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“Focus Online” fällt auf autonome Abgassammler der “Titanic” rein

Was auf den ersten Blick nach einem schlechten Scherz aussieht, scheinen die Macher des Videos offenbar ernst gemeint zu haben.

… schreibt “Focus Online”.

Linksextreme die Autoabgase einsammeln, um sie zu einer Messstation zu tragen — was wie Satire klingt, war tatsächlich Gegenstand einer Anleitung, die kürzlich auf einer Internetseite von sogenannten Linksautonomen veröffentlicht wurde.

… heißt es bei der “Achse des Guten”.

“schlechter Scherz” — das ist Geschmackssache. Satire — auf jeden Fall! Denn die “Titanic” schreibt zu den linksautonomen Abgassammlern: Wir waren’s!

Die “Titanic”-Redakteure Leonard Riegel und Moritz Hürtgen haben “Focus Online” reingelegt. Sie haben sich unter dem Namen Michael Leitmayr — ein Münchner, “der als Hobby ‘linke Aktivitäten überwacht'” — bei dem Portal mit einem selbst zusammengefrickelten Video gemeldet, das vermeintlich auf der Plattform “Indymedia” veröffentlicht und dort wieder gelöscht wurde:

Wer die “Focus online”-App auf seinem Smartphone installiert hat, weiß, dass die Münchner Vollgasjournalisten jeden Tag zwischen fünf und hundert Push-Mitteilungen zum Thema Pkw ausgeben. Müsste das Faktenmagazin nicht zwingend berichten, wenn das Autohasser-Filmchen z.B. beim linksextremen Portal “Indymedia” auftaucht? Na klar, es müsste!

Das “Filmchen” mit dem Titel “TUTORIAL FEINSTAUBMESSSTATIONEN MANIPULIEREN” zeigt Hürtgen und Riegel mit Sturmhauben, wie sie mit einer Fußpumpe erst Abgase an einem Autoauspuff sammeln und diese dann an einer Frankfurter Messstation verteilen. Dazu die Slogans “Autokonzerne bekämpfen” und “Diesellobby zerschlagen”. Bei “Focus Online” haben sie einen Artikel draus gemacht:

Screenshot Focus Online - Radikale Maßnahmen für Fahrverbote? Autonome verbreiten Anleitung zur Manipulation von Feinstaub-Messstationen

Auf einer Internetseite wurde eine Anleitung verbreitet, wie man Feinstaub- und Stickoxid-Messstationen manipulieren könnte. Das Video liegt FOCUS Online vor.

Die “Achse des Guten” schrieb von “Focus Online” ab. Genauso die “Junge Freiheit”. Und auch “Spiegel”-Autor Jan Fleischhauer glaubte die Geschichte:

Screenshot eines Tweets von Jan Fleischhauer - Ich stelle mir gerade vor, wie der aufrechte Autonome mit einer Fusspumpe am Auspuff seines Autos Abgase einsammelt, um diese zur Messstation zu tragen und da dann wieder freizulassen. Irgendwie war das Autonomenleben auch schon mal glamouröser.

Unter anderem “Welt”-Chef Ulf Poschardt verbreitete Fleischhauers Tweet.

Und ja, es hätte einen relativ leichten Weg gegeben, die Sache vor Veröffentlichung zu überprüfen: Die “Titanic” (beziehungsweise Michael Leitmayr) hat nach eigener Angabe mit einem Mitarbeiter von “Focus Online” telefoniert und ihm erzählt, über Twitter auf den Link zur inzwischen gelöschten “Indymedia”-Seite gestoßen zu sein. Man könne sich aber nicht mehr erinnern, welcher Twitter-Account das genau gewesen ist, so die Notlüge der “Titanic”-Mitarbeiter. Nach diesem Link, der “Focus Online” durch einen Screenshot bekannt war, hätte man bei Twitter suchen können — und nichts gefunden. Dafür hätte man natürlich gewillt sein müssen, auf eine klickträchtige Story zu verzichten.

Alle Hintergrundinfos und ein Protokoll zur Aktion gibt’s bei der “Titanic”:

Auf die Straße gegen Uploadfilter!, Thüringer Rückzug, Ängstliche AfD-JA

1. Uploadfilter: Jetzt hilft nur noch Protest auf der Straße
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
In wenigen Wochen stimmt das Europaparlament über die Einführung von verpflichtenden Uploadfiltern und damit über eine automatisierte Inhaltskontrolle ab. Markus Reuters eindringlicher Appell: “Mit den Uploadfiltern wird Europa eine Technik einführen, die schnell in eine Kontroll- und Zensurinfrastruktur umzubauen ist. Noch können wir dieses gefährliche Projekt stoppen. Hashtags und Petitionen sind ganz nett. Aber um Uploadfilter noch zu verhindern, braucht es mehr: Verbündet Euch und geht für Demokratie und freie Gesellschaft auf die Straße.”
Weiterer Lesetipp: Aufbruch ins unfreie Internet (zeit.de, Lisa Hegemann).

2. AfD-Jugendorganisation verweigert taz Akkreditierung
(blogs.taz.de)
Am Wochenende findet in Magdeburg der Bundeskongress der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative statt. Während andere Medien dort zugelassen sind, verweigert die JA der “taz” die Akkreditierung. Der Organisation würden anscheinend die Kommentare der zuständigen “taz”-Korrespondentin nicht gefallen.
Weitere Lesetipps: Sabine am Ordes “taz”-Kommentar Überwachung allein reicht nicht (“Der Verfassungsschutz macht die AfD als Ganze zum Prüffall in Sachen Rechtsextremismus. Ein wichtiger Schritt, aber kein Grund zum Aufatmen.”) und ihr Beitrag Mitgliederschwund beim AfD-Nachwuchs: Exodus bei der Jungen Alternative.

3. Der Kampf um Bayern
(faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing)
Vor der Landtagswahl in Bayern hat es nach Angaben des britischen Institute for Strategic Dialogue massive Kampagnen von Rechtsextremen in sozialen Medien gegeben. Dabei setzten die Rechts-Aktivisten Strategien aus Handbüchern um, bei denen es um hetzerische Bildmontagen, Troll-Aktionen und das Verwenden von Fake-Accounts geht. Insgesamt erkennten die Forscher bei den Manipulationsversuchen im Wahlkampf eine wachsende internationale Vernetzung von Rechtsradikalen.

4. Immer mehr Schikanen gegen Korrespondenten
(deutschlandfunk.de, Steffen Wurzel, Audio: 5:16 Minuten)
Ständige Kontrollen, intensive Beschattungen, Schikanen und Repressionen: Für ausländische Reporter wird es in China immer schwieriger. Der Pekinger Auslandskorrespondenten-Club hat für seinen neuen Jahresbericht etwa einhundert ausländische Medienvertreter in China befragt. Mehr als die Hälfte habe angegeben, dass sich die Arbeitsbedingungen in China 2018 verschlechtert hätten. Neun von zehn der befragten Auslandskorrespondenten würden davon ausgehen, dass ihre Smartphones angezapft werden. Außerdem werde es immer schwieriger, an Gesprächspartner zu kommen.

5. Bloggen wieder cool: «Medium» is the message
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Zwischen Amazon-Chef Jeff Bezos und dem amerikanischen Boulevardblatt “National Enquirer” läuft eine heftige Fehde. Die Hintergründe dazu lesen sich wie ein Netflix-Plot (Erpressungsversuch gegen Amazon-Chef: Trumps Feind ist unser Feind, taz.de, Jürn Kruse). Bezos verfasste eine Art offenen Brief an den “Enquirer”-Verlagschef David Pecker, den er auf der Blogging-Plattform Medium publizierte. Für Adrian Lobe ein Anlass, sich mit der zuletzt etwas angeschlagenen Plattform zu beschäftigen.

6. Rückzug auf Raten
(faz.net, Stefan Locke)
Die Funke-Mediengruppe besitzt in Thüringen mit der “Thüringer Allgemeine”, der “Thüringischen Landeszeitung” und der “Ostthüringer Zeitung” quasi ein Monopol. Nun hat der Konzern mit einer zunächst harmlos wirkenden Pressemitteilung für Aufregung gesorgt: “Für die Thüringer Titel werden Szenarien erarbeitet, wie eine Versorgung der Leserinnen und Leser in ländlichen Gebieten mit digitalen Angeboten gewährleistet werden kann.” Werde dieser Plan umgesetzt, könne dies das Ende der Papierzeitung bedeuten, so die Befürchtung. Damit wäre Thüringen das erste Bundesland, in dem keine gedruckte Tageszeitung mehr erschiene.
Dazu entfernt passend ein weiterer Lesetipp: Deutschlands größter Buchgroßhändler ist insolvent — über die Pleite des 185 Jahre alten Traditionshauses KNV, das mit 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Buchhandel mit Ware versorgt hat.

Update: Ein BILDblog-Leser merkt an: “Hr. Locke irrt, wenn er meint, dass nach dem möglichen Print-Rückzug von Funke keine Tageszeitung mehr in Thüringen erscheinen würde – immerhin gibt es noch das “Freie Wort” aus Suhl mit lt. Wikipedia rund 60.000er-Auflage (inkl. “Meiniger Tageblatt”) und die “Südthüringer Zeitung” mit 11.000er-Auflage. Lustig ist der Fehler Lockes natürlich vor dem Hintergrund des Zitats von Sergej Lochthofen: “Aber in Essen haben sie keine Vorstellung davon, wie die Orte in Thüringen heißen, wer die Leser überhaupt sind und was die hier so machen. Thüringen ist offensichtlich unwichtig.“ In Dresden offenbar genauso wenig…”

Bundeskartellamt vs. Facebook, Grenzwerte, Diversity-Heuchelei

1. Bundeskartellamt beschränkt Facebook im Sammeln von Nutzerdaten
(zeit.de)
Das Bundeskartellamt hat das Sammeln und die Verarbeitung von Daten der eigenen Nutzerinnen und Nutzer durch Facebook stark eingeschränkt. Facebook besitze in Deutschland eine marktbeherrschende Stellung und missbrauche diese. Das Netzwerk dürfe seine Nutzerinnen und Nutzer künftig nicht mehr zwingen, einer “faktisch grenzenlosen Sammlung und Zuordnung von Nicht-Facebook-Daten zu ihrem Nutzerkonto” zuzustimmen. Justizministerin Katarina Barley begrüßte die Entscheidung des Kartellamts.
Weitere Lesetipps: Wird auf Facebook jetzt alles anders? (zeit.de, Eike Kühl) und Was Facebook nicht darf, sollte Google auch nicht dürfen (zeit.de, Lisa Hegemann).

2. WhatsApp-Maßnahmen ohne Wirkung?
(faktenfinder.tagesschau.de, Silke Diettrich)
Whatsapp ist in Indien nicht nur sehr verbreitet, sondern auch sehr wirkmächtig. Immer wieder werden über den Messenger falsche Nachrichten und Gerüchte in Umlauf gebracht, die teilweise zu Lynchmorden führten. Mittlerweile hat Whatsapp das schnelle Weiterleiten von Nachrichten eingeschränkt und landesweit Aufklärungskampagnen geschaltet. Damit ist das Problem jedoch nicht gelöst, wie Silke Diettrich vom ARD-Studio Neu-Delhi berichtet.

3. ROG belegt erstmals Menschenrechtsverletzungen
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” (“ROG”) wurden geleakte Informationen aus dem iranischen Justizministerium zugespielt, nach denen im Iran allein zwischen 1979 und 2009 hunderte von Journalistinnen und Journalisten verfolgt, festgenommen, inhaftiert und in manchen Fällen hingerichtet worden seien. “Mithilfe dieser Datei können wir endlich nachweisen, dass das iranische Regime über Jahrzehnte die Weltöffentlichkeit belogen hat. Wir wissen jetzt, dass es hunderte Journalisten und tausende politische Gefangene inhaftiert und viele von ihnen gefoltert und ermordet hat. Über Jahrzehnte hat die iranische Regierung sie auf perfide und unbarmherzige Weise für ihre Überzeugungen oder ihre unabhängige Berichterstattung verfolgt”, so “R”OG-Geschäftsführer Christian Mihr. “Wir werden unsere Erkenntnisse der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet vorlegen, damit der Iran sich für seine Taten verantworten muss.”

4. Überdenkt Eure Anspruchshaltung
(wijo.wordpress.com, Josef Zens)
Josef Zens antwortet auf den vielfach geäußerten Vorwurf, bei der Feinstaub- und Stickoxiddebatte habe es sich um ein Kommunikationsversagen der Wissenschaft gehandelt: “Muss Wissenschaft wirklich über jedes Stöckchen springen, das ihr hingehalten wird? Muss sie immer wieder längst bekannte Fakten und Zusammenhänge präsentieren, weil die Abendschicht in der Redaktion halt nicht weiß, was die von der Frühschicht letzte Woche schon recherchiert und gesendet oder geschrieben haben? Ja, muss sie. Ich weiß. Und ja, wir im System Wissenschaft müssen auch schneller reagieren. Aber deshalb versagt nicht gleich die ganze Branche mit ihrer Kommunikation.”
Weiterer Lesetipp: Grenzwertedebatte: Warum blieben die Experten unsichtbar? — Zum ZEIT-Artikel von Ulrich Schnabel (jensrehlaender.com).

5. Ein unklares Verhältnis zur Wahrheit
(taz.de, Markus Kowalski)
Das jüngste Buch der US-Journalistin und ehemaligen Chefredakteurin der “New York Times” Jill Abramson steht unter Plagiatsverdacht. Das ist insofern pikant, als dass es in “Merchants of Truth” (“Händler der Wahrheit”) um den Kampf um Fakten und Wahrheit im Journalismus geht.

6. “Diversity”, das It-Piece der Saison
(sueddeutsche.de, Julian Dörr)
In der neuen Staffel von “Germany’s Next Topmodel” geht es auf einmal um menschliche Vielfalt. Dahinter stecke aber keine feministische Erleuchtung, sondern kapitalistisches Kalkül, so Julian Dörr in seinem Kommentar bei der “SZ”: “Nein. Heidi Klum interessiert sich nicht wirklich für Diversity. Es geht ihr nicht um Gleichberechtigung, um faire Chancen für alle. Klum geht es darum, dass Diversity “gerade DAS Thema in der Fashionwelt” ist.”

Dreistigkeit kostet “Bild” 50.000 €, Billy Six, Polit-Postille “Bild Politik”

1. Ein anderer Aus­schnitt macht noch kein anderes Bild
(lto.de)
Dazu gehört schon eine Menge Dreistigkeit: Obwohl es “Bild” gerichtlich untersagt wurde, das Foto einer “G20-Plünderin” zu zeigen, druckte das Blatt ein sehr ähnliches Foto erneut ab und titelte frech: “Bild zeigt die Fotos trotzdem — Gericht verbietet Bilder von G20-Plünderin”. Die Uneinsichtigkeit kostet “Bild” ein nun auch vom Oberlandesgericht Frankfurt bestätigtes Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 Euro.

2. Deutscher Reporter in Haft: Kaum Solidarität mit Billy Six
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Seit zweieinhalb Monaten sitzt der für rechte Medien arbeitende, deutsche Journalist Billy Six in Venezuela im Gefängnis. Gab es bei der Inhaftierung von Deniz Yücel noch Auto-Korsos, Soli-Konzerte, Titelseiten, Zeitungsanzeigen und Aufrufe von Politikern, Künstlern, Intellektuellen, herrscht bei Billy Six ziemliche Stille. Boris Rosenkranz erklärt, warum der Fall Six dem Fall Yücel ähnelt und warum doch alles etwas anders ist.

3. Warum “Bild Politik” zum Flop werden könnte
(haz.de, Imre Grimm)
Der Verlag Axel Springer wirft ein neues wöchentliches Heft auf den Markt: Die am Freitag erscheinende, 50 Seiten starke und 2,50 Euro teure “Bild Politik”. Imre Grimm fragt sich, ob sich der Verlag mit “Bild Politik” und der “Bild”-Zeitung nicht selbst kannibalisieren könnte. Und ist auch ansonsten skeptisch, was den Erfolg von Springers Polit-Postille anbelangt: “Wenn aber “Bild” und “Bild am Sonntag” mit ihrem streitlustigen Journalismus schon derart rasant an Zuspruch verlieren — wen genau will “Bild Politik” dann mit seiner sanfteren Spielart der Politemotion erreichen? Gefühle und Fakten? Mit dem Grundsatz “Fakten, Fakten, Fakten — und immer an die Leser denken” sind schon ganz andere gestartet. Und inzwischen tief in der publizistischen Irrelevanz versackt.”

4. Wie westliche Journalisten über Afrika berichten
(de.ejo-online.eu, Johanna Mack)
Ist die Afrikaberichterstattung westlicher Medien tatsächlich undifferenziert, einseitig und eurozentrisch, wie es oft heißt? Ein Wissenschaftler der Stanford University ist dieser Frage nachgegangen und hat dazu 282 Artikel aus acht britischen und französischen Zeitungen untersucht.

5. Spezialisierte Newsletter als Einnahmequelle
(deutschlandfunk.de, Grit Eggerichs, Audio: 5:41 Minuten)
Der “Tagesspiegel” hat eine neue Einnahmequelle entdeckt: Spezialisierte Newsletter, die sich an Politiker, Unternehmer und Entscheider richten. Grit Eggerichs hat sich die Idee genauer angesehen und geht dabei auch auf die “Politico”-Newsletter ein, die in Europa von etwa 45.000 Abonnenten gelesen werden.

6. Was Relotius uns noch zu sagen hätte
(faz.net, Anna-Lena Ripperger)
Marie Kilg hat einen Twitter-Bot gebaut, der den Reportage-Stil des ehemaligen “Spiegel”-Redakteurs Claas Relotius parodiert. Im Interview mit der “FAZ” spricht sie über die Funktionsweise von @ROB0TIUS und ihre Beweggründe bei dem Projekt: “Ich will mit den Bots, die ich mache, zeigen, dass sie nicht nur für russische Propaganda gut sind, sondern dass sie auch witzig sein können.”

Teilsieg über “Bild”, Geleakter Artikel 13, Prinz und Pöbler

1. Asylsuchender gewinnt – teilweise
(taz.de, Markus Kowalski)
Das Hamburger Landgericht hat entschieden: “Bild” darf Teile eines Artikels über den Asylsuchenden Alassa M. nicht weiter verbreiten. Das gehe aus einer einstweiligen Verfügung gegen den Springer-Verlag von Ende Januar hervor, die der “taz” vorliege (zum Hintergrund: Ein unfassbarer Fall). In allen anderen Punkten wies das Gericht jedoch den Antrag des Asylsuchenden ab. “taz”-Autor Markus Kowalski erklärt die Entscheidung des Gerichts und die Beweggründe, warum sich Alassa M.s Anwalt damit nicht abfinden will.

2. Zensur und Selbstzensur
(faktenfinder.tagesschau.de, Sebastian Schreiber)
Für US-Forscher hat sich unter Donald Trump vieles verändert. Eine Forschergruppe hat 80 Angriffe auf wissenschaftliche Prozesse in Regierungsorganisationen dokumentiert, darunter die Umweltbehörde EPA und die Wetterbehörde NOAA. Forscher seien von der politischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen, wissenschaftliche Texte zensiert und Studien eingeschränkt worden. Nun ruht alle Hoffnung auf einem neuen Berater im Weißen Haus.

3. Steigende Kosten bei der Zeitungszustellung
(deutschlandfunk.de, Vera Linß, Audio: 5:29 Minuten)
Zeitungsverlage haben es in Deutschland nicht leicht: Sinkende Werbeerlöse sorgen für sinkende Auflagen. Und nun will die Deutsche Post auch noch die Zustellkosten erhöhen. Gleichzeitig steigen die eigenen Vertriebskosten durch die verordnete schrittweise Einführung des Mindestlohns. Entsprechend groß ist das Wehgeschrei von Verlagen und Zeitungsverlegerverband.

4. Gericht sieht keine Belege für Diskriminierung von ZDF-Reporterin
(uebermedien.de, Juliane Wiedemeier)
Die ZDF-Reporterin Birte Meier hat vor Gericht eine bittere Niederlage hinnehmen müssen. Das Berliner Landesarbeitsgericht, an das sich Meier wegen angeblicher Frauendiskrimierung gewandt hatte, wies ihre Klage ab. Ein Kausalzusammenhang zwischen Gehalt und Geschlecht sei nicht belegt worden, so die Richterin. Wer sich für die Hintergründe interessiert: Im “Übermedien”-Beitrag gibt es Links zur Vorgeschichte.

5. Artikel 13 ist wieder auf der Zielgeraden – und er ist schlimmer als je zuvor
(juliareda.eu)
Kurzfristig standen die Verhandlungen um die neue EU-Urheberrechtsreform und insbesondere den umstrittenen Artikel 13 (“Uploadfilter”) still, doch jetzt sieht es so aus, als könnte alles viel schlimmer kommen als befürchtet. Ein geleakter deutsch-französischer Deal sehe vor, dass Artikel 13 für alle profitorientierten Plattformen gilt. Damit müssten unzählige völlig harmlose Apps und Websites Uploadfilter installieren, selbst wenn die Plattform bisher überhaupt kein Problem mit Urheberrechtsverletzungen gehabt habe. EU-Urheberrechts-Expertin Julia Reda: “Der deutsch-französische Kompromiss zu Artikel 13 verlangt, dass fast alle unsere Posts oder geteilten Inhalte online von einer “Zensurmaschine” — Algorithmen, die grundsätzlich nicht dazu in der Lage sind, zwischen Urheberrechtsverstößen und legaler Nutzung für Parodie oder Kritikzwecke zu unterscheiden — vorab Existenzerlaubnis erhalten. Es würde diesen Rechteinhabern erlauben, jede profitorientierte Website oder App mit Uploadfunktion zu drangsalieren.”

6. Der Prinz und der Pöbler
(spiegel.de, Isabell Hülsen & Marc Pitzke)
Der 38-jährige “New York Times”-Verleger Arthur Gregg Sulzberger schwimmt auf einer Erfolgswelle: Die Zahl der Abos habe sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt, und die Redaktion sei mit 1500 Journalisten so groß wie nie zuvor. Das liege an vielen klugen und glücklichen unternehmerischen Entscheidungen, aber auch an der Auseinandersetzung mit Donald Trump.

Bild.de verbreitet Messwert-“Gaga”-Unsinn des Verkehrsministers

Ernst Elitz begegnet uns ja normalerweise als Ombudsmann, der bei und in “Bild” für Recht und Ordnung sorgen soll. Manchmal schreibt Elitz aber auch als Autor für “Bild” und Bild.de und stiftet dann selbst mit falschen Fakten Unordnung. So auch jetzt wieder.

Elitz schrieb am Freitag über den Talk bei “Maybrit Illner”:

Aufreger der Woche! Das Thema bei “Maybrit Illner”: “Fahrverbot und Tempolimit — muss Deutschland runter vom Gas?”

Jeder hat eine Meinung. Wer hat die schlagenden Argumente?

Für Elitz und Bild.de offenbar Verkehrsminister Andreas Scheuer:

Screenshot Bild.de - Diesel-Talk bei Illner - Scheuer lästert über Gaga-Mess-Stationen

Scheuer macht sich lustig: In Stuttgart steht eine Mess-Station “am Neckartor in der Gebäudenische neben der Mülltonne. In Wien ist die zentrale Mess-Station in einer Fussgängerzone.” Scheuer: “Wenn man sich selber kasteien will, muss man es machen wie in Stuttgart.”

Noch ein Mess-Stationen-Witz vom Verkehrsminister: In Oldenburg wurden die höchsten Werte während eines Marathonlaufs gemessen. Scheuer: “Wenn das nicht Gaga ist.” Scheuer will die Grenzwerte noch mal überprüfen lassen.

Erstmal sollte Andreas Scheuer aber vielleicht seine Fakten überprüfen lassen. Und das am besten nicht von Ernst Elitz, der Scheuers “Mess-Stationen-Witz” aus Oldenburg bereitwillig aufgreift und verbreitet.

Denn es stimmt schlicht nicht, was der Verkehrsminister und der “Bild”-Ombudsmann da erzählen.

Die vermeintlich hohen Messwerte während des Marathons in Oldenburg kursieren schon länger. Neulich erst tauchten sie zum Beispiel in der Doku “Das Diesel-Desaster” im “Ersten” auf. Und jetzt eben bei “Maybrit Illner” und Bild.de.

Der Marathonlauf in Oldenburg fand am 21. Oktober 2018 statt. Die gesperrte Strecke führte unter anderem an einer Messstation für Stickstoffdioxid vorbei. Diese meldete für den 21. Oktober den Tageshöchstwert von 54 µg/m³, also ein gutes Stück über dem Grenzwert von 40 µg/m³.

Wurden in Oldenburg also “die höchsten Werte während eines Marathonlaufs gemessen”, wie Ernst Elitz dem Verkehrsminister nachplappert? Nein. Die 54 µg/m³ wurden um 21 Uhr gemessen, als der Marathon längst vorbei war, und wieder Autos an der Messstation vorbeifuhren. Während des Laufs — um 16 Uhr wurden die letzten Straßensperrungen aufgehoben — lagen die offiziellen Messergebnisse unter dem Grenzwert:

XXX

Die Stadt Oldenburg schreibt dazu:

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Messstation am Heiligengeistwall wird auch häufig der Tag des Marathonlaufes in Oldenburg, 21. Oktober 2018, als Argument für die möglicherweise unzutreffenden Messwerte heran gezogen. Beim Marathonlauf gab es keine Autos in der Stadt, trotzdem hohe Messwerte. Wie lässt sich das erklären? (…)

Der Tagesmittelwert am 21. Oktober 2018 hat den üblichen Sonntagswert um 1,2 µg/m³ unterschritten.

Der Laufsonntag war auch für den Heiligengeistwall nicht verkehrsfrei. Lediglich im Zeitraum zwischen 9 und 14 Uhr sorgten Absperrungen für weniger Verkehr als sonst üblich. Während dieser Zeit konnten in Richtung Julius-Mosen-Platz etwa 670 Fahrzeuge den Bereich der Messstelle passieren. Im gesamten Zeitraum von 0 bis 24 Uhr befuhren etwa 2.500 PKW und rund 200 LKW/Busse die Strecke in diese Richtung.

Auf der Bild.de-Startseite wirbt Ernst Elitz so für seine Dienste als “Bild”-Ombudsmann:

Screenshot Bild.de - Debatte falsch dargestellt? Zweifel an Fakten? Schreiben Sie dem Bild-Ombudsmann

Wir hätten da was, siehe oben.

Mit Dank an theo und @MichaelKreil für die Hinweise!

Die ganz besondere “Bild”-“Wahrheit” zum Tempolimit

Nach seinem Diesel-“Manifest” aus dem vergangenen Jahr und den “10 Mitrede-Fakten zum Diesel-Durcheinander” von vor ein paar Tagen liefert Stefan Voswinkel, stellvertretender Chefredakteur Auto der „Bild“-Gruppe, nun “5 WAHRHEITEN” zur Diskussion ums Tempolimit:

Screenshot Bild.de - Fünf Wahrheiten zur Autobahn-Debatte - Ein Tempolimit verhindert keine tödlichen Unfälle

Voswinkels “Wahrheit 4”, die zur Überschrift bei Bild.de geführt hat, lautet:

Ein Tempolimit verhindert keine tödlichen Unfälle. Ob man mit 130 km/h oder 160 km/h verunglückt — die Folgen sind in beiden Fällen zumeist tödlich.

Das mag sein — wobei wir uns durchaus vorstellen können, dass es einen Unterscheid macht, ob man mit 160 km/h oder mit 130 km/h auf ein Auto brettert, das beispielsweise mit 100 km/h von der rechten auf die linke Autobahnspur ausschert.

Der entscheidende Punkt ist aber ein anderer: Voswinkel geht davon aus, dass es einen Unfall gibt, und schaut sich dann die Auswirkungen verschiedener Geschwindigkeiten an. Die wenigen Studien, die es zum Thema gibt, zeigen aber, dass ein Tempolimit schon früher ansetzt: Mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h kommt es gar nicht erst zu so vielen Unfällen — und damit auch nicht zu so vielen tödlichen Unfällen — wie ohne Tempolimit.

Das Land Brandenburg hat bereits Ende 2002 auf einem 62 Kilometer langen Abschnitt der A24 eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h eingeführt (an den dazugehörigen Autobahndreiecken beträgt sie 120 km/h). Eine Studie hat unter anderem die Unfälle vor und nach Einführung untersucht (PDF). Die Ergebnisse sind ziemlich deutlich: In den drei Jahren zuvor gab es auf der Strecke 654 Unfälle, in den drei Jahren danach nur noch 337. Das entspricht einem Rückgang von 48 Prozent. Die Zahl der Verletzten und tödlich Verunglückten sank mit 57 Prozent noch stärker: von 838 in drei Jahren vor der Umstellung auf 362 in den drei Jahren danach. Allerdings war laut Studie auch die sogenannte Verkehrsstärke auf dem Abschnitt leicht rückläufig: von 47.200 Kfz pro 24 Stunden zwischen 2000 und 2002 auf 45.400 Kfz pro 24 Stunden zwischen 2004 und 2006.

Christian Frahm und Emil Nefzger haben sich bei “Spiegel Online” die Unfallstatistik für die 62 brandenburgischen Autobahnkilometer in einem noch größeren Zeitraum angeschaut:

Bemerkenswert ist vor allem die Entwicklung der Verletztenzahlen: So wurden von 1996 bis 2002 bei Unfällen auf diesem Autobahnabschnitt 1850 Menschen verletzt — im gleichen Zeitraum nach der Einführung der 130 km/h sank die Zahl um mehr als die Hälfte, auf 799 Verletzte.

Die Zahlen aus Brandenburg widerlegen auch die These des Verkehrsforschers Michael Schreckenberg, der sich gegen Tempolimits ausgesprochen hat. Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar hatte er noch erklärt: “Ob ich mit Tempo 100 oder 160 vor den Baum fahre — ich bin in beiden Fällen tot.” Tatsächlich starben auf dem untersuchten Abschnitt der A24 in Brandenburg in den Jahren 1996 bis 2002 ohne Tempolimit 38 Menschen. Seit der Beschränkung auf 130 km/h im Jahr 2003 halbierte sich diese Zahl auf 19 Tote.

Ein Tempolimit kann, anders als Stefan Voswinkel bei Bild.de behauptet, offenbar tödliche Unfälle verhindern.

Das bestätigen auch Zahlen aus Nordrhein-Westfalen, die Frahm und Nefzger ebenfalls nennen:

Ein ähnliches Beispiel gibt es auch in Nordrhein-Westfalen, auf einem Autobahnabschnitt der A4 zwischen den Gemeinden Elsdorf und Merzenich. Dort wurde 2017 nach mehreren schweren Unfällen mit zahlreichen Verletzten und insgesamt neun Getöteten in den vorangegangenen drei Jahren ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde eingeführt. Nach Informationen des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) ereignete sich dort bis heute kein tödlicher Unfall mehr.

Ein Tempolimit könne laut der Studie aus Brandenburg übrigens noch weitere Vorteile haben: einen besseren Verkehrsfluss, eine höhere Kapazität und, da die sinkenden Unfallkosten die durch eine längere Fahrtzeit entstehenden zusätzlichen Kosten übertreffen, niedrigere Ausgaben für die Gesellschaft.

Mit Dank an Dirk H. für den Hinweis!

Gängelung durch VW, “Don Alphonso” in der Jury, Unterirdische Klopapiere

1. Wie Volkswagen Journalisten gängelt
(horizont.net, Ulrike Simon)
Volkswagen lädt Journalistinnen und Journalisten zu einer Veranstaltung ein. So weit, so normal. Ab da wird’s aber bemerkenswert: Der Konzern schreibt vor, dass nicht fotografiert werden darf, nicht gefilmt werden darf, nicht mitgeschrieben werden darf. Und sollte anschließend doch jemand etwas veröffentlichen wollen, dann nur, nachdem er oder sie VW die Zitate “und auch die Fakten”, “die Sie gedenken zu verwenden”, zuvor zugeschickt hat. Man könne den Zugang zur Veranstaltung “leider nur gewähren, wenn wir die Artikel vor Veröffentlichung einmal sehen und ggf. ändern können”. Ulrike Simon fragt: “Heißt das mit anderen Worten: Ist der Ruf erst ruiniert, zensiert es sich ganz ungeniert?”

2. Jury-Berufung von “Don Alphonso” in der Kritik
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers)
Rainer Meyer, besser bekannt als “Don Alphonso”, sitzt in diesem Jahr erstmals in der Jury des Medienpreises des Bundestages. Dass einer, der in seinen Blog-Beiträgen und Tweets immer wieder von “Merkels Medienpaladinen”, “Relotiusmedien” und “Systemredakteuren” spricht, nun über einen renommierten journalistischen Preis mitentscheiden soll, können einige kaum fassen.

3. Raus aus der Blase: Pfleger wird Politikchef
(ndr.de, Sebastian Friedrich)
Laut einer Studie haben drei Viertel der Journalistinnen und Journalisten in Deutschland einen Hochschulabschluss. Das Medienmagazin “Zapp” hat mit einem gesprochen, der über einen deutlich anderen in den Journalismus gekommen ist: Jan Jessen ist ausgebildeter Krankenpfleger, war Sänger in einer Punk-Band, wohnte in besetzten Häusern und leitet heute das Politik-Ressort der “Neuen Ruhr Zeitung”. Für ihn sei die soziale Öffnung überlebenswichtig für die Branche.

4. Ich dachte naiverweise, dass der Focus Ärzte empfiehlt, weil sie gut sind
(facebook.com/yael.adlerdr, Yael Adler)
1900 Euro plus Mehrwertsteuer kostet es, um laut “Focus” ein guter Arzt, Pardon, ein “empfohlener Arzt in der Region” zu sein. Soviel will die BurdaNews GmbH haben, damit man ein entsprechendes “FOCUS-Empfehlungssiegel” verwenden darf. Yael Adler, selbst Ärztin, hat ein solches Angebot “von einem empörten Kollegen” zugespielt bekommen und bei Facebook veröffentlicht.

5. Soziale Netzwerke: Wo Mitgefühl überbewertet wird
(nordbayern.de, Christian Urban)
Nach den Meldungen zum Tod zweier Jugendlicher in Nürnberg und zum Tod eines Zweijährigen in Spanien habe er mit Mitgefühl und Anteilnahme gerechnet, schreibt Christian Urban: “Das wären die Reaktionen, die man nach solch tragischen Ereignissen erwarten sollte. Nicht gerechnet hatte ich allerdings mit den Kommentaren zahlreicher Nutzer auf unseren Facebook-Seiten.” In einer recht deftigen “Wutrede” richtet sich der Online-Redakteur an jene Nutzer: “Haltet einfach die Klappe. Eure noch nicht komplett abgestumpften Mitmenschen werden es Euch danken. Und ich sowieso.”

6. Pressefreiheit auch für Saftpressen
(instagram.com, Jan Josef Liefers)
“Steht er jetzt noch zu ihr?” steht in großen Buchstaben auf der Titelseite eines Klatschmagazins, dahinter die Fotos von Schauspielerin Anna Loos und Schauspieler Jan Josef Liefers. Diese Schlagzeile hat die zehnjährige Tochter der beiden offenbar so verunsichert, dass sie bei ihren Eltern in einer Familien-Whatsapp-Gruppe nachfragte, was da los sei. Liefers veröffentlichte den Chatverlauf und schrieb dazu: “Eines dieser unterirdischen Klopapiere hat es mal wieder geschafft. Seid ihr stolz auf Euch?”

Vom “Unwort des Jahres” zu einer Bedrohung für die Meinungsfreiheit

Seit 28 Jahren wird in Deutschland das “Unwort des Jahres” gewählt — sehr zum Gefallen der “Bild”-Zeitung, die seit vielen Jahren gerne darüber berichtet, oft sogar auf der Titelseite.

Ausriss Bild-Zeitung - Unwort des Jahres - Zum Unwort des Jahres 2009 hat eine Jury den Begriff betriebsratsverseucht gewählt. Ein Mitarbeiter einer Baumarkkette hatte das Wort im TV verwendet
(“Bild”, 2010, Titelseite)

Screenshot Bild.de - Gesellschaft für deutsche Sprache - Alternativlos ist das Unwort des Jahres 2010 - Es war Angela Merkels Kommentar zur Griechenland-Hilfe
(Bild.de, 2011)

Ausriss Bild-Zeitung - Döner-Morde ist das Unwort des Jahres
(“Bild”, 2012, Titelseite. Dass sie selbst zur Verbreitung des Begriffs beigetragen hatte, ließ die Redaktion natürlich lieber unerwähnt.)

Ausriss Bild-Zeitung - Schlecker-Frauen Unwort des Jahres?
(“Bild”, 2013, Titelseite)

Screenshot Bild.de - Aus über 1300 Einsendungen gewählt - Sozialtourismus ist Unwort des Jahres
(Bild.de, 2014)

Ausriss Bild-Zeitung - Lügenpresse ist Unwort des Jahres
(“Bild”, 2015, Titelseite)

Ausriss Bild am Sonntag - Jury sucht Unwort 2015
(“Bild am Sonntag”, 2016)

Ausriss Bild-Zeitung - Umvolkung und Rapefugee sind Favoriten - Endspurt für Unwort 2016
(“Bild Frankfurt”, 2017)

Ausriss Bild-Zeitung - Volksverräter Unwort des Jahres
(“Bild”, 2017, Titelseite)

Screenshot Bild.de - Jury aus Sprachwissenschaftlern hat entschieden - Alternative Fakten ist Unwort des Jahres 2017
(Bild.de, 2018)

Ausriss Bild-Zeitung - Unwort des Jahres 2017: Alternative Fakten
(“Bild”, 2018, Titelseite)

Auch über die jüngste Wahl zum “Unwort des Jahres 2018” hat “Bild” vor ein paar Tagen wieder berichtet. Diesmal aber mit einer, nun ja, leichten Änderung im Ton. Die Zeitung schreibt:

Ausriss Bild-Zeitung - Große Debatte um das Unwort des Jahres - Sprach-Polizei verordnet Deutschland Sagbarkeits-Regeln

Die Jury der sogenannten „Sprachkritischen Aktion“ aus Sprachwissenschaftlern hat die Formulierung „Anti-Abschiebe-Industrie“ von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (48) zum „Unwort des Jahres 2018“ gekürt – und löst damit kritisches Nachfragen aus.

Und zwar in erster Linie bei den Autoren des “Bild”-Artikels, Filipp Piatov und Ralf Schuler, die empört fragen: “Wer ist die Sprachpolizei überhaupt?” “Was hat die Sprach-Jury auszusetzen?” Und vor allem: “Wer soll das noch verstehen?”

“Niemand hat diese Jury legitimiert”, zitieren sie einen Sprachprofessor. Die Jury stehe “immer auf der sicheren Seite der politischen Korrektheit”. Diese ganze Sache sei “eine Farce”.

Man dürfe, so das bittere Fazit der “Bild”-Autoren, in diesem Land eben nicht mehr öffentlich sagen, was man möchte:

Nach der Kritik von Sport-Star Stefan Kretzschmar (45) diskutiert Deutschland, ob man eigentlich noch öffentlich sagen kann, was man möchte. Erkenntnis seit gestern: Ja, darf man. Es sei denn, es passt der Sprachpolizei nicht…

Über diese Kretzschmar-Sache hatte “Bild” schon in den Tagen davor groß berichtet:

Ausriss Bild-Titelseite - Darf man nicht mehr sagen, was man denkt? Die Debatte über Meinungsfreiheit geht weiter - was Prominente sagen

Die Antwort dürfte den “Bild”-Lesern spätestens seit dem “Unwort”-Artikel klar sein. Stichwort: Political Correctness! Stichwort: Sprachpolizei!

Jahrelang hielt die “Bild”-Zeitung die Wahl zum “Unwort des Jahres” für eine berichtenswerte Nachricht, sie widmete ihr prominente Plätze auf der Titelseite, machte regelrecht Werbung dafür: Diese Begriffe stehen zur Auswahl! So können Sie Vorschläge einreichen! Das sind die Gewinner!

… und auf einmal ist sie das Werk der “Sprachpolizei”, die mit ihrer “politischen Korrektheit” die Meinungsfreiheit in diesem Land einschränken will.

Ganz neu sind diese Argumente und Begrifflichkeiten freilich nicht. 2017 schrieb die AfD zum Unwort des Jahres, hier schwinge sich “eine Gesellschaft zur Sprachpolizei” auf. 2018 schrieb “Compact”: “Das Unwort des Jahres 2017 steht fest. Na, toll – und jetzt? Was soll dieser Zirkus eigentlich? Will uns die Sprachpolizei hier rhetorisch einnorden? Alles frei nach Orwell: ‘Wer die Sprache beherrscht, beherrscht das Denken?'” Und “Tichy’s Einblick” erklärte vor ein paar Tagen, die Wahl zum “Unwort” diene “Linksintellektuellen” lediglich dazu, “Andersdenkende lächerlich zu machen und zu diffamieren”. Überschrift: “Jährlich meldet sich die linke Sprachpolizei”.

Und “Bild” marschiert — mal wieder — munter mit.

“Bild” wirft Nebelkerzen ins Diesel-Durcheinander

Wenn ein “Bild”-Artikel schon so anfängt, sollte man schnell in Deckung gehen:

Die Diesel-Debatte dröhnt durch Deutschland, ohne dass man wirklich weiß, was man nun glauben soll: Sich widersprechende Experten, Ärzte, Politiker — viel Meinung, aber oft wenig Wissen. BILD bringt Ordnung ins deutsche Diesel-Durcheinander. Hier 10 Fakten, die jeder zur Kenntnis nehmen sollte

Tom Drechsler, Chefredakteur Auto der “Bild”-Gruppe sowie Schutzpatron der Pendler, und Stefan Voswinkel, stellvertretender Chefredakteur Auto der “Bild”-Gruppe, haben “Mitrede-Fakten zum Diesel-Durcheinander” zusammengetragen:

Screenshot Bild.de - Feinstaub, Messstationen, Tempolimits - Zehn Mitrede-Fakten zum Diesel-Durcheinander

… die am vergangenen Freitag auch in der gedruckten “Bild” erschienen sind:

Ausriss Bild-Zeitung - Bild bringt Ordnung ins Diesel-Durcheinander

Wie wenig Interesse Drechsler und Voswinkel jedoch an tatsächlicher Aufklärung haben, zeigen sie zum Beispiel in ihrem “Fakt” Nummer 8:

8. Kalifornien hat die strengsten Umweltgesetze der Welt. Trotzdem gilt dort ein NOx-Grenzwert von 58 µg/m³ Luft als nicht gesundheitsgefährdend, bei uns sind es 40 µg. Hätten wir die US-Grenzwerte, gäbe es in keiner einzigen deutschen Stadt ein Dieselfahrverbot!

Wer jetzt glaubt, dass keine deutsche Stadt bei den Stickoxiden (NOx) über dem kalifornischen Grenzwert liegt, ist auf den Trick der beiden “Bild”-Redakteure reingefallen. Geschickt vermischen sie verschiedene Vorgaben und lassen ein wichtiges Detail weg: Der Grenzwert in Kalifornien und die “US-Grenzwerte” sind nämlich zwei sehr unterschiedliche Dinge. Während in Kalifornien (und in einigen US-Bundesstaaten, die sich angeschlossen haben) ein Grenzwert von 57 µg/m³ (und nicht, wie “Bild” schreibt, 58 µg/m³) gilt, liegt er im Rest der USA bei 100 µg/m³. Die Aussage “gäbe es in keiner einzigen deutschen Stadt ein Dieselfahrverbot!” bezieht sich also auf einen deutlich höheren Grenzwert und hat nichts mit den Vorschriften in Kalifornien zu tun. Im Gegenteil: Auch bei Anwendung des kalifornischen Grenzwertes würde es in Deutschland Fahrverbote geben (PDF).

Weiter zu “Fakt” 6, wo Drechsler und Voswinkel aus einer Korrelation eine Kausalität machen:

6. 2010 überschritt die Zahl der Autos auf der Erde erstmals die Milliardengrenze, bis 2020 werden es 1,3 Milliarden sein. Die Lebenserwartung der Menschen steigt aber jedes Jahr. Laut WHO in den letzten 50 Jahren um 20 Jahre. Deutschland gehört zu den Ländern mit der höchsten Lebenserwartung: 80,8 Jahre.

Jeden Erwachsenen, der in einer Diskussion diese Nebelkerze als “Mitrede-Fakt” verkaufen wollte, würde man auslachen.

Oder “Fakt” 5, wo Tom Drechsler und Stefan Voswinkel als Argument gegen Elektroautos den Umstand anführen, dass diese — wie alle anderen Autos auch — Reifen haben, bremsen müssen und über Straßen fahren, auf denen Dreck liegt:

5. E-Autos sind nicht die Rettung. Sie fahren zwar emissionsfrei. Allerdings führen auch beim E-Auto Reifen- und Bremsabrieb zu Feinstaubbildung, außerdem der Dreck auf der Straße, den sie aufwirbeln.

Im vergangenen Jahr hat das Duo Drechsler/Voswinkel bereits ein “BILD-MANIFEST” mit Falschem und Verdrehtem aus der “Diesel-Hölle” veröffentlicht. Dass “viel Meinung, aber oft wenig Wissen” in der durch Deutschland dröhnenden Diesel-Debatte steckt, dürfte auch das Verdienst der zwei “Bild”-Auto-Chefs sein.

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