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“Bild” fordert: Neues Wirtschaftswunder jetzt sofort!

So sieht es aus, wenn in einer Redaktion der Größenwahn herrscht:

Ausriss Bild-Titelseite - Nationaler Kraftakt gegen Corona - Bild sagt, was sofort passieren muss

Noch schlimmer als dieser Hochmut ist an der “Bild”-Titelseite vom vergangenen Dienstag nur der Eindruck, den die Redaktion dort vermittelt: dass die Politik, die Regierung, der Staat nichts mache in der derzeitigen Corona-Krise.

“Wir brauchen einen nationalen Kraftakt”, ist im Vorspann zu lesen, als würden so gut wie alle Politikerinnen und Politiker (und viele andere Menschen) in Deutschland nicht schon seit Wochen kraftakten; als würden sie nicht im Dauereinsatz daran arbeiten, diese Krise irgendwie zu bewältigen. Da muss schon die “Bild”-Redaktion kommen, damit das hier mal alles klappt:

BILD nennt zehn Maßnahmen, die wir JETZT angehen müssen.

Was im Umkehrschluss nur heißen kann: Die zehn Maßnahmen, die “Bild” nennt, sind bisher noch nicht angegangen worden — was gefährlicher Unsinn ist.

Zum Beispiel Maßnahme 3:

Ausriss Bild-Titelseite - Mit Technologie gegen Corona

In vielen Ländern helfen Handy-Apps beim Kampf gegen das Virus. Menschen können ablesen, ob sie in der Nähe einer infizierten Person waren. Freiwillig und anonym muss das auch in Deutschland möglich sein.

Das dürfte es auch bald sein. Das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut und das Robert-Koch-Institut arbeiten schon längst an einer solchen App. In der Politik gibt es dafür viele Fürsprecherinnen und Fürsprecher.

Oder Maßnahme 9:

Ausriss Bild-Titelseite - Antikörper-Tests auf den Markt bringen

Wir müssen dringend wissen, wie viele Deutsche bereits infiziert waren — und nun immun sind.

Auch hier: Passiert schon.

“Bild”-Maßnahme 2:

Ausriss Bild-Titelseite - Masken für die Massen produzieren

Deutschland braucht Hunderte Millionen Atemschutzmasken.

Jede Person, die in den vergangenen Tagen mal in eine Corona-Sondersendung geschaltet hat, dürfte dort ein Interview mit einem Politiker oder einer Politikerin gesehen haben, in dem es um die Anstrengungen geht, endlich an mehr Atemschutzmasken zu kommen — ob nun im Ausland bestellt oder in Deutschland selbstproduziert. Diese Leute schildern aus unserer Sicht glaubhaft, dass sie dabei ihr Bestes geben.

Ganz ähnlich “Bild”-Maßnahme 6:

Ausriss Bild-Titelseite - Risikogruppen besonders unterstützen

Alte und Vorerkrankte, aber auch medizinisches Personal brauchen den besten Schutz: die stärksten Masken, die modernsten Schutzanzüge. Virologe Kekulé: “Es muss eine nationale Anstrengung sein, Risikogruppen vor Covid-19 zu schützen.”

Die “Bild”-Redaktion will doch nicht ernsthaft behaupten, dass das nicht schon längst eines der wichtigsten Ziele aller handelnden Personen ist?

Neben diesen Maßnahmen, die “wir” dem Boulevardblatt zufolge “JETZT angehen müssen” und die schon längst angegangen sind, nennt “Bild” auch ziemlich bekloppte Maßnahmen, die zum Glück noch niemand angegangen ist. Etwa Maßnahme Nummer 1:

Ausriss Bild-Titelseite - Kanzlerin Merkel muss jeden Tag zum Volk sprechen

Wie nie zuvor in Angela Merkels Amtszeit kommt es auf politische Führung an. Historische Persönlichkeiten wie Winston Churchill schworen die Menschen auf schlimmste Entbehrungen ein, schrieben mit Reden Geschichte. Merkel muss jeden Tag zur Nation sprechen.

Täglich “zum Volk sprechen” würde allerdings auch bedeuten: weniger Zeit für wirklich wichtige Dinge und Entscheidungen — und damit weniger “Kraftakt”. Wir hätten außerdem zwei Gegenbeispiele, die zeigen, dass tägliche Auftritte nicht automatisch etwas Brauchbares hervorbringen:

1. US-Präsident Donald Trump tritt momentan täglich vor die Kameras.
2. “Bild live” läuft sogar mehrmals täglich.

Eine der aus Sicht der “Bild”-Redaktion aktuell zehn wichtigsten Maßnahmen lautet tatsächlich:

Ausriss Bild-Titelseite - Notfall-Plan für Bundesliga

Der Fußball gibt Menschen Halt. Sie brauchen ihn, um die Krise durchzustehen. “Wenn nötig, dann eben zunächst mit Geisterspielen”, so Rekordnationalspieler Lothar Matthäus zu BILD.

Besonders bescheuert aber ist die Forderung von Maßnahme 7:

Ausriss Bild-Titelseite - Neues Wirtschaftswunder

Ganze Branchen, Volkswirtschaften, Währungen taumeln. Um das zu überstehen, brauchen wir ein neues Wirtschaftswunder.

Ja, es wäre toll, wenn in dieser schweren Zeiten jetzt sofort etwas wirklich Gutes wie ein Wirtschaftswunder geschehen würde. Wie genau? Das weiß auch die “Bild”-Redaktion nicht, auch wenn sie sonst gern vorgibt zu wissen, “was SOFORT passieren muss”. Aber plump fordern kann man es ja mal. Das setzt die handelnden Personen auch so schön zusätzlich unter Druck, wenn die “Bild”-Leserschaft dann kräht: Los, lasst jetzt endlich das Wirtschaftswunder stattfinden!

Traumberuf mit Isomatte, Making-of “Drosten”, Hasswort Vagina

1. Über einen Traumberuf – und über Isomatten
(journalist.de, Kathrin Wesolowski)
“Wenn Sie mir schon anbieten, auf einer Isomatte zu schlafen, dann bezahlen Sie mir wenigstens genug, dass ich sie mir leisten kann.” Die freie Journalistin Kathrin Wesolowski erlebt bei Ihrer Jobsuche allerlei verstörende Seltsamkeiten und wehrt sich nun mit einem offenen, wenn auch anonymisierten, Brief gegen zwei Verantwortliche des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

2. Behind the Scenes – Talk mit dem Podcast-Team
(ndr.de, Korinna Hennig, Audio: 25:07 Minuten)
Die aktuellste Ausgabe des “Coronavirus-Update”, dem Podcast des NDR mit dem Virologen Christian Drosten, fiel aus: Der Professor ist erkältet und muss seine Stimme schonen. Stattdessen haben sich die Verantwortlichen des NDR zum lockeren Talk zusammengesetzt, erzählen von der Entstehungsgeschichte des erfolgreichen Formats und ermöglichen einen Blick hinter die Kulissen.

3. Sehen und gesehen werden
(faz.net, Hernán D. Caro)
Netflix spreche weltweit die unterschiedlichsten Zielgruppen an und lege dabei erstaunlich viel Wert auf Diversität. Dies wirke sich langsam auch auf die deutsche Unterhaltungsindustrie aus. Hernán D. Caro sieht nicht alle Fragen gelöst, findet dennoch lobende Worte für den Streamingriesen: “… kann man es nur begrüßen, wenn ein Unterhaltungsunternehmen es schafft, seinem Publikum vor Augen zu führen, dass die Welt tatsächlich vielfältig ist. Dann ist es auch hoffentlich bald wirklich ‘für alle’ kein Wunder mehr, Leute auf dem Bildschirm zu sehen, die so aussehen wie die Leute davor.”

4. Das wollen wir nicht sehen!
(zeit.de, Laura Ewert)
Verglichen mit dem aktuellen Quarantäne-TV wirken die Reality-Formate früherer Tage wie Hollywoodproduktionen, findet Laura Ewert bei “Zeit Online”: “Das Fernsehen zeigt dieser Tage, was wir bisher nur geahnt hatten: wie unglamourös Deutschland wirklich ist. Ungeplant wie ungekämmt wird das Private plump zum Inhalt stilisiert. Die Plauder-Podcastisierung des Fernsehens funktioniert nicht, denn sie wirkt faul. Gerade jetzt, wo viele selbst dazu verdammt sind, den ganzen Tag zu Hause rumzugammeln, möchte man eines auf keinen Fall: auch noch anderen Leute beim Rumgammeln zuzusehen.”

5. Titelverschiebungen, Kurzarbeit und eine Portion Optimismus
(boersenblatt.net, Michael Roesler-Graichen)
Die Buchbranche leidet in dramatischer Weise unter den Folgen der Corona-Krise. Teilweise seien die Umsätze bis zu 80 Prozent weggebrochen. Wie reagieren die Verlage darauf? Mit Homeoffice und Kurzarbeit, aber auch mit Verschiebungen und Streichungen. Michael Roesler-Graichen hat sich in der Verlagswelt umgesehen und ist trotz wirtschaftlichem Leid auch auf Optimismus gestoßen.

6. Vagina
(uebermedien.de, Madita Oeming)
Bei “Übermedien” erzählt Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming von ihrem persönlichen Hasswort. Das Wort “Vagina” werde unter anderem ständig falsch verwendet: “In den meisten Fällen, wenn es uns in Gesprächen oder den Medien begegnet, will es eigentlich etwas anderes beschreiben. Nämlich die Vulva. Das ist keine feministische Empfindsamkeit, bevor hier irgendjemand Snowflake, Genderwahn oder Sprachpolizei schreit. Das ist fucking ANATOMIE!”

Naidoos Aus bei “DSDS”, Politiker raus, Woody Allens Autobiographie

1. Xavier Naidoo: Endgültiges Aus bei DSDS
(rtl.de)
Das Tischtuch zwischen Xavier Naidoo und dem Sender RTL scheint nun endgültig zerschnitten. Hieß es in der vorangegangenen Stellungnahme noch, Naidoo werde bei der nächsten Sendung von “Deutschland sucht den Superstar” als Juror ausgeschlossen, bezieht sich der Ausschluss nun auf die gesamte Staffel: “Xavier Naidoo ist auf unser Angebot, seine missverständlichen und widersprüchlichen Aussagen plausibel zu erklären, bis heute nicht eingegangen. Wir sehen an den vielen Reaktionen, dass das Thema bewegt, deshalb hätten wir eine unmittelbare, öffentliche Diskussion mit ihm gut gefunden. Das ist für uns Meinungsfreiheit. Dazu ist es aber nicht gekommen. Deshalb wird es für ihn keine Rückkehr zu DSDS geben.”

2. Politiker raus aus den Talkshows
(fr.de, Katja Thorwarth)
Katja Thorwarth, Kolumnistin der “Frankfurter Rundschau”, hat die Nase voll von den derzeitigen Talkshow-Zusammensetzungen: “Praktiziert wird das Gegenteil von intellektuellem Austausch, vielmehr wirkt die gesellschaftliche Polarisierung auf der Wohnzimmercouch weiter. Daher mein Vorschlag: Alle (!) Politiker raus aus den Talkshows. Stattdessen besprechen Menschen, die weder vom parteipolitischen noch vom Profilierungsdruck gesteuert sind, die relevanten Themen.”

3. Klage gegen “Zeit-Magazin” abgewiesen
(faz.net, Emeli Glaser)
Die Schauspielerin Jany Tempel berichtete der “Zeit” zunächst anonym, der Regisseur Dieter Wedel habe sie angeblich sexuell missbraucht. Nach der Veröffentlichung wurde sie jedoch in gewisser Weise zum Gesicht der Auseinandersetzung und geriet in einen Konflikt, den sie ursprünglich habe vermeiden wollen. Ein Irrtum bei der Beurteilung der Verjährungsfristen spielt dabei eine zentrale Rolle: “Die Münchner Staatsanwaltschaft nahm nach Erscheinen des Artikels ein Ermittlungsverfahren gegen Wedel auf und machte Tempel zur wichtigsten Belastungszeugin. Tempels Anwalt warf daraufhin der ‘Zeit’ vor, sie bezüglich der Verjährung schlecht beraten und anschließend, anders als angeblich zugesichert, nicht unterstützt zu haben. Er verklagte die Zeitung auf Schadensersatz in Höhe von 30.000 Euro, das entspricht der Höhe seines Anwaltshonorars. Nun hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass die ‘Zeit’ nicht zahlen muss.”

4. “An erster Stelle steht für mich die Unterhaltung”
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Im Interview mit dem “Fachjournalist” erzählt der Biologe Dr. Mario Ludwig von seiner Arbeit als “Experte für alles Tierische”. Seine Medien-Karriere habe mit einem Buch über Sex im Tierreich begonnen: “Mit dem Thema Sex wurde ich auch für das Fernsehen interessant. Zunächst hat mich Frank Elstner 2006 in seine Talkshow eingeladen, es folgten ‘3 nach 9’, ‘TV total’ und andere. Danach kamen dann Anfragen wie: ‘Wollen Sie nicht mal eine kleine Radiosendung machen, Herr Ludwig?’ Oder Angebote wie: ‘Es wäre schön, wenn Sie eine kleine Kolumne für uns schreiben könnten, Herr Ludwig …'”

5. Der “Perlentaucher” ist uns lieber denn je
(freitag.de, Michael Angele)
Das Online-Kulturmagazin “Perlentaucher” feiert seinen zwanzigsten Geburtstag — Anlass für den “Freitag”-Chefredakteur Michael Angele auf die vergangenen beiden Jahrzehnte des “grundsympathischen” Projekts zurückzuschauen.

6. Rowohlt bringt Woody Allens Autobiographie
(buchreport.de)
Es bleibt dabei: Woody Allens Autobiographie wird wie geplant im Rowohlt-Verlag erscheinen. Daran hat auch der offene Brief einiger Rowohlt-Autorinnen und -Autoren nichts ändern können. Rowohlt-Verleger Florian Illies äußert sich in einem “In eigener Sache” zur Entscheidung des Verlags: “Wir stehen zu der Entscheidung, die Autobiographie von Woody Allen, dessen Erzählungen seit 1980 im Rowohlt Taschenbuch Verlag erscheinen, im April in einer deutschen Übersetzung zu veröffentlichen.” In einem direkten Gespräch mit einigen Autorinnen und Autoren des Offenen Briefs seien die kontroversen Positionen ausgetauscht worden, so die Rowohlt-Presseerklärung: “Dabei wurde deutlich, dass der Brief nicht als Angriff auf die Meinungsfreiheit zu verstehen ist. Wir sehen den Offenen Brief als Zeichen der Verbundenheit der Autorinnen und Autoren mit dem Verlag.”

Kontraproduktive Klarnamenpflicht, Blinde Flecken, Paparazzi-Promi-Deals

1. Gastbeitrag: Diskutierte Klarnamenpflicht kontraproduktiv gegen Hass im Netz
(heise.de, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger)
Die Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben eine Initiative zur Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) gestartet, die eine Registrierungspflicht im Internet zur Folge hätte. Soziale Netzwerke und Spieleplattformen sollen demnach verpflichtet werden, sämtliche Nutzerinnen und Nutzer zu erfassen und zu identifizieren. Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisiert das Vorhaben mit warnenden Worten. Der Schutz der Anonymität im Internet sei auch der Schutz unserer individuellen Freiheitsrechte: “Die Medien- und Informationsfreiheit sind Teil unserer Grundrechte und damit für alle Deutschen universell gültig. Gerade in Deutschland gibt es historisch gute Gründe, diese Freiheit als unser höchstes rechtliches Gut gegen jede staatliche Einschränkung zu verteidigen — im Netz wie in der analogen Welt.”

2. “Bild” und die journalistische Sorgfaltspflicht
(berliner-zeitung.de, Kai-Hinrich Renner)
“Bild” hat für sein Projekt “Bild TV” eine Rundfunklizenz beantragt. Dies sei keine bloße Formalie und schon gar kein Selbstgänger, erklärt Kai-Hinrich Renner in seiner Medienkolumne. Unter Umständen könnten die Rundfunkwächter “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt die beantragte Rundfunklizenz verwehren — und sich dabei auf dessen fragwürdige Äußerungen berufen.

3. Warum langsames Denken bei der Recherche hilft
(message-online.com, Christina Elmer)
Was Christina Elmer Journalisten und Journalistinnen empfiehlt, geht im Großen und Ganzen uns alle an: Es geht darum, dass wir dazu neigen, unsere Welt eingeschränkt und oftmals verzerrt wahrzunehmen. Es geht um die “mentalen Abkürzungen”, die nötig, aber auch gefährlich sind, weil sie viele Details und Perspektiven ausblenden. Und es geht um Wege für ein besseres und ganzheitliches Verständnis unserer Umwelt.

4. “Islamische Sprechpuppe” – YouTuber nach Hasskommentaren freigesprochen
(spiegel.de, Wiebke Ramm)
Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) muss es nach einem Urteil des Amtsgerichts Berlin Tiergarten hinnehmen, mit allerlei üblen Bezeichnungen belegt zu werden. Ein 46 Jahre alter Ex-Polizist, der sie wüst beschimpft hatte, wurde vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Laut Chebli wollen sie und die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. PS: Was für ein grölendes Volk sich zum Prozess eingefunden hatte, lässt sich hier anschauen.

5. Die blinden Flecken der Nachrichtenwelt
(de.ejo-online.eu, Johanna Mack)
Medien-Professor Hektor Haarkötter verrät im Interview, was und wer es in die Top-Liste der vergessenen Nachrichten des Jahres geschafft hat, was man tun muss, um auf die Liste zu kommen, und warum es diesmal nur eine “Top Seven” geworden ist.

6. Promi-Fotos: Deals zwischen Stars und Paparazzi
(ndr.de, Andrea Richter, Video: 5:35 Minuten)
Früher konnte man als Paparazzo noch richtig Kasse machen, heutzutage ist dies nicht mehr ganz so leicht. Der Grund liegt unter anderem im visuellen Überangebot: Die Stars und Sternchen fluten den Markt mit ihren Selfies und Instagram-Bildchen. Pfiffige Paparazzi suchen deshalb die Kooperation mit Promis. Das Erfolgsmodell heißt “gestellter Abschuss”, eine Zusammenarbeit, bei der sich Promi und Fotograf sogar die Erlöse teilen würden.

Alternative Realität, Kneipenwirt, Journalismus mit Behauptung

1. Gezielte Falschmeldungen über Amokfahrt
(tagesschau.de, Patrick Gensing)
Nach der Amokfahrt von Volkmarsen gab es im Internet wilde Spekulationen über die Hintergründe. Ein gerne verwandtes, zusammenfantasiertes Narrativ: Der Täter habe einen Migrationshintergrund, es habe sich um einen islamistischen Anschlag gehandelt. Selbst mit den größten Bemühungen um Aufklärung und Information dringe man manchmal nicht in die alternative Realität mancher Nutzerinnen und Nutzer vor, so Patrick Gensing: “Einige Nutzer vertrauen einer anonymen Webseite aus dem Ausland mehr als sämtlichen Polizisten und Reportern, die vor Ort arbeiten. In Kommentaren werfen sie Polizei, Regierung und Medien vor, sie würden gemeinsam agieren und Informationen zurückhalten, um die Menschen zu belügen. So wachsen Verschwörungstheorien — und geglaubt wird nur noch das, was ins eigene Weltbild passt.”

2. Zensur und Einschränkung von Journalisten
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen wendet sich gegen die chinesische Zensur im Rahmen der Berichterstattung über das Coronavirus. Anfang Februar seien sogar mehrere Journalisten und politische Kommentatoren festgenommen worden. ROG-Geschäftsführer Christian Mihr: “Vollständige Transparenz und eine informierte Öffentlichkeit können verhindern, dass sich Gerüchte verbreiten und die Krise damit verschärfen. Dafür müssen Medienschaffende ungehindert recherchieren können.”

3. Wie Zuckerberg von Hass und Lügen profitiert
(faz.net, Christopher Lauer)
In seinem Gastbeitrag für die “FAZ” stellt Christopher Lauer einen interessanten Vergleich an: “Wir müssen uns Mark Zuckerberg also als einen Wirt vorstellen, in dessen Restaurant sich Nazis, Rechtsextreme und Verschwörungsideologen treffen, andere Gäste bedrohen und beleidigen, sich im Restaurant zu Straftaten verabreden, der aber, statt sich seines Hausrechts zu bedienen und die Idioten einfach rauszuschmeißen, mehr Regulierung fordert. Ach so, wenn die Polizei in seiner Wirtschaft vorbeikommt und fragt, wer sich da denn letzte Woche bei ihm getroffen habe, gibt es dann auch immer nur die Antwort ‘Bitte schicken Sie uns ein internationales Rechtshilfeersuchen’. Auch die Gäste, die bei ihm beleidigt und bedroht worden sind, bekommen nichts anderes zu hören.”

4. Bitte lauter!
(sueddeutsche.de, Kathrin Hollmer)
Viele TV-Zuschauerinnen und -Zuschauer würden sich regelmäßig über Probleme mit der Akustik beschweren — die Dialoge seien unverständlich, die Sprache werde von Geräuschen überlagert. Kathrin Hollmer ist dem Problem nachgegangen, das viel mit Technik zu tun hat. Bei der Verbesserung des Bildes habe es in den vergangenen Jahren große Verbesserungen gegeben, nur beim Ton scheue man anscheinend Mühe und Investitionen.

5. ARD will an verlängerten “Tagesthemen” festhalten
(deutschlandfunk.de, Bettina Köster, Audio: 5:52 Minuten)
Bei ARD und ZDF gibt es Zoff: Die ARD will die “Tagesthemen”-Ausgabe am Freitag um eine Viertelstunde verlängern, was zu einer Kollision mit dem parallel im ZDF stattfindenden “Heute Journal” führt. Bettina Köster hat mit ARD-Chefredakteur Rainald Becker über den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkonflikt gesprochen.

6. Behauptungsjournalismus
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer beschäftigt sich mit dem “Behauptungsjournalismus”, der nach folgendem Prinzip funktioniere: “Ich spreche einer Person oder einem Ding eine Funktion oder Eigenschaft [zu], die sie nicht besitzt — und hoffe, dass die Leser doof genug sind, dies nicht zu bemerken.” Damit es nicht bei einer bloßen Behauptung bleibt, bringt Knüwer drei Beispiele mit: einen Beitrag aus dem “Business Insider”, ein Fundstück aus dem Düsseldorfer “Express” und einen Textauszug aus Gabor Steingarts “Morning Briefing”.

Fremdenfeindlich vs. rassistisch, Bunte Lügen-Tweets, Subventionen

1. Zum Begriff Fremdenfeindlichkeit
(blog.tagesschau.de, Marcus Bornheim)
Nach der Tat von Hanau wurde viel über die Verwendung der Begriffe “fremdenfeindlich” und “rassistisch” diskutiert. ARD-aktuell-Chefredakteur Marcus Bornheim stellt dazu fest: “Zum Teil war es und ist es so, dass fremdenfeindlich auch als vermeintliches Synonym für rassistisch verwendet wurde und wird. Dies geschieht beispielsweise dann, wenn der Begriff rassistisch als zu stark empfunden wird. Rassistische Taten sollten aber auch so benannt werden. Die unglaubliche Tat von Hanau war rassistisch. Punkt.”
Weiterer Lesehinweis: Auf Twitter äußert sich dpa-Nachrichtenchef Froben Homburger zur Sprachregelung, die man bei der Agentur gefunden habe.

2. Links: @Bild-Chef @jreichelt beschwert sich über Journalisten, die verfrüht die Niederlage der AfD verkündet haben. Rechts: …
(twitter.com, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier stellt auf Twitter zwei in ihrer Aussage höchst konträre Screenshots von “Bild” und “Bild”-Chef nebeneinander. Dabei geht es um das Abschneiden der AfD bei der gestrigen Bürgerschaftswahl in Hamburg. Niggemeier resümiert: “Es ist der ganz normale, alltägliche Realitätsverlust, die Selbstblindheit und der Fanatismus des Bild-Chefredakteurs.”

3. SPIEGEL schafft Ombudsstelle
(spiegel.de)
Mehr als ein Jahr nach dem Fall Relotius hat der “Spiegel” eine sogenannte Ombudsstelle eingerichtet. Es handelt sich um ein aus drei Personen bestehendes Gremium, das “Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in der Berichterstattung entgegennimmt und diesen nachgeht”. Auch der anonyme Meldeweg über die Adresse eines externen Rechtsanwalts sei möglich.

4. Twitter will Tweets mit Lügen farblich kennzeichnen
(golem.de, Tobias Költzsch)
Nach Angaben von NBC News testet Twitter ein System zur farblichen Kennzeichnung von Falschbehauptungen und Lügen. Dies könnte in Hinblick auf die kommenden US-Präsidentschaftswahlen im November interessant werden, bei denen mit einem erhöhtem Aufkommen von Unwahrheiten zu rechnen ist.

5. Subventionen für Print
(taz.de, Daniel Bouhs)
Daniel Bouhs berichtet von den widersprüchlichen Positionen der Zeitungsbranche zu staatlichen Subventionen. 40 Millionen Euro wolle die Bundesregierung im nächsten Haushalt zur Verfügung zu stellen — für die einen die Bedrohung verlegerischer Unabhängigkeit, für die anderen die längst fällige, jedoch aus ihrer Sicht viel zu niedrige Unterstützung.

6. So hemmungslos verbreiten Neonazis rechtsextreme Musik auf Telegram
(vice.com, Muriel Kalisch & Sebastian Meineck)
“Wenn Neonazis keinen Bock auf Stress haben, gehen sie zu Telegram.” Muriel Kalisch und Sebastian Meineck haben sich die WhatsApp-Alternative angeschaut, die sich zu einer der wichtigsten Plattformen für Rechtsextreme entwickelt habe: “Mindestens 57 Gruppen und Channels von rechtsextremen Bands lassen sich in der Chat-App finden. Hier machen sie, was sie auf vielen Plattformen sonst nicht mehr dürfen: Sie teilen verbotene Musik, informieren über Konzerte, verkaufen CDs und T-Shirts.”
Weiterer Lesehinweis: Gesucht: Influencer*in, jung rechts (correctiv.org, Alice Echtermann): “Mit großem Aufwand bauen Neue Rechte ein Netzwerk von Medien und Influencern auf, in dem oft Desinformation verbreitet wird. Junge Youtuber wie Niklas Lotz mit seinem Kanal ‘Neverforgetniki’ oder Naomi Seibt profitieren davon.”

Anderer Blick auf den Fall Assange, Binsen-Profilerin, Offener DW-Brief

1. “Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System”
(republik.ch, Daniel Ryser & Yves Bachmann)
Wer heute nur einen Text lesen will oder kann: Hier ist er! Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, erzählt von den Erkenntnissen seiner Untersuchung im Fall des “Wikileaks”-Gründers Julian Assange. Und die sind brisant, aufrüttelnd und verstörend. Seiner Meinung nach habe die schwedische Polizei die Vergewaltigungsvorwürfe herbei konstruiert: Beweise seien manipuliert, Aussagen umgeschrieben worden. Julian Assange werde bei einer Auslieferung in die USA kein rechtsstaatliches Verfahren bekommen. Assange werde auch jetzt nicht rechtsstaatlich fair behandelt, sondern auf verschiedene Weise psychologisch gefoltert. Melzer fragt: “Was ist die Rechts­grundlage dafür, jemandem das fundamentale Recht seiner eigenen Verteidigung zu verweigern? Warum wird ein ungefährlicher, nicht gewalt­tätiger Mann monatelang in Isolations­haft gehalten, wo doch die Uno-Standards jede Isolations­haft von mehr als 15 Tagen grundsätzlich verbieten? Keiner dieser Uno-Mitglieds­staaten hat eine Untersuchung eingeleitet, meine Fragen beantwortet oder auch nur den Dialog gesucht.”

2. Wohltäter, Streber, Freigeister
(faz.net, Tobias Rüther & Peter Körte & Andreas Lesti & Timon Karl Kaleyta & Harald Staun)
Einige Sportlerinnen und Sportler zieht es nach ihrer Sportkarriere in die Medien, zum Beispiel als Expertinnen und Experten hinter dem Mikro. Doch sind sie tatsächlich die besseren Fachleute? Die “FAZ” hat sich ein paar von ihnen näher angeschaut, darunter die ehemalige Biathletin Laura Dahlmeier (ZDF), den Ex-Skirennfahrer Felix Neureuther (ARD), die Ex-Fußballer Oliver Kahn (ZDF), Steffen Freund (RTL Nitro), Thomas Broich (ARD) und Dietmar Hamann (Sky), die Ex-Tennisspielerin Andrea Petkovic (ZDF) und den ehemaligen Zehnkämpfer Frank Busemann (ARD).

3. Grieger-Langer und die gefakte Kundenliste
(haufe.de, Ruth Lemmer)
“Suzanne Grieger-Langer nennt sich ‘Profilerin’ und zieht mit einer martialischen Show durch Deutschland, in der Binsenweisheiten über Persönlichkeit und Führung verbreitet werden. Sie findet zahlreiche Zuhörer, obwohl ihr Umgang mit der eigenen Vita und mit ihrer Kundenliste Zweifel an ihrer Kompetenz und Wahrheitsliebe aufkommen lassen.” Ruth Lemmer berichtet über eine, nennen wir es euphemistisch “schillernde”, Person, die berechtigte Kritik gerne mit Abmahnungen beantworten lässt.
Weitere Lesehinweise zum Hintergrund: Grieger-Langer: Profilerin mit Hang zur Lüge (mba-journal.de, Bärbel Schwertfeger). Und: Eine zweifelhafte Expertin fürs “Charakter-Profiling” (uebermedien.de, Bärbel Schwerdtfeger).

4. Sag zum Abschied leise Kamener Kreuz
(zeit.de, Nils Markwardt)
Nach über 50 Jahren hat der Deutschlandfunk (DLF) seine Stau- und Verkehrsmeldungen eingestellt. Nils Markwardt winkt dem Format zum Abschied zärtlich hinterher: “Die DLF-Verkehrsmeldungen waren (…) der Soundtrack des Franz-Josef-Wagner-Deutschlands: ein melancholisch-kitschiges Hörspiel über jene mystische ‘Mitte’, die in Talkshows und Leitartikeln unentwegt beschworen wird. Meldete die sonore Stimme Störungen bei Dettingen an der Iller und Erlangen-Frauenaurach oder Sperrungen auf A1 und B12, konnte sich der einfühlsame Hörer die Schicksale hinter dem zähfließenden Verkehr vorstellen: den genervten Pendler, der eigentlich zum Anstoß zu Hause sein wollte; die müde Truckerin, der im Laderaum langsam 200 Kilo Mett weggammeln; oder den hungrigen Schichtarbeiter, der auf eine Senfpeitsche an der Tanke hinfiebert.”
Hörtipp: Der Deutschlandfunk verabschiedet sich auf besondere Weise von den Staumeldungen: Auf Twitter verliest DLF-Chefsprecher Gerd Daaßen die schönsten Orte und Autobahnkreuze. (Video: 1:06 Minuten).
Weiterer Lesetipp: Torsten Kleinz beleuchtet einen anderen Aspekt: “Aus meiner Sicht ist diese Episode ein plastischer Beleg dafür warum DAB+ keine Chance hatte. Wenn man schon den Rundfunk digitalisiert, dann hätten die Verkehrsnachrichten an erste Stelle gehört. Statt alle Verkehrsnachrichten für alle auszustrahlen, könnte man ein Opt-In realisieren. Technisch ist das ohne weiteres möglich — man hat es halt nicht getan.”

5. Mehr als 250 Mitarbeitende kritisieren die Deutsche Welle für ihren Umgang mit Vorwürfen von Belästigung, Mobbing und Einschüchterung
(buzzfeed.com, Pascale Müller & Juliane Loeffler)
Von mehr als 250 Mitarbeitenden der Deutschen Welle (DW) ist die Rede, die sich in einem Offenen Brief an den DW-Intendanten Peter Limbourg gewandt haben. Es sind schwere Vorwürfe, die dort erhoben werden: “Wir glauben, dass Machtmissbrauch bei der Deutschen Welle allgegenwärtig ist”. Die “Buzzfeed”-Reporterinnen Pascale Müller und Juliane Loeffler erklären den Hintergrund des Beschwerdebriefs. Dem Artikel ist außerdem der Offene Brief im Original (in englischer und deutscher Sprache) beigefügt.
Weiterer Lesehinweis: Die “taz” konnte die Antwort der Geschäftsleitung einsehen: “Wenn sich offenbar mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter veranlasst sehen, sich anonym an den Intendanten zu wenden, scheint tatsächlich einiges nicht zu funktionieren” (taz.de, Peter Weissenburger).

6. Deutsches Fernsehballett vor dem Aus
(spiegel.de)
Das 1962 zu DDR-Zeiten gegründete Deutsche Fernsehballett steht vor dem Aus. Geschäftsführer Peter Wolf habe dem “Spiegel” gegenüber bestätigt, dass das Ensemble Ende 2021 aufgelöst werde. TV-Aufträge kämen nur noch vom MDR. Allein mit diesen Auftritten lasse sich die Gruppe mit 18 Tänzerinnen und Tänzern nicht finanzieren. 
Tipp des Kurators für einen nostalgischen Rückblick: Auf der Seite des Deutschen Fernsehballetts gibt es eine Zeitreise durch die vergangenen Jahrzehnte und eine Zusammenstellung von Videomitschnitten.

Seid wachsam, Gangsta-Rap-Safari, Fragwürdige Polizeistatistik

1. Seid wachsam, Bürgerrechtler – BMJV verwirrt durch zwei separate Entwürfe zum NetzDG
(cr-online.de, Niko Härting)
Der Jurist und Hochschullehrer Niko Härting macht sich Sorgen wegen der jüngsten Änderungsvorhaben beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG): “Die Verschärfungen des NetzDG, die die beiden Gesetzesentwürfe vorsehen, bedürfen einer breiten gesellschaftspolitischen Diskussion. Das BMJV wird hoffentlich zu einer transparenten Linie zurückkehren und gar nicht den Versuch unternehmen, die Entwürfe eilig durch Bundestag und Bundesrat zu hasten. Seid wachsam, Bürgerrechtler!”

2. Wenn anonyme Kollektive Recherchearbeit übernehmen
(deutschlandfunk.de, Matthias Dell)
Wenn wir etwas über die gewaltbereite extreme Rechte erfahren, liege das meist an der aufopferungsvollen Arbeit von anonym und verdeckt arbeitenden Recherchekollektiven. Deren Einsatz könne durchaus mehr Wertschätzung erfahren, findet Matthias Dell im Deutschlandfunk: “Wenn der Innenminister nun entschlossener gegen rechtsextreme Gruppierungen vorgehen will, dann wäre das für Medien und Gesellschaft vielleicht ein Anlass, die häufig kaum oder schlecht bezahlte Arbeit von Fachleuten zu würdigen, die für das Verständnis des deutschen Rechtsextremismus wichtig sind.”

3. Mit dem “Spiegel” auf Gangsta-Rap-Safari
(uebermedien.de, Antonia Baum)
Bei “Übermedien” wundert sich die Schriftstellerin und Journalistin Antonia Baum über die jüngste “Spiegel”-Titelstory: “An der aktuellen Titelgeschichte des ‘Spiegel’ ist einiges erstaunlich, und dabei sind die brutalen Rap-Plattitüden, der betuliche Tonfall und die Frage, wie man zu dreizehnt einen Text verfasst, noch die geringste Auffälligkeiten. Vielmehr scheint all das nur Ausdruck eines tieferliegenden Problems zu sein, nämlich einer totalen Kopflosigkeit, welche die Abwesenheit einer für diesen Text eigentlich entscheidenden Grundvoraussetzung anzeigt: nämlich die Bereitschaft, sich mit dem Gegenstand zu befassen, über den man schreibt.”

4. Chinesische Einflussnahme
(sueddeutsche.de, Kai Strittmatter)
Dänemark erlebt gerade eine neue Karikaturenkrise. Eine relativ harmlose Illustration zur Coronavirus-Thematik habe den Unmut der chinesischen Botschaft in Kopenhagen erregt. Die Zeichnung sei eine “Beleidigung für China” gewesen, sie verletze “die Gefühle des chinesischen Volkes”. In der öffentlichen Stellungnahme sei im chinesischen Propagandasound weiterhin verlangt worden, dass die Zeitung “Jyllands-Posten” und der Zeichner Niels Bo Bojesen “ihren Fehler bereuen und sich öffentlich beim chinesischen Volke entschuldigen”. China-Kenner und Buchautor Kai Strittmatter ordnet den Fall ein.

5. Hilfe bei Rachepornos: Was tun, wenn meine Nacktfotos im Internet sind?
(vice.com, Yannah Alfering & Sebastian Meineck)
Bei “Vice” erklären Yannah Alfering und Sebastian Meineck in leicht verständlichen Worten, was zu tun ist, wenn ein rachsüchtiger Ex-Partner beziehungsweise eine rachsüchtige Ex-Partnerin Nacktfotos oder intime Videoaufnahmen ins Internet gestellt hat.

6. Zahlen, die knallen
(taz.de, Erik Peter)
In Berlin sollen 2019 angeblich 7.000 Polizistinnen und Polizisten Opfer von Gewalt geworden sein, so jedenfalls habe es die Polizeipräsidentin in einem von der dpa aufgegriffenen Interview behauptet. Nach Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik ergebe sich jedoch ein anderes Bild: Es seien deutlich weniger. Außerdem werde die Statistik durch Bagatelldelikte wie dem sonst nicht strafbaren Schubsen künstlich aufgebläht: “In der Praxis reicht neben dem Schubsen auch sich loszureißen, sich gegen eine Tür zu stemmen oder eine ruckartige Bewegung, damit Polizisten von Widerstand oder tätlichem Angriff sprechen können.”

Kim Jong-uns Tante und Wikipedia-Absätze tauchen wieder auf

Es ist nicht nur so, dass Kim Kyŏng-hŭi, die Tante des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un, wieder aufgetaucht sein soll:

Screenshot Bild.de - Sie wurde für tot gehalten - Tante von Diktator Kim taucht nach sechs Jahren wieder auf

Auch Passagen aus dem Wikipedia-Artikel über Kim Kyŏng-hŭi sind wieder aufgetaucht — bei Bild.de. Dort schreibt ein anonymer Autor heute über das Leben der Politikerin, die nun wieder lebendig bei einer Veranstaltung gesessen haben soll, obwohl verschiedene Medien, darunter Bild.de, schon vor Jahren meldeten: “DIKTATOREN-TANTE TOT”. Für ihren aktuellen Text hat sich die Bild.de-Redaktion ganz offensichtlich, aber ohne Quellennennung, bei Wikipedia bedient:

Bild.de Wikipedia
Kims Tante begann ihre politische Karriere 1971 im Demokratischen Frauenverband Nordkoreas. Sie ist Abgeordnete der Obersten Volksversammlung und seit 1987 Leiterin der Abteilung für Leichtindustrie beim Zentralkomitee der Partei der Arbeit Koreas (PdAK). Mitglied des ZK ist sie seit 1988. 1972 heiratete sie Jang Song-thaek, der – wie sie – General war und vom 7. Juni 2010 bis zum Dezember 2013 als stellvertretender Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission fungierte.

Ihre einzige Tochter Jang Kum-song (1977–2006) studierte in Paris, wo sie sich das Leben nahm.
Kim Kyŏng-hŭi begann ihre politische Karriere 1971 im Demokratischen Frauenverband Nordkoreas. 1976 wurde sie stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für internationale Kontakte beim ZK der PdAK. Sie ist Abgeordnete der Obersten Volksversammlung und seit 1987 Leiterin der Abteilung für Leichtindustrie beim Zentralkomitee der Partei der Arbeit Koreas (PdAK). Mitglied des ZK ist sie seit 1988.

1972 heiratete sie Jang Song-thaek, der wie sie General war und vom 7. Juni 2010 bis zum Dezember 2013 als stellvertretender Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission fungierte.
Daneben war er Leiter der Verwaltungsabteilung der PdAK. Ihre einzige Tochter Jang Kum-song (1977–2006) studierte in Paris, wo sie sich das Leben nahm.

(Hervorhebungen durch uns.)

Was würde “Bild”-Chef Julian Reichelt dazu noch mal sagen, wenn man so frech klaut?

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - So sieht es aus, wenn Focuso nline und der digitale Hühnerdieb Daniel Steil

Dazu auch:

Prozess zum Beinstellen in Connewitz: Mit wenigen Kniffen zum Feindbild

Wenn sich in einem Gerichtsprozess herausstellt, dass ein Angeklagter nicht so ganz in das Feindbild passt, das die “Bild”-Medien ihrer Leserschaft präsentieren wollen, kennt die Redaktion ein paar Kniffe.

Ein 27-Jähriger stand am Mittwoch in Leipzig vor Gericht, weil er in der Silvesternacht einem Polizisten ein Bein gestellt hatte. Der Beamte fiel zu Boden und verletzte sich leicht an Arm und Knöchel. Der Angeklagte wurde wegen Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung schuldig gesprochen — sechs Monate Haft auf Bewährung und 60 Stunden gemeinnützige Arbeit, so das Urteil. Der Prozess hat vor allem deswegen viel Aufmerksamkeit bekommen, weil das Beinstellen im Leipziger Stadtteil Connewitz passiert ist, wo es an dem Abend gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen mutmaßlichen Linksradikalen und der Polizei gab.

Kniff 1: Bei Bild.de schreibt der anonyme Autor, der Angeklagte sei nach wie vor uneinsichtig:

Wohl auch wegen der eindeutigen Beweislage hatte [A.] vor dem Urteilspruch ein Geständnis abgelegt. Einsicht zeigte der Mann jedoch nicht. Er rechtfertigte den Angriff auf die Polizei vielmehr: Er sei das erste Mal zu Silvester am Connewitzer Kreuz gewesen. Bevor er den Beamten angriff, habe er gesehen, wie Polizisten auf Zivilisten losgegangen seien.

Bei so gut wie allen anderen Medien klingt das völlig anders:

Der nicht vorbestrafte Angeklagte entschuldigte sich in der Verhandlung immer wieder. Er könne sich nicht erklären, warum er das Bein gestellt habe. “Das war eine riesengroße Dummheit”, sagte er.

… schreibt Süddeutsche.de.

“Ich weiß nicht, was mich da geritten hat. Das war ein riesengroßer Fehler”, sagte er.

… zitiert ihn die dpa.

An den Polizisten wendet er sich direkt: “Ich will mich auf jeden Fall entschuldigen, dass ich das getan habe.”

… steht bei taz.de. Und der MDR resümiert:

Der 27-jährige Straßenkünstler zeigte sich reumütig.

Auch Bild.de erwähnt die Entschuldigung in einem Halbsatz und schreibt, dass der Mann von einem riesengroßen Fehler “gestammelt” habe.

Anders als Bild.de behauptet, nutzte der Angeklagte es auch nicht als Rechtfertigung für seine Tat, dass er gesehen habe, “wie Polizisten auf Zivilisten losgegangen seien”: Die Frage des Richters, ob er dem Beamten deswegen das Bein gestellt hatte, verneinte der Angeklagte.

Kniff 2: Bild.de schreibt, die Staatsanwaltschaft sei davon überzeugt gewesen, dass der Mann in Connewitz “mitgemischt” habe:

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hatte der 27-Jährige mitgemischt, als an Silvester nach Mitternacht die Situation zwischen Linksradikalen und der Polizei eskalierte.

Die dpa schreibt hingegen:

Der 27-Jährige war eher eine Randfigur in dem gewalttätigen Geschehen auf dem Connewitzer Kreuz in dem als linksalternativ geltenden Stadtteil Leipzigs. Mit dem schwerwiegendsten Tatvorwurf aus der Silvesternacht — einem versuchten Mord an einem 38 Jahre alten Polizisten — hatte er laut Staatsanwaltschaft nichts zu tun.

Die Darstellung von Bild.de passt schon zeitlich nicht richtig. Bei taz.de steht:

Was der 27-Jährige sich hat zuschulden kommen lassen, geschah weit später als die Tat, die nun als Mordversuch gilt und über die jetzt alle reden. In dem Zusammenhang habe man A. nicht gesehen, bestätigen auch die zwei Polizeizeugen.

Und der MDR schreibt:

Zum Tatzeitpunkt gegen ein Uhr nachts war es wieder ruhiger am Connewitzer Kreuz. Auch sei der Angeklagte den Polizisten zuvor nicht aufgefallen. Daher sah das Gericht keinen Zusammenhang mit den Ausschreitungen in der Silvesternacht.

Kniff 3: Im Post in den Sozialen Netzwerken lässt die “Bild”-Redaktion es trotzdem so aussehen, als habe der Angeklagte mit jenen “Angriffen auf Polizisten” zu tun, über die seit Tagen heftig debattiert wird:

Screenshot eines Tweets der Bild-Redaktion - Angriffe auf Polizisten - Blitzprozess gegen ersten Silvester-Chaoten
(Der Augenbalken stammt von “Bild”, die restliche Unkenntlichmachung von uns.)

Kniff 4: In der Überschrift des Artikels schreibt Bild.de, dass der Angeklagte ein “mildes Urteil” bekommen habe:

Screenshot eines Tweets der Bild-Redaktion - Screenshot Bild.de - Angriffe auf Polizisten in Leipzig - Mildes Urteil im Blitzprozess gegen Silvester-Chaoten

Darüber lässt sich natürlich streiten. Man kann aber auch der Meinung sein, dass bei einem nicht vorbestraften, geständigen und reumütigen Täter sowie den überschaubaren Folgen der Körperverletzung ein halbes Jahr Gefängnis auf Bewährung plus 60 Stunden gemeinnützige Arbeit durchaus angemessen sind — wenn man nicht gerade versucht, auf Biegen und Brechen ein Feindbild zu bedienen.

Mit Dank an @RobertDaut und @Schuhbrahimovic für die Hinweise!

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