1. »Süddeutsche Zeitung« bedauert »Fehler« in Berichterstattung über Jens Söring (spiegel.de)
Die “Süddeutsche Zeitung” hat für Fehler in der Berichterstattung über den in den USA verurteilten Mörder Jens Söring um Entschuldigung gebeten. Chefredakteur Wolfgang Krach räumte gegenüber dem Medienmagazin “Zapp” ein (Pressemitteilung, Video), dass die Journalistin Karin Steinberger gegen Ende ihrer Recherchen die notwendige journalistische Distanz zu Söring und dessen Umfeld verloren habe. Auch Steinberger, die Söring über zwölf Jahre bis zu dessen Freilassung im Dezember 2019 begleitet und mehr als ein Dutzend Artikel über den Fall geschrieben hat, bedauerte, in einigen E-Mails Grenzen überschritten zu haben.
2. “Monitor” darf nicht zu AfD-Landesparteitag (dwdl.de, Manuel Weis)
Wie “DWDL” berichtet, hat die thüringische AfD dem TV-Magazin “Monitor” den Zutritt zu ihrem Landesparteitag verweigert, mit der Begründung, dass bei der ARD-Sendung “überhaupt nicht mehr von einer journalistischen Berichterstattung die Rede sein” könne. “Monitor”-Chef Georg Restle kritisiert die Entscheidung als “Offenbarungseid eines rechtsextremen AfD-Landesverbandes, der zeigt, was die Partei von kritischem Journalismus und Meinungsfreiheit in diesem Land hält”. Der WDR prüfe rechtliche Schritte gegen die verweigerte Akkreditierung.
3. Julian Reichelt muss Taliban-Tweet löschen (lto.de, Max Kolter)
Das Kammergericht Berlin hat auf Betreiben des Bundesministeriums für Zusammenarbeit und Entwicklung einen Tweet des ehemaligen “Bild”-Chefredakteurs Julian Reichelt untersagt, in dem dieser behauptete, Deutschland habe 370 Millionen Euro Entwicklungshilfe an die Taliban gezahlt. Das Gericht habe darin eine unwahre Tatsachenbehauptung gesehen, die geeignet sei, das Vertrauen der Bevölkerung in die Bundesrepublik zu gefährden. Diese Entscheidung stelle eine Abkehr von der vorherigen Einschätzung durch das Landgericht Berlin dar, das Reichelts Tweet noch als zulässige Meinungsäußerung eingestuft habe.
4. “Musk hat einen Safe Space für Rassisten geschaffen” (netzpolitik.org, Markus Reuter)
Seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk ist laut einer Untersuchung des Center for Countering Digital Hate (CCDH) eine Zunahme von Rassismus und Antisemitismus auf der Plattform zu beobachten. Die Untersuchung ergab, dass 98 Prozent der gemeldeten hasserfüllten Beiträge online blieben, darunter solche, die zu Gewalt aufrufen, den Holocaust leugnen oder Nazis verherrlichen. Imran Ahmed vom CCDH kommentiert: “Das ist das unvermeidliche Ergebnis, wenn man Sicherheits- und Moderationspersonal abbaut […] und jedem, der bereit ist, 8 US-Dollar pro Monat zu zahlen, mehr Sichtbarkeit bietet. Musk hat einen safe space für Rassisten geschaffen und versucht, aus der Straffreiheit, die sie dazu bringt, marginalisierte Gemeinschaften anzugreifen, zu belästigen und zu bedrohen, eine Tugend zu machen.”
5. KI-Jobs im Journalismus: Wettrennen gegen die Technologie (fachjournalist.de, Gunter Becker)
Gunter Becker beschäftigt sich beim “Fachjournalist” mit der wachsenden Bedeutung von KI-bezogenen Jobs in der Medienbranche. Einige Medienhäuser würden inzwischen aktiv nach Spezialisten für Künstliche Intelligenz suchen, um Redaktion, Marketing und Management zu optimieren. Becker hat mit einem erfahrenen Chefredakteur und einem Medienwissenschaftler darüber gesprochen, ob damit bereits eine neue Jobwelle auf die Branche zurollt oder ob es sich noch um vereinzelte “Pionier-Stellen” handelt.
6. Google-KI sagt Wetter genauer und viel sparsamer als die besten Supercomputer vorher (derstandard.at, Andreas Proschofsky)
Andreas Proschofsky beschreibt, wie Googles Künstliche Intelligenz namens Graphcast die Genauigkeit und Effizienz von Wettervorhersagen verändert. Laut Google übertrifft Graphcast die derzeit besten Systeme in den meisten Fällen und könne Wettervorhersagen für zehn Tage in nur einer Minute erstellen, wobei es lediglich einen Bruchteil der Energie herkömmlicher Supercomputer verbrauche.
1. Die Bundesregierung muss gemeinnützigen Journalismus endlich möglich machen (netzpolitik.org, David Schraven)
David Schraven, “Correctiv”-Gründer und Vorstand des Forums Gemeinnütziger Journalismus, sorgt sich in einem Gastbeitrag um die im Koalitionsvertrag versprochene steuerrechtliche Anerkennung des gemeinnützigen Journalismus: “Sollte sich die Bundesregierung entscheiden, den Koalitionsvertrag nicht umzusetzen und den gemeinnützigen Journalismus zu ignorieren, wird sie einen neuen Keil zwischen die privilegierten Zentren und die vernachlässigten ländlichen Räume treiben, in denen kein Ersatz für wegbrechende Medien geschaffen werden kann.”
2. KI-Grundsätze des ZDF (zdf.de)
“Das ZDF sieht im Einsatz von generativer KI Chancen, aber auch Risiken. Es geht deshalb offen und zugleich kritisch mit dem Thema um. Generative-KI-Tools sollen die Arbeit der Redaktionen unterstützen, aber nicht ersetzen.” Das ZDF hat neun Grundsätze zum eigenen Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) vorgelegt. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordert Medienunternehmen auf, sich ebenfalls mit dem Thema auseinanderzusetzen: “Es ist gut, dass das ZDF einen Rahmen schafft”, so der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall, “aber genauso dringend sind KI-Regeln bei den anderen Sendern und Verlagen, die sie bisher noch nicht haben.”
3. Content-Moderator bekommt Recht (verdi.de)
Der Content-Moderator Cengiz Haksöz hat die Arbeitsbedingungen bei seinem Arbeitgeber Telus International öffentlich kritisiert und sei daraufhin ausgesperrt und mit einer fristlosen Kündigung bedroht worden, während er gleichzeitig Wahlvorstandsvorsitzender für eine Betriebsratswahl war. Mit Unterstützung der Gewerkschaft Verdi habe er dagegen geklagt und vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf Recht bekommen. Das Gericht habe nach Verdi-Angaben keine ausreichenden Gründe für eine fristlose Kündigung gesehen und betont, dass konstruktive Kritik an den Arbeitsbedingungen zulässig sei.
4. Medienvertrauen: Die unantastbare Variable der Demokratie (de.ejo-online.eu, Roman Winkelhahn)
“Während Diskussionen über Desinformation, Medienkompetenz, ‘Fake News’ und Plattformmacht den medienpolitischen Diskurs prägen, wird das Medienvertrauen selten direkt angesprochen. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass das Medienvertrauen der Bevölkerung vom demokratischen Staat nicht angetastet werden kann, obwohl – oder gerade weil – es eine Voraussetzung für die Demokratie ist.” Roman Winkelhahn behandelt das Thema Medienvertrauen und dessen zentrale Rolle in der Demokratie, wobei er auf die Herausforderungen und die Fragilität dieses Vertrauens hinweist.
5. Müssen sich Medienmarken vom Screen emanzipieren, Jochen Wegner? (turi2.de, Jochen Wegner)
Jochen Wegner, Chefredakteur von “Zeit Online”, thematisiert in seinem Gastbeitrag für “turi2”, wie sich Medien aus seiner Sicht an die digitale Welt anpassen müssen. Er erklärt, dass “Zeit Online” nicht nur Artikel für den Bildschirm produziere, sondern auch Podcasts und Live-Events anbiete, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Wegner betont, dass die Zukunft der Medien in der Nutzung von Künstlicher Intelligenz und anderen Technologien liege, um Inhalte auf verschiedenen Plattformen und in verschiedenen Formaten verbreiten zu können. Medienunternehmen müssten lernen, den “Kleintierzoo digitaler Angebote” effektiv zu nutzen.
6. Ein Jahr Twitter unter Elon Musk – eine Bilanz in fünf Grafiken (wiwo.de, Tobias Gürtler)
Ein Jahr nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk hat sich sowohl die Plattform als auch das Unternehmen dahinter mit drastischen Stellenkürzungen, schwerwiegenden Eingriffen und der Umbenennung in X stark verändert. Mangels verlässlicher wirtschaftlicher Kennzahlen sei es nicht einfach, eine belastbare Bilanz zu ziehen, schreibt Tobias Gürtler in der “Wirtschaftswoche”. Er hat sich die bekannten Parameter vorgenommen und die Daten in verschiedene Grafiken umgesetzt, die den Rückgang der Nutzerzahlen, der Reichweite und der Werbeeinnahmen dokumentieren.
Weiterer Lesetipp: Der Discounter Aldi Nord hat eine Stellungnahme zu einem Vorfall auf X/Twitter veröffentlicht, bei dem es zu rassistischen Kommentaren und Diskriminierung in Bezug auf die Darstellung von Models im aktuellen Werbeprospekt gekommen sei: “Da seitens der Plattformbetreiber nicht ausreichend gegen solche sogenannte Hate Speech vorgegangen wird, haben wir entschieden, selbst aktiv zu werden.”
2. Wie der NDR Karin Prien eine Rassismus-Debatte einbrockte (uebermedien.de, Martin Niewendick)
Der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien wird wegen einer Äußerung über ihre Kabinettskollegin Aminata Touré Rassismus vorgeworfen. Zu Unrecht, meint Martin Niewendick, der die Fokussierung des NDR auf einen einzigen Satz Priens als Ursache für die Debatte sieht: “Es ist ein journalistischer Taschenspieler-Trick, sich durch eine geschickte Suggestivfrage bestimmte Antworten zu erschleichen. Besonders unseriös ist es, die Nachfrage in der veröffentlichten Version wegzulassen und so einen Skandal zu produzieren, der eigentlich keiner ist.”
3. Britisches Gericht ebnet den Weg zur Auslieferung (netzpolitik.org, Johannes Gille)
Wie Johannes Gille bei netzpolitik.org berichtet, sieht es für Julian Assange nicht gut aus. Das jahrelange juristische Tauziehen könnte nach einem neuen Beschluss des Obersten Gerichtshofs in London bald mit einer Auslieferung an die USA enden. Es sei zu befürchten, dass Assange dort kein faires Verfahren erhalte. ARD-Korrespondent Christoph Prössl kommentierte dazu vor wenigen Tagen: “Assange hat über Kriegsverbrechen berichtet, er hat der Demokratie einen Dienst erwiesen. Diese Debatte muss nun geführt werden. Und ich hoffe sehr, dass Assange niemals ausgeliefert und bald freigelassen wird.” Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) appelliert an den britischen High Court, Assange nicht an die USA auszuliefern. Der WikiLeaks-Gründer habe Kriegsverbrechen aufgedeckt und verdiene dafür Auszeichnungen und Anerkennung, so der DJV-Vorsitzende Frank Überall.
4. Mediales Wirrwarr um sexualstrafrechtliche Begriffe (lto.de, Yves Georg)
In der medialen Diskussion um den Fall des Rammstein-Sängers Till Lindemann würden häufig Begriffe aus dem Sexualstrafrecht vorschnell und falsch verwendet, etwa wenn von “Missbrauch” die Rede sei. Strafverteidiger Yves Georg ordnet die Rechtslage und erläutert die juristischen Hintergründe der in der Berichterstattung immer wieder auftauchenden Zuschreibungen und Vorwürfe.
5. “Wir sagen ja zur KI – aber als Werkzeug” (journalist.de, Kathi Preppner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat ein “Positionspapier bezüglich des Einsatzes Künstlicher Intelligenz im Journalismus” mit neun Regeln zum Umgang mit KI veröffentlicht (PDF). Außerdem fordert der Verband eine Vergütung für das sogenannte Text and Data Mining, also das automatisierte Auswerten großer Text- und Datenmengen. Im Interview mit Kathi Preppner erklärt DJV-Justiziarin Hanna Möllers, wie das funktionieren könnte.
Weiterer Lesetipp: Künstliche Intelligenz und der Journalismus: wie wir beim SPIEGEL darüber denken (devspiegel.medium.com).
6. Politiker und Medienmogul: Silvio Berlusconi ist tot (dwdl.de, Timo Niemeier)
Der ehemalige italienische Ministerpräsident und Medienmogul Silvio Berlusconi ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Der für seine Ausschweifungen und Entgleisungen berüchtigte Berlusconi hatte ein milliardenschweres Wirtschaftsimperium aufgebaut, zu dem auch ein Medienkonzern gehört, der heute größter Anteilseigner von ProSiebenSat.1 ist.
Weiterer Lese- und Guckhinweis: Der “Spiegel” bietet eine kommentierte Fotostrecke mit den wichtigsten Lebensstationen Berlusconis.
Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!
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1. Dunja Hayali – “Was ist denn konservativ für Sie?” (ardaudiothek.de, Jagoda Marinić, Audio: 2:06:14 Stunden)
Bei “Freiheit Deluxe” spricht Jagoda Marinić mit der Journalistin und Fernsehmoderatorin Dunja Hayali, die sowohl beim “Morgenmagazin” als auch beim “Aktuellen Sportstudio” und seit Februar dieses Jahres auch beim ZDF-Nachrichtenmagazin “heute Journal” zum Moderationsteam gehört. In dem Gespräch geht es auch um das Thema Meinungsfreiheit: Warum ist es heute so schwer, ins Gespräch zu kommen, zuzuhören? Gibt es tatsächlich Redeverbote in unserer Gesellschaft? Oder haben wir die Fähigkeit verloren, andere Meinungen auszuhalten?
2. Gero von Boehm in der Hörbar Rust (radioeins.de, Bettina Rust, Audio: 1:51:04 Stunden)
In der “Hörbar Rust” hat sich Bettina Rust mit dem Journalisten und Fernsehproduzenten Gero von Boehm an den virtuellen Tresen gesetzt. Von Boehm hat über 100 Dokumentarfilme produziert und Persönlichkeiten wie Loriot, Stephen Hawking, Susan Sontag und Karl Lagerfeld interviewt – beim SWR über ein Jahrzehnt in der Sendung “Wortwechsel”, bei 3sat viele Jahre in der Gesprächsreihe “Gero von Boehm begegnet …”.
3. Tod einer Ikone – Die Journalistin Shireen Abu Akleh (swr.de, Nadja Odeh, Audio: 54:27 Minuten)
Der Tod von Shireen Abu Akleh, einer Journalistin mit palästinensischer und US-amerikanischer Staatsbürgerschaft, hat weltweit große Aufmerksamkeit erregt. Sie wurde während ihrer Berichterstattung im Mai 2022 durch einen Schuss aus einer israelischen Militärwaffe getötet. Dieser Vorfall werfe bis heute viele Fragen auf. In dem SWR2-Feature teilen Freundinnen, Familienangehörige, Menschenrechtsaktivisten und Kolleginnen von Shireen Abu Akleh ihre Erinnerungen an sie.
4. “Wann hat man denn den Kartoffelstatus erreicht?” (sueddeutsche.de, Nadia Zaboura, Audio: 28:40 Minuten)
Auf der Leipziger Buchmesse traf Nadia Zaboura die Journalistin Vivian Perkovic (3sat-“Kulturzeit”) und sprach mit ihr über Medien in der Einwanderungsgesellschaft: Wie tragen Zeitungen, Radio, TV und Online-Formate zum Zusammenleben in einer kulturell vielfältigen Gesellschaft bei? Bilden sie die Sichtweisen und Anliegen von Menschen mit Migrationsgeschichte ausreichend ab? Und welche Verantwortung tragen Journalistinnen und Journalisten, wenn sie über “Silvesterkrawalle”, Rassismus oder den Fastenmonat Ramadan berichten?
5. Haltung im Journalismus (mdr.de, Lars Sänger & Carsten Kayser, Video: 29:30 Minuten)
Hat Haltung im Journalismus etwas zu suchen? Oder ist Berichterstattung mit Haltung automatisch tendenziös, unausgewogen oder parteiisch? In dem Film von Lars Sänger und Carsten Kayser kommen Journalistinnen und Journalisten zu Wort, denen vorgeworfen wird, durch tendenziöse, meinungslastige oder unsachliche Berichterstattung “Haltungsjournalismus” zu betreiben.
6. @PhilLaude – Wie übernimmst du Verantwortung für deine Gefühle? (youtube.com, Matze Hielscher, 1:51:04 Stunden)
Phil Laude war vor 15 Jahren einer der ersten erfolgreichen Youtuber in Deutschland und veröffentlichte mit seinem damaligen Kollektiv “Y-Titty” das erste von vielen Videos. Nachdem sich das Trio schließlich auflöste, startete Laude seine Solokarriere und widmete sich der Schauspielerei und Stand-up-Comedy. Phil Laude sei jemand, mit dem man sofort ein offenes und tiefes Gespräch führen könne, schwärmt Podcaster Matze Hielscher in seinem “Hotel Matze”: “Wir sprechen über Humor, Mut, Trauer, Abschiede, Träume, Leistungsdruck und Gefühle. Es geht – mal wieder – ums Menschsein.”
Im November 2019, als klar war, dass Marion Horn den Axel-Springer-Verlag verlassen wird, hatten wir hier im BILDblog einen kritischen Blick auf Horns Schaffen als Chefredakteurin der “Bild am Sonntag” veröffentlicht: Zum Abschied von Marion Horn.
Was von uns als Rückschau auf die kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme gedacht war, könnte nun als Vorschau dienen: Gestern wurde bekannt, dass Marion Horn zum Springer-Verlag zurückkehrt, als Vorsitzende der Chefredaktionen der “Bild”-Gruppe. Daher veröffentlichen wir unseren Beitrag von damals unverändert hier noch einmal: Zur Rückkehr von Marion Horn.
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Marion Horn war nicht mal ein halbes Jahr im Amt, da zeigten sich selbst hartgesottene Islamhasser beeindruckt. So schrieb das Hetzportal “Politically Incorrect” im März 2014 verblüfft:
Ja was ist denn in die BILD am SONNTAG (BamS) gefahren? (…) Gleich zwei mal packt das Springer-Blatt das heiße Thema Islam an – und zwar in einer Deutlichkeit, die es in sich hat.
Schon auf dem Titelblatt prangt die unmissverständliche Headline: “Islam-Rabatt für Jolins Mörder”. Ohne Fragezeichen!
Tatsächlich behauptete die “Bild am Sonntag” gemeinsam mit den anderen “Bild”-Medien ohne Fragezeichen, in Deutschland gebe es einen “Islam-Rabatt”, also mildere Strafen vor Gericht, wenn es sich bei den Straftätern um Muslime handelt.
In Wahrheit kam eine Studie, die die “Bild”-Medien als vermeintlichen Beleg für den in Deutschland vorherrschenden “Islam-Rabatt” anführten, sogar zum genau gegenteiligen Schluss: Deutsche Strafgerichte würden sogenannte Ehrenmörder “nicht milder als andere Beziehungstäter” behandeln, “sondern sogar strenger.”
Der zweite Artikel in der “Bild am Sonntag”, über den sich “Politically Incorrect” damals so freute, war ein Interview mit einem deutsch-türkischen Schriftsteller – große “BamS”-Überschrift: “‘Islam gehört zu uns wie die Reeperbahn nach Mekka'”.
Fazit der Fremdenfeinde:
“Zum Regieren brauche ich BILD, BamS und Glotze”, sagte Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder vor zehn Jahren. Wenn die oben erwähnten Artikel eine intensive und schnörkellose Debatte über die Gefahren des Islam in Deutschland auslösen, könnte die BamS vom heutigen 30. März 2014 eine nicht zu unterschätzende Katalysator-Funktion gehabt haben.
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So ging sie also los, Marion Horns Karriere als Chefredakteurin der “BamS”. Und nun, gut sechs Jahre später, geht sie zu Ende: Wie der Axel-Springer-Verlag in dieser Woche mitteilte, verlässt Horn die “Bild am Sonntag”.
Mit “Kompetenz und Leidenschaft” habe sie als Chefredakteurin “insbesondere die investigative und politische Relevanz von BILD am SONNTAG geprägt”, sagte Springer-Chef Mathias Döpfner.
Werfen wir zum Abschied also einen Blick zurück auf ihr glorreiches Werk.
Herzogin Kate war im Mai 2014 “dem Wind sei Dank” das Kleid hochgerutscht, wodurch ihr Po entblößt wurde.
Der Windhauch des royalen Helikopters bei der Landung in den australischen Blue Mountains sorgte für diesen kurzen, aber magischen Moment.
Diesem “magischen Moment” widmete die “Bild am Sonntag” unter Feministin Horn fast die ganze letzte Seite.
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Im Juli 2014 veröffentlichte die “BamS” neben den anderen “Bild”-Medien zahlreiche Fotos und persönliche Informationen von Menschen, die beim Abschuss eines Flugzeuges über der Ukraine ums Leben gekommen waren.
Eine Erlaubnis der Angehörigen hatte die Redaktion nicht eingeholt. Die Veröffentlichung wurde später auch vom Presserat kritisiert.
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Wenige Tage später entschied sich Marion Horn für den Abdruck eines islamfeindlichen Kommentars ihres damaligen Stellvertreters Nicolaus Fest. “Der Islam stört mich immer mehr”, schrieb er darin, ihn störe “die weit überproportionale Kriminalität von Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund”, “die totschlagbereite Verachtung des Islam für Frauen und Homosexuelle” und vieles mehr. Der Islam sei wohl “ein Integrationshindernis”, was man “bei Asyl und Zuwanderung ausdrücklich berücksichtigen” solle.
Ich brauche keinen importierten Rassismus, und wofür der Islam sonst noch steht, brauche ich auch nicht.
Im Monat darauf verkündete die “Bild am Sonntag” exklusiv, Schauspieler Henning Baum habe das Ende seiner Serie “Der letzte Bulle” bestätigt. Noch am selben Tag teilte sein Management mit, das Zitat in der “BamS” sei frei erfunden.
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Zwei Wochen später berichtete die “Bild am Sonntag” über den Mord an einem 14-jährigen Mädchen und druckte im Artikel ein Foto des vermeintlichen Täters, das die Redaktion bei Facebook geklaut hatte:
Im Dezember 2014 fragte die “Bild am Sonntag” empört:
Denn in Berlin-Kreuzberg, so die Behauptung der “BamS”, müsse der Weihnachtsmarkt neuerdings “Winterfest” heißen. Auf “dem Altar der politischen Korrektheit” werde “die christliche Tradition geopfert”, insinuierte das Blatt.
In Wahrheit stimmte die Geschichte gar nicht: “Wie die Märkte sich nennen, ist uns total egal”, erklärte das zuständige Bezirksamt auf unsere Nachfrage. Die “Bild am Sonntag” hatte sich das Weihnachtsmarktverbot ausgedacht – und lieferte den besorgten Bürgern und Islamhassern einmal mehr neue Munition.
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Im darauffolgenden Frühjahr berichtete die “BamS”, dass die Schweizer Bundesanwaltschaft Franz Beckenbauer wegen der WM-Vergabe an Russland und Katar als Zeugen befragen wolle. Die Schweizer Bundesanwaltschaft teilte auf unsere Nachfrage mit, dass das Quatsch sei. Die Geschichte in der “Bild am Sonntag” sei sogar “mehrfach falsch”. Die Redaktion habe nicht mal bei ihr nachgefragt.
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Im Monat darauf schrieb die “BamS” auf ihrer Titelseite, Angela Merkel habe in Bayreuth einen “Kollaps” erlitten.
Die Meldung des angeblichen Schwächeanfalls verbreitete sich rasend schnell, doch kurz darauf brachte die Nachrichtenagentur AFP folgende (wortwörtliche) Breaking News:
Regierungssprecher: Merkel bei Wagner-Festspielen nicht kollabiert – Kein Schwächefall – Stuhl der Kanzlerin brach zusammen
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Im August 2015 wurde in Schleswig-Holstein die Leiche eines Mannes gefunden, der Suizid begangen hatte. Daraufhin bat die Polizei die Medien darum, die Fotos, die sie zur Fahndung veröffentlicht hatte, “aus der Berichterstattung zu nehmen”.
Die “Bild am Sonntag” ignorierte nicht nur die Bitte der Polizei, sondern lieferte möglichen Nachahmern auch gleich noch den genauen Ort des Suizids:
(Wenn du selber Probleme hast, depressiv bist oder über Suizid nachdenkst, kansst du dich jederzeit unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 an die TelefonSeelsorge wenden.)
Eine Zustimmung der Angehörigen lag wieder nicht vor, und wieder wurde die Veröffentlichung vom Presserat kritisiert.
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Wenige Monate später druckte die “Bild am Sonntag” zahlreiche Fotos und persönliche Informationen von Menschen, die bei einem Anschlag auf ein Einkaufszentrum in München getötet worden waren.
Eine Zustimmung der Angehörigen lag wieder nicht vor, und wieder wurde die Veröffentlichung vom Presserat kritisiert.
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Im September 2016 druckte die “Bild am Sonntag” einen Gastkommentar des Fußballers Arne Friedrich. Der meldete sich kurz darauf bei Twitter zu Wort und erklärte, die Redaktion habe in seinem Kommentar rumgepfuscht. Als Beweis schickte er einen Screenshot seines Originaltextes mit:
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An Ostern 2017, nachdem ein Mann einen Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund verübt hatte, titelte die “Bild am Sonntag”:
Wie sich später herausstellte, war auch diese Geschichte Unsinn. Die Bundesanwaltschaft teilte in einer Pressemitteilung mit, die Sprengsätze seien “zeitlich optimal gezündet” worden.
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Anfang 2018 behauptete die “Bild am Sonntag”:
Doch auch diese Schlagzeile war falsch. Tatsächlich ergab die Statistik, dass nicht “4 von 5 Flüchtlingen” bei ihrem Deutsch-Test durchfallen, sondern dass vier von fünf Flüchtlingen, die Analphabeten sind, nicht das Sprachniveau B1 erreichen. Insgesamt schafften nicht nur 20 Prozent einen Abschluss, wie von “BamS” behauptet, sondern 76 Prozent.
Auch diese falsche Schlagzeile war eine willkommene Vorlage – nicht nur für andere Medien, sondern vor allem für rechte Hetzer.
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Wenige Wochen später schrieb die “Bild am Sonntag”:
Was in der Überschrift schon mal nicht klar wurde: Dabei handelte es sich nicht um eine drei- oder vierköpfige Familie, sondern um eine Mutter mit neun Kindern. Zudem wurden die 7300 Euro für die zehnköpfige Familie nicht bar ausgezahlt, sondern ein Großteil wurde schon vorher abgezogen, um die Kosten für die Unterbringung in einem Asylwohnheim inklusive aller Nebenkosten zu begleichen. Auch die Dauer der Bearbeitung war entgegen der “BamS”-Behauptung komplett irrelevant. Und auch sonst gab sich die “Bild am Sonntag” große Mühe, in dem Artikel möglichst viel Irreführendes und Falsches unterzubringen.
Tatsächlich hätte jede deutsche Mutter mit neun Kindern im selben Alter als Sozialhilfeempfängerin genauso viel und dieselben Leistungen bekommen wie die Flüchtlingsfamilie. Davon war in der “Bild am Sonntag” allerdings nichts zu lesen.
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Als im Dezember 2018 über die Nachfolge von Angela Merkel an der Spitze der CDU abgestimmt werden sollte, veröffentlichte die “Bild am Sonntag” eine Liste von 1001 Delegierten und verriet, für welchen Kandidaten/welche Kandidatin sie jeweils stimmen würden. Allerdings erklärten daraufhin etliche der angeblich Befragten, sie hätten überhaupt nicht mit der “Bild am Sonntag” gesprochen.
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Sechs Jahre war Marion Horn Chefredakteurin der “Bild am Sonntag”. Sechs Jahre, in denen ihr Blatt Unwahrheiten in die Welt setzte, Persönlichkeitsrechte verletzte und den Hass gegen den Islam befeuerte. Die Liste ließe sich noch viel weiter fortsetzen, mit Schleichwerbung, geheuchelterSelbstkritik oder politischen Kampagnen.
Oder wie man beim Axel-Springer-Verlag sagt: “Kompetenz und Leidenschaft”.
1. Fragen und Antworten zum “Public Space Incubator” des ZDF (netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Wie gestern in den “6 vor 9” zu lesen war, hat sich das ZDF mit öffentlich-rechtlichen Anstalten aus Kanada, der Schweiz und Belgien zu einem “Forschungsprojekt für den offenen Dialog im Netz” (“Public Spaces Incubator”) zusammengeschlossen. Ziel des Projekts: die Entwicklung einer öffentlich-rechtlichen Alternative zu den US-amerikanischen Social-Media-Plattformen. Bei netzpolitik.org greift Leonhard Dobusch das Thema auf und beantwortet die häufigsten Fragen dazu.
2. Die ARD hat fast schon angefangen, mit dem Anfangen anzufangen (uebermedien.de, Frederik von Castell)
“Wo auch immer der Maschinenraum der ARD zu finden ist, die Intendant:innen scheinen dort eher selten zugegen.” Bei “Übermedien” kommentiert Redaktionsleiter Frederik von Castell die zähen Reformpläne der ARD und ein merkwürdiges Pressegespräch: “Ich werde das Bild von Schülern beim Referat nicht los, die die nächtlich-eiligen Wikipedia-Copy-Paste-Ergüsse wortreich vor der Klasse präsentieren, während sie sie selbst das erste Mal lesen.”
3. “Geo”-Fotochef Lars Lindemann über Inszenierung und Fälschung im Foto-Journalismus. (turi2.de, Nancy Riegel)
Mit “turi2” spricht “Geo”-Fotochef Lars Lindemann über Fälle von Bildinszenierung, er erklärt, wie Leserinnen und Leser erkennen können, ob Fotos inszeniert sind, und Lindemann erzählt, was seine Redaktion alles unternimmt, um Bilder zu überprüfen. Aus aktuellem Anlass geht es in dem Gespräch aber auch um den Kahlschlag beim Verlag Gruner + Jahr sowie das angekündigte Ende von “Geo Epoche”.
4. Gruner + Jahr: Sagt nicht, ihr hättet nichts gewusst (indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer führt in seinem Blog aus, warum er “die Zertrümmerung des einst so stolzen Verlagshauses Gruner + Jahr durch den Bertelsmann-Konzern” für absehbar hielt. Bei allem Mitgefühl für die Betroffenen und bei aller Trauer um die verschwindenden Medienmarken: Schuld daran hätten laut Knüwer Management und Redaktionen gleichermaßen.
5. Wtf heißt “slip n slide”? (taz.de, Laila Oudray)
Laila Oudray beschreibt in der “taz” die Entwicklung einer Geheimsprache, die auf TikTok und Instagram verwendet werde, um der Zensur durch Algorithmen zu entgehen. Betroffen seien vor allem Beiträge zu Sex- und LGBTQ-Themen sowie Auseinandersetzungen mit Rassismus und Gewalt. Um die Reichweite ihrer Beiträge zu erhöhen, würden Nutzer und Nutzerinnen bewusst Rechtschreibfehler, Emojis und Sonderzeichen einbauen. Die Journalistin Taylor Lorenz habe dem Phänomen einen Namen gegeben: “Algospeak”.
6. Turbo zünden (journalist.de, Sebastian Pertsch & Udo Stiehl)
Sebastian Pertsch und Udo Stiehl werfen im Rahmen ihres Projekts “Floskelwolke” einen sprach- und medienkritischen Blick auf vielbenutzte Formulierungen. Diesmal nehmen sie sich einen Schlagzeilen-Klassiker vor und “zünden den Turbo”.
Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!
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1. Katja Riedel über die geheime Chatgruppe der AfD-Bundestagsfraktion (denkangebot.org, Katharina Nocun, Audio: 1:17:42 Stunden)
Katja Riedel ist eine Investigativjournalistin, die sich auf die AfD spezialisiert hat. Zusammen mit Sebastian Pittelkow hat sie das Buch “Rechts unten: Die AfD: Intrigen, heimliche Herrscher und die Macht der Geldgeber” geschrieben. Im Gespräch mit Katharina Nocun erzählt Riedel davon, wie es ihrem Co-Autor und ihr gelungen ist, intime Einblicke in das Innenleben der Partei zu bekommen.
2. Was ist das für ein korrupter Sumpf bei der BBC? (uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 23:58 Minuten)
Warum ist die BBC so schwach? Inwiefern ermöglicht das britische Mediensystem den politischen Druck auf Redaktionen? Und wo findet kritischer Journalismus in Großbritannien dann noch statt? Darüber spricht Holger Klein im “Übermedien”-Podcast mit ARD-London-Korrespondentin Annette Dittert.
3. Afghanistan – Journalisten zwischen Angst, Folter, Flucht und Neuanfang in Deutschland (br.de, Jonathan Schulenburg, Audio: 28:11 Minuten)
Das BR24-Medienmagazin beschäftigt sich in der aktuellen Ausgabe mit dem Land, das nach dem Abzug der NATO in die Hände der Taliban gefallen ist: “Wir schauen nach Afghanistan und die Medien vor Ort, aber auch auf die Journalistinnen und Journalisten, die nach Deutschland fliehen mussten. Weil Ihnen zu Hause Arbeitsverbote, Folter, Haft oder sogar der Tod droht. Welche Herausforderungen haben sie hier?”
4. Black Lives Matter – was bleibt? (sueddeutsche.de, Nils Minkmar & Nadia Zaboura, Audio: 37:31 Minuten)
In der neuen Folge des Medienpodcasts “quoted” geht es um die Frage, was aus der Mediendebatte um Rassismus geworden ist. Dazu haben Nils Minkmar und Nadia Zaboura die Journalistin Noelle O’Brien-Coker eingeladen. Mit ihr diskutieren sie die Frage, wie sich der mediale Diskurs seit den ersten Black-Lives-Matter-Protesten entwickelt hat.
5. Das nächste große Ding (netzpolitik.org, Sebastian Meineck & Chris Köver, Audio: 41:48 Minuten)
Bei “Off The Record” sprechen Sebastian Meineck und Chris Köver darüber, wie die netzpolitik.org-Redaktion mit dem Hype um Künstliche Intelligenz umgeht und welche Zweifel sie dabei begleitet: “Haben wir im Spätjahr den Beginn des Hypes vor lauter Berichterstattung über Chatkontrolle und Twitter-Chaos verpennt? Was denken wir persönlich über die neue Technologie?”
6. Ausgerastet und abgestürzt: Der Fall des Angry German Kid (ndr.de, Zapp, Video: 22:46 Minuten)
Viele kennen das virale Video des “Angry German Kid”, in dem ein Jugendlicher beim Computerspielen seiner Wut freien Lauf lässt. Es war eine Inszenierung, die für den damals 14-Jährigen schwerwiegende Folgen hatte. Hilflos musste er mit ansehen, wie die Aufnahme unzählige Male weiterverbreitet und verfälscht wurde – und einen Teil seines Lebens zerstörte. Ein nachdenklich stimmender Film über die mitunter äußerst negativen Folgen von Online-Prominenz.
1. “Unfähig & überfordert” – Die Kampagne der Bild gegen Robert Habeck (kobuk.at, Nikolaus Fink)
Nikolaus Fink hat sich bei “Kobuk” angesehen, wie “Bild” über Wirtschaftsminister Robert Habeck berichtet. In den vergangenen Monaten habe die “Bild”-Redaktion eine heftige Kampagne gegen den Grünen-Politiker geführt: “Mehrmals pro Woche schrieb die Boulevardzeitung negativ über Habeck – und das nicht nur über seine politische Arbeit, sondern auch über ihn als Person. ‘Bild’ machte den 53-Jährigen zum Sündenbock für alles Mögliche, was in Deutschland schiefläuft, oder irgendwann in Zukunft einmal schieflaufen könnte.”
Siehe dazu auch unseren Beitrag: “Regierung-verschenkt”-Schlagzeile ist “Bild” nicht zu billig (bildblog.de, Moritz Tschermak).
2. Ulf Poschardt und die Grenzen der Freiheit (medieninsider.com, Marvin Schade)
Ulf Poschardt, Chefredakteur der “Welt”, stilisiert sich gerne als Freiheitskämpfer, doch die Freiheit hat offenbar Grenzen, wenn es um ihn selbst geht. Poschardt soll sich über die Berichterstattung des Portals “Medieninsider” geärgert und intern damit gedroht haben, mögliche Informanten aus seiner eigenen Redaktion aufzuspüren. Marvin Schade kommentiert: “Poschardts Äußerungen sind aber nicht nur bemerkenswert, sondern besorgniserregend – für einen Journalisten im Allgemeinen, und für einen, der sich als Vorkämpfer der Pressefreiheit sieht, im Speziellen. Einschüchterungen zeugen vom Gegenteil eines liberalen Denkers.”
3. KI greift Medien an (br.de, Christian Nitsche)
KI-Programme wie ChatGPT können nahezu jede Frage schnell und präzise beantworten und stellen damit mindestens eine Herausforderung, wenn nicht gar eine Bedrohung für traditionelle Medien dar, die ihre Rolle als Vermittler der Welt noch stärker zu verlieren drohen. Christian Nitsche geht in seiner Analyse den Fragen nach, wie Medien mit dieser veränderten Situation umgehen können, und was der Mensch der Maschine voraus hat: “Für welchen Service sind Menschen bereit zu zahlen? Sicher dafür, dass jemand die eigenen Bedürfnisse erkennt. Für Service und Problemlösungen. Für echte menschliche, nicht künstlich vorgetäuschte Wärme. Für Identität, die historisch gewachsen ist und nicht von Rechenmodellen erspürt werden kann. Leserinnen und Leser werden verstärkt nachsehen, ob ein Artikel ein Autorenprofil hat. Mensch oder Maschine?”
4. Wie Medien beim Umgang mit der Klimakrise helfen können (deutschlandfunk.de, Pia Behme & Sebastian Wellendorf, Audio: 7:19 Minuten)
Lea Dohm ist Mitinitiatorin der Psychologists and Psychotherapists for Future, einer Initiative von Psychologinnen, Psychotherapeuten und Psychologiestudierenden, die die Fridays-for-Future-Bewegung unterstützen. Im Deutschlandfunk spricht sie über Schwierigkeiten und Besonderheiten der Klimaberichterstattung: “Wie können wir so darüber berichten, dass die Menschen nicht dicht machen, sondern dranbleiben und bestenfalls auch irgendwie einen Beitrag leisten können?”
5. “Kleine Verlage wird es einfach bald nicht mehr geben” (boersenblatt.net, Sandra Thoms)
In ihrem Kommentar im “Börsenblatt” warnt die Verlegerin Sandra Thoms vor dem Verschwinden kleiner Buchverlage. Viele Unternehmen seien durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen und Umsatzeinbußen in Schwierigkeiten geraten und hätten schließen müssen. Dies wirke sich negativ auf die Vielfalt der Buchbranche sowie auf thematische Innovationen aus. Thoms fordert, dass große Verlage und Buchhandlungen den kleinen, unabhängigen Verlagen mehr Aufmerksamkeit schenken und ihnen bessere Möglichkeiten des Marktzugangs bieten sollten.
6. Zweifel und Verzweiflung (sueddeutsche.de, Philipp Riessenberger)
Für Philipp Riessenberger ist die australische Journalistenserie “Die Newsreader” eine “großartig besetzte Ensemble-Serie mit gesellschaftlicher Relevanz”. Sie thematisiere auch gesellschaftliche Realitäten in der Arbeitswelt wie Rassismus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit und sei ein gelungenes Panorama der 80er-Jahre (die sechsteilige Serie ist noch bis zum Mai in der Arte-Mediathek zu sehen).
1. Angst vor Tiktok: Schaufeln sich Facebook und Instagram ihr eigenes Grab? (rnd.de, Matthias Schwarzer)
Wie bereits am 25. Juli in den “6 vor 9” berichtet, wollen Facebook und Instagram – offenbar in Reaktion auf die Konkurrenz durch den Kurzvideo-Dienst TikTok – ihre Seiten umbauen. Das könnte schiefgehen, analysiert Matthias Schwarzer: “Die US-Techkonzerne stehen nun vor einer riesigen Herausforderung – und möglicherweise vor einem Dilemma. Sie setzen technisch alles daran, Tiktok die Nutzerinnen und Nutzer abzugewinnen – und laufen gleichzeitig Gefahr, mit den Updates Kreative und die Stammnutzerschaft zu verjagen.”
2. Schon knauserig, oder? (tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Der RBB und dessen Intendantin Patricia Schlesinger sehen sich in Zusammenhang mit der Planung des Digitalen Medienhauses zahlreichen Vorwürfen ausgesetzt. Auch der Hauptausschuss des Brandenburger Landtags hat Fragen an Schlesinger und ihr, nachdem sie einer Einladung in eine Ausschusssitzung nicht gefolgt war, einen entsprechenden Fragenkatalog geschickt. Nun soll eine vom Sender mandatierte Kanzlei Klarheit in das Dickicht aus Beraterverträgen, Medienhaus und Abendessen bringen. Für Unterstützung soll eine journalistisch vorgebildete Aushilfskraft sorgen, die der Sender für ihre Mitarbeit bei der Recherche, Aufarbeitung und “Identifizierung des Aktualisierungsbedarfs der rbb-internen Regelungen” mit 12 Euro die Stunde entlohnen will.
Weiterer Lesehinweis: RBB-Intendantin gibt erste Auskünfte: “Was die Abendessen bei RBB-Chefin pro Gast kosteten. Brandenburger Politiker über Auskünfte empört” (tagesspiegel.de, Joachim Huber & Benjamin Lassiwe).
3. Die Funke-Mediengruppe und der “offene Diskurs” über Presseethik (uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Die Funke-Mediengruppe hat ein recht ambivalentes Verhältnis zur Presseethik. Nach außen hin gibt man sich moralisch, verantwortungsvoll und zum “offenen Diskurs” bereit. Wenn ein medienkritisches Portal das Haus mit Vorwürfen zu Falschmeldungen oder Schleichwerbung konfrontiert, kippe die Stimmung jedoch schnell, berichtet Stefan Niggemeier bei “Übermedien”. Dann werde gemauert, geghostet und mit Gegenvorwürfen operiert. Niggemeier erzählt vom schwierigen Verhältnis mit der Mediengruppe und erklärt, warum er immer noch und trotz alledem an die Wirksamkeit von Presserats-Beschwerden glaubt.
4. Kommentar: Wie sollen Betroffene über Rassismus sprechen? (annabelle.ch, Alice Hasters)
Die Journalistin, Podcasterin und Buchautorin Alice Hasters (“Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten”) beschäftigt sich mit der mitunter nicht leichten Frage, wie Betroffene über Rassismus sprechen sollen, aber auch damit, was Medienschaffende tun können, um dem Thema vollumfänglich gerecht zu werden: “Meines Erachtens sind die haarsträubende Inkompetenz und die mangelnde Diversität in Redaktionen für den frustrierenden Stand des Rassismus-Diskurs zum grossen Teil verantwortlich. Journalist:innen unterscheiden oft nicht, wer Expert:in ist, wer Betroffene, wer beides ist. Wer Aktivist:in ist, mit konkreten Forderungen; wer Pädagog:in, mit Interesse für Erziehung und Aufklärung; wer Akademiker:in, wer Autor:in, wer Künstler:in. Und dass zusätzlich zu diesen Rollen auch noch unterschiedliche antirassistische Ansätze und Schwerpunkte kommen.”
5. Italien schränkt Informationsfreiheit drastisch ein (netzpolitik.org, Matthias Monroy)
Die italienische Regierung wolle Medien keine Auskunft mehr zur Zusammenarbeit ihres Landes mit der libyschen Küstenwache erteilen und habe zu diesem Zweck das Recht auf Zugang zu Verwaltungsdokumenten drastisch eingeschränkt, berichtet Matthias Monroy bei netzpolitik.org. Als Grund werde behördlicherseits “die Gefährdung der nationalen Sicherheit oder Verteidigung” angegeben.
6. Antonia Rados – Reporterin im Ruhestand? (sr.de, Thomas Bimesdörfer & Michael Meyer, Audio: 17:45 Minuten)
Thomas Bimesdörfer und Michael Meyer sprechen mit Antonia Rados, die auf mehr als vier Jahrzehnte in der Auslandsberichterstattung zurückblicken kann: “Wie konnte sie sich als Frau behaupten, wie hat sich ihr Beruf verändert, was hat sie motiviert?”
Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!
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1. Armut in den Medien: Betroffene wehren sich gegen Klischees (ndr.de, Zapp Medienmagazin, Isabel Schneider, Video: 16:01 Minuten)
Viele Menschen, die von Armut betroffen sind, fühlen sich in Medien klischeehaft und stigmatisierend dargestellt. Die Berichterstattung erfolge oft von oben herab statt auf Augenhöhe. “Zapp” hat sich mit Betroffenen getroffen, die sich gegen all zu stereotype mediale Bilder wehren.
2. 70 Jahre BILD-Zeitung – Zwischen Boulevard und Hetze (ardaudiothek.de, Rainer Volk, Audio: 28:55 Minuten)
Die “Bild”-Zeitung hat vor wenigen Tagen ihren 70. Geburtstag gefeiert. Bei SWR2 geht es um die Entstehungsgeschichte des Blatts, die Probleme in der Vergangenheit und die derzeitige Situation. Als Experte kommt Volker Lilienthal zu Wort, der “Bild” über einen längeren Zeitraum beobachtet hat. An dieser Stelle auch ein Hinweis in eigener Sache – nämlich auf das empfehlenswerte Buch meiner BILDblog-Kollegen Moritz Tschermak und Mats Schönauer: BILDblog hat ein Buch geschrieben.
3. Wie Markus Lanz vom RTL-Boulevard-Journalisten zum deutschen Polit-Talk-König wurde (omr.com, Philipp Westermeyer, Audio: 1:28:05 Stunden)
In der 500. Folge des “OMR”-Podcasts begrüßt Philipp Westermeyer den ZDF-Moderator Markus Lanz (dessen Podcast mit Richard David Precht von ZDF und “OMR” produziert wird). In dem Gespräch geht es unter anderem um Lanz’ Werdegang, seine Arbeit als Polit-Talker sowie die Fragen, was er mit seiner Produktionsfirma macht und wie er auf den Klimawandel blickt.
4. Exiljournalismus: Wie umgehen mit Fluchterfahrungen und Trauma? (br.de, Jasmin Brock, Audio: 28:40 Minuten)
Beim “MedienMagazin” des Bayerischen Rundfunks geht es um Journalistinnen und Journalisten, die aus Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland flüchten: “Wie verarbeiten sie oft traumatische Fluchterfahrungen, wie gehen sie damit um, dass sie Familienangehörige und KollegInnen zurücklassen mussten? Was hilft ihnen, in deutschen Medien anzukommen, Arbeit zu finden, mit der Sprache umzugehen?”
5. Warum ist Social Media hilfreich für diversen Journalismus, Kemi Fatoba? (newsfluence.podigee.io, Eva-Maria Schmidt & Jennifer Panse, Audio: 27:32 Minuten)
Die Kommunikationswissenschaftlerin Kemi Fatoba ist Mitgründerin des Magazins “Daddy”, eine in Berlin ansässige Publikation, “die Themen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie und Diskriminierung durch eine humorvolle Brille betrachtet”. Im “Newsfluence”-Podcast geht es darum, wie Soziale Medien, User-generated content und Merchandising beim Aufbau einer Community hilfreich sein können.
6. Hat Olaf Scholz ein Problem mit Journalisten? (uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 14:21 Minuten)
Auf dem zurückliegenden G7-Gipfel in Elmau hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz gegenüber einer Journalistin auf eine Weise verhalten, die von vielen kritisiert wurde. Holger Klein hat sich mit Scholz-Kennner Mark Schieritz über den Kanzler und dessen Verhältnis zu den Medien unterhalten: “Hat sich Scholz’ Kommunikation in den vergangenen Jahren verändert? Was bedeutet diese ‘Scholzigkeit’ für die politische Kultur? Und ist schlechte politische Kommunikation auch gleich schlechte Politik?”