, die den Verantwortlichen in den Sendern vermutlich nicht einmal bewusst ist: Sie spielen ein Spiel mit, in dem andere versierter sind. Leute aus der rechten Szene, die Akten fleddern und Teile daraus ins Netz stellen, um ihre Theorie zu belegen: Den NSU hat es nie gegeben, er ist eine Erfindung des Verfassungsschutzes. Die zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge: vom Staat inszeniert. Der ganz große Misstrauensantrag gegen den Rechtsstaat, er wird transportiert als Spielfilm zur Primetime.”
Weiterer Lesetipp: Katharina König-Preuss (gehört als Abgeordnete von “Die Linke” im Thüringer Landtag dem NSU-Untersuchungsausschuss an) mit ihrem Beitrag “Entsorgte Hirnmasse” auf freitag.de, in dem sie empfiehlt: “Machen Sie was Schönes am 6. November. Gehen Sie essen, ins Theater, treffen Sie sich mit Freundinnen bzw. Freunden oder aktualisieren Sie alle zehn Sekunden Ihre Facebook- oder Twitter-Timeline. Alles ist relevanter, als sich die Verfilmung des achten Schorlau-Romans Dengler — Die schützende Hand im ZDF anzuschauen.”

30 000 Asylbewerber verschwunden? “Bild” errechnet völligen Unsinn

Es ist noch gar nicht so lange her, da wollte sich die “Bild”-Redaktion als Speerspitze der deutschen Willkommenskultur inszenieren. Den Slogan “Wir helfen” ließ sie damals Politiker auf Pappschildern hochhalten und Fußballprofis auf deren Ärmeln tragen.

Es ist noch gar nicht so lange her, aber es hat sich seitdem viel geändert. Auch und vor allem ist die Berichterstattung von “Bild” und Bild.de über Flüchtlinge und Asylbewerber eine ganz andere geworden. Die “Bild”-Medien meinen, sie seien nur ehrlich, sprächen nur Wahrheiten aus und Probleme an. Aber das ist falsch. “Bild” und Bild.de bringen immer wieder auch völlig falsche Informationen und Zahlen in Umlauf. Heute etwa mit dieser Titelgeschichte:

Ausriss Bild-Zeitung - 30000 abgelehnte Asylbewerber spurlos verschwunden!

Schon im Anreißer auf Seite 1 klingt es dramatisch:

Neuer, unfassbarer Behördenskandal: Von gut 30 000 abgelehnten, sofort ausreisepflichtigen Asylbewerbern wissen die Behörden nicht, wo sie stecken. Zum Teil haben sie Deutschland wohl einfach verlassen — oder sind hier untergetaucht.

Auf Seite 2 breitet Autorin Larissa Krüger den “ABTAUCH-SKANDAL” dann so richtig aus:

Ausriss Bild-Zeitung - Der Abtauch-Skandal - 30000 abgelehnte Asylbewerber sind spurlos verschwunden

Das darf doch nicht wahr sein. BILD deckt die nächste Behörden-Panne im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise auf.

Regierung und Behörden wissen nicht, wo gut 30 000 abgelehnte und vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber derzeit sind.

In Deutschland — warum auch immer — untergetaucht? Außer Landes? Keine Ahnung!

Nur: “Bild” deckt hier gar nichts auf. Außer die eigene Ahnungslosigkeit und die eigene Unfähigkeit, die richtigen Zahlen rauszusuchen.

Krüger schreibt:

Die Fakten: Laut Bundesregierung waren Ende Dezember 2016 genau 54 437 Personen vollziehbar ausreisepflichtig (inzwischen sind es rund 65 000). Aber laut Statistischem Bundesamt bezogen im Jahr 2016 nur 23 617 dieser Personen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Über den Verbleib des Restes von 30 820 Personen (Stichtag 31.12.2016) haben die Behörden und Statistiker KEINE Informationen.

Die zwei Zahlen von der Bundesregierung beziehungsweise dem Statistischen Bundesamt mögen stimmen. Aber sie passen nicht zueinander. Denn die 54.437 vollziehbar ausreisepflichtigen Personen, die die Bundesregierung nennt, sind nicht nur Asylbewerber, sondern auch andere Ausländer, die ausreisepflichtig sind, zum Beispiel Urlauber mit abgelaufenen Visa. Diese Gruppe ist — Überraschung — gar nicht in der Lage, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu bekommen, und kann daher auch nicht in den Zahlen des Statistischen Bundesamts auftauchen (oder dort fehlen).

Und es sind nicht nur ein paar wenige visalose Urlauber, die Larissa Krüger in ihrer Apfel-Birnen-Rechnung übersieht. Das Bundesinnenministerium schreibt uns in einer Stellungnahme zum heutigen “Bild”-Bericht:

Die Differenz zwischen der Zahl der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und der Zahl der im Ausländerzentralregister (AZR) erfassten ausreisepflichtigen Ausländer ohne Duldung lässt nicht den Schluss zu, dass sich die genannte Personengruppe allein aus abgelehnten Asylbewerbern zusammensetzt.

So verkennt der Artikel schon grundsätzlich, dass es sich überhaupt nur bei etwa 49 % aller im AZR als ausreisepflichtig registrierten Ausländer um Personen handelt, zu denen auch die Ablehnung eines Asylantrages im AZR eingetragen ist.

51 Prozent der Personen, die Krüger in ihre Asylrechnung einbezieht, gehören dort überhaupt nicht rein, weil sie nicht abgelehnte Asylbewerber sind, sondern beispielsweise Urlauber ohne Visa. Das heißt: Statt mit 54.437 Personen müsste die “Bild”-Autorin mit 26.674 Personen rechnen. Diese Zahl passt auch viel besser zu der Statistik, die das Statistische Bundesamt heute rausgegeben hat und nach der 28.000 Schutzsuchende am Stichtag 31. Dezember 2016 vollziehbar ausreisepflichtig waren.

Statt um 30.820 geht es also lediglich um 3057* Personen. Und auch das dürfte noch nicht die endgültige Anzahl “spurlos verschwundener” abgelehnter Asylbewerber sein, wie “Bild” sie nennt. Denn nicht alle ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerber beziehen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wenn der Betroffene etwa selbst über ein ausreichendes Vermögen verfügt, oder Angehörige zum Unterhalt verpflichtet sind, tauchen diese Personen nicht in der Statistik auf, die Larissa Krüger herangezogen hat.

Dazu kommt, dass auch die Verantwortlichen im Statistischen Bundesamt sagen, dass ihre Zahl, die Krüger für die Rechnung genutzt hat, dafür nicht taugt. Gudula Geuther vom “Deutschlandfunk” hat mit ihnen gesprochen (Audio, 2:57 Minuten). So notieren zum Beispiel die Kommunen, die die Gelder auch an die ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerber auszahlen, nicht immer deren genauen aufenthaltsrechtlichen Status dazu. Die Zahl der 23.617 ausreisepflichtigen Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz dürfte tatsächlich also noch mal etwas höher sein, was die Differenz noch mal etwas kleiner werden lassen dürfte als 3057.

Oder in Kurzform und ohne die vielen Zahlen und Rechnungen: Die heutige Schlagzeile von “Bild” ist kompletter Unsinn, auf wenn die Kollegen von Larissa Krüger das Zahlenwirrwarr für eine “tolle Recherche” halten.

Krügers Geschichte hat bereits eine ordentliche Populisten- und Hetzerrunde gedreht. Bei Bild.de ist sie hinter der Bezahlschranke gestartet

Screenshot Bild.de - Der Abtauch-Skandal - 30000 abgelehnte Asylbewerber sind spurlos verschwunden

… von dort aus in Facebook-Gruppen wie dem “Viktor Orban Fanclub Deutschland” gelandet …

Screenshot Facebook des Postings in der Gruppe Viktor Orban Fanclub Deutschland

… und bei faktenfeindlichen Anheizern wie Claus Strunz …

Screenshot Facebook des Postings von Claus Strunz

… und David Berger:

Screenshot Facebook des Postings von David Berger

“Wir helfen”, haben “Bild” und Bild.de mal behauptet. Heute helfen sie vor allem rechten und noch rechteren Gruppen mit Vorlagen für deren Stimmungsmache.

*Nachtrag, 18:46 Uhr: Durch einen Rechenfehler unsererseits war in einer früheren Version von 4146 Personen die Rede. Tatsächlich ist die Differenz zwischen der “Bild”-Zahl und der Zahl, die die Statistiken wirklich hergeben, noch größer.

Nachtrag, 22:14 Uhr: Die Geschichte geht weiter: Bild.de behauptet nun, Kanzleramtschef Peter Altmaier bestätige den “Bild”-Bericht. Dabei sagt Altmaier nur, dass niemand wisse, wie viele abgelehnte Asylbewerber verschwunden sind.

Nachtrag, 4. November: Inzwischen sieht auch die “Bild”-Redaktion ein, dass es nicht 30.000 verschwundene abgelehnte Asylbewerber sind.

Julian Reichelt erklärt Deutschland zum reichsten Land der Welt

Hätte Julian Reichelt nicht diese große Macht, wäre seine Show ja eigentlich ganz amüsant. Hier mal populistisch poltern, da mal Fakten komplett falsch darstellen, zwischendurch mittelmäßige Witze. Man muss sich das aber immer wieder klarmachen: Reichelt hat das letzte Sagen bei Bild.de, wo er selbst Chefredakteur ist, bei der “Bild”-Zeitung, bei “Bild am Sonntag” und bei der “B.Z.”, wo er den Chefredakteurinnen Tanit Koch, Marion Horn und Miriam Krekel noch mal vorgesetzt ist. Und wenn man das realisiert hat, ist zum Beispiel seine Faktenfremdheit alles andere als amüsant.

Am Samstag hatte Julian Reichelt zum Aus von “Air Berlin” und dem großen Spektakel um den letzten Berlin-Flug der Airline mal wieder so viele Gedanken, dass sie nur in zwei Tweets passten:

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - Irgendwie symptomatisch, dass sich in Berlin solch spektakuläre Momente aufgrund einer Pleite zutragen. Tempelhof zu, BER eine Bauruine, Airberlin bankrott. Die Hauptstadt des reichsten Landes der Welt hat es geschafft, sich bei der Luftfahrt zu deindustrialisieren.

Irgendwie symptomatisch, dass sich da gleich mehrere Fragen stellen.

Zum Beispiel: Was hat der Bankrott von “Air Berlin” mit einer Deindustrialisierung der Luftfahrt zu tun?

Wir würden sagen: nichts, es handelt sich schließlich nicht um Industrie, sondern um ein Dienstleistungsunternehmen.

Und seit wann ist Deutschland das “reichste Land der Welt”?

Es gibt eine Reihe verschiedener Möglichkeit, den Reichtum eines Landes zu messen. Nach dem nominalen Bruttoinlandsprodukt liegen die USA auf Platz eins, nach dem kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt ist es China, beim nominalen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt Luxemburg vorn, beim kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist es Katar, beim Privatvermögen sind es laut “Allianz”-Studie dann wieder mal die USA, laut “Credit Suisse” die Schweizer, und beim Wohlstandsindex einer Denkfabrik liegt Neuseeland ganz vorne. Deutschland ist zwar oft weit oben mit dabei, aber nie “das reichste Land der Welt”, wie Julian Reichelt behauptet.

Dass ein “Vorsitzender der Chefredaktionen” seinen Mitarbeitern ein solches Desinteresse an korrekten Fakten vorlebt, ist wirklich alles andere als amüsant.

Böhmermanns “Bento”-Verriss, “Bild”-Populismus, ESC-Verfahren

1. Bento – 69 Gründe für den Tod des Qualitätsjournalismus
(youtube.com, Neo Magazin Royale, Video, 20:55 Minuten)
Jan Böhmermann hat sich in einem zwanzigminütigen Video-Rant den “Spiegel”-Ableger “Bento” vorgeknöpft. Seine Hauptkritik: Das Jugendmagazin setze auf allzu banale Inhalte und verwende zweifelhafte Werbeformen (“Native Advertising”). “taz”-Medienredakteurin Anne Fromm findet Böhmermanns “Bento”-Verriss schief und stört sich am moralischen Zeigefinger. Statt bei der berechtigten Kritik an “Bento” zu bleiben, schwinge sich Böhmermann mittels allerlei Döpfner-Zitaten zum Retter des Journalismus auf.
Weiterer Lesetipp: Nollendorfblogger und BILDblog-Kolumnist Johannes Kram hat eine Verteidigungsrede verfasst, vornehmlich aus queerer Sicht: “Bento ist kein schlechter Journalismus. Im Gegenteil!”

2. „Bild“-Populismus zum Mitmachen
(taz.de, David Gutensohn)
Vor einiger Zeit schlagzeilte “Bild” noch: “Deutschland setzt ein Zeichen: Flüchtlinge willkommen” und verteilte als Teil der “großen Hilfsaktion von BILD” bundesweit “refugeeswelcome”-Aufkleber. Das Blatt hat sich mittlerweile gewendet. Gegenwärtig sollen die Leser sogar mittels Online-Petition für mehr Abschiebungen mobilisiert werden. Einem Vertreter der Organisation “ProAsyl” bereitet dieser Wandel “zurück zur Stimmungsmache” Sorgen. Er konstatiert: “Mal wieder konstruiert die Bild-Zeitung ein Vollzugsdefizit, das so nicht existiert”.

3. Peinliche Posse um Rainer Wendt
(fr.de, Danijel Majic)
Der umstrittene Chef der Polizeigewerkschaft “DPolG”, Rainer Wendt, wurde zunächst zu einem Vortrag an der Frankfurter Goethe-Uni ein- und dann wieder ausgeladen. Konservative Kreise sahen ob dieser Absage die Meinungsfreiheit in Gefahr. Danijel Majic ist anderer Meinung: “Wendt, der Deutschland nicht mehr als “Rechtsstaat” sieht und wenig auf Fakten gibt, wenn es gegen Migranten oder Politiker links der CSU geht, und seine unfundierten Ansichten regelmäßig in Fernsehkameras plärren darf, ist wahrlich der letzte Mensch, der sich über einen Mangel an “Podien” beklagen kann. Die Peinlichkeit der Posse um seinen Auftritt besteht nicht in seiner Aus-, sondern seiner Einladung.”

4. Hundert Köpfe für ein Halleluja
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Der NDR hat mal wieder das Verfahren für die Auswahl des “Eurovision Song Contest”-Kandidaten geändert. Die Kandidatenkür soll nun gemeinsam von Datenexperten, einem 100-köpfigen “Europa-Panel” und einer internationalen Jury durchgeführt werden. Hans Hoff ahnt die Beweggründe für das komplizierte Procedere: “Wenn es schief geht, sind ganz viele schuld.”

5. DW-Interview: Türkische Presse verfälscht Aussagen von MdB Ulla Schmidt
(dw.com, Berthold Stevens)
Die Bundestagsabgeordnete Ulla Schmidt (SPD) hat sich in einem Interview mit der “Deutschen Welle” kritisch zu den Entwicklungen in der Türkei geäußert: Ein Großteil der Bevölkerung in der Türkei stimme Erdogans Politik nicht zu. Das Referendum zur Verfassungsreform habe laut internationalen Beobachtern nicht ohne Manipulation stattgefunden. Türkische Tageszeitungen wie die “Star” haben Schmidts Aussagen verfälscht wiedergegeben und Teile hinzugedichtet. So wird ihr die Aussage untergeschoben, die NATO solle in der Türkei intervenieren.

6. Neues vom Symbolbildbeauftragten: Woran man Telefonbetrüger erkennt
(noemix.twoday.net)
Immer wieder müssen Redaktionen Meldungen über betrügerische Anrufer illustrieren, die sich am Telefon als Polizisten ausgeben. Wie der “Nömix-Symbolbildbeauftragte” herausgefunden hat, gelingt dies mal wenig und mal weniger …

Nichtige BKA-Listen, Falsches von der Polizei, 50 Jahre “Aktenzeichen”

1. BKA-Listen waren nicht rechtskonform
(faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing)
Beim G20-Gipfel in Hamburg wurden einige Medienvertreter von der Polizei nicht ins Medienzentrum gelassen und somit an ihrer Arbeit gehindert. Als Grundlage dienten damals Namenslisten des Bundeskriminalamtes. Nun stellt sich raus: Das BKA hatte diese Listen wieder zurückgezogen, sie durften also gar nicht mehr verwendet werden. “Diese Information erreichte aber nicht die eingesetzten Polizisten am Medienzentrum. Die Beamten beschlagnahmten dort Akkreditierungen von Journalisten, einem wurde sogar Urkundenfälschung vorgeworfen”, so Patrick Gensing. Die “taz” schreibt ebenfalls über “Pannen der Polizei beim G20-Gipfel”.

2. Wenn die Fake News von der Polizei kommen
(rbb24.de, Markus Pohl)
Oft gibt es Lob für Polizeistellen, die über Einsätze twittern und selbst in Breaking-News-Situationen noch besonnen darauf hinweisen, man möge doch bitte keine Fotos vom Einsatzort in die Welt jagen. Manchmal verbreiten Accounts der Polizei über Twitter aber auch blanke Falschmeldungen: hier sei vermeintlich eine “benzingefüllte Flasche” geflogen, dort ein Türknauf “unter Strom gesetzt” worden. Rechtsexperten hielten diese Praxis “für schlicht rechtswidrig”, schreibt Markus Pohl.

3. Der verlängerte Arm der Kripo
(deutschlandfunk.de, Klaus Deuse, Audio, 5:13 Minuten)
Von Raub bis Mord, von Eduard Zimmermann bis Rudi Cerne: Klaus Deuse blickt im “Deutschlandfunk” auf 50 Jahre “Aktenzeichen XY … ungelöst” zurück.

4. Was zur Hölle geht eigentlich mit der ‘Heute’?
(vice.com, Verena Bogner)
Das Knallportal oe24.at (Onlineableger der Zeitung “Österreich”) hat sie sich bereits genauer angeschaut, mit der “Kronen Zeitung” ist sie ebenfalls durch — nun hat sich Verena Bogner an Österreichs drittes Boulevardmedium gemacht, die Gratis-Tageszeitung “Heute”: “Dass die Heute in der heiligen Dreifaltigkeit des österreichischen Boulevards tatsächlich der ‘gute’ ist, mag stimmen. Im Gegensatz zu Österreich und Krone wirkt das Blatt beinahe gemäßigt und harmoniebedürftig. Außerdem wird immer wieder der Anschein der Kritikfähigkeit und Selbstreflexion geweckt.”

5. Pfft-pfft to go
(spiegel.de, Anja Rützel)
Seit vorgestern hat Reality-TV-Star Daniela Katzenberger ein eigenes Printmagazin. Der “Bauer”-Verlag hat’s uns eingebrockt möglich gemacht. Anja Rützel rützelt dazu: “Aufs erste Blättern sind das lauter Einlassungen zu einer Lebensführung, die wie ein quietschrosa Luftkissenboot immer eine gute Gürtelbreite über dem Eigentlichen schwebt, die Oberfläche niemals berührt, geschweige denn ankratzt.” Mehr Rezensionen des neuen Katzenberger-Hefts: “Vice” mit “Ich habe das ‘Daniela Katzenberger’-Magazin gelesen, damit ihr es nicht müsst” und süddeutsche.de mit “Ich über mich”.

6. 17 Leute, die komplett am Postillon scheitern
(buzzfeed.com, Phil Jahner)
Jacqueline “kanns nich fassen” — da renkt sich ein Flüchtling den Unterkiefer aus, um ein blondes deutsches Kind zu verspeisen. “Und sowas lassen die hier rein langsam reichts”, kommentiert sie zu dem Link, den sie bei Facebook gepostet hat. Der stammt allerdings von den lieben Kollegen des “Postillon”. Phil Jahner hat Jacquelines und 16 weitere Fälle gesammelt, in denen Satire nicht als Satire erkannt wurde.

Buchmessen-Tumulte, Bundeswehr-Filmchen, Dystopie-Geschwafel

1. Dialog unmöglich
(spiegel.de, Eva Thöne)
Auf „Spiegel Online“ gibt es einen aktualisierten Beitrag über die Tumulte auf der Frankfurter Buchmesse. Hintergrund: Der Veranstalter hatte Verlage zugelassen, die man dezidiert dem rechten bis rechtsextremen Spektrum zuordnen kann, was zu Protesten geführt hatte. Im Beitrag geht es um Provokation auf beiden Seiten, gewalttätige Angriffe von rechts und einen hilflosen Veranstalter.
Weiterer Lesetipp: Auch Gerald Hensel schreibt über die Vorgänge: “Chaostage auf der Buchmesse”. Er verurteile Protestaktionen, welche das Recht verletzen, wünsche sich aber von der Buchmesse mehr Haltung: “Eine Buchmesse hat Hausrecht und nicht die Aufgabe, alle Meinungen der Welt gleichberechtigt abzubilden — speziell dann, wenn sie dedizierte Gegner einer offenen Demokratie sind.”
Und zur Vervollständigung: Auf Twitter verbreiteten sich Meldungen, dass ein Frankfurter Stadtverordneter (“Die Partei”) auf der Buchmesse zusammengeschlagen worden sei, weil er gegen Nazis demonstriert hatte. Nun hat ein Fotograf ein Video veröffentlicht, das einen anderen Eindruck vermittelt. Mehr darüber bei “BuzzFeed News” unter “Dieses Video zeigt, dass der DIE PARTEI-Politiker auf der Buchmesse nicht zusammengeschlagen wurde”.

2. Feindbild Algorithmus
(zeit.de, Patrick Beuth)
In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ist von einem „Bedarf an weiterführenden Regelungen im Bereich der Algorithmenkontrolle” die Rede. Der scheidende Bundesjustizminister Heiko Maas forderte in der Vergangenheit bereits ein „Transparenzgebot für Algorithmen“. Patrick Beuth betrachtet auf „Zeit Online“ die verschiedenen Aspekte dieser Vorhaben. Die Sache ist nicht einfach. Schließlich betrifft es auch schwer zu kontrollierende, sich verändernde Algorithmen und selbstlernende Systeme.

3. Gesprächsaufklärung mit Drohnen
(taz.de, Lisa Ecke)
Auf die Bundeswehr-Serie „Die Rekruten“ auf YouTube folgt nun die Serie „Mali“. Allein die Werbung für die unterhaltsamen Propagandafilmchen lässt sich die Bundeswehr 4,4 Millionen Euro kosten. Bereits der Trailer der Serie stoße auf kritische Resonanz. So kritisiert die Vorstandsleiterin des Bereichs Schule der “Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft” die “verklärte Darstellung als Heldenstory und die fehlende Objektivität”.

4. Wer redet, riskiert einen teuren Prozess
(sueddeutsche.de, Carolin Gasteiger)
Die „SZ“ hat sich mit Paul Farhi, dem Medienexperte der “Washington Post“, über das Machtverhältnis zwischen dem Filmboss Harvey Weinstein und Journalisten unterhalten. Es geht um die mutmaßlichen sexuellen Übergriffe des mächtigen “Miramax”-Mitgründers Weinstein und die Frage, ob Journalisten Weinstein indirekt geholfen hätten, die Übergriffe zu vertuschen. Farhi kritisiert insbesondere den TV-Sender NBC, der im vergangenen Jahr schon einmal im Verdacht gestanden hätte, prekäre Informationen zurückzuhalten. Damals ging es um das Video, in dem Donald Trump damit angegeben hatte, Frauen belästigt zu haben.

5. Sterne für 14,95 Euro
(faktenfinder.tagesschau.de, Kristin Becker)
Wie verlässlich sind Kundenbewertungen auf Onlineportalen? Wenn man Tests der Analyseseite „ReviewMeta“ Glauben schenkt, ist Vorsicht geboten: Bei einem untersuchten Fall hielt das Unternehmen nur 75 von mehr als 400 Bewertungen für glaubwürdig. Experten würden davon ausgehen, dass im großen Stil manipulierte beziehungsweise interessensgeleitete Bewertungen auf Online-Portalen kursieren. Diese stammen oft von kommerziellen Bewertungsverkäufern, die teilweise vom Ausland aus ihre zwielichtigen Dienste anbieten.

6. Narrativ intrinsische Dystopie: Die Welt der Modewörter
(dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff erzählt in seiner Kolumne von seinen drei Lieblings-Modewörtern. Auf Platz drei rangiert bei ihm das „Narrativ“. Der zweite Platz gehört dem Wort „intrinsisch“. Auf Platz eins steht bei ihm das in der deutschen Film- und Literaturkritik unentbehrliche, zukunftspessimistische Gesellschaftsszenario: „Sich ein Leben ohne Dystopie vorzustellen, ist für Rezensenten möglicherweise noch erahnbar, wird aber letztlich doch eher als weitgehend sinnlos eingeschätzt. Ohne Dystopie kriegt man das Bild auf seiner Schwafelei einfach nicht rund.“

G20-Löschung, Unheimlich umverteilt, Brauner Balken

1. G20-Akkreditierungen: Illegale Datenlöschung bestätigt
(blog.ard-hauptstadtstudio.de, Arnd Henze)
Im Blog des ARD-Hauptstadtstudios geht es um die Affäre um die G20-Akkreditierungen. Die Aufarbeitung zieht sich in die Länge und die zuständigen Behörden geben sich wenig auskunftsfreudig. TV-Korrespondent Arnd Henze berichtet, dass die Daten der beiden Journalisten Florian Boillot und Po-Ming Cheung tatsächlich gelöscht wurden. Ein Sprecher des LKA widerspricht der Darstellung des ARD-Hauptstadtstudios: Sowohl die Speicherung als auch die Löschung sei in beiden Fällen rechtmäßig erfolgt. Wie das allerdings mit dem im Beitrag zitierten Löschvorbehalt in Einklang zu bringen sei, hätte der Sprecher nicht erklären können.

2. Ein Algorithmus für mehr Kreativität
(journalist-magazin.de, Catalina Schröder)
Ein neues Tool soll Redakteuren dabei helfen, neue Erzählansätze zu bekannten Themen zu finden. Die Idee dazu stammt von der Uni London, wurde von der „Google Digital News Initiative“ gefördert und wird inzwischen von der EU-Initiative „Horizon 2020“ für eineinhalb Jahre mit einer Million Euro finanziert. 14 Journalisten, Software-Entwickler und Wissenschaftler aus sechs Ländern arbeiten an dem Projekt. Das Magazin “Journalist” hat sich mit dem Hamburger Journalisten Claus Hesseling über den Stand des Projekts und den weiteren Fortgang unterhalten.

3. Die unheimliche Umverteilung
(faktenfinder.tagesschau.de, Kristin Becker & Wolfgang Wichmann)
Der „Faktenfinder“ beschäftigt sich mit einem skandalisierenden Bericht zur angeblich geheimen Umverteilung von Flüchtlingen in der EU, der sich in den letzten Tagen im Netz verbreitet hat. Hintergrund ist ein Umverteilungsprogramm der Europäischen Union, das jedoch nicht geheim, sondern für jedermann online einsehbar ist.

4. “Nicht originell und in sich inkonsistent”
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf & Michael Borgers, Audio, 7:09 Minuten)
Im “Deutschlandfunk” geht es nochmal um die Debatte zur “Spiegel”-Kritik an ARD und ZDF. Leonhard Dobusch, im ZDF-Fernsehrat für den Bereich “Internet” zuständig, äußert sich zum Vorwurf, bei den Öffentlich-Rechtlichen handele es sich um „Staatsfunk“, den er bei aller möglichen Kritik für verfehlt hält. Der „Deutsche Journalisten-Verband“ moniert, der “Spiegel” spare in seiner Geschichte “vieles aus, was für das Gesamtverständnis der Leser wichtig gewesen wäre”. Im Beitrag seien nur die “Nörgler” zu Wort gekommen.

5. Löschen, so gut es geht
(spiegel.de)
Nach erfolgreicher BKA-Fahndung konnte im Fall des Missbrauchs einer Vierjährigen ein Verdächtiger festgenommen werden. Dem vorausgegangen war eine Öffentlichkeitsfahndung, bei der ein Bild des Opfers veröffentlicht wurde. Nun bittet das BKA darum, das Bild zu löschen, um das Opfer zu schützen. Das Gros der Nutzer und Medien sei bemüht, das Bild des Opfers möglichst schnell wieder aus der Welt zu schaffen. Ganz gelingen werde das jedoch nicht.

6. taz.sachen: Die Macht der Farbe Braun
(blogs.taz.de)
In der Onlineredaktion der „taz“ hat man bereits vor geraumer Zeit entschieden, bei Wahldiagrammen den Balken für die AfD braun zu färben. Bis zur Bundestagswahl habe das keine großen Reaktionen hervorgerufen — aber am Abend danach traf es offenbar einen Nerv. Was auch mit der Betitelung zu tun hat …

Diskretionsgrenze, Xavier und die Medien, Tatort-Fucktencheck

1. Die unsichtbare Grenze der Diskretion
(taz.de, Bettina Gaus)
Bettina Gaus kommentiert in der “taz” die viel gelobte “Spiegel”-Reportage über Martin Schulz. Wenn es nach ihr geht, wäre die Reportage besser nie erschienen: “Natürlich wollte Markus Feldenkirchen so dicht wie irgend möglich an den SPD-Kanzlerkandidaten herankommen. Das ist sein Job. Er hat seine Möglichkeiten genutzt, und er hat sich – soweit das von außen zu beurteilen ist – nicht unfair verhalten gegenüber seinem Protagonisten. Aber viele Szenen, die in der Reportage geschildert, und Äußerungen, die zitiert werden, gehen die Öffentlichkeit schlicht nichts an.”

2. Sturm Xavier – wie Medien Menschen auf dem Gewissen haben: Nichtstun tötet.
(wetterkanal.kachelmannwetter.com, Jörg Kachelmann)
Jörg Kachelmann wirft den ARD- und ZDF-Verantwortlichen schwere Versäumnisse bei den Fernsehwetterberichten vor Eintreffen des Sturms “Xavier” vor, der in Deutschland mehrere Menschenleben gekostet hat: “Ich verachte diese Leute dafür, sehr. Denn Menschen sind gestorben und werden wieder sterben. Und es wird durch die, die dafür zuständig wären, nichts getan, dass sich das ändert.”

3. Wir sollten über “Political Correctness” diskutieren, aber bitte nicht so
(broadly.vice.com, Yasmina Banaszczuk)
Zerstört die Political Correctness unsere freiheitliche Gesellschaft, wie es im Buch “Es war doch gut gemeint” behauptet wird? Unter anderem darüber hat sich Yasmina Banaszczuk mit den beiden Autoren des Buchs unterhalten. Doch die wollten die Zitate aus dem Interview nicht freigeben. Das Gesagte sollte angeblich durch schönere, relativierende Dinge ersetzt werden. Auch ohne das Interview wird deutlich, wo die Probleme des Buchs nach Ansicht von Banaszczuk liegen: “Ein – im besten Falle gut gemeintes – Buch über eine falsch verstandene linke Entwicklung kann potenziell gefährlich sein, wenn wir den Vorurteilen, die dem teils zugrunde liegen, nicht widersprechen. Und widersprechen sollten wir, egal, wie oft wir uns wiederholen müssen.”

4. Fellner übernahm am deutschen Wahlabend die ARD-Sendungen
(kurier.at, Philipp Wilhelmer)
Bei der Bundestagswahl verfiel der österreichische Fernsehsender “oe24.tv”, wohl aus Ermangelung eigener Teams vor Ort, auf eine kostensparende Idee und ließ die Bilder der ARD ausstrahlen – allerdings ohne Genehmigung. Der “Kurier” hat bei der ARD nachgefragt, wie man mit dem Vorgang umgehe. Dort wird nun der Rechtsweg geprüft. Für “oe24.tv” kann die Sache nach Auskunft eines Juristen teuer werden. Weil es sich beim Fernsehsender um einen Medienbetreiber handele, der zumindest theoretisch wissen müsse, wie man das Urheberrecht einhält, könnte sich das vom Gericht zu ermittelnde Ersatzentgelt verdoppeln.

5. Wie porno ist Deutschland?
(faz.net, Eva Heidenfelder)
Im aktuellen “Tatort” ging es auch um die darniederliegende Porno-Branche. Eva Heidenfelder hat für die “FAZ” den Faktencheck gemacht und Experten gefragt, ob die Porno-Produzenten wirklich “im Arsch wegen diesem Internet-Scheiß” sind, wie es ein Protagonist im “Tatort” behauptet. Außerdem geht es um Künstlernamen von Sex-Darstellern, Spermaspuren und den Unterschied zwischen Erwürgen und Erdrosseln. Weiterer Lesetipp: Die Tatort-Nachlese der “SZ”: “Porno im Planschbecken”

6. »Kothaufen in der Dusche«
(11freunde.de, Stephan Reich)
Andere besprechen Schallplatten oder Bücher – Fußballer Arne Tiedemann rezensierte zu seiner Kreisligazeit beim TSV Kollmar die Kabinen und Duschen der Kreisliga Steinburg. Im Gespräch mit den “11Freunden” geht es um den Kachelreport, die Wischmopp-Skala von eins bis elf und die hygienischen Abgründe von Dusch- und Kabinentrakten.

NSA-Affäre, “Krisenschauspieler”, Babylon-Verspätung

1. Nichts gefunden: Auch der Generalbundesanwalt hat NSA-Affäre beendet
(netzpolitik.org, Anna Biselli)
Im Zuge der Snowden-Enthüllungen kam heraus, dass die NSA in Deutschland im großen Stil abhörte und wahrscheinlich deutsche Behörden eingeweiht oder sonst wie involviert waren. Einige Menschen erstatteten daraufhin Anzeige beim Generalbundesanwalt, unter anderem wegen des Verdachts auf geheimdienstliche und landesverräterische Agententätigkeit. Einer der Anzeigeerstatter, Markus Beckedahl von netzpolitik.org, bekam nun Post vom Generalbundesanwalt. Dieser sieht vier Jahre nach Eingang der Anzeige keinen Anfangsverdacht für eine Massenüberwachung durch britische und US-Geheimdienste in Deutschland und hat die Sache für sich als beendet erklärt.

2. Nach Las Vegas gilt in Social Media, was die ganze Zeit galt!
(wired.de, Johnny Haeusler)
Unmittelbar nach dem schrecklichen Geschehen in Las Vegas verbreiteten sich in den sozialen Medien Lügen und Spekulationen über den Schützen, der aus einem Hotelfenster im 32. Stock in die Menge schoss. Johnny Haeusler fragt sich, warum das Fake-News-Problem noch immer nicht gelöst ist und plädiert auf breite Aufklärung, Bildung und Digitalkompetenz: “Tun wir dies nicht, dann waren Teilergebnisse der Bundestagswahl 2017 erst der Anfang eines Zeitalters, in dem in immer größeren sozialen Gruppen gefühlte Richtigkeit, Populismus, Emotionen und Sensationen mehr zur Meinungsbildung beitragen als Argumente, Fakten, sachliche Erklärungen und geltendes Recht.”

3. Die angeblichen Krisenschauspieler
(faktenfinder.tagesschau.de, Kristin Becker)
Immer wieder bezeichnen Verschwörungstheoretiker besondere Vorkommnisse als politische Inszenierung. Besonders oft werden diese Legenden bei Amokläufen oder Attentaten gestrickt. Überlebende und Zeugen werden dann regelmäßig als “Krisenschauspieler” bezeichnet. Durch Fehlinterpretationen von Videomaterial wird den Opfern, Augenzeugen oder Zeugen unterstellt, Teil einer Inszenierung zu sein. Kristin Becker erklärt das perfide Vorgehen der Verschwörungstheoretiker anhand von Beispielfotos und Tweets.

4. Antipolizeitaste in iOS 11: Schutz vor neugierigen Blicken
(strafakte.de, Mirko Laudon)
Strafverteidiger Mirko Laudon weist auf eine Besonderheit beim Apple-Betriebssystem iOS 11 hin: Die sogenannte Antipolizeitaste. “Wer Sorge hat, sein iPhone könnte gleich von der Polizei beschlagnahmt werden, deaktiviert durch fünfmaliges Drücken der Einschalttaste schnell in der Hosentasche die Touch-ID. Das führt dazu, dass das iPhone nur noch durch die Eingabe des Passcodes im Sperrbildschirm zu entsperren ist. Denn die Biometriescanner können durch die Polizei leichter überlistet werden …” Die Barriere des Passcodes zu überwinden, sei dagegen deutlich schwieriger, zumal Beschuldigte nicht verpflichtet seien, der Polizei Passwörter jeglicher Art mitzuteilen.

5. Bildagentur Getty nimmt den Kampf gegen Photoshop auf
(wuv.de, Petra Schwegler)
Die US-Bildagentur Getty reagiert auf ein neues Gesetz in Frankreich, das Fotografen dazu verpflichtet, retuschierte Bilder von Models zu kennzeichnen: “Seit dem 1. Oktober 2017 übernimmt Getty Images als weltweit erste Bildagentur keine Bilder mehr von Models in die Datenbank, deren Körperform retuschiert wurde, um sie schlanker oder fülliger erscheinen zu lassen”. Petra Schwegler hat die neue Geschäftspolitik kommentiert und Beiträge über umstrittene Werbekampagnen und Photoshop-Fails der Mode- und Kosmetikindustrie verlinkt.

6. Wie die ARD ihre Zuschauer warten lässt
(haz.de, Imre Grimm)
Stolze 40 Millionen Euro flossen in „Babylon Berlin“, das teuerste deutsche TV-Epos aller Zeiten. Das Projekt wurde maßgeblich finanziert mit Gebührengeldern der ARD, zu sehen bekommen es jedoch vorerst nur die fünf Millionen “Sky”-Kunden. Die “ARD”-Zuschauer müssen sich ein Jahr gedulden. Imre Grimm kommentiert: “Das Problem ist das Signal, das die ARD aussendet. Sie scheint nicht zur Kenntnis genommen zu haben, dass zwölf Monate Wartezeit in Zeiten globalisierter Sofortbefriedigung aller Entertainmentbedürfnisse ein Anachronismus sind. Im Ersten scheint man weiterhin dem Irrglauben anzuhängen, dass eine Produktion wie früher erst Gültigkeit hat, wenn sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelaufen ist. Ganz so, als betreffe Sky, HBO, Netflix & Co. nur eine Minderheit. Ein fataler Irrtum.”

Twitterfakes, Die Affäre Silberstein, ARD-ZDF-Fusion erstrebenswert?

1. Zahlreiche Fake News auf Twitter
(faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing)
Bei Extremsituationen wie Anschlägen, Naturkatastrophen oder Unglücksfällen dient Twitter oft als Kommunikationskanal, um beispielsweise wichtige Informationen von Polizei oder Feuerwehr zu verbreiten. Doch gleichzeitig kursieren Gerüchte, Halbwahrheiten und Lügen. So auch beim gestrigen Massaker in Las Vegas. Patrick Gensing hat sich nach dem Attentat auf Twitter umgesehen.
Weiterer Lesetipp: Auch bei “Spiegel Online” hat man sich mit der “Fake-Flut” nach dem Attentat in Las Vegas beschäftigt.

2. Die Affäre Silberstein
(falter.at, Barbara Toth & Florian Klenk & Josef Redl & Nina Horoczek)
Ein SPÖ-Berater soll in Österreich mit einer geheimen “Spezialeinheit” im Auftrag seiner Partei auf Facebook eine Schmutzkampagne gegen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz betrieben haben. Der “Falter” hat versucht, mit allen Beteiligten zu sprechen. Anschließend hat man den Skandal in 20 Fragen und Antworten aufgearbeitet. So gut es nach jetzigem Kenntnisstand ging.

3. Interpol muss politischen Missbrauch abstellen
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” fordert die internationale Polizeiorganisation Interpol zu schnellen Reformen auf, um den zunehmenden Missbrauch ihrer Fahndungsaufrufe durch repressive Regierungen zu verhindern: “Niemand sollte in ein Land ausgewiesen werden, in dem ihm ein unfairer Prozess oder gar Folter drohen, und kein kritischer Journalist sollte wegen eines willkürlichen Fahndungsaufrufs bei jeder Auslandsreise in ständiger Angst vor Verhaftung leben müssen. Interpol darf sich nicht zum Handlanger autoritärer Regime bei der Verfolgung unliebsamer Journalisten machen lassen.” Dazu auch ein Lesetipp aus dem Jahr 2015 vom “SZ-Magazin”: “Der viel zu lange Arm des Gesetzes”.

4. Google kommt Verlagen bei Bezahl-Artikeln entgegen
(zeit.de)
Viele Paywalls lassen sich derzeit über eine Google-Suche umgehen. Das soll sich nun ändern, denn Google will die Verlage selbst entscheiden lassen, wie viele bezahlpflichtige Artikel Nutzern kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Das neue Modell habe Google zusammen mit vielen Verlagen entwickelt, auch mit der “New York Times” und der “Financial Times”.

5. Warum ARD und ZDF fusionieren sollten
(handelsblatt.com, Hans-Peter Siebenhaar)
ARD und ZDF haben Sparvorschläge vorgelegt, doch für Handelsblatt-Kolumnist Hans-Peter Siebenhaar handelt es sich nur um kosmetische Korrekturen. Die Politik sei gefordert, das “verkrustete und ineffektive” Rundfunksystem zu reformieren. “Im digitalen Zeitalter braucht niemand mehr eine mediale Grundversorgung durch staatsnahe Rundfunkanstalten mit einem beamtenähnlichen Pensionssystem.” Eine Möglichkeit, die Rundfunkgebühr nachhaltig zu senken, sei die Zusammenlegung von ARD und ZDF.

6. Mehr als 500 Podcasts von und mit Frauen in Deutschland
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Sind Podcasts vor allem eine Männerdomäne? Weit gefehlt! Die Medienforscherin Nele Heise pflegt eine Datenbank, in der mehr als 500 aktive Podcasts und Podcastformate gelistet sind, an denen Frauen beteiligt sind. Die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender seien dabei noch nicht einmal mitgezählt. Leider würden Podcasts von Frauen im medialen Diskurs weitgehend unberücksichtigt werden. Podcasterinnen kämen kaum als Interviewpartnerinnen, kaum bei Vorstellungen des Formats Podcast und selten in Bestenlisten vor.

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