Suchergebnisse für ‘erfunden’

@RegSprecher, Scripted Reality, Japan

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wenn der Regierungssprecher twittert…”
(wiegold.wordpress.com, Thomas Wiegold)
Thomas Wiegold dokumentiert Fragen und Antworten zwischen Journalisten der Berliner Bundespressekonferenz und dem stellvertretenden Regierungssprecher Christoph Steegmans zum Einsatz des Twitter-Kontos @RegSprecher von Steffen Seibert.

2. “Die erfundene Wirklichkeit im Fernsehen”
(drs2.ch, Audio, 29:13 Minuten)
Die Sendung “Reflexe” recherchiert zum Thema Scripted Reality, erhält dazu aber von RTL keine Auskunft und keine Tondokumente. “Man scheint von einem Publikum auszugehen, das entweder eine verminderte Auffassungsgabe hat oder das den Fernseher nebenbei laufen lässt und nur ab und zu einen Blick hineinwirft.”

3. “Breaking News – Eine Kurzanleitung”
(training.dw-world.de, Steffen Leidel)
Steffen Leidel stellt eine “Anleitung zum Umgang mit internationalen Breaking News” zusammen.

4. “Dafürr zal ich nicht”
(fernsehkritik.tv/blog)
Der Fernsehkritiker ärgert sich über Tippfehler im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: “Dass es mal einen Schreibfehler gibt oder sich bei einer nachträglichen Veränderung des Satzbaus ein Fehler einschleichen kann ist menschlich und passiert mir ebenso. Aber dass solche Fehler stundenlang über den Sender gehen, ohne dass es irgendwem auffällt, ist schon erstaunlich.”

5. “Apokalypse jetzt!”
(welt.de, Reinhard Zöllner)
Japanologe Reinhard Zöllner empört sich über deutsche Medien und deutsche Helfer.

6. “Jubiläumsstadlzeit”
(hermsfarm.de)
30 Jahre Musikantenstadl. Herm hält fest, was in der Jubiläumsausgabe passierte.

Stalins Badezimmer, Cosmopolitan, Prinz

6 vor 9

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1. “Wie ich Stalins Badezimmer erschuf”
(berlinonline.de, Andreas Kopietz)
Andreas Kopietz fügt 2009 im Wikipedia-Artikel zur Berliner Karl-Marx-Allee (Versionsgeschichte) die (erfundene) Behauptung hinzu, die Straße sei zu DDR-Zeiten im Berliner Volksmund auch “Stalins Badezimmer” genannt worden. Die Falschinformation hält sich und wandert weiter: “Wer vor zwei Wochen den Begriff googelte, fand 328 Einträge. Gestern listete Google Stalins Badezimmer bereits 360 Mal auf.”

2. “Eine mediale Vorverurteilung ist eigentlich nicht reparabel”
(planet-interview.de, Marie v. Baumbach)
Medienanwalt Matthias Prinz spricht über “Bild”, “Personen der Zeitgeschichte” und Privatsphäre: “Grundsätz­lich gilt, dass jeder Mensch ein Recht hat, sein Privatleben unbeobachtet und in Ruhe zu führen.”

3. “Das Ping-Pong-Dilemma”
(freitag.de, Kathrin Zinkant)
Erklärbären und/oder kompetente Experten? Kathrin Zinkant über die Vermittler von Wissen in den Medien.

4. “Echo-Verleihung: 20 Jahre Bullshit Bingo”
(carta.info, Tim Renner)
Tim Renner erinnert daran, dass die Musikindustrie mit der Echo-Verleihung seit 1992 “lieber auf platten Mainstream und die Rückbetrachtung auf Basis der Charts” setzt.

5. “When Reporters Attack”
(thedailyshow.com, Video, 7:07 Minuten, englisch)
TV-Journalistin Nancy Grace will im Gespräch mit einem Wissenschaftler nicht glauben, dass für die US-Westküste keine Gefahr einer radioaktiven Strahlung besteht.

6. “Wenn die Zeit den Journalismus einholt”
(huss-schaefer.de, Nadine)
Nadine liest die April-Ausgabe von “Cosmopolitan”, in der Karl-Theodor zu Guttenberg als Verteidigungsminister und als einer der “beliebtesten Politiker des Landes” beschrieben wird.

ARD-Korrespondenten, Panik, Nachrufe

6 vor 9

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1. “Die ‘Fukushima 50’ sind eine Legende”
(tagesschau.de, Silvia Stöber)
Japan-Korrespondent Robert Hetkämper erklärt die “Fukushima 50” zu einer “Legende, die eine ausländische Zeitung erfunden hat”. Und hält fest am Begriff “Kernschmelze”, den er ab Tag 2 der Katastrophe verwendete: “Geklärt ist das noch nicht. Dass wir richtig falsch lagen, glaube ich bis heute nicht.”

2. “Journalisten in Japan im Ausnahmezustand”
(ndr.de, Video, 6:53 Minuten)
Wie haben die ARD-Korrespondenten in Japan das Erdbeben wahrgenommen? Ariane Reimers: “Wir waren überrascht darüber, wie stark die Stimmung in Deutschland über das Unglück im Atomkraftwerk da ist, wie groß die Sorge auch. Uns hat überrascht, dass die Sorge in Deutschland minunter größer schien als hier vor Ort.”

3. “Japan, die Medienkritik und das generelle Risiko(miss)verständnis”
(medien-doktor.de, Holger Wormer)
Holger Wormer verteidigt die frühe Fokussierung der Journalisten auf die Gefahren der Atomkraft. “Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Journalismus, auf mögliche Risiken hinzuweisen, sie in die öffentliche Debatte zu tragen, als eine Art ‘Frühwarnsystem der Gesellschaft’ zu agieren. Dass Risiken nicht, wie es mit Blick auf Auflagen und Quoten in der Tat regelmäßig geschieht, übertrieben werden sollen, versteht sich von selbst.”

4. “Deutsche in Japan fühlen sich verhöhnt”
(welt.de, Matthias Heitmann)
Aus E-Mails weiß Matthias Heitmann von Deutschen in Japan zu berichten, die die Berichterstattung deutscher Reporter für panisch halten. “Gott sei dank gibt es auch noch einige Firmen, deren deutsche Vorstände in Japan bleiben, um ihren Angestellten in der Not beizustehen.”

5. “Provokationen im Fernsehen nehmen nicht zu”
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Uwe Mantel stellt eine neue Studie (Kurzfassung, PDF-Datei) der Landesanstalt für Medien NRW vor. “Die Studie hält aber sehr wohl fest, dass es bei einzelnen Formaten zu mehr Grenzüberschreitungen gekommen sei. Insbesondere bei ‘DSDS’ habe man einen deutlichen Anstieg festgestellt. Hab es während der dritten Staffel 2005/06 noch 0,8 Provokationen pro Nettosendestunde gegeben, waren es 2009 schon 2,5.”

6. “A Lustrous Pinnacle of Hollywood Glamour”
(nytimes.com, Mel Gussow, englisch)
Mel Gussow, selbst 2005 gestorben, ist hauptsächlicher Autor des NYT-Nachrufs auf Elizabeth Taylor. “Mel Gussow, the principal writer of this article, died in 2005. William McDonald, William Grimes and Daniel E. Slotnik contributed updated reporting.”

Kepplinger, Liveticker, Hauptstadt-Magazin

6 vor 9

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1. “Ein Teil der Medien instrumentalisiert Kernkraft, um Politik zu machen”
(derstandard.at, Doris Priesching)
Die Berichterstattung über das Erdbeben in Japan habe sich schnell vom zu beobachtenden Elend auf die Risiken der Kernkraft verlagert, stellt Hans Mathias Kepplinger fest – das tatsächliche Leid von hunderttausenden Menschen werde so über weite Strecken ausgeblendet. “Die Mehrheit der deutschen Journalisten ist gegen Atomkraft. Sie sehen ihre Chance, durch intensive Berichterstattung über Gefahren der Kernkraft ihre Sicht mitzuteilen.”

2. “Verloren im Stimmengewirr”
(nzz.ch, Florian Coulmas)
Florian Coulmas, Direktor des Deutschen Instituts für Japanstudien in Tokio, stellt eine Sehnsucht fest nach “eindeutigen, zuverlässigen Aussagen, nach denen man sich richten kann”. “Eine Konsequenz der Internet-Revolution ist, dass man ausserhalb des Erdbebengebiets viel mehr weiss und vermeint zu wissen als dortselbst; denn die Infrastruktur ist dort völlig zusammengebrochen. Während man sich in Zürich, Houston und Nairobi Bilder von dem weggeschwemmten Flughafen von Sendai betrachtet, weiss man davon zehn Kilometer weiter noch nichts.”

3. “Japan-News: der Boom der Live-Ticker”
(meedia.de, Alexander Becker)
Alexander Becker fragt bei Online-Portalen zu den vermehrt für alle möglichen Themen verwendeten Livetickern nach: “Sowohl Plöchinger wie auch Böcking widersprechen dem Gerücht, dass Ticker zudem den wirtschaftlichen Vorteil hätten, dass sie helfen, redaktionelle Manpower einzusparen.” Zum Thema schreibt auch Alexander Kissler auf “The European”.

4. “Kuhn-Interview sorgt für viel Aufregung”
(20min.ch, Daniela Gigor)
Ein vom Zürcher “Hauptstadt-Magazin” veröffentlichtes Interview mit René Kuhn, Autor des Buchs “Zurück zur Frau: Weg mit den Mannsweibern und Vogelscheuchen”, ist frei erfunden. Auf seiner Website nimmt Kuhn dazu ausführlich Stellung.

5. “Grosse Jagd auf kleine Fehler”
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Nick Lüthi stellt das Blog fehler.li vor, das sich um Fehler in Schweizer Medien kümmert.

6. “Gloves Off in German Media Scramble”
(nytimes.com, Eric Pfanner, englisch)
Die Beziehung zwischen “Bild” und “Spiegel” aus US-amerikanischer Sicht.

Bild  

Schmerz lass nach

Das muss höllisch weh getan haben, als Roman Weidenfeller von Borussia Dortmund sich gestern im Training verletzte:

Weidenfeller-Schock! Fällt Dortmunds Torwart wochenlang aus? Weidenfeller betrübt zu BILD: "Ich hoffe, dass es nur eine Dehnung ist. Aber es hat richtig gerummst und das Knie ist zum Abend hin auch ziemlich angeschwollen. Ich habe Schmerzen."

Als er das heute in “Bild” gelesen hat, muss sich Roman Weidenfeller schwer geärgert haben. Jedenfalls erklärt er heute auf seiner Website, er sei gar nicht so schwer verletzt. Vor allem:

Ich habe mich heute – wieder einmal – sehr über die Meldungen über mich und die vermeintlich noch schlimmere Verletzung geärgert. Fakt ist, dass ich mich seit dem Zwischenfall im gestrigen Training keinem einzigen Pressevertreter gegenüber geäußert habe. Ich finde es nicht in Ordnung, dass dann, in Ermangelung eines Zitats von mir, einfach Zitate erfunden und auch als solche gekennzeichnet werden. Nach der absurden Geschichte um den vermeintlichen Streit zwischen Lucas Barrios und mir ist das innerhalb von kürzester Zeit schon der zweite Zwischenfall dieser Art. Ich kann nur hoffen, dass das in Zukunft wieder sauberer läuft und wir mit der Presse auf einer fairen Basis zusammenarbeiten können.

Sehr leid tut es mir auch, dass die heutigen voreiligen Meldungen viele der BVB-Fans irritiert haben. Ich kann Euch, liebe Fans, daher nur empfehlen, nur das zu glauben, was Ihr aus erster Hand erfahrt, sprich von meiner Homepage, bvb.de oder auch meiner facebook-Seite. Denn das sind die ersten Kanäle, auf denen ich mich immer zu Wort melde, und was dort zu lesen ist, stammt garantiert von mir.

Mit Dank an Jojo.

Wetten, dass..?, Regierungsapparate, Menschen

6 vor 9

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1. “Erfundene ‘Wetten, dass…?’-Berichte”
(sueddeutsche.de, Christina Maria Berr)
Nicht nur in “Österreich”, auch in “Bild am Sonntag” war in Teilen der Ausgabe über Ereignisse zu lesen, die sich nicht ereignet hatten. Die “Bild am Sonntag” wird so zitiert: “Hollywood-Schauspielerin Cameron Diaz (38), Tennie-Star Justin Bieber (16) Take That und Altmeister Gérard Depardieu (61) nahmen gestern gut gelaunt auf Thomas Gottschalks Sofa Platz.”

2. “Wunschkonzert mit offenem Ende”
(medienpiraten.tv, Peer Schader)
Peer Schader dokumentiert, was “ausgewiesene Fernsehexperten” nach der abgebrochenen Sendung fordern.

3. “Trommelfeuer der Dauerkritikaster”
(querblog.de, Horst Schulte)
“Können wir es nicht dem Einzelnen überlassen, ob er sich solchen Risiken aussetzt oder nicht?”, fragt Horst Schulte zur Diskussion über die Gefährlichkeit der Wette. “Ob die, die sich da so empört haben, den Fernseher auch gleich ausgeschaltet haben, als ihnen mitgeteilt wurde, wie diese Wette ablaufen würde?”

4. “Wikileaks und wir”
(stern.de/blogs, Hans-Martin Tillack)
Hans-Martin Tillack erstaunt es, dass viele seiner Kollegen die Bedeutung der Wikileaks-Enthüllungen herunterspielen. Es sei die oberste Pflicht von Journalisten, “verfügbare Quellen zu nutzen, um die Leser zu informieren”. “Man muss schon sehr blind oder sehr autoritätsverliebt sein, wenn man ausgerechnet in diesen Tagen meint, Regierungsapparate müssten nur ungestört arbeiten können, dann werde alles gut.”

5. “Warum ich Migranten nicht als Menschen bezeichne”
(blogs.taz.de/hausblog, Sebastian Heiser)
Die “taz” sucht für ihre Deutschland-Sonderausgabe ein “neues Wort für die Bezeichnung ‘Migrant’ beziehungsweise ‘Mensch mit Migrationshintergrund'”. Die von den Lesern gefundene Lösung “Mensch” passt dann aber doch nicht, “weil es dann nicht mehr möglich wäre, die Realität zu beschreiben”.

6. “Hätt’ ich mal den Schienenersatzverkehr genommen!”
(volkerstruebing.wordpress.com)
Volker Strübing trifft in einer verschneiten Nacht in Berlin auf eine Frau, die sich nicht mehr sehr sicher ist, wo sie hin will.

Was von “Wetten dass … ?” übrig blieb

Nur für den Fall, dass Sie die letzten 43 Stunden abgeschnitten von der Außenwelt oder in der Redaktion einer österreichischen Boulevardzeitung zugebracht haben: Am Samstag wurde die ZDF-Sendung “Wetten dass … ?” erst unter- und dann abgebrochen, nachdem sich ein Wettkandidat beim Sprung über ein fahrendes Auto schwer verletzt hatte. So etwas hat es in der 29-jährigen Geschichte der Show noch nie gegeben, wie ebenfalls überall nachzulesen ist.

Während die Bildregie des ZDF geistesgegenwärtig reagierte und der am Boden liegende Kandidat nur für Sekundenbruchteile im Bild zu sehen war, sahen die zahlreichen in der Düsseldorfer Messehalle anwesenden Pressefotografen ihre große Stunde gekommen. So war es etwa “Spiegel Online” möglich, einen Artikel über den Quotendruck im Fernsehen mit einer 18-teiligen Bildergalerie zu versehen. Bilder von der Unfallstelle und von Sanitätern im Einsatz wurden völlig ironiefrei mit den Worten untertitelt: “Für den Bruchteil einer Sekunde sah man K. regungslos am Boden liegen, dann zeigte die Kamera nur noch das geschockte Publikum.”

Schon wenige Minuten nach dem Unfall war ein Video des Hergangs auf YouTube zu sehen, bis 21 Uhr war es mehrere Hundert Male angeklickt, was vielleicht mit Sensationslust zu tun hatte, vielleicht auch mit dem Interesse derer, die über Facebook und Videotext nachträglich mitbekommen hatten, dass etwas passiert war.

schreibt das “Hamburger Abendblatt” neben einer Fotoserie, die fast ein Drittel der Seite einnimmt und den Unfall in fünf Schritten zeigt — und auf der sehr viel mehr zu sehen ist, als in dem Videoausschnitt der Livesendung.

Verschiedene Medien, darunter “Spiegel Online” und taz.de hatten sich nach dem Unfall entschieden, den Nachnamen des jungen Mannes, den Thomas Gottschalk zunächst genannt hatte, zu anonymisieren, und haben ihn dann bei der Übernahme von Agenturmaterial doch wieder genannt.

Aber das sind alles sicher nur die üblichen Begleiterscheinungen jenes “Höher, Schneller, Weiter”, das nun in vielen Presseartikeln gegeißelt wird — und das sich interessanterweise fast immer nur auf Fernsehsendungen bezieht.

In einer eigenen Liga spielt – wie so oft – “Bild”:

Gottschalks Kandidat: Not-OP! Koma! Lähmungen!

Die Titelseite, die den verletzten Kandidaten mit einer Halsmanschette auf der Trage zeigt (und damit an einen berüchtigten Michael-Jackson-Titel erinnert) ist nur der Anfang: Auf einer Doppelseite schreibt “Bild” das “Protokoll von Gottschalks Horror-Sendung”, zeigt den Unfall in gleich acht Bildern und druckt Statements von Prominenten, Stuntleuten und Gottschalk selbst. In einem Kurzporträt wird der verunglückte Kandidat vorgestellt (irritierenderweise vollständig im Präteritum, als sei er nicht mehr unter den Lebenden), in einem weiteren Text minutiös dokumentiert, was auf den Gängen des Düsseldorfer Uniklinikums vor sich ging.

“Bild” schreibt, dass Mutter und Schwester barfuß durch die Klinik gelaufen seien, dass die Mutter vor der Notaufnahme gebetet und “Oh Gott, lass ihn nicht sterben!” gerufen habe. Dazu Fotos, auf denen zu sehen ist, wie der Verletzte im Krankenhaus eingeliefert wird und wie seine Eltern die Uniklinik verlassen.

Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber!

Küssen verboten

“Die 25 verrücktesten Sex-Gesetze” versprach Bild.de am Donnerstag – selbstverständlich immer mit Blick auf den Bildungsauftrag gegenüber dem Leser – und lieferte dazu eine 25-teilige Klickstrecke. Viel Zeit für Recherche dürfte dabei nicht draufgegangen sein, denn ausnahmslos alle Beispiele geistern zum Teil schon seit den späten Neunzigern in zahllosen Sammlungen und häufig sogar im gleichen Wortlaut durchs Internet oder erschienen schon einmal auf Bild.de.

Noch leichter macht man es sich da nur noch beim Online-Auftritt der Schweizer Boulevardzeitung “Blick”, wo die 25 verrückten “Sex-Gesetze” von Bild.de einfach zwei Tage später als “Verrückte Erotikgesetze” im selben Wortlaut erschienen. Einzige nennenswerte Eigenleistung: blick.ch sortiert nach Ländern.

Bei vielen dieser Gesetze ist es auch aufgrund des komplizierten angelsächsischen Fallrechts nahezu unmöglich zu überprüfen, ob sie immer noch gültig sind oder ob sie überhaupt jemals existiert haben. Zwar lässt sich ein Teil der Gesetze auf der Seite dumblaws.com wiederfinden, aber auch dort fehlt häufig eine Quellenangabe.

Ganz sicher falsch sind jedoch folgende:

Nr. 17 (Bild.de):

Auf Hawaii darf ein Mann nicht mit einer Unter-18-Jährigen zusammen sein. Verstößt er gegen das Gesetz, müssen die Eltern des Mädchens drei Jahre ins Arbeitslager, weil sie ihre Tochter “freizügig” erzogen haben.

Abgesehen davon, dass es im US-Bundesstaat Hawaii keine “Arbeitslager” gibt, findet sich dieses Gesetz weder auf dumblaws.com, noch erscheint es realistisch, wenn man bedenkt, dass auf Hawaii selbst “Unter-18-Jährige” für eine Abtreibung keine elterliche Zustimmung benötigen.

Nr. 20:

Im US-Bundesstaat Connecticut dürfen Kondome offiziell nicht verkauft werden.

Tatsächlich ist der Kondomverkauf in Connecticut seit einem Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten (Griswold v. Connecticut) im Jahre 1965 zulässig.

Nr. 21:

Und in Indiana ist es nur Frauen verboten, Kondome zu kaufen.

Kondome werden in Indiana sowohl geschlechts- als auch altersunabhängig verkauft — und zwar in Drogerien, Apotheken, Supermärkten und online.

Nr. 22:

Wenn Sie nach Irland fahren, nehmen Sie lieber einen großen Vorrat an Kondomen mit: Auch im streng katholischen Inselstaat sucht man vergeblich nach Lümmeltüten.

Ja, die Mehrheit der Iren ist katholisch. Deshalb sind Kondome auf der grünen Insel auch erst seit 1979 nicht mehr verschreibungspflichtig. Und erst seit 1993 können sie auch von Jugendlichen unter 17 Jahren legal erworben werden. Aber wenn Sie am Flughafen jemanden sehen, der wegen eines Koffers voller “Lümmeltüten” Übergepäck anmelden muss, handelt es sich sicher um Redakteure von Bild.de oder blick.ch.

Andere “verrückte” US-Gesetze wie etwa die gesetzliche Beschränkung auf maximal “zwei Dildos pro Haushalt” in Arizona (Nr. 24) versuchte der amerikanische Jurist Daniel Enevoldsen zu verifizieren — erfolglos. Ihm gebührt das Schlusswort, das wohl auf den Großteil der Gesetze aus der Liste zutreffen dürfte:

Ich glaube, dass es sich dabei irgendwann tatsächlich um Gesetze gehandelt hat, die aber inzwischen nicht mehr angewendet werden. Sie sind vermutlich so alt, dass sie nicht in Online-Datenbanken aufgezeichnet sind. Möglich ist auch, dass die Gesetze nie existiert haben und einfach von irgendwelchen Leuten erfunden wurden. Wie auch immer: Es scheint sie nicht mehr zu geben.
(Übersetzung von uns.)

Mit Dank an Michael und einen anonymen Helfer!

InTouch, Daily Star, Medienkompetenz 2.0

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. Interview mit Carsten Schüerhoff und Tim Affeld
(kress.de, Henning Kornfeld)
Der Chefredakteur und der Geschäftsführer von “InTouch” feiern den 5. Geburtstag des wöchentlichen Klatschblatts. “Wir zeigen die Realität, und die ist eben oft gemein.” Der Millionenklage von David Beckham wegen falscher Anschuldigungen sieht man gelassen entgegen. “Wir sind alle sehr entspannt und haben keinerlei Zweifel, dass wir das Verfahren erfolgreich für uns beenden werden.”

2. Interview mit Markus Merkle
(jetzt.sueddeutsche.de, Anna Kistner)
Markus Merkle von der Initiative Medienkompetenz 2.0 über seine Erfahrungen bei Vorträgen vor Jugendlichen: “Dass man nicht einfach Bilder ins Internet stellen darf, auf denen Leute zu sehen sind, die man nicht um Erlaubnis zur Veröffentlichung gefragt hat, ist für die Schüler total neu. Die machen da ganz große Augen. Oft wissen sie auch nicht, dass man sich nicht einfach Bilder aus fremden Blogs kopieren und auf seine Seite laden darf.”

3. “Aus 245.000 mach 8,5 Millionen”
(medienrauschen.de, Thomas Gigold)
“Leipzig Fernsehen” titelt: “Google Street View: 8,5 Millionen Haushalte legten Widerspruch ein”. Tatsächlich sind bei Google 244.237 Einsprüche eingegangen.

4. “Clarification”
(fcbarcelona.com, englisch)
Der FC Barcelona warnt vor erfundenen Interviews mit Spielern des Vereins, die in “Daily Star” und “Daily Star Sunday” abgedruckt wurden. Mehr dazu auf bleacherreport.com und im Blog von James Goyder (Update).

5. “Stephen Frys Message to Grammer-Nazis”
(nerdcore.de, Video, 6:34 Minuten, englisch)
“Dieses Video reibe ich ab jetzt jedem unter die Nase, der mir mit Kommafehlern oder meinem fucking Denglisch kommt.”

6. “Wenn Fakten überfordern”
(fraufreitag.wordpress.com)
Lehrerin Frau Freitag erklärt ihren Schülerinnen und Schülern, dass Mark Zuckerberg einem jüdischen Elternhaus entstammt.

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In Sachen Schwarzer ./. Kachelmann

Berichtigung: Anders als in BILD am 15.10.2010 berichtet, hat Jörg Kachelmanns Verteidigung das mutmaßliche Opfer nicht als Stalkerin bezeichnet und auch nicht verlauten lassen, der Moderator kenne es gar nicht.

“Typisch ‘Bild'”, möchte man angesichts dieser Berichtigung heute sagen, aber das wäre ungerecht. “Typisch Alice Schwarzer” träfe es vielleicht eher.

Die “Emma”-Herausgeberin berichtet bekanntlich für das Blatt über den Vergewaltigungsprozess. Manchmal müsse “man etwas selber erleben und darf sich nicht nur mit Informationen aus zweiter Hand begnügen”, erklärte sie ihr Engagement, bei dem sie sich manchmal mit Informationen aus zweiter Hand begnügt und dabei so tut, als hätte sie etwas selber erlebt.

Munter und frei von juristischem Sachverstand schreibt die Frau, die “Bild” am vergangenen Mittwoch zum “Gewinner” ernannt hatte, gegen Kachelmann und seine vermeintlichen Unterstützer in den Medien an. Freitag klagte sie über die “Spielchen” und “taktischen Manöver” der Verteidigung, weil die empört war, dass das angebliche Opfer als Zeugin nicht vom Gericht über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt wurde: Nach Paragraph 55 der Strafprozessordnung hat ein Zeuge das Recht, die Aussage zu verweigern, wenn er sich damit selbst belasten könnte, und muss auf dieses Recht hingewiesen werden.

Der Anwalt Udo Vetter kommentiert in seinem Blog:

Der Nebenklägerin, die Kachelmann vergewaltigt haben soll, sind bereits unwahre Aussagen nachgewiesen worden (…). Darüber steht natürlich die weitaus größere Möglichkeit, dass die Nebenklägerin die Vergewaltigung insgesamt erfunden hat. (…)

Jedes Wort, das die Zeugen also sagt, kann für sie strafrechtlichen Ärger bedeuten. Um so wichtiger, dass ihr das Gericht vor der Aussage erklärt, wie sie diesen Ärger vermeiden kann. Um so unverständlicher, wieso das Landgericht Mannheim meint, ausgerechnet bei Kachelmanns Ex-Freundin bestehe für die Belehrung, die vielleicht mal anderthalb Minuten dauert, keine Notwendigkeit. (…)

Die Weigerung, die Zeugin korrekt zu belehren, wirft erneut ein schlechtes Licht auf die Richter. Denn es gibt wenige andere Erklärungsansätze als jenen, dass sie offenbar schon jetzt meinen, die Nebenklägerin lüge keinesfalls.

Alice Schwarzer, die verwirrenderweise formuliert, die Zeugin solle “zusätzlich ‘nach § 55’ vereidigt” werden, sieht in dem Bestehen auf einer rechtlichen Vorschrift aber bloß den Versuch, die Nebenklägerin als Lügnerin hinzustellen. Kachelmanns Verteidiger bezichtige sie “damit indirekt des Vortäuschens einer Straftat”.

Ihr Angriff auf Kachelmanns Verteidigung endet so:

Wir erinnern uns: Kurz nach der Verhaftung des Wetter-Moderators hieß es, Jörg Kachelmann kenne diese Frau gar nicht, sie sei eine Stalkerin. Dann hieß es, es sei “vor allem um Sex” gegangen. Sodann erfuhren wir: Die beiden hatten elf Jahre eine Beziehung, er hatte ihr die Ehe versprochen und mit ihr auch schon das gemeinsame Heim im Schwarzwald besichtigt. Alles schien gut. Bis zu der Nacht vom 9. Februar 2010…

Der (falsche) Vorwurf des Stalkings hat aber eine andere Quelle. Er stammt ironischerweise aus der “Bild”-Zeitung. Die schrieb am 23. März:

Ein enger Geschäftspartner von Kachelmann erklärte gegenüber BILD, Kachelmann habe in Schwetzingen niemals eine langjährige Bekanntschaft gepflegt. Er sprach von “Stalking”.

Weder Bild.de noch Alice Schwarzer noch Emma.de haben Schwarzers Kolumne selbst korrigiert.

Mit Dank auch an Helmut O.

  • Die (juristische) Fortsetzung der Geschichte steht hier.
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