Den meisten Bürgern (und auch vielen Politikern) dürfte nicht ganz klar sein, worum es genau bei diesem “Rettungspaket” geht, das der Bundestag am Freitag für Griechenland “geschnürt” hat.
Aufklärung kommt da von der Sportredaktion des Kölner “Express”, die weltexklusiv herausgefunden hat, was mit dem Geld geschieht:
Doch jetzt trudelte eine komplett irre Offerte ins Haus des Nationalspielers: Panathinaikos Athen will Ballack haben. Geld? Spielt keine Rolle. EXPRESS erfuhr aus sicherer Quelle: Für drei Jahre bieten die Griechen Deutschlands Topstar 20 Millionen US-Dollar (16 Millionen Euro). Netto, versteht sich.
Sie haben’s ja, die Griechen. Schließlich hat am Freitag ja Deutschland den Weg frei gemacht für 22,4 Milliarden Euro Notkredite, um eine Staatspleite abzuwenden. Und mit so viel Kohle kann man sich ein paar Fußballer leisten.
Diese Taktik ist freilich nicht neu: Seit Island vor anderthalb Jahren vor der drohenden Staatspleite gerettet wurde, haben sich die dort ansässigen Fußballteams bekanntlich auch mit Weltstars eingedeckt und dominieren seitdem den europäischen Fußball wie keine zweite Nation.
Aber nicht nur Fußballfans und Ökonomen werden bei express.de überrascht — auch Historiker können noch was lernen:
Massenproteste auf Athens Straßen, drastische Sparmaßnahmen der Regierung – aber Panathinaikos will den ganz großen Wurf auf dem Transfermarkt. “Brot und Spiele” – das haben sich die alten Griechen von den Römern abgeschaut …
Ein bisschen widerspricht sich der Autor dann aber doch:
Schon im letzten Jahr schlug man auf dem Transfermarkt zu, holte Frankreichs Djibril Cissé für 8,5 Millionen Euro Ablöse und ein Jahresgehalt von 2,5 Millionen Euro.
Wie die das damals wohl finanziert haben, so ganz ohne deutsche Staatshilfe?
Schlicht falsch ist schließlich die Überschrift, die den Artikel ziert:
Nein, wollen sie nicht: Da Ballacks Vertrag beim FC Chelsea im Sommer ausläuft (wie express.de selbst schreibt), könnte er ablösefrei wechseln. Übrigens überall hin — vielleicht sogar zu einem Verein, der selbst finanziell schwer angeschlagen ist, aber aus Deutschland kommt.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Wie wahr sind Fakten?” (sueddeutsche.de, Camilo Jiménez und Katja Riedel)
Ein Besuch bei den Faktenprüfern des Wochenmagazins “New Yorker”: “Wir verifizieren alles, sogar die Fiktion.”
2. “Ein paar Wünsche an Sportcast” (sportmedienblog.de)
Das Sportmedienblog wünscht sich von der Firma Sportcast, die “exklusiv das Bildsignal der 1. und 2. Fußball-Bundesliga” produziert, zum Beispiel eine Verbesserung der “Kamerapositionen, die in vielen Stadien der Liga viel zu tief gewählt sind”. “Wenn durch diese Fehlentscheidung bei der Konzeption ständig nur ein Achtel des Spielfelds zu sehen ist, hat man natürlich auch als armchair coach keinerlei Chance, Spiel, Aufbau und Taktik zu analysieren, weil sich das Spielerlebnis qua Bildregie nur auf Zweikämpfe und Torschancen reduziert.”
3. “Gordon Brown. GORDON BROWN!” (medienpiraten.tv, Peer Schader)
Ein Lob für die im TV-Senders ITV zu sehende 94-minütige Debatte zwischen den Spitzenkandidaten der Unterhauswahlen: “Das lag im Wesentlich daran, dass im Studio nicht vier Journalisten von vier Sendern darum kämpften, sich mit ihren Fragen zu profilieren, sondern mit Alastair Stewart lediglich ein Moderator stand, der den drei Parteiführern abwechselnd das Wort erteilte und entschied, wann die nächste Frage gestellt werden sollte. Er ließ ihnen genügend Zeit, um ihre Argument vorzubringen, unterbrach aber sofort bei Wiederholungen.”
4. “Es ist ZEIT zu widersprechen” (freischreiber.de)
Der Berufsverband “Freischreiber” dokumentiert eine vom Zeitverlag an Autoren und Autorinnen verschickte “Rahmenvereinbarung zur Übertragung von Rechten”. “Der Autorenvertrag, den die ZEIT im Moment ihren Autorinnen und Autoren vorlegt mit dem dringenden Wunsch, ihn zügig zu unterschreiben, hat aber nicht nur grammatikalische Mängel – er ist insgesamt inakzeptabel.”
5. “Jetzt SPON-App für’s iphone!” (stigma-videospiele.de)
Eine Erklärung, warum das Foto auf Seite 132 der Ausgabe 15/2010 des “Spiegel” als Symbolbild gekennzeichnet sein müsste. “Auch wenn ich von Apples genausowenig Ahnung wie von iphones habe, würde ich mal aus dem Bauch raus die Vermutung aufstellen, dass auf diesem Foto ein Junge vorgibt zu spielen indem er gebannt den Desktop eines Macs anstarrt, bei dem der Screenshot eines Shooters als Hintergrundbild eingerichtet wurde.”
Jeder Journalistenschüler weiß, was eine Nachricht zur Nachricht macht: Prominenz, Nähe, Gefühl, Sex, Fortschritt, Folgenschwere, Konflikt, Kampf, Dramatik, Kuriosität. Je mehr dieser Nachrichtenfaktoren in einer Meldung zu finden sind, desto mehr Leser interessieren sich dafür, Auflagen steigen, Klickzahlen schnellen in die Höhe.
Und so erschien es fast wie ein Sechser im Boulevard-Lotto, als die Nachricht bekannt wurde, dass am Karfreitag eine Frauenleiche in der Nähe von George Clooneys Villa am Comer See gefunden wurde. Am 4. April titelt der Schweizer “Blick” in seiner Online-Ausgabe:
Dicht gefolgt von der Redaktion von Bild.de, die sich die Recherche gleich spart und kurzerhand die “Blick”-Geschichte nacherzählt:
Allein — zu dem Zeitpunkt hatte sich die Hälfte der Nachrichtenfaktoren bereits in heiße Luft aufgelöst: Die Frau war identifiziert, die meisten Spekulationen von der Polizei widerlegt. Und George Clooney, dessen Villa laut italienischen Medien “weniger als einen Kilometer”, laut Blick.ch und Bild.de nur “wenige Meter” vom Fundort entfernt steht, hatte offensichtlich rein gar nichts mit dem Fall zu tun. Die Leiche war mehrere Tage von der Strömung des Sees getrieben worden. Wie kann man also die Prominenz in der Meldung halten?
Der “Blick” wählt diesen kreativen Weg:
Bild.de ist weniger kreativ, aber plakativer:
In Punkto “Sex” gibt sich die “Blick”-Autorin besser informiert als alle anderen: Sie zitiert einen anonymen Ermittler, wonach das Opfer vermutlich “beim Sex” getötet worden sei — in der Überschrift wird aus der Spekulation flugs ein Fakt gemacht. Der ist dazu noch sehr exklusiv: In der italienischen Presse findet sich kein Hinweis auf den Geschlechtsverkehr, aber immerhin ein Hinweis, dass die offizielle Obduktion noch gar nicht stattgefunden hatte, als die grausamen Details in der Schweizer Boulevardzeitung (und unter Berufung darauf auch bei Bild.de) zu lesen waren.
Weniger einfallsreich zeigen sich die Boulevard-Journalisten bei den Nachrichtenfaktoren Dramatik und Gefühl – denn was ist dramatischer und nahegehender als die Bilder einer echten Leiche? Dass die Fotos nur zu Fahndungszwecken veröffentlicht worden waren und nach der längst erfolgten Identifizierung nicht mehr verwendet werden sollten, interessiert – wie gewohnt – weder Blick.ch, noch Bild.de. Schließlich geht es um den Leser die Auflage.
Es war eine selbst für “Bild”-Verhältnisse außerordentliche Lügengeschichte.
Am 29. Juni 2007 machte das Blatt groß mit der Meldung auf, es sei ein Video “aufgetaucht”, das den tödlichen Fallschirmsprung des FDP-Politikers Jürgen Möllemann zeige. (In Wahrheit waren das Video und sein Inhalt längst bekannt; auch “Bild” hatte schon darüber berichtet.) Die Aufnahmen würden “alle Spekulationen” beenden und beweisen, dass Möllemann Selbstmord begangen habe. (In Wahrheit hatte die Staatsanwaltschaft das Video bei ihren Ermittlungen vier Jahre zuvor ausgewertet und war trotzdem zu dem Ergebnis gekommen, weder Unfall noch Selbstmord seien auszuschließen.) Fast die gesamten deutschen Medien übernahmen zunächst die falschen Behauptungen von “Bild”.
Am nächsten Tag drehte “Bild” die Desinformationsschraube noch weiter. Aus dem Hinweis der Staatsanwaltschaft, dass das alles alt sei, machte sie einen Satz, der das Gegenteil suggeriert: “Auch die Staatsanwaltschaft Essen meldete sich zu Wort.” Und als sich der Videofilmer meldete, gegen die Veröffentlichung seiner Aufnahmen auf Bild.de protestierte und ankündigte, rechtliche Schritte gegen “Bild” zu prüfen, tat “Bild” mit einem Mal so, als stehe gar nicht fest, dass dieser Mann unbestritten Urheber der Aufnahmen ist.
Der Videofilmer hat tatsächlich geklagt, gegen Bild.de und den Fernsehsender N24, der die Aufnahmen von Bild.de kaufte und mehrmals in seinem Programm zeigte. Er fordert Schadensersatz, und um seinen Anspruch berechnen zu können, will er von N24 und Bild.de wissen, wieviel Geld sie an dem Tag, an dem sie sein Video widerrechtlich zeigten, durch Werbung erlöst haben. Diese Auskunft wollen Bild.de und N24 ihm nicht erteilen. Sie bestreiten, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Video und den Werbeeinnahmen gibt. Die Werbung sei lange vorher gebucht, und wenn dort nicht das Video gelaufen wäre, hätte man eine andere Nachricht präsentiert. Bild.de, das sich darauf berief, von jemandem die Exklusiv-Rechte an dem Video gekauft zu haben, bezweifelte zudem die Urheberschaft des Klägers — obwohl die “Bild”-Zeitung selbst ihn zuvor als den Videofilmer identifiziert hatte.
“Die Beklagten haben das Recht des Klägers als Hersteller des Videofilms widerrechtlich und schuldhaft durch die unerlaubte Ausstrahlung verletzt. Sie sind dem Kläger deshalb zum Schadensersatz verpflichtet. Die Schadensersatzpflicht umfasst — je nach der Berechnungsart, die der Kläger wählt — die Herausgabe des Gewinns, den die Beklagten durch die Veröffentlichung erzielt haben. Um den Umfang dieses Gewinns berechnen zu können, benötigt der Kläger Angaben über die von den Beklagten am Tag der Veröffentlichung erzielten Werbeeinnahmen.”
Dass N24 und Bild.de statt des Films andere Nachrichten hätten senden können, hebe den Zusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und den erzielten Werbeeinnahmen nicht auf.
Mark Pittelkau, einer der Chefreporter der “Bild”-Zeitung und sowas wie ihr Grand-Prix-Beauftragter, ist bei dem von Stefan Raab organisierten deutschen Vorentscheid eine unerwünschte Person. Wenn das Blatt bei den Pressekonferenzen von “Unser Star für Oslo” dabei sein will, muss es einen anderen Vertreter schicken.
Das ist nicht gerade förderlich für eine faire oder gar freundliche Berichterstattung in “Bild”, aber die erwarten die Leute um Raab von der Zeitung im Allgemeinen und Pittelkau im Besonderen ohnehin schon lange nicht mehr.
Eine einschneidende Erfahrung liegt zehn Jahre zurück: Damals vertrat Stefan Raab Deutschland beim Song Contest in Stockholm. Einen Tag vor dem Wettbewerb veröffentlichte “Bild” einen Artikel, der laut Raab frei erfunden war. Pittelkau hatte unter anderem behauptet, dass zwei 16-Jährige Mädchen Raab in Stockholm mit den Worten “Hadder denn da wat, un wenn ja, was hadder da” in den Schritt gegriffen hätten und der Moderator zum Frühstück Gummibärchen esse – wegen der Potenz.
Vier Jahre später war Raab wieder beim Grand-Prix, diesmal als Komponist und Mentor von Max Mutzke. Er hatte — im Gegensatz zu RTL, das seine Kandidaten mit Haut und Haaren der “Bild”-Zeitung ausliefert — erkannt, dass er für den Erfolg nicht auf das Wohlwollen und große Schlagzeilen von “Bild” angewiesen ist. Die “Bild”-Zeitung versuchte die Veranstaltung zunächst weitgehend totzuschweigen. Doch dann kam Pittelkaus Kollege Christian Schommers mit einer Enthüllung:
Ein türkischer Hotelier, bei dem er seine Rechnung trotz Mahnungen nicht bezahlt habe, erhebe “schwere Vorwürfe” gegen Mutzke.
Die Geschichte hielt keiner Überprüfung stand: Das vermeintliche Opfer selbst widersprach. Um eine Gegendarstellung zu vermeiden, bot “Bild” nach Angaben von Raabs Management 5000 Euro und freundliche Berichterstattung. Mutzke lehnte ab. Ein Gericht zwang “Bild” dazu, eine lange Gegendarstellung zu veröffentlichen.
Wer “Bild” kennt, weiß, dass ihre Berichterstattung eher von solchen Vorgeschichten und einer Sortierung nach Freunden (Dieter Bohlen) und Feinden (Stefan Raab) bestimmt wird, als von irgendwelchen journalistischen Kriterien.
Insofern ist es auch konsequent, dass das Blatt über die Sendung “Unser Star für Oslo” seit ihrem Start vor sechs Wochen zumindest bundesweit nicht berichtet hat.
Bis gestern:
Mark Pittelkau konnte exklusiv enthüllen, dass ein völlig unbekannter Mann, der sich als einer von Tausenden beim Casting für die Show beworben hatte und dessen misslungenes Vorsingen in einem kurzen Clip bei “TV Total” zu sehen war, im Urlaub in Thailand gestorben ist — für “Bild” die Nachricht des Tages. Online zeigte Bild.de ein Dutzend Fotos des unbekannten jungen Mannes, Urlaubsbilder und Aufnahmen von früheren Auftritten auf irgendwelchen Bühnen, erzählte detailverliebt und tränenreich, dass er auf der Rückreise von einem Urlaub in Australien war, wo er sechs Wochen lang war und einen Freund besucht hatte, der Karim heißt und “vor Jahren Europa den Rücken gekehrt hatte” — zufälligerweise exakt jenes Europa, in dem es einen Schlagerwettbewerb gibt, an dem sein Freund Bobby Donner gerne teilgenommen hätte!
Heute verriet Pittelkau in einem weiteren großen Artikel neue Details über das Drama dieses völlig unbekannten jungen Mannes: Todesursache sei eine verschleppte Herzmuskelentzündung gewesen, die Leiche soll nächste Woche nach Deutschland überführt werden, die Mutter hat schon ein Grab ausgesucht. Daneben auch diesmal wieder ein Foto von Stefan Raab, der Bobby Donner vermutlich nie getroffen hat. “Bild” hat den Toten posthum sogar zum “Grand-Prix-Kandidaten” befördert.
Fast könnte man Mitleid haben mit Mark Pittelkau. Womöglich hat er wochenlang nach Schmutz gewühlt, mit dem er Raab und sein verdammtes Casting bewerfen kann, irgendeine schlimme Geschichte, um den Mann schlecht aussehen zu lassen, wie damals bei Max Mutzke. Und alles, was er gefunden hat, ist, dass einer der viereinhalb Tausenden Bewerber Monate nach dem Vorsingen unter tragischen Umständen im Ausland gestorben ist? Und der Skandal besteht darin, dass der Clip, wie er sich beim Vorsingen blamiert, danach noch einen Tag lang auf den Internetseiten von “TV Total” zu sehen war? (Iinzwischen ist er dort verschwunden, aber stattdessen auf Bild.de zu sehen, was man ironisch finden kann oder konsequent.)
Aber so lächerlich und durchschaubar das Aufblasen dieser Geschichte ist — es ist nicht lächerlich genug, dass anderen Medien sie nicht besinnungslos abschreiben würden. Seiten wie Quotenmeter.de und die Internet-Ableger von “Focus”, “Abendzeitung”, “Hamburger Morgenpost”, “Augsburger Allgemeine” u.v.a. erzählen die Nicht-Geschichte nach. Der Online-Auftritt von “Gala” formuliert: “Kurz vor dem Halbfinale (8. März, 20.15 Uhr, Pro7) von ‘Unser Star für Oslo’ ist einer der Kandidaten der Stefan-Raab-Show gestorben” — als hätte es sich um einen der Kandidaten aus dem Halbfinale (am 9. März) gehandelt, was tatsächlich eine Nachricht gewesen wäre. Selbst dpa hat inzwischen eine Meldung zum Thema veröffentlicht.
So gesehen muss man mit Pittelkau wohl doch kein Mitleid haben. Und immerhin scheint seine Geschichte nicht erfunden zu sein. Das ist doch schon was.
“34,3 Zentimeter hoch, 3,85 Kilo schwer. Nickel, Kupfer, Silber mit Gelbgold beschichtet”, rattert Bild.de die äußeren und inneren Werte der Oscar-Statue herunter.
Man kann also ungefähr hochrechnen, wie groß Marilyn Monroe gewesen sein dürfte — etwa einen Meter:
Sehr sympathisch auch, dass sich die Academy den Witz erlaubt hatte, extra für das berühmte Sexsymbol einen Oscar mit Brüsten anfertigen zu lassen …
Andererseits hätte man sicher mal von diesem Spezial-Oscar gehört. Oder davon, dass Marilyn Monroe überhaupt einen Oscar gewonnen hätte.
Doch leider ist die Trophäe, die Marilyn Monroe hier so stolz zeigt, kein Oscar, sondern eine Henrietta — wie auch die Bildbeschreibung bei Getty Images unmissverständlich klar stellt:
Die amerikanische Schauspielerin Marilyn Monroe (1926 – 1962), in einem tiefgeschnittenen trägerlosen Samtkleid, posiert mit ihrer ‘Henrietta’ Statue bei der Vereinigung der Auslandspresse während Hollywoods erstem jährlichen Internationalem Filmfestival, im Club Del Mar, Santa Monica, Kalifornien, 26. Januar 1952. Der Preis war ihre erste von mehreren ‘Henriettas’ im Laufe der Jahre.
(Übersetzung von uns)
Also bestimmt ein magischer Moment für Frau Monroe, aber sicher kein Fall für die Klickstrecke “Magische Oscar-Momente aus acht Jahrzehnten”.
* * *
Auch Tagesspiegel.de kann bei seinem Oscar-Kommentar mit einer weltexklusiven Sensationsmeldung aufwarten — versteckt in einem Nebensatz:
Der erst siebte Film der kalifornischen Regisseurin in 20 Jahren war am Publikumszuspruch gemessen der David im Kampf um die Oscars; Avatar, der die Rekordsumme von 200 Milliarden Dollar in die Taschen seiner Produzenten gespült hatte, der Goliath.
200 Milliarden Dollar, das entspricht etwa 147 Milliarden Euro und damit fast der Hälfte des Bundeshaushalts 2010. In Wahrheit hat Avatar bisher “nur” rund 2,5 Milliarden Dollar eingespielt.
Mit Dank an Marco S. und Markus S.
Nachtrag, 16.25 Uhr: Bild.de hat Marilyn Monroe aus der Bildergalerie entfernt und Tagesspiegel.de hat die “200 Milliarden” auf “zwei Milliarden” heruntergestuft.
Es war eine Weltsensation, und der “Spiegel” hatte sie exklusiv. Im November berichtete das Nachrichtenmagazin über den Belgier Rom Houben, der nach einem Unfall scheinbar in ein Wachkoma gefallen war, tatsächlich aber wohl bei vollem Bewusstsein gewesen sei — 23 Jahre lang. Er konnte nur nicht mit der Außenwelt kommunizieren.
“Spiegel”-Wissenschaftsredakteur Manfred Dworschak hatte den Mann besucht und glaubte, sogar mit ihm gesprochen zu haben:
Wie haben Sie diese 23 Jahre überlebt, Monsieur Houben? Ein tiefes Knurren entweicht dem Mann im Rollstuhl, er scheint nachzudenken. Dann hurtiges Geklapper, ticketitack, Houbens rechter Zeigefinger huscht über die Tastatur, die an seiner Armlehne klemmt. Buchstabe auf Buchstabe erscheint: “Ich habe meditiert, ich habe mich weggeträumt”, steht da geschrieben. “Und nennen Sie mich Rom.”
Der Mann, der seiner Mitwelt verlorenging, lebt heute in einem hübschen Pflegeheim im belgischen Zolder. Noch immer ist er zu kaum einer Bewegung fähig, aber in seiner rechten Hand ist etwas Leben, das er nutzt: Mit Hilfe einer Sprachtherapeutin, die hinter ihm steht und seine Hand stützt, kann Rom auf einer Bildschirmtastatur schreiben.
Es klappert wieder, ticketitack: “Nie vergesse ich den Tag, an dem sie mich entdeckten, meine zweite Geburt.”
Viele weitere, teils herzzerreißende Antworten über das Leben von jemandem, der unerkannt bei Bewusstsein ist, aber keine Möglichkeit hat, sich mitzuteilen, schien der “Spiegel”-Redakteur dem Mann zu entlocken. Er war offenbar von der unbändigen Euphorie des Neurologen Steven Laureys, der den Fall entdeckt hatte, angesteckt:
Seit seiner Befreiung klappert Rom mit wachsendem Eifer auf seiner Tastatur, solange jedenfalls die Logopädin mitmacht. “Ich habe ihn natürlich getestet, um auszuschließen, dass in Wahrheit die Logopädin schreibt”, sagt Laureys. “Wir sind uns sicher, dass Rom bei Bewusstsein ist. Wussten Sie übrigens, dass er schon an einem Buch schreibt?”
Fernsehsender, Zeitungen und Online-Medien auf der ganzen Welt erzählten die unglaubliche Geschichte des “Spiegel” weiter. Die meisten Menschen, die sie hörten oder sahen, waren berührt. Und ein paar wurden sehr ärgerlich.
Denn die Methode, mit der Rom Houben vermeintlich sprach, ist höchst zweifelhaft. Bei der sogenannten “Gestützten Kommunikation” hält eine andere Person die Hand eines Menschen, der sich sonst nicht artikulieren kann, und führt sie über eine Tastatur. In Deutschland machte der Fall des Autisten Birger Sellin Furore, der sich auf diese Weise angeblich mitteilte, ein Buch schrieb und 1995 in “Stern-TV” mit Günther Jauch unterhielt.
Es fehlen wissenschaftliche Beweise dafür, dass bei der “Gestützten Kommunikation” tatsächlich derjenige spricht, der geführt wird — und nicht (womöglich unwissentlich) der Helfer. In Tests zeigte sich immer wieder, dass die Probanden auf diese Weise nur solche Fragen zuverlässig beantworten konnten, deren Antwort auch die Hilfsperson kannte. Bei der “Gestützten Kommunikation” würde es sich dann nur um eine Form des “Kluger Hans”-Effektes handeln. Amerikanische Fachverbände halten die Technik für diskreditiert.
James Randi, einer der bekanntesten und renommiertesten Kämpfer gegen Aberglaube jeder Art, hält “Gestützte Kommunikation” für nichts anderes als Scharlatanerei. Er geriet deshalb besonders in Rage, als er die Geschichte hörte, wie sich Rom Houben angeblich plötzlich der Welt mitteilte. “Diese grausame Farce muss aufhören!”, schimpfte er in seinem Blog und wies darauf hin, dass man in den Fernsehaufnahmen sogar sieht, dass Houben nicht einmal in Richtung der Tastatur schaut. Das tut aber die Frau, die mit festem Griff seine Hand führt. Das, was Houben angeblich “sagte”, ließ einige Experten ebenfalls misstrauisch werden.
Wir hatten damals “Spiegel”-Redakteur Manfred Dworschak mit der Kritik konfrontiert und gefragt, warum er meint, mit Rom Houben selbst kommuniziert zu haben. Er antwortete:
Steven Laureys hat Houben getestet (er zeigte ihm eine Reihe von Objekten, während Houbens Logopädin außerhalb des Raumes wartete, und fragte ihn, als sie zurückgekehrt war, was er gesehen hatte).
Ich weiß, dass die gestützte Kommunikation einen trügerischen Eindruck erwecken kann; deshalb habe ich mich ja auch vergewissert. Sie ist aber nicht schon von vorneherein ein untauglicher, korrupter Kanal, der in jedem Fall nur zur Hilfsperson führen kann.
Rom Houben fing nach seiner Entdeckung zunächst an, mit seinem rechten Bein (die rechte Körperhälfte ist motorisch nicht ganz erloschen) Ja-Nein-Signale zu geben. Damit war eine erste Verständigung möglich. Später lernte er, ein einfaches Ja-Nein-Display mit dem Zeigefinger zu bedienen. Als er damit gut zurecht kam, ging er zur alphabetischen Tastatur über.
Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn er beim Schreiben nicht immer die Tastatur im Blick hat; er sähe bei seiner Lichtempfindlichkeit ohnehin mitunter nicht allzu viel. Und wenn man bedenkt, dass er fast jeden Tag Stunden mit Schreiben verbringt und diese Tastatur für ihn das einzige Objekt auf der Welt ist, auf das er sein Handeln richten kann, verwundert es nicht so sehr, dass er die Tasten inzwischen auch mal halbwegs blind trifft (sie sind ja auch nicht gerade klein).
Das klang halbwegs überzeugend, doch die Skeptiker sollten Recht behalten. Im aktuellen “Spiegel” muss Dworschak einräumen, dass Rom Houben nicht auf diese Weise mit ihm reden konnte. Die Richtigstellung hat das Nachrichtenmagazin unauffällig in einem langen Artikel über neue Ideen der Hirnforschung versteckt:
Houben schrieb wohl doch nicht selbst; er hat nicht genug Kraft und Muskelkontrolle in seinem rechten Arm, um Zeichen anzusteuern. Die Logopädin, im Bemühen, dem Mann zum Ausdruck zu verhelfen, übernahm also unbewusst die Führung — solche Selbsttäuschungen kommen bei der Methode immer wieder vor. Auch die Auskünfte, die Houben Ende vorigen Jahres dem SPIEGEL gab, stammten demnach nicht von ihm.
Im aktuellen Test bekam Houben nun der Reihe nach ein Wort vorgesprochen oder einen von 15 Gegenständen gezeigt; die Logopädin war nicht dabei. Danach sollte der Mann jeweils den richtigen Begriff aufschreiben — es gelang kein einziges Mal.
Was für ein Alptraum muss es für den Gelähmten gewesen sein, wenn er tatsächlich bei Bewusstsein ist, zu erleben, wie andere in seinem Namen für ihn sprachen, was er gar nicht sagte.
In seinem ersten Stück im vergangenen Jahr schrieb Dworschak über Houben, den er damals noch Rom nannte:
Sein Fall zeigt besonders drastisch, wie wenig mitunter der Schein über das Sein sagt.
Das hat sich leider auf zweifache Art bewahrheitet.
Im Juni 2007 verschwand in Trier die damals 21-jährige Lehramtsstudentin Tanja Gräff.
Schon im ersten Artikel über den Fall lieferte “Bild” die übliche, sehr eigene Interpretation der Formulierung “Die Polizei kann ein Verbrechen nicht ausschließen” und fragte unter einem Foto der jungen Frau:
Einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Tanja Gräff (21), seit 5 Tagen vermisst.
Nachdem vor kurzem ein belgischer Serienmörder verhaftet worden war, prüft die Polizei weitere ungeklärte Fälle, was “Bild” zu folgender Frage verleitete:
Der Leitende Oberstaatsanwalt sagte dem “Trierischen Volksfreund” übrigens auf Anfrage, dass es bislang keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die beiden Fälle etwas miteinander zu tun haben könnten, man “routinemäßig” (eine Einschränkung, die für “Bild” ähnlich egal ist wie “nicht ausschließen können”) aber auch in diese Richtung ermittle.
Aber nicht nur das: Obwohl die Studentin nach wie vor als vermisst gilt und ihre Angehörigen davon ausgehen, dass sie noch lebt, hat sich Bild.de für eine ganz besondere Kennzeichnung ihres Namens entschieden:
Mit Dank an Sarah K., Ecko und Katti.
Nachtrag, 17.29 Uhr: … und schon hat Bild.de das Kreuz aus der Dachzeile entfernt.
Zoran Tosic spielt ab sofort für den 1. FC Köln. Die Verhandlung zwischen dem serbischen Nationalspieler, dem Bundesligaverein und Tosics Club Manchester United, der ihn bis Saisonende ausleiht, waren allem Anschein nach kompliziert und langwierig — und somit Anlass für allerlei Spekulationen. Und an denen beteiligten sich die Medien mal wieder, als gehe es im Journalismus ausschließlich um Schnelligkeit und nicht um Zielgenauigkeit.
Es begann vergangenen Montag damit, dass klar war, dass nichts klar war. So meldete der Kölner “Express” in seinem Internetauftritt:
Der Serbe mit dem lustigen Spitznamen “Bambi” (so tauften ihn in Belgrad einst die Mitspieler, weil er Kekse in Form der Disney-Figur verschenkte) soll sich Gerüchten zufolge schon in Köln aufhalten.
Bestätigen will das beim FC aber noch niemand. Co-Trainer Michael Henke beim Training zum EXPRESS: “Nein, dazu gibt es noch nichts zu sagen.”
Während Express.de auf den Zug aufsprang, taten die im selben Verlag und selben Haus arbeitenden Kollegen des Kölner Stadtanzeigers etwas sehr Ungewöhnliches — und befragten einfach die Verantwortlichen des 1. FC Köln zum Stand des Tosic-Transfers.
Das Ergebnis des Gesprächs klang dann auch gleich – wie vor Vertragsunterzeichnungen allgemein üblich – ein bisschen weniger euphorisch als die Meldungen von Bild.de und Express.de:
“Es wird noch immer zäh verhandelt”, sagte ein Sprecher des 1. FC Köln dem “Kölner Stadt-Anzeiger”. Einer der umstrittenen Punkte ist offenbar die Kauf-Option. Falsch seien Berichte, wonach Tosic 500.000 Euro Leihgebühr bis zum Saisonende koste.
Auch die Deutsche Presse-Agentur bekam vom FC eher zurückhaltende Antworten, berichtete unter Berufung auf den “Express” aber schon mal:
Nach Informationen der Zeitung “Express” wechselt Fußball-Profi Zoran Tosic von Manchester United zum Bundesligisten 1. FC Köln. FC-Vereinssprecher Christopher Lymberopoulos sagte am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa allerdings, das könne nicht bestätigt werden.
Diese Meldung landete ironischerweise auch bei Bild.de, wo man den Wechsel ja ursprünglich als Erstes und “exklusiv” verkündet hatte:
Am Mittwoch schließlich bestätigte der 1. FC Köln den Transfer tatsächlich.
Die Erleichterung bei den Mitarbeitern von Express.de muss groß gewesen sein — im Gegensatz zum Schuldbewusstsein jedenfalls. Denn aus Sicht des “Express” hatte das Hin- und Her über den Transfer von Tosic nichts mit der unbedingten Jagd nach der schnellsten Schlagzeile zu tun.
Das Verwirrspiel um Zoran Tosic – Mittwoch hatte es ein Ende. Um 14.03 vermeldete der FC das Leihgeschäft offiziell. Bis zuletzt wurde um eine Kaufoption im Sommer gefeilscht – die Manchester aber letztlich ablehnte.