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“Bild” belästigt “letzte Hitlers”, die gar nicht Hitler heißen

Alexander Hitler heißt nicht Alexander Hitler, und dennoch nennen “Bild” und Timo Lokoschat ihn Alexander Hitler, denn andernfalls käme ihre Titelgeschichte von heute noch ein Stück dünner daher:

Ausriss Titelseite der Bild-Zeitung - Bild traf den Groß-Neffen in den USA - Letzter Hitler bricht sein Schweigen! Mit zweitem Namen heißt er Adolf

Ihre komplette Seite 3 hat die Redaktion für die Story freigeräumt:

Ausriss Bild-Zeitung - Was Alexander Hitler über Merkel und Trump denkt
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Bei Bild.de, dort hinter der Bezahlschranke, prangte sie heute lange Zeit ganz oben auf der Startseite:

Screenshot Bild.de - Bild traf den Groß-Neffen in den USA - Letzter Hitler bricht sein Schweigen! Mit zweitem Namen heißt er Adolf

Und auch online ist fast ausschließlich von Alexander Hitler die Rede, was — das möchten wir hier gern noch mal betonen — falsch ist, da der Mann, den Lokoschat und “Bild” aufgestöbert haben, gar nicht Alexander Hitler heißt: Er ist tatsächlich mit Adolf Hitler verwandt, um einige Ecken, laut “Bild”-Medien soll er dessen Großneffe sein. Aber den Nachnamen des Diktators trägt er nicht, hat er nie. Das schreibt auch Lokoschat:

Ihren Namen hat die Familie 1946 verändert. Zuerst in Hiller, später in einen englischen Doppelnamen.

Alexander wurde 1949 geboren. Und dennoch heißt es in dem Artikel unter anderem:

“DEAD END” steht auf dem Schild vor der Straße, in der Alexander Hitler wohnt.

Alexander Hitler lebt in einem Holzhaus

Gepflegt sind dafür die vielen Topfpflanzen, die hier stehen. Fleißiges Lieschen, Bartnelken, Eisbegonien, Funkien. Die amerikanischen Hitlers haben einen grünen Daumen.

Herr Hitler fährt Hyundai.

Er ist groß, zirka 1,85 Meter, trägt ein türkis-weiß-kariertes Hemd und eine beigefarbene Cargohose. Alexander Hitler.

“Deutsche Politik?”, wiederholt Alexander Hitler ungläubig und zieht die Augenbrauen hoch.

Und so weiter. Mehrere Dutzend Mal fällt der Name Hitler. Auch wenn seit 72 Jahren niemand mehr so heißt.

Zum Aufplustern der “Bild”-Titelgeschichte gehört auch: Es handelt sich gar nicht, wie auf Seite 1 behauptet, um den “letzten Hitler”. Es gibt noch mindestens zwei weitere — die allerdings auch nicht Hitler heißen. Bei den beiden Brüdern von Alexander, die wohl zusammenleben, stand Timo Lokoschat ebenfalls vor der Haustür. Einer von ihnen öffnete die Tür, schloß sie sehr schnell wieder, als der “Bild”-Mann sein Anliegen schilderte, und schaltete die Rasensprenger an. Viel deutlicher kann man nicht sagen: “Lass uns in Ruhe”.

Alexander sprach hingegen mit Lokoschat. Was aber nicht das rechtfertigt, was “Bild” und Bild.de mit ihm anstellen. Mal abgesehen von der hingebogenen Schlagzeile, penetrant genutzten falschen Nachnamen und den ganzen Belanglosigkeiten (Lokoschat klammert sich nicht nur an die bahnbrechenden Entdeckungen von grünen Daumen und Automarken, sondern auch an solche “kuriosen Zufälle”: “Kurioser Zufall: Die Nachbarin kommt aus Österreich!” Große Enttäuschung direkt im nächsten Satz: “Aber auch sie weiß nichts.”) ist das eigentlich Grässliche an dem Artikel: Das Eindringen in die Privatsphäre eines Menschen, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen; der nichts dazu beigetragen hat, dass die “Bild”-Redaktion sich für ihn interessieren könnte; der einfach nur das verdammte Pech hat, dass es sich bei einem entfernten Verwandten um eine der schlimmsten Personen der Menschheitsgeschichte handelt.

Und das gilt für Alexander genauso wie für seine zwei Brüder. Von dem einen — Alexander — haben “Bild” und Bild.de ein Foto veröffentlicht, ohne Verpixelung, das ganz offensichtlich aus größerer Entfernung aufgenommen wurde. Man sieht darauf noch den Maschendrahtzaun des Grundstücks, vor dem der Fotograf steht. Wir haben bei Lokoschat nachgefragt, ob der Mann wusste, dass er fotografiert wird, und ob er eingenwilligt hat, dass dieses Foto veröffentlicht wird. Der “Bild”-Redakteur wollte uns darauf nicht antworten.

Von den zwei Brüdern, von denen der eine Lokoschat per Rasensprenger deutlich gemacht hat, dass er nichts mit ihm zu tun haben will, haben die “Bild”-Medien eine Außenaufnahme des Hauses veröffentlicht. Zu ihnen steht im Text:

Sie sind die letzten Hitlers.

Das weiß in der 20 000-Einwohner-Stadt fast niemand.

Mit etwas Pech wissen es dort bald ganz viele. Die “Bild”-Redaktion feiert sich jedenfalls schon dafür, dass ihre Geschichte auch international Widerhall findet:

Screenshot Bild.de - So kommentiert die internationale Presse den Besuch bei den Hitler-Nachfahren

Bei Twitter erklärt Timo Lokoschat, dass er in seinem Text “aus Prinzip” nicht den richtigen Nachnamen von Alexander und dessen Brüdern (natürlich erst recht nicht in anonymisierter Form) verwendet hat:

Screenshot eines Tweets von Timo Lokoschat - Der Nachname ist eigentlich auch weithin bekannt, auch der Ort lässt sich leicht herausfinden. Wollte beides trotzdem aus Prinzip nicht hineinschreiben. Macht die Story nicht besser.

Was so eine Story offenbar “besser” macht: Leute immer wieder Hitler nennen, die gar nicht Hitler heißen und auch nicht Hitler heißen wollen, und Fotos von ihnen und ihren Häusern in Millionenauflage unter die Leute bringen. Julian Reichelt, der schon dann sauer wird, wenn jemand öffentlich nur sein Jahresgehalt schätzt, und dadurch seine Familie bedroht sieht, scheint kein Problem mit der Veröffentlichung all dieser Details zu haben.

An einer Stelle im Artikel steht zum Vater der drei von “Bild” besuchten Männer:

Den Fluch des schlimmsten Familiennamens der Weltgeschichte wollte er seinen Söhnen ersparen.

“Bild” und Timo Lokoschat wollen das offenbar nicht.

Dazu auch:

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Keine Extrawürste für “Bild”-Reporter? Das gibt Ärger!

Christian Titz, Trainer der Profi-Fußballer des HSV, soll die Tradition seiner Vorgänger, Extrawürste an “Bild”-Reporter zu verteilen, nicht fortgeführt haben. Dafür soll Titz nun den Zorn der “Bild”-Redaktion spüren. Das berichten jedenfalls andere Hamburger Medien.

Tatsächlich steht Christian Titz in den “Bild”-Medien besonders in der Kritik. Nach der — zugegeben, blamablen — 0:5-Heimniederlage gegen Jahn Regensburg stellte Bild.de den Posten des Trainers direkt in Frage:

Screenshot Bild.de - HSV-Trainer bei zwei weiteren Pleiten weg? Titz unter Druck

Und “Bild” titelte zur Niederlage:

Ausriss Bild-Zeitung - Dieser HSV ist ein Titz

Es folgten ein 0:0 gegen die SpVgg Greuther Fürth und ein weiteres 0:0 im Stadtderby gegen den FC St. Pauli am vergangenen Wochenende. Und schon wieder fragen sie sich bei “Bild”, ob es das für Christian Titz jetzt gewesen ist:

Ausriss Bild-Zeitung - 0:0 gegen St. Pauli - Jetzt letzte Chance für Titz?

Dazu muss man wissen: Aktuell liegt der HSV auf Platz 4 der 2. Fußball-Bundesliga. Nach der 0:5-Klatsche gegen Regensburg stand der Klub sogar noch auf Platz 2. In den Sportteilen der lokalen Medien gab und gibt es natürlich auch Kritik am HSV-Trainer, gerade nach der deutlichen Niederlage vor eineinhalb Wochen. Es wird dort aber längst nicht so hart gegen ihn geschossen wie bei “Bild”.

Woher kommt die harsche Kritik der “Bild”-Redaktion? Lars Albrecht, stellvertretender Sportchef der “Hamburger Morgenpost” erklärte sie bereits am 25. September so:

Eine Zeitung mit vier Buchstaben, die nicht MOPO heißt, hat es sich zum klaren Ziel gemacht, Christian Titz als HSV-Trainer abzusägen. Die Kampagne läuft schon lange vor und hinter den Kulissen auf Hochtouren, das 0:5 gegen Regensburg kam da gerade recht, im Derby wird dann nun wohl St. Pauli die Daumen gedrückt.

Klar, der “Trainer-Lehrling” (BILD) hat Fehler gemacht – wie jeder andere Trainer auch. Er hat es aber auch mit seiner unvergleichlichen Art geschafft, die Fans trotz des Abstieges für die 2. Liga zu mobilisieren, sie wieder hinter die Mannschaft zu stellen. Der HSV lebt!

Nach dem Derby gegen den FC St. Pauli wird die “Mopo” konkreter. Simon Braasch und Christian Jung schreiben:

Erschwert, und auch das beklagt Titz offen, werde dieser Prozess durch äußere Einflüsse. “Wenn du beim HSV Trainer bist und deine Spiele nicht gewinnst, gibt es immer ein gewisses mediales Tohuwabohu”, erklärt der Coach und schmückt etwas nebulös aus: “Ich nehme gewisse Aufmerksamkeiten wahr. Das Thema, dass man sich auf gewisse Dinge fokussiert, hat schon vor einiger Zeit begonnen.”

Um zu wissen, was genau Titz damit meint, muss man die Hintergründe kennen. Denn einen seit Monaten wirklich schweren Stand (unabhängig von Ergebnissen) hat der Trainer eigentlich nur bei einem Medium, allerdings Deutschlands lautestem, der “Bild”. Darüber, warum das so ist, hält sich vor allem eine Darstellung hartnäckig.

So soll der Trainer zu Beginn seiner Amtszeit im März recht zügig klargestellt haben, dass er im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger nicht beabsichtige, gesondert mit “Bild” kooperieren zu wollen, woraufhin ihm gegenüber unverhohlen angedeutet worden sein soll, er könne sich dann auf ein deutlich schwereres Leben als HSV-Trainer einstellen. War dem so, wurde diesbezüglich Wort gehalten.

Und Kai Schiller schreibt im “Hamburger Abendblatt” zum selben Gerücht:

Dass nach dem dritten Spiel in Folge ohne Sieg und ohne Tor nicht jeder Kritiker so schnell zufriedengestellt werden kann, dürfte Trainer Titz spätestens nach der Lektüre der “Bild”-Zeitung am Morgen klar gewesen sein. “Jetzt letzte Chance für Titz?”, hatte die Boulevardzeitung getitelt — und damit den roten Faden der Berichterstattung der vergangenen Tage konsequent aufgenommen. “Dieser HSV ist ein Titz”, hatte die “Bild” nach dem 0:5 gegen Regensburg getitelt. Danach folgte: “Titz unter Druck — zwei Pleiten könnten schon sein Aus bedeuten.”

Warum Titz, der noch bis zur vergangenen Woche hinter Legende Branko Zebec der nach Punkten und Siegen erfolgreichste HSV-Coach der Clubgeschichte war, so hart kritisiert wird, beantwortet Matthias Müller, Sportchef der Hamburg-Ausgabe der “Bild”, auf Nachfrage so: “Unsere Berichterstattung über den HSV spiegelt das Ergebnis unserer Recherchen wider. Nicht mehr — und nicht weniger.”

Ein anderer Erklärungsansatz könnte dieser sein: Nach Informationen des Abendblatts hatte sich Titz direkt nach seiner Beförderung zum Cheftrainer die Chuzpe herausgenommen, der “Bild” — anders als die meisten seiner Vorgänger — keine Privataudienz nach den wöchentlichen Spieltagskonferenzen zu gewähren. Was erlauben Titz?

Mit Dank an Dirk H., Martin R. und Anonym für die Hinweise!

Österreichs “Falter”-Feind, Licht ins EU-Dunkel, Gehälter und Honorare

1. Licht ins Dunkel der geheimen Verhandlungen zur EU-Urheberrechtsreform
(juliareda.eu)
Julia Reda sitzt seit 2014 für die Piratenpartei im EU-Parlament und ist eine profunde Kennerin der Urheberrechtsthematik. Über diese wird gerade hinter verschlossenen Türen verhandelt, im sogenannten “Trilog” von EU-Parlament, Rat und Kommission. Reda veröffentlicht den aktuellen Verhandlungsstand — sehr übersichtlich, sehr lesenswert und ganz im Sinn der Transparenz.

2. Presseanfragen veröffentlicht
(taz.de, Ralf Leonhard)
Regelrecht verbissen hat sich Österreichs Innenministerium in die Auseinandersetzung mit der Wochenzeitung “Falter”. Das Ministerium hat sogar Interviewanfragen von Chefredakteur Florian Klenk veröffentlicht, wohl um zu zeigen, dass dieser schlecht recherchiere. Rechtlich könnte das für das Ministerium Probleme geben, wie auf futurezone.at zu lesen ist.
Ähnlich sieht es der “Standard”, der von einem Verstoß der Behörde gegen die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) spricht.
Weiterer Lesehinweis: Für alle Freunde des Popcorn-Kinos noch ein Blick auf einen Tweet des Vizekanzler-Sprechers, dokumentiert durch “Falter”-Chef Klenk.

3. Freischreiber-Report startet 2019
(wasjournalistenverdienen.de, Michael Penke)
Freischreiber, der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, will künftig einmal im Jahr über aktuelle Gehälter und Honorare in der Branche berichten, ein Thema, über das sonst wenig nach außen dringt. Michael Penke dazu: “Wir möchten mit dieser Datenbank auch all jene Verlage und Medien unter Druck setzen, die ihre Redakteure und freien Autoren besonders schlecht bezahlen. Denn wer nicht zahlt, verdient auch keinen guten Journalismus.” Für möglichst aussagekräftige Werte, sind die Freischreiber auf anonyme Informationen von Journalisten und Journalistinnen angewiesen, die hier eingegeben werden können.

4. “Rassistische Texte sind nie freie Meinungsäußerung”
(jetzt.de, Sophie Aschenbrenner)
Im Interview spricht der Poetry-Slammer und Moderator Michel Abdollahi über den Poetry-Slam in Speyer, bei dem ein 14-jähriges Mädchen ein rassistisches Gedicht vorgetragen hat — und darüber, ob das künftig häufiger passieren könnte.

5. Login-Allianz der Verleger: ein Datenpool gegen die Google-Dominanz
(medienwoche.ch, Michael Ziesmann)
Die Schweizer Verlage wollen Nutzer dazu bringen, freiwillig persönliche Daten abzugeben. Mit diesem Datenpool will man bei den Werbekunden punkten und sich Googles Dominanz entgegenstellen. Dazu wurde die “Schweizer Login-Allianz” aus AZ Medien, “NZZ”, Ringier, Somedia, Tamedia und SRG gebildet: Ab nächstem Jahr sollen sich die Nutzer mit nur einem einzigen Login registrieren und damit sämtliche Angebote nutzen können. Das Vorhaben hat jedoch mindestens einen Haken, wie Michael Ziesmann in der “Medienwoche” ausführt.

6. Wie soll man berichten?
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz & Stefan Fries, Audio, 28:39 Minuten)
Wie sollen Medien mit Rechtspopulisten umgehen? Ignorieren, um ihnen keine Bühne zu bieten, oder thematisieren, um ihnen etwas entgegen zu stellen? Und wie können Medien vermeiden, von Rechtspopulisten instrumentalisiert zu werden? Über diese und andere Fragen haben Brigitte Baetz und Stefan Fries ausführlich in einer kompletten Sendung im “Deutschlandfunk” gesprochen.

Video-Verifikation, Schlecky Silberstein, YouTube-Journalismus

1. Das “Chemnitz-Video”: Welche Tools helfen bei der Verifikation?
(innovation.dpa.com, Stefan Voß)
Immer wieder laden Augenzeugen Videos auf Twitter und Co. hoch. Dürfen derartige Videos von Journalisten als Informationsquelle verwendet werden, auch wenn die Urheber anonym bleiben? Ja, aber die Filmaufnahmen müssen verifiziert werden. Anhand des berühmten “Chemnitz-Videos” stellt dpa-Faktenchecker Stefan Voß einige Verifikationstechniken vor.

2. Silberstein: “Man kann sich gar nicht dagegen wehren”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Der Satiriker und Blogger Schlecky Silberstein hat für “Funk”, das Junge-Leute-Content-Netzwerk von ARD und ZDF, eine Parodie auf die Ereignisse in Sachsen gedreht und ist dadurch ins Visier der AfD geraten. Inklusive Nachstellungen und Morddrohungen. “DWDL” hat mit ihm über Filterblasen, Angst und Kunstfreiheit gesprochen.
Weitere Lesehinweise: Auf seiner eigenen Seite hat Silberstein über die Ereignisse geschrieben: Ein Hauch von ’33 — und plötzlich stehen sie vor deiner Tür.
Und auch “Spiegel Online” hat mit ihm gesprochen.

3. Ganz neue Töne
(sueddeutsche.de, Stefan Fischer)
Auch das öffentlich-rechtliche Radio will vom Podcast-Boom profitieren und produziert Dokuserien, die sowohl klassisch ausgestrahlt als auch über Audiotheken oder Podcast-Plattformen wie Apples iTunes und Spotify verbreitet werden. Stefan Fischer ordnet die Entwicklung ein und stellt einige neugierig machende fiktionale und non-fiktionale Produktionen vor.

4. Ken Jebsen und das Establishment
(medienblog.hypotheses.org, Michael Meyen)
Michael Meyen ist seit 2002 Professor für Allgemeine und Systematische Kommunikationswissenschaft an der LMU München. Unlängst hat er Ken Jebsen ein Interview auf dessen Kanal “KenFM” gegeben. Einige seiner Freunde und Kollegen hätten darauf mit Unverständnis und Kritik reagiert (“Motto: Hat er sie noch alle?”). In einer Stellungnahme erklärt Meyen seine Beweggründe und betreibt “etwas Werbung für Toleranz und guten Journalismus.

5. “STRG_F”: Journalismus auf YouTube
(message-online.com, Anna Neumann & Sebastian von Hacht)
Um jüngere Zuschauer zu gewinnen, setzen ARD und ZDF auf spezielle Youtube-kompatible Angebote, die sie unter dem Netzwerklabel “Funk” bündeln. Eines dieser Angebote nennt sich “Strg-F” und beschäftigt sich mit Themen, die vor allem 20- bis 29-Jährige politisch und gesellschaftlich berühren. Das Journalismus-Magazin “Message” fragt, ob das gut gehen kann.

6. “Das sind gezielte Angriffe”
(taz.de, Meike Laaf)
Die österreichische Extremismus- und Terrorismusforscherin Julia Ebner arbeitet derzeit am Londoner Institute for Strategic Dialogue. Im Interview mit der “taz” erklärt Ebner, wie Rechtsextreme Falschinformationen im Netz verbreiten und auf welche Themen sie bevorzugt setzen.

Kurz korrigiert (512)

Jaja, schön und gut, der Marktwert von Amazon mag heute die Grenze von 1 Billion Dollar überschritten haben. Und bei Apple mag das schon vor einem Monat passiert sein.

Aber Google! Google war 2014 schon 397 Billionen Dollar wert. Das behauptet Bild.de jedenfalls seit gestern Abend:

2014 beträgt der Börsenwert 397 Billionen Dollar ∙ Viele Arbeitnehmer, die von Anfang an dabei waren, werden über Nacht Millionäre

Wir wissen nicht, wo die Redaktion ihre “Chronik” zum Google-Geburtstag abgeschrieben hat. Aber die Quelle dürfte englischsprachig gewesen sein. Und der anonyme Bild.de-Autor dürfte nicht gewusst haben, dass das englische “billion” im Deutschen “Milliarde” heißt, und das deutsche “Billion” im Englischen “trillion”.

Woher auch?

Mit Dank an Patrick B. für den Hinweis!

Kurz korrigiert (511)

Und wurde nicht Chalid Scheich Mohammed von Deutschlands Lieblings-Menschenrechtler Obama 183 Mal mit der Wasserfolter behandelt und lebt immer noch?

… fragt Bundesrichter a. D. Thomas Fischer in seinem gestern bei “Spiegel Online” erschienenen Text.

Nein, das Waterboarding im Verhör von Chalid Scheich Mohammed durch die CIA fand nicht während der Präsidentschaft von Barack Obama statt. Obama war es, der als US-Präsident im April 2009 interne Papiere des Geheimdienstes veröffentlichte, die unter anderem belegten, dass Chalid Scheich Mohammed 183 Mal durch Waterboarding, also das simulierte Ertrinken, gefoltert wurde. Das Ganze fand, wie man unter anderem bei “Spiegel Online” nachlesen kann, im März 2003 statt. Damals war George W. Bush Präsident der Vereinigten Staaten. Dessen Nachfolger Obama ordnete noch im ersten Monat seiner ersten Amtszeit ein Verbot von Waterboarding und weiteren Foltermethoden an.

In den Kommentaren unter dem sonst lesenswerten Text von Fischer zum “rechtsstaatlichen Desaster um Sami A.” haben recht früh Nutzer auf den Fehler hingewiesen. Passiert ist nichts.

Mit Dank an Florian R. für den Hinweis!

Nachtrag, 23. August: In den Kommentaren unter Thomas Fischers Artikel hat jemand auf Leser-Kritik geantwortet, der laut Usernamen Thomas Fischer ist. Er geht dort auch auf den Vorwurf zum 183-fachen Waterboarding ein — einen eigenen Fehler kann der Autor aber offenbar nicht erkennen:

Mit “Obama” ist natürlich das System Guantanamo gemeint, wo der Scheich mutmaßlich immer noch lebt.

“natürlich”.

Aber auch das ergibt nicht so richtig Sinn. Abgesehen davon, dass das 183-fache Waterboarding nicht in Guantanamo, sondern in einem CIA-Gefängnis in Polen stattgefunden haben soll, bleibt es dabei, dass Barack Obama zur Zeit der von Fischer angesprochenen Folter gegen Chalid Scheich Mohammed noch längst nicht im Amt war.

Mit Dank an @Fotobiene und Anonym für die Hinweise!

Nachtrag 2, 23. August: “Spiegel Online” hat den Satz aus dem Text gestrichen und am Ende des Artikels — im Sinne der Transparenz — diese Anmerkung veröffentlicht:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Chalid Scheich Mohammed sei während der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama 183 Mal der Wasserfolter unterzogen worden. Tatsächlich geschah dies 2003 in der Amtszeit von George W. Bush.

“Kontext”-Maulkorb, Rechtsdrehende Soundcloud, Fotografierverbot nötig?

1. Magazin “Kontext” wehrt sich gegen Maulkorb
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz)
Die “Kontext Wochenzeitung” ist von einem Mitarbeiter eines AfD-Landtagsabgeordneten verklagt worden, über den das Magazin berichtet hatte, weil er in einem Chat rechtsradikale Nachrichten geschrieben haben soll. Nun will der AfD-ler erreichen, dass entsprechende Berichte anonymisiert oder aus dem Netz genommen werden. Der “Deutschlandfunk” hat mit “Kontext”-Anwalt Markus Köhler über den Prozess gesprochen. Seine Erwartung an das Urteil: “Nun ja, das Gericht wird aus unserer Sicht klarstellen, dass Menschen, die im Landtag politisch arbeiten, sich der öffentlichen Diskussion stellen müssen.”
Weiterer Lesetipp zum Thema: Verdacht im Chat (SZ.de, Wolfgang Janisch) mit einer Prognose des zuständigen Richters, der es für möglich hält, dass es nach dem heute erwarteten Urteil noch lange weitergehen könnte. Eine mögliche BGH-Entscheidung prognostiziert er für das Jahr 2025.

2. Soundcloud ist voll von rechtsextremer Musik und verfassungsfeindlichen Symbolen
(motherboard.vice.com, Nico Schmidt)
“Motherboard” hat auf Soundcloud massenhaft rechtsextreme Musik und verfassungsfeindliche Symbole entdeckt. Der Vorwurf an den Musikstreamingdienst: Er entferne zwar gesetzeswidrige Inhalte, gehe aber nicht proaktiv gegen sie vor. Man habe Soundcloud gefragt, warum dort nicht Filter dafür sorgen, dass zweifelsfrei verbotene, indizierte Lieder wie das Horst-Wessel-Lied gar nicht erst hochgeladen werden können, jedoch keine Antwort erhalten.
Dazu thematisch passend: Bann gegen Hassrede: Spotify nimmt Alex Jones aus dem Programm (faz.de).

3. Gefährliche kremlkritische Recherchen
(taz.de, Simone Schlindwein)
Im Auftrag des vom kremlkritischen Oligarchen Chodorkowski finanzierten Zentrums für Recherchemanagement (ZUR) reisten drei erfahrene russische Reporter in die Zentralafrikanische Republik. Ihr Vorhaben: Material über die dubiose russische Sicherheitsfirma PMC Wagner sammeln, die unter anderem eine Söldnerarmee unterhält. Bei einer nächtlichen Autofahrt gerieten die Reporter in einen Hinterhalt und wurden erschossen. Zentralafrikanische Quellen nennen Raub als Motiv, kremlkritische russische Journalisten spekulieren über andere Gründe.

4. Migration: So will das Auswärtige Amt Menschen von der Flucht nach Deutschland abbringen
(netzpolitik.org, Chris Köver)
Mit der Website “Rumours about Germany” will die Bundesregierung Migranten aufklären und die Gerüchte der Schlepper richtigstellen. Um Abschreckung ginge es dabei ausdrücklich nicht, so die Bundesregierung. Netzpolitik.org berichtet nun von internen Konzepten, die Gegenteiliges vermuten lassen: Die Kampagne verfolge sehr wohl das Ziel, Menschen von der Flucht abzubringen oder zur Rückreise zu bewegen — auch mit Hilfe von Influencern.

5. Universalcast #10: Warum Radio manchmal doch besser ist als Spotify
(soundcloud.com/cjakubetzuser, Christian Jakubetz, Audio, 30:46 Minuten)
Im Rahmen seines “Universalcasts” hat sich Christian Jakubetz mit zwei Radio-Profis unterhalten: der Radio-Legende Werner Reinke (HR1) und Marion Kuchenny, einer der bekanntesten Frauen der aktuellen HR-Moderatorinnen-Riege. Es geht um das Radio von heute und das der Zukunft. Und die Frage, warum Radio manchmal doch besser ist als Spotify.

6. Fordert der Datenschutz ein Fotografierverbot auf Schulfesten?
(internet-law.de, Thomas Stadler)
Berufen sich Schulen und Kindergärten zu Recht auf die DSGVO, wenn sie zum Beispiel ein Fotografierverbot auf Schulfesten aussprechen, wie jüngst geschehen? IT-Rechtler Thomas Stadler erklärt in einem kurzen Blogbeitrag die Rechtslage.

Wie “Bild” mit Ausländern Rekorde knackt – ein Beispiel

Bei “Bild” haben sie neulich einen Rekord geknackt: Im Juni erreichte die Redaktion mit ihren Artikeln als erste deutschsprachige Website mehr als 5 Millionen Interaktionen in den Sozialen Netzwerken, also zusammengerechnete Likes und Kommentare bei Facebook, Retweets bei Twitter und so weiter. Der Chef dankte dem “ganzen NP-Team”, was wohl “New Platforms” heißen soll:

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - Dank an Andreas Rickmann, Jakob Wais, Marc Biskup und das ganze NP-Team. Ihr habt es einfach drauf!

Nun ist 5.000.000 erst mal eine (große) Zahl, die nicht zwingend etwas über die Qualität der kommentierten, geliketen und retweeteten Artikel aussagt. Und dass ein Lügenportal wie “jouwatch” im selben Ranking auf Platz 11 liegt oder die Islamhasser von “Politically Incorret” auf Platz 31 oder “RT Deutsch” auf Platz 19 oder “Promiflash” auf Platz 10 oder “Epoch Times” auf Platz 6 oder “Focus Online” auf Platz 4, spricht auch dafür, dass es dort ausschließlich um Quantität geht.

Wie die “Bild”-Redaktion auch zu ihrem Rekord kommt, mit welcher Art von Inhalten sie viele Interaktionen erzielt, und wie diese Inhalte aufbereitet sind, kann man zum Beispiel an diesem Text über Freibäder in Chemnitz und Zwickau beobachten, der am 24. Juli bei Bild.de erschienen ist:

Screenshot Bild.de - Stell dir vor es ist Sommer und ... Keiner geht ins Freibad

Ausgangspunkt des Artikels ist ein Facebook-Post des Betreibervereins des Freibads Crossen in Zwickau. Carol Forster, der Vorsitzende des Vereins, schreibt darin unter anderem:

Hallo Zusammen…

aus aktuellem Anlass hier auf der Facebook Seite des Freibades Crossen ein mehr oder weniger Hilferuf und / oder die Frage: Was können wir noch verändern und/ oder verbessern.

Hintergrund ist jener, dass wie vielleicht Einige von Euch gelesen haben, die derzeitige Besuchersituation in allen Freibädern der Stadt Zwickau, so auch bei uns recht Verhalten ist.

Obwohl wir ja nun schon seit einigen Wochen mehr als nur schönes Badewetter haben.

Woran liegt es:
An den Ferien ?
An den Eintrittspreisen ?
Am Umfeld ?
Am Service ?
Oder hat jetzt jeder einen Mini Pool im Garten ?

Eure Meinung zählt…..

Wir wissen es eben nicht und machen uns nun berechtigte Sorgen wie es weiter gehen soll.

“Bild” und Bild.de griffen die Sache auf. Forster kommt im Artikel zu Wort und sagt, dass “das Freibad als soziokultureller Treffpunkt” verlorengehe:

“Heute verabredet man sich in der WhatsApp-Gruppe, bequatscht so alles — früher war der Treffpunkt das Freibad.”

Roland Mehlhorn, Schwimmmeister aus Annaberg, nennt einen anderen Grund, warum vornehmlich Jugendliche nicht mehr ins Freibad kämen:

“Wenn ihre komischen Wetter-Apps Regen anzeigen, kommen sie nicht. Dabei stimmen die Vorhersagen oft gar nicht!”

Und dann taucht noch ein “Bad-Betreiber aus dem Vogtland” auf, der seinen Namen aber offenbar nicht nennen möchte, jedenfalls bleibt er anonym:

Weiterer Grund für den Besucherschwund: “Es sind andere Gäste da als früher. Jugendliche, auch aus anderen Kulturkreisen, die oft sehr laut sind”, so ein Bad-Betreiber aus dem Vogtland zu BILD.

Jaja, die lärmenden Ausländer wieder.

Das Argument ist allein schon deswegen interessant, weil es auch recht schnell unter dem Facebook-Post des Freibads Crossen auftauchte

Schon einmal darüber nachgedacht, dass es vielen “Einheimischen” unbehaglich ist, von unseren zugereisten Neubürgern begafft zu werden?

… und Vereinschef Forster darauf antwortete, dass es so gut wie keine “zugereisten Neubürger” als Badegäste bei ihnen gebe:

Das ist aber weit weit hergeholt als Argument. Sorry. Erstens haben wir noch fast keine, wie sagtet ihr, Neudeutschen, bei uns gehabt und zweitens ist es immer möglich, gegenüber evtl. Daneben Benehmen einzuschreiten.

All die Leute, die unter dem zum Artikel gehörenden Facebook-Post der “Bild”-Redaktion ihren Ärger, ihre Wut, ihren Hass hinterlassen, juckt so ein Argument natürlich nicht. Sie wollen eben nur ihren Ärger, ihre Wut, ihren Hass hinterlassen:

Screenshot eines Facebook-Kommentars - Es sind andere Gäste da als früher. Jugendliche, auch aus anderen Kulturkreisen, die oft sehr laut sind... mehr Begründung braucht es nicht!
Screenshot eines Facebook-Kommentars - wieso gehen wir nicht ins Freibad? Weil wir keine Lust haben mit 500 anderen Menschen in einem kleinem Becken eingepfercht zu sein. Weil wir keine Lust haben, dass den Kindern ohne Rücksicht auf den Kopf gesprungen wird.
Weil wir keine Lust haben, angepöbelt zu werden. Weil wir keinen gefühlten Auslandsurlaub machen wollen
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Ein neuer Bürger hat im Bad gemeint, meine Frau an Stellen begrabschen zu dürfen, wo er es für richtig hält! Hat er nur einmal gemacht, jetzt geht's nicht mehr! Leider ist das, mal vom Eintritt abgesehen, die Realität... Nein, ich bin kein Rassist, da selbst andere Wurzeln, aber irgendwo gibt's Grenzen!
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Meine Kinder gehen nur aus einem einzigen Grund nicht mehr ins Freibad, wegen der sexuellen Belästigungen, die sie durch kulturfremde Menschen erfahren haben.
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Das Freibad ist nicht mehr das was es war...ein erholungsort eine Oase zum Abkühlen.Respekt und Anstand herrschte mal und die Kinder und Frauen waren sicher.
Das war einmal ....die Gäste haben sich geändert und das ist der Preis der Toleranz
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Komisch das es in wirklich JEDEM Bereich Probleme mit den Bereicherern gibt und wir aber offiziell kein Problem haben. Schließt die Bäder und gut ist, so wie im Moment nutzen sie zumindest keinem Einheimischen etwas. Und das sind die welche den Spass finanzieren.
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Wenn ich mit meinem Mann ins Freibad gehen würde, würde mein Mann im 10 Minütigen Takt dort Backpfeifen verteilen bei dem Volk das dort teilweise rum läuft und meinen die dürften hier alles! Ne , da sind wir sowas von raus. und mit dem Handy hat es rein garnichts zu tun
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Ja, auch ich habe einmal sehr schlechte Erfahrungen in einem Städtischen Bad gemacht. Jugendliche aus anderen Kulturkreisen, ach es ist problematisch
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Nun ja, im Freibad darf man das nicht und jenes nicht. Dann weiß man nicht wer als Handtuch Nachbar auftaucht. Ich kenne viele Frauen und Mädels die da nicht mehr hingehen weil Horden von Neubürger meinen sie sind da Freiwild.

Noch mal: Im Zwickauer Freibad Crossen, um das es im Beitrag geht, sind Menschen mit Migrationshintergrund laut Betreiberverein kein Problem, allein schon, weil kaum da. Eine anonyme Quelle hat diesen Aspekt ins Spiel gebracht, und “Bild” hat ihn in den Artikel gepackt.

Dass es daraufhin im Kommentarbereich der “Bild”-Facebookseite so wirkt, als traue sich kaum noch jemand ins Freibad, weil dort “Bereicherer”, “neue Bürger”, “Jugendliche aus anderen Kulturkreisen” lauern, ist umso erstaunlicher, wenn man sich aktuelle Meldungen zu Besucherzahlen von Freibädern im Rest Deutschlands anschaut:

Aachen — Rekord!
Elmshorn — Rekord!
Grevesmühlen — Rekord!
Unna — Rekord!
Wermelskirchen — Rekord!
Ganderkesee — Rekord!
Saarlouis — Rekord!
Rastede — Rekord!
Siegburg — Rekord!
Leipzig — Rekord!
Ratingen — Rekord!
Tarp — Rekord!
Hannover — Rekord!

Das ließe sich noch eine ganze Weile fortführen.

Apropos Rekord: Bis jetzt hat die “Bild”-Redaktion mit ihrem Artikel zum Freibad in Crossen nur bei Facebook über 10.700 Interaktionen erzielt. Allein der Facebook-Post des “Bild”-“NP-Teams” wurde 2197 Mal kommentiert, 936 Mal geteilt, 1725 Mal geliket. Dazu kommen zahlreiche Interaktionen durch AfD-Accounts und -Politiker. Es braucht eben nur Ausländer, schon läuft das mit dem Rekord in den Sozialen Netzwerken.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Jens Schröder hat den Fall bei “Meedia” ebenfalls schön aufgedröselt:

Zwiebelfeinde, Aktenuneinsicht, Bremse bei Urheberrechtsreform

1. „Zwiebelfreunde“-Durchsuchungen: Wenn Zeugen wie Straftäter behandelt werden
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat in einer breit angelegten Polizeiaktion die Räume des Dresdner Vereins “Zwiebelfreunde” und die Wohnungen von Vorstandsmitgliedern durchsuchen lassen. Anscheinend hatte ein Spendenaufruf auf der Vereinswebsite gereicht, um die bayerische Polizei bei Tagesanbruch durch die Wohnungstür marschieren zu lassen. Netzpolitik.org sprach nach dem Einsatz mit den Betroffenen, die sich zu Unrecht kriminalisiert sehen.
Weiterer Lesehinweis: Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert das Vorgehen der bayerischen Strafverfolgungsbehörden gegen die Netzaktivisten aufs Schärfste. Es sei absolut unverhältnismäßig und auch als Angriff gegen Anonymität im Internet anzusehen, so ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. “Das Vorgehen schüchtert Netzaktivisten, aber auch Journalisten ein, die sich für sichere Kommunikation im Internet einsetzen. Die Behörden müssen alle beschlagnahmten Geräte und Dokumente sofort zurückgeben und die Hintergründe ihres Vorgehens erklären.”

2. GIZ verweigert Akteneinsicht
(journalist-magazin.de, René Martens)
Der Journalist Andreas Maisch wollte Einblick nehmen in interne Prüfberichte der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz beantragte er Akteneinsicht in die entsprechenden Dokumente. Hintergrund: Maisch recherchiert und schreibt über Korruption in der Entwicklungshilfe. Die GIZ und ihr Auftraggeber, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mauern jedoch und lehnen die Einsicht ab. Maisch hat mit Hilfe des Deutschen Journalisten-Verbands 2016 Klage eingereicht, über die dieses Jahr entschieden werden soll.

3. EU-Parlament bremst Urheberrechtsreform aus
(spiegel.de, Markus Böhm)
Das Europaparlament hat die EU-Urheberrechtsreform wegen Bedenken etlicher Abgeordneter vorerst zum Stillstand gebracht. Netzaktivisten und Tech-Verbände freuen sich, Presseverlage und Vertreter der Musik- und die Filmbranche reagierten verärgert. Markus Böhm fasst die derzeitige Stimmungslage zusammen und gibt einen Ausblick auf die weitere Entwicklung.
Weiterer Lesehinweis: Jannis Brühl kommentiert auf Süddeutsche.de: “Die Debatte um die Upload-Filter ist ein Test: Die Demokratie der Zukunft wird sich von autoritären Systemen nicht nur durch Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit unterscheiden, sondern auch dadurch, welche Software sie auf ihre Bürger loslässt. An diesem Donnerstag hat das EU-Parlament den Test bestanden — vorerst.”

4. Vorm G20-Massencornern LKA greift zu – Radiosender FSK vom Netz genommen
(mopo.de)
Der linke Hamburger Radiosender “Freies Sender Kombinat” (FSK) ist nach einem LKA-Zugriff online nicht mehr zu erreichen. Die FSK-Verantwortlichen sprechen von einem Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit und fordern die sofortige Rückgabe des Servers. Der Vorgang ist insofern bemerkenswert, als dass es bereits in der Vergangenheit bei Radio FSK zu verbotenen Polizeiaktionen gekommen war. So habe die Hamburger Polizei eingestehen müssen, dass ein Undercover-Einsatz einer Beamtin von 2003 bis 2006 rechtswidrig war.

5. Nach “SZ”-Rauswurf: “Abendzeitung” verpflichtet Karikaturisten Dieter Hanitzsch
(kress.de, Bülend Ürük)
Nach seinem Rauswurf bei der “SZ” zeichnet der 85-jährige Karikaturist Dieter Hanitzsch ab sofort für die “Abendzeitung München”. Hanitzsch werde sich bei seiner Arbeit vor allem auf die Münchner und die bayerische Politik konzentrieren.

6. “Es gibt keinen redlichen rechten Schriftsteller”
(zeit.de, Wiebke Porombka)
Im österreichischen Klagenfurt haben die 42. Tage der deutschsprachigen Literatur begonnen. In seiner Auftaktrede hat sich der Schriftsteller Feridun Zaimoglu gegen den Rechtsruck in Europa ausgesprochen: “Der Rechte ist kein Systemkritiker, kein Abweichler und kein Dissident, er ist vor allem kein besorgter Bürger. Wer die Eigenen gegen die Anderen ausspielt und hetzt, ist rechts. Punkt. Wer für das Recht der Armen streitet, ist ein Menschenfreund. Punkt. Es gibt keinen redlichen rechten Intellektuellen. Es gibt keinen redlichen rechten Schriftsteller.” Den ganzen Text zur Rede gibt es hier.

Wie “Compact” lügt, verdreht und Stimmung macht. Ein Beispiel.

Fährt in Deutschland jemand mit einem Kleinbus in eine Menschenmenge, steht für das selbsterklärte Wahrheitsmagazin “Compact” direkt fest: Hinterm Steuer muss ein islamistischer Terrorist gesessen haben. Stellt sich später allerdings heraus, dass der Täter Deutscher war, wird es erst richtig wild.

Wie wenig dem Blatt daran liegt, journalistische Aufklärungsarbeit zu leisten, kann man gut an der “Compact”-Berichterstattung zur Amokfahrt in Münster Anfang April erkennen, die wir uns mit etwas zeitlichem Abstand noch einmal genauer angeschaut haben. Ein Mann fuhr damals in eine Gruppe von Menschen, vier Personen kamen ums Leben. Und “Compact” legte los: Die Redaktion brachte erstmal eine Falschmeldung in Umlauf, nahm diese später keinesfalls zurück, sondern löschte heimlich und flüchtete in neue haltlose Behauptungen. Beliebig änderte “Compact” Standpunkte und Geschichten und konstruierte eine widersprüchliche Erzählung. Gemeinsamer Nenner war nur ein Misstrauen in die offizielle Version zur Tat — und selbst das wurde ohne zu zögern geopfert, wenn es der “Compact”-Agenda diente.

Doch der Reihe nach. Am 7. April, dem Tag der Tat, veröffentlicht die “Compact”-Redaktion abends einen Bericht auf ihrer Website. Sie wählt folgende Überschrift:

Screenshot Compact - Anschlag in Münster: 4 Tote! Wacht die Multikulti-Hochburg jetzt auf?

Während “Comapct” bereits in der Titelzeile Schuldige suggeriert (woher könnte der Täter schon stammen, wenn er mit seiner Tat “die Multikulti-Hochburg” wachrüttelt? Aus Deutschland sicher nicht), berichten andere Medien aufgrund der dünnen Faktenlage vorsichtiger. Bei “Compact” heißt es empört:

Die ARD-Tagesschau sprach in einer ersten Meldung verharmlosend von einem “Zwischenfall mit einem Auto”. DIeselbe (sic) Formulierung übernahm auch Die Welt. Dabei ist klar, dass es ein Anschlag war, denn der Fahrer hat sich nach seiner Terrorfahrt erschossen. (…)

Dass es ein islamistischer Anschlag war, ist zur Stunde nicht nachweisbar. Aber die Indizien sind stark: Das Anschlagsmuster gleicht dem von Nizza im Sommer 2015 (siehe Aufmacherfoto) und von London Anfang 2017. Und: Am heutigen Tag jährt sich der islamistische LKW-Anschlag von Stockholm 2017.

Die Schutzstrategie der Stadt Münster habe versagt, man habe nämlich nicht nur Poller aufstellen, sondern die Salafistenszene verbieten müssen. Die Tat soll laut “Compact” auch irgendwie mit einer Anti-Pegida-Demonstration und dem schlechten Ergebnis der AfD in Münster bei der Bundestagswahl zu tun haben.

Die Frage stellt sich: Wann werden die Bunt-Besoffenen aus ihren kuschelweichen Träumen aufwachen? Was muss noch passieren?

“Compact” hat sich also früh auf einen Täter festgelegt, vermutlich soll es ein Islamist sein, ganz sicher ein Ausländer, dessen Anschlag den “Bunt-Besoffenen” den Wahnsinn vor Augen führt. Später ändert die Redaktion ihre Überschrift klammheimlich:

Screenshot Compact - Überschrift jetzt: Münster: Drei Tote! Jens R. und sein Abschiedsbrief – Neuester Stand

Der anonyme “Compact”-Autor ergänzt den Artikel. Er kommentiert nun die Erkenntnisse seriöser Medien und wundert sich über deren Enthüllungen:

Der gleiche Rechercheverbund, der bereits vor der Polizei den Namen des Täters wusste und an die Öffentlichkeit gab, soll jetzt also diesen persönlichen Brief “gefunden” haben, der doch eigentlich als Beweismittel ebenfalls zuerst in die Hände der Polizei gehören sollte. Darf man sich fragen, wie die Journalisten das angestellt haben?

Darf man. Zunächst aber muss man festhalten, dass “Compact” nur behauptet, sie — also NDR, WDR und “Süddeutsche Zeitung” — hätten den Brief gefunden, bevor die Polizei das tat. Denn was “Compact” dazu zitiert, belegt lediglich, dass der Dreier-Rechercheverbund die Meldung über den Brief veröffentlicht hat, bevor die Polizeipressestelle öffentlich von dem Brief sprach. Das ist gleich viel weniger aufregend.

Die Journalistinnen und Journalisten von NDR, WDR und “Süddeutscher Zeitung” haben einfach ordentlich recherchiert. Dass dieses Vorgehen in der “Compact”-Redaktion Verwunderung auslöst, sagt vor allem etwas über “Compact” aus. Die Leute dort arbeiten in aller Regel nicht an seriösen Nachrichten, sondern verdienen ihr Geld damit, möglichst aufbrausend Ressentiments zu bedienen.

Und so schließt das AfD- und “Pegida”-nahe Magazin nicht zum ersten Mal überstürzt auf falsche Täter. Als 2016 in Grafing ein aus einer Psychiatrie geflohener Mann wahllos auf Menschen einstach, schrieb “Compact”-Chefredakteur Jürgen Elsässer auf seinem persönlichen Blog dazu unter der Überschrift “Islamistischer Terror in Grafing bei München? Davon will die Lügenpresse nichts wissen.” Später löschte er den Artikel, “Compact” versuchte, den Täter weiter als Islamisten darzustellen.

Nach dem Amoklauf am Münchner Olympia-Einkaufszentrum 2016 rettete sich “Compact” in eine Verschwörungstheorie. Nach Darstellung des Magazins soll es sich auch hier um einen islamistischen Anschlag gehandelt haben und zwar von mehreren Tätern. Das sei dann durch die Behörden und die “Lügenpresse” vertuscht worden. Nichts will man dagegen bei “Compact” davon wissen, dass neben persönlicher Rache wegen Mobbings auch Fremdenfeindlichkeit und rechtsextreme Ansichten ein Motiv des Einzeltäters gewesen sein könnten.

“Compact” weiß offenbar gut, was die eigene Zielgruppe hören beziehungsweise lesen will. Dennoch birgt eine so eklatante Falschmeldung wie die zu Münster selbst für ein wirres, fremdenfeindliches Verschwörungsmagazin die Gefahr eines gewissen Imageverlusts. Auch der überzeugteste “Compact”-Leser könnte bei derart gravierenden Fehlern Zweifel am Redaktionsclaim “Mut zur Wahrheit” bekommen. Wohl auch deswegen folgten in den Tagen nach der Tat Artikel, die sichtlich damit ringen, wie man mit dem Vorfall in Münster nun umgehen soll — und zwar möglichst, ohne sich selbst korrigieren zu müssen oder gar um Entschuldigung zu bitten.

Zwei Tage nach der Tat veröffentlicht “Compact” einen Zeugenaufruf:

Da von den Medien keine ehrliche Aufklärung zu erwarten ist, bitten wir um Ihre Mithilfe

Der Vorwurf an andere Medien, “keine ehrliche Aufklärung” zu betreiben. Von einer Redaktion, die kurz zuvor erst zum selben Fall einen falschen Täter in den Ring geworfen hat. Das ist mutig.

Es scheint tatsächlich Rückmeldungen auf den Aufruf gegeben zu haben, allerdings wohl nicht von Zeugen, sondern von Leuten, die ebenfalls verfrüht irgendwelche Behauptungen aufstellen. Denn später ergänzt die Redaktion folgenden Absatz:

Wir wollen betonen, dass es uns um die Sammlung von Fakten geht, nicht um die verfrühte Aufstellung irgendwelcher Behauptungen. Deshalb möchten wir bei den Tatsachen bleiben und hoffen auf eine baldige Aufklärung.

Am selben Tag veröffentlicht “Compact” einen zweiten Artikel zum Thema:

Screenshot Compact - Münster: 8 Fragen, die wir stellen sollten

Der Autor des Textes, “Polit-Profiler” Wolfgang Eggert, ist aktiv in der Verschwörungsszene und hat zuletzt 2014 im Verlag von “Compact”-Verleger Kai Homilius ein Buch über den Abschuss des Flugs MH17 veröffentlicht. Er will mit seinen acht Fragen wohl vor allem eines: Zweifel säen an allen anderen Berichten zum Geschehen, ob nun von seriösen Medien oder offiziellen Stellen.

Die Fragen 1 (“Was ist das Motiv?”) und 2 (“Wer ist der Täter?”) sind noch neutrale Recherchefragen. Eggert liefert zu ihnen zwar skurrile Kurzschlüsse (etwa: Jens R. könne wohl kaum gleichzeitig Rechtsradikaler und drogenabhängig gewesen sein, was erstens Unsinn ist und zweitens nicht länger relevant, da die Ermittler später bekannt gaben, dass sie ein rechtsextremes Motiv ausschließen); aber es sind Fragen, die viele Redaktionen in den Tagen nach der Tat gestellt haben. Die restlichen Fragen sind hingegen eher suggestiv gestellt. Zum Beispiel Frage 3:

Warum gibt es so wenig Bildmaterial?

Heutzutage müsse es doch mehr Bilder von der Tat geben, meint Eggert und fragt weiter: “Warum griff niemand zu seinem sonst ständig präsenten Handy, wenn der Vorfall die Brisanz hatte, welche die Presse ihm nachher zuschrieb?” Genau gegenteilig argumentiert Eggert, wenn es um andere Ereignisse geht. So verdächtigte er den Journalisten Richard Gutjahr in einem “Compact”-Interview, beim Anschlag von Nizza eingeweiht gewesen zu sein, weil er die Tat mit dem Handy filmte. Das Interview wurde mittlerweile gelöscht, kursiert aber noch auf Verschwörungs-Blogs.

Eggerts Frage 6 lautet:

Wie starb der angebliche Fahrer “Jens”?

Ab hier geht Eggert von mehreren Beteiligten aus. Bereits in der Frage deutet er an, dass es sich für ihn beim offiziellen Täter nicht um den tatsächlichen handeln könnte. Außerdem zweifelt er an, dass dieser sich erschossen habe, aus dem einzigen Grund, dass keine Bilder der Leiche veröffentlicht wurden. Polizei und Medien hätten für seinen Geschmack zu schnell Antworten geliefert. Dabei hatte “Compact” selbst ja direkt nach Bekanntwerden der Tat diese erklärt. Nur eben falsch.

In seinen Anmerkungen zu Frage 8 …

Die zwei Flüchtigen: Warum widerspricht sich der Polizeisprecher?

… zieht Eggert nicht weiter genannte oder verlinkte “angloamerikanische und israelische Medien” als Beleg dafür heran, dass ein Polizeisprecher erst von zwei Flüchtigen gesprochen habe. Dass der Beamte diese Meldung später dementierte, lässt Eggert nicht gelten, weil es ein Video aus Münster gebe, in dem “ein südländischer Jugendlicher” festgenommen werde. Eggert meint, dieses Video finde bei deutschen Medien keine Beachtung. Dabei hat “Spiegel Online” nachgefragt, was es mit dem Video auf sich hat: Die in der Aufnahme zu sehenden Personen waren Inder, die kein Deutsch verstanden. Nachdem ihre Personalien festgestellt wurden, ließ die Polizei sie gehen.

Nun kommt die “Compact”-Zeugensuche wieder ins Spiel. Einen Tag nach der Veröffentlichung des Aufrufs meint Redakteur Marc Dassen, der bereits für die Berichte zum Münchner Amoklauf verantwortlich war, einen Zeugen gefunden zu haben:

Screenshot Compact - Von Depression keine Spur: Compact sprach mit Nachbar des Amokfahrers Jens R.

Egon T. (Name geändert) war einige Zeit direkter Nachbar von Jens R. in einer seiner vier Wohnungen. Was er uns erzählte, passt so gar nicht zur Suizid-Story der Massenmedien.

In einer späteren Version relativiert die Redaktion intransparent wie gewohnt das “so gar nicht” zu einem “auf den ersten Blick”.

In seinem Artikel erzählt Dassen, dass er bei einem Mann, der sich als Nachbar von Jens R. ausgibt, angerufen hat. Und was hat dieser nun über Jens R. zu berichten, was “so gar nicht zur Suizid-Story der Massenmedien” passt?

Er sei “immer nett und freundlich” gewesen, “ganz normal halt”, “aufgeschlossen”, so T. Von depressivem Verhalten war “gar nichts zu spüren”. Das könne T. mit Sicherheit sagen, da er selbst bereits unter Depressionen zu leiden hatte und deshalb wisse, wie man sich da fühle.

Eine einzige per Telefon übermittelte Ferndiagnose eines nur oberflächlich mit dem Täter bekannten Laien-Psychologen ist für “Compact” glaubwürdiger als Ermittler der Polizei und ein Großteil der Medien.

Am 12. April schreibt Marc Dassen einen weiteren Text zur Tat in Münster:

Screenshot Compact - Zum Fall Münster: Wer war Jens R. - und wenn ja wie viele?

Es geht ihm vor allem ums Fragenstellen — beziehungsweise um ein vermeintliches Fragen-Tabu: Das Stellen offener Fragen sei verpönt und “der Verschwörungssucht verdächtig”. Bezogen auf den Brief von Jens R. schreibt Dassen:

Darf man fragen, wie die Medien an diese Schriftstücke rangekommen sind? Müssten diese als wichtige Beweismittel nicht zuerst einmal unter Verschluss gehalten werden, um eine mediale Spekulationsblase zu vermeiden? Auch solche Fragen traut man sich kaum zu stellen. Ist halt so. Finde dich damit ab. Fall erledigt. Basta. Wer sich dennoch nicht zufrieden geben will, der wird gerne mit Aluhut-Vorwürfen konfrontiert — oder wie zuletzt auch oft gesehen: Als notorischer Ausländerfeind bezeichnet, der es nicht ertragen kann, dass diesmal kein Muslim als Täter in Frage kommt.

Nur noch mal fürs Protokoll: Marc Dassen arbeitet in einer Redaktion, die es kaum erwarten konnte, einen Muslim als Täter von Münster präsentieren zu können.

Der “Compact”-Autor meint, weitere Fragen gefunden zu haben, die man kaum noch stellen dürfe, die allerdings schon längst gestellt worden sind. Etwa, wie der Täter an die Waffe gekommen ist. Das wollen nicht nur seriöse Journalisten wissen, auch die Polizei Münster stellt diese Frage. Oder, warum Jens R. Menschen tötete und verletzte, wenn er eine Suizidabsicht hatte. Auch das wurde bereits ausführlich thematisiert.

Schließlich äußert sich auch “Compact”-Chefredakteur Jürgen Elsässer zur Amokfahrt in Münster. Nachdem zwei Tage zuvor die dpa meldete, dass die Polizei weitere Projektile im Tatfahrzeug gefunden habe, die Untersuchung dazu aber noch nicht abgeschlossen sei, titeln er und seine Redaktion:

Screenshot Compact - Sensation: Weitere Projektile in Münsteraner Killer-Van gefunden. Wer schoss? Magic bullets wie bei JFK

Erstmal: Das Aufmacherfoto in Elsässers Beitrag zeigt den Tatort eines völlig anderen Verbrechens, auf das der Artikel nicht Bezug nimmt. Im Text verrät der “Compact”-Chef dann seine Entdeckung: Parallelen zum Mord an John F. Kennedy und zum NSU, zu dessen Ende er noch mal eine ganz eigene Theorie parat hat:

Erinnerungen werden wach: Zum Beispiel an den Kennedy-Mord am 22. November 1963, als die These vom Alleintärer (sic) Lee Harvey Oswald durch die kriminaltechnische Untersuchung — Stichwort: Magic Bullet — erschüttert wurde. Und vor allem an den sogenannten Selbstmord von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 4. November 2011: Die Patronenhülsen am Tatort weisen darauf hin, dass ein dritter Mann die beiden hingerichtet hat.

Zum Abschluss seines Artikels schreibt Elsässer, kein Witz:

Und nun Münster. Warten wir ab, was die weiteren Ermittlungen bringen. COMPACT wird nicht vorab wilde Theorien in die Welt setzen.

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