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Amokberichterstattung, Kachelmann, Irak

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Empfehlungen zur Amok-Berichterstattung”
(presserat.info)
Der deutsche Presserat stellt einen Leitfaden zur Amokberichterstattung (PDF-Datei, 54 Seiten) online, der mit einigen praktischen Negativbeispielen von “Bild” und Bild.de operiert. “Der Leitfaden soll Journalisten bei wichtigen Fragen im Redaktionsalltag eine Orientierung geben. Welche Fotos dürfen wir veröffentlichen? Welche Namen dürfen wir nennen? Welche Informationen über den Täter und die Tat können wir bringen?”

2. “Wer ist der echte und wer der falsche Kachelmann?”
(tagesschau.de, Video, 3:33 Minuten)
Die “Tagesthemen” über den ersten Tag im Prozess gegen Jörg Kachelmann. “Fast schon hysterisch die Stimmung vor dem Prozess des Jahres, an dem es die eine Wahrheit nicht gibt.”

3. “Erbarmen! Nun retten Schauspieler die Welt”
(faz.net, Jan Hauser)
Jan Hauser bemerkt vermehrt Schauspieler in den Talkshows: “Die Fernsehmacher suchen ein bekanntes Gesicht abseits der üblichen politischen Verdächtigen. Das soll den Zuschauer veranlassen, während des Schaltens durch die Fernsehprogramme inne zu halten. Die Schauspieler sollen Authentizität vermitteln und einfache Wahrheiten verbreiten.”

4. “Sarrazins 18 Prozent: Und, was können Sie sich so vorstellen?”
(beim-wort-genommen.de, Jonas Schaible)
Jonas Schaible schreibt zur Emnid-Umfrage für “Bild am Sonntag” (BILDblog berichtete) und was daraus in anderen Medien wird: “(…) weder auf der Emnid-Seite noch auf Bild.de finde ich detaillierte Angaben zur Ausarbeitung der Studie. Es fehlen sämtliche Hintergrundinformationen, es fehlt alles, dass Ergebnisse einer Studie eigentlich überprüfbar macht, das erlaubt, eine Studie einzuschätzen.”

5. “Punk’d, Iraqi-Style, at a Checkpoint”
(atwar.blogs.nytimes.com, Yasir Ghazi, englisch)
Versteckte Kamera im irakischen Fernsehen: Prominenten werden Bombenattrappen ins Auto gelegt, worauf sie von gespielten Grenzwächtern zur Rede gestellt werden: “‘Why do you want to blow us up?’ ‘You are a terrorist.’ ‘How much did they pay you to do it? You will be executed.'” Unklar ist, ob das Material mit oder ohne vorherige Aufklärung der Prominenten gedreht wurde.

6. “When it comes to phone hacking, the press is the elephant in the room”
(guardian.co.uk, Charlie Brooker, englisch)
Charlie Brooker erzählt die Geschichte einer Prominenten, die einen “ultimate celebrity faux pas” begangen habe, nämlich an zwei Tagen das genau gleiche Kleid zu tragen. Und erklärt, warum die britischen Medien so wenig zur “News of the World phone hacking affair” zu sagen haben.

Gong  

Schleichwerbung auf Rezept

Im Frühjahr ist die einstmals renommierte Fernsehzeitschrift “Gong” vom Presserat dafür gerügt worden, dass die Rezepte ihres großen Weihnachtsmenus durchsetzt waren mit Hinweisen auf Produkte der Firma Unilever (BILDblog berichtete). Noch trauriger als die Schleichwerbung an sich ist allerdings der Versuch der Rechtsabteilung der “WAZ”-Gruppe, sie zu rechtfertigen. Der Presserat fasst ihre Stellungnahme so zusammen:

[…] man habe durch die Reaktion von Lesern festgestellt, dass bei der Verwendung spezieller Zutaten eine redaktionelle Produktempfehlung gewünscht sei. Insofern habe man durch die Nennung konkreter Produkte das Informationsinteresse des Lesers bedient. Dies betreffe maßgeblich die Empfehlung von Produkten wie “Suppenliebe Hühnersuppe”, “Cremefine” und “Fix für Nudel-Mozzarella-Gratin”. Der Leser könne aufgrund dieser Hinweise erkennen, welche Art von Zutat Verwendung gefunden habe. Gegebenenfalls könne er, sofern vorhanden, auf Konkurrenzprodukte zurückgreifen, da jedenfalls eine für das Verständnis des Lesers ausreichende Individualisierung durch die Produktnennung erreicht worden sei. Auch sei nicht zu beanstanden, dass das Produkt “Cremissimo-Schokoladeneis” genannt wurde, da dieses aufgrund seiner Konsistenz und Streichfähigkeit besonders gut für die Verwendung im Rahmen des Rezeptes geeignet sei.

Das ist natürlich alles nicht wahr.

In Wahrheit bezieht der “Gong” einen Großteil seiner Rezepte einfach von der Firma Unilever. Die bietet Redaktionen dafür eine eigene Datenbank im Internet, die, wie ihr Name “Rezept & Bild” nahelegt, auch gleich hochauflösende Fotos der Gerichte enthält.

Unilever stellt diese Inhalte kostenlos zur kommerziellen Nutzung zur Verfügung — unter einer Bedingung: Die darin natürlich immer enthaltenen Namen ihrer Marken wie “Knorr”, “Mondamin” und “Rama” müssen genannt werden. In den Nutzungsbedingungen heißt es:

Zulässig ist es, die Produkt-Kategorie zusammen mit einer Marke der Unilever Gruppe in Klammern zu nennen. Bsp.: ‘Bourbon-Vanille (z.B. von Cremissimo))’.

Genau so verfährt der “Gong”. In der vergangenen Woche gab es drei Braten-Rezepte von Unilever mit der entsprechenden Schleichwerbung für Unilever-Produkte (siehe rechts). In dieser Woche dreht sich auf den “Gong”-Rezeptseiten alles um den Kürbis, mit einem Lachsfilet-Rezept von Pfanni, einem Curry-mit-Rind-Rezept von Mondamin, einem Krosse-Plätzchen-Rezept von Rama und einem Putenbraten-Rezept von Knorr.

Mit dem Informationsinteresse der Leser, wie die sich für ihren Qualitätsjournalismus für bekannt haltende “WAZ”-Gruppe behauptet, hat das alles nichts zu tun. Sondern damit, wie Unternehmen die Lücke füllen, die durch sinkende Etats und Qualitätsansprüche in den Redaktionen entsteht, und redaktionelle Inhalte durch werbliche Inhalte ersetzen — sicherlich nicht nur in so harmlosen Bereichen wie Kochrezepten.

Die Rüge des Presserates hat der “Gong” übrigens bereits am 1. April mit einem irreführenden Text veröffentlicht. Sollten sie auch sorgfältige “Gong”-Leser übersehen haben, könnte das daran liegen, dass die Redaktion einen außerordentlich unauffälligen Platz wählte: im Klein- und Kleinstgedruckten zwischen Leserbriefen und Impressum.

Mit großem Dank an Max M.!

Matthäus, Angeber, Zeitlupe

6 vor 9

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1. “Loveparade: Fall für Presserat”
(sueddeutsche.de, Ralph Pfister)
Fast alle der rund 140 zur Berichterstattung über die Loveparade in Duisburg eingegangenen Beschwerden beim Presserat richten sich gegen “Bild”. “Ganze drei Beschwerden richten sich – Stand Dienstag Mittag – nicht gegen Bild oder Bild Online.”

2. “Lothar vs. Liliana: die inszenierte Trennung”
(meedia.de, Nils Jacobsen)
Nils Jacobsen hält die von “Bild” und Sat.1 besonders ausführlich begleitete Trennung des Ehepaars Lothar und Liliana Matthäus für inszeniert.

3. “4 von 4 Studien sind fragwürdig”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Für Martin Weigert sind viele Studien zu Tech- und Netzthemen fragwürdig, weil sie inkorrekt sind oder fehlerhaft wiedergegeben werden, weil sie mit gesundem Menschenverstand widerlegt werden können, weil sie kaum Aussagekraft besitzen oder weil sie Erkenntnisse verbreiten, die jedes Kind erraten könnte.

4. “Blöffsack-Journalismus”
(weltwoche.ch, Daniela Niederberger)
Mitunter auch selbstkritisch kritisiert Daniela Niederberger den Angeber-Journalismus, der mit Ideenlosigkeit zu tun habe und den Austeil-Journalismus, der mit Unerfahrenheit und Selbstüberschätzung zu tun habe.

5. “Friedensnobelpreis für WikiLeaks!”
(magda.de, Wolfgang Michal)
Für Wolfgang Michal liegt der Vorteil von Wikileaks für Whistleblower auf der Hand: “Es gibt keine stationären Redaktionscomputer, die von der Polizei ‘bei Gefahr im Verzug’ beschlagnahmt werden können, es gibt keine Redakteure, die – wenn sie ihre Quellen nicht preisgeben – in Beugehaft genommen werden können, und es gibt keine Verleger, die auf Schadenersatz verklagt oder wegen Landesverrat vor Gericht gezerrt werden können – und dabei vielleicht einknicken.”

6. Einschränkung der Zeitlupe
(diepresse.com)
Der öffentlich-rechtliche TV-Sender RAI schafft gemäß Chefredakteur Eugenio de Paoli, “Tore und Ausschlüsse ausgenommen”, bei Fußball-Übertragungen die Zeitlupe ab: “Die gewonnene Sendezeit will man für Analysen der Taktik nützen.”

Was von der Loveparade übrig blieb

Irgendwann sind die Journalisten auf die Idee gekommen, dass die Stimmung, die man als “Sprachlosigkeit” bezeichnen könnte, am Besten abgebildet werden kann, indem man sie beschreibt, kommentiert und abfotografiert. Dass man dem stillen Entsetzen und der Trauer eine laute Mischung aus Information, Mutmaßung und Klickstrecken entgegensetzen sollte, weil man den nahezu unmöglichen Prozess des Verstehens so vielleicht erzwingen kann.

“Bild” kann deshalb heute, rund einen Tag, nachdem Polizei und Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen begonnen haben, bereits das “Todes-Protokoll” der Ereignisse von Duisburg vorlegen. Die Zeitung kann sichtlich verstörte Jugendliche befragen, die einen Freund verloren haben, und eine traumatisierte Überlebende berichten lassen:

"Auf meinen Beinen lagen zwei Leichen!"

Daneben die Fotos von fünf Verstorbenen (auf Bild.de sind es inzwischen mehr), die die Redaktion zumindest teilweise offensichtlich aus dem Internet übernommen hat. Auf einem anderen Foto ist exakt das zu sehen, was die Bildunterschrift verspricht:

Ein Mädchen und ein junger Mann beim gemeinsamen Versuch, eine leblose Person zu reanimieren.

Schon seit dem frühen Samstagabend hatte Bild.de in Bildergalerien notdürftig abgedeckte Tote gezeigt (“Die Hand im Tode verkrampft. Auch dieser Mann wurde bei der Panik vermutlich zerquetscht.”, “Ein Foto, das Gänsehaut vermittelt – zwei Tode am Haupteingang.”, “Die Leiche eines jungen Ravers liegt abgedeckt im Müll.”, usw. usf.).

Doch Bild.de zeigte auch diese auf den ersten Blick harmlose Luftaufnahme:

Fotomontage vom Festival-Gelände.

Das Foto, das inzwischen entfernt wurde, zeigt fahrende Autos auf der gesperrten Autobahn 59, kahle Bäume im Hochsommer, Menschengruppen, die mehrfach im Bild sind und vieles mehr — mit anderen Worten: Es ist eine ziemlich schlecht gemachte Fotomontage. Und das, wo die Menschenmassen auf den Originalfotos vom Festivalgelände beeindruckend genug gewesen wären.

Auch wenn die mehr als einhundert Beschwerden, die allein bis zum heutigen Mittag beim Deutschen Presserat eingegangen sind, sich “bisher alle” gegen die Berichterstattung von “Bild” und Bild.de richteten, waren dies längst nicht die einzigen Medien, die Fotos von Opfern veröffentlichten. Bilder von Schwerverletzten, unter Schock stehenden Personen, Rettungsmaßnahmen und Leichentüchern, unter denen Gliedmaßen hervorschauen, gab (und gibt) es auch auf express.de, stern.de, derwesten.de zu sehen. “RP Online” anonymisierte immerhin die meisten erkennbaren Gesichter, ebenso wie Bild.de bei den Fotos seiner “Leserreporter”.

Bemerkenswert auch das Titelbild der “Westdeutschen Allgemeinen Zeitung” heute, auf dem die Arme eines toten Menschen zu sehen sind — und die Idee, die Ereignisse vom Wochenende ausgerechnet mit einer Karikatur zusammenfassen zu wollen.

Mit Dank an die vielen, vielen verschiedenen Hinweisgeber!

Bild  

Sie haben das Recht zu Schweigen

“Bild” hat’s bekanntlich nicht so mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Am Donnerstag erklärte die Zeitung in ihrer Ruhrgebietsausgabe:

Wurden hier Spuren eines Verbrechens vernichtet? Ehemann Dirk L. (43) kann oder will das den Fahndern offenbar nicht erklären, verweigert die Aussage. Und macht sich so verdächtig.

“Bild” mag es “verdächtig” finden, dass der Mann die Aussage verweigert, aber es ist sein gutes Recht, das von dem Augenblick an gilt, in dem er als Beschuldigter gilt. Der Beschuldigte muss zu keinem Zeitpunkt etwas sagen und muss sein Schweigen auch nicht rechtfertigen

Gestern dann fragte das Blatt in einem anderen Fall:

Warum lässt der Richter einen Killer so im Gericht sitzen?

Mal davon ab, dass das, was der Mann da über den Kopf gezogen hat, keine “Decke” ist, wie “Bild” schreibt, sondern eher ein Oberhemd, geht es hier natürlich um die Persönlichkeitsrechte des Mannes, die er auch als Angeklagter, Verurteilter oder “Killer” nach wie vor hat.

Das Gericht gestattete dem Angeklagten, sich zu vermummen, solange die TV-Kameras liefen. Mit Prozessbeginn wurde die Maskerade beendet.

“TV-Kameras”, hihi, der war gut. Denn man kann sich nur zu gut vorstellen, wie eine große deutsche Boulevardzeitung den Mann heute abgebildet hätte, wenn er sein Gesicht nicht verborgen hätte.

Der Rechtsanwalt und Lawblogger Udo Vetter erklärt dazu:

Es gehört zu den Aufgaben des Gerichts, im Rahmen der Hauptverhandlung die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten zu respektieren. Teil davon ist es auch, dass das Gericht die Befugnis des Angeklagten respektiert, sich nicht an identifizierender Berichterstattung indirekt zu beteiligen, indem er sein Gesicht hinhalten muss. Identifizierende Berichterstattung ist ja in solchen Fällen regelmäßig sowieso nicht zulässig. Der Angeklagte hat also das gute Recht, sein Gesicht überhaupt nicht fotografieren zu lassen.

Der konkrete Fall ist sogar noch etwas schwerwiegender, wie “Bild” selbst schreibt:

Er wurde gestern verurteilt, wird den Rest seines Lebens in die Psychiatrie gesteckt. (…)

Der zum Islam Konvertierte (“Allah hat geschossen”) leidet unter paranoider Schizophrenie.

Mit seiner “Maskerade” hat der Angeklagte “Bild” vor einem Verstoß gegen den Pressekodex bewahrt:

Richtlinie 8.4 – Erkrankungen
Körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden fallen grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen. Mit Rücksicht auf ihn und seine Angehörigen soll die Presse in solchen Fällen auf Namensnennung und Bild verzichten und abwertende Bezeichnungen der Krankheit oder der Krankenanstalt, auch wenn sie im Volksmund anzutreffen sind, vermeiden. (…)

Mit Dank an David R., Marcel S., Stefan H., Esther K., René, Martin und Maik H.

Keine Anonymität für niemand

Irgendeine Logik, irgendeine abwegige Erklärung muss dem Ganzen zugrunde liegen. Die Mitarbeiter von Bild.de werden sicher gute Gründe gehabt haben, warum sie zwei Angeklagte, von denen einer minderjährig ist, auf sieben von neun Fotos in einer Bildergalerie notdürftig anonymisiert haben — nur nicht auf dem ersten Foto, das man sieht, wenn man den Artikel aufruft, und nicht auf der Startseite.

Geständnisse bei Prozessauftakt

Vielleicht hat man sich einfach von den Kollegen bei der gedruckten “Bild” inspirieren lassen, die heute auf jedwede Unkenntlichmachung der Gesichter verzichteten:

Sind die Brunner-Totschläger schon in drei Jahren frei?

In der Rechtsabteilung der Axel Springer AG sollte man vielleicht schon mal über eine Urlaubssperre nachdenken. Im Fall der “U-Bahn-Schläger” von München hatte das Oberlandesgericht Hamburg “Bild” im vergangenen Jahr untersagt, einen der beiden Täter zu zeigen, der zum Tatzeitpunkt erst 17 Jahre alt war (BILDblog berichtete).

Dass der Pressekodex bei der Berichterstattung über Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Jugendliche “besondere Zurückhaltung” fordert, dürfte der Zeitung eh egal sein.

Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber!

DFB, Lokaljournalismus, Back to the Future

6 vor 9

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1. “Sympathisch, aber selbstzensierend”
(zeit.de, Steffen Dobbert)
“Ein Wortlautinterview ist auf jeden Fall journalistisch korrekt, wenn es das Gesagte richtig wiedergibt” steht in der Richtlinie 2.4 des Pressekodex. “Zeit Online” veröffentlicht dennoch nur die Fragen eines Interviews mit Oliver Bierhoff, weil der DFB und Bierhoff selbst “im Nachhinein” eine Veröffentlichung untersagten. “Das Gespräch mit ihm dauerte nur ein knappe halbe Stunde. Bierhoff hatte sich in Rage geredet. Aber er hatte nichts gesagt, was die Fußballwelt erschüttern würde. Vielleicht wirkte er so authentisch, weil er ehrlich war. Vielleicht dürfen seine Worte deshalb nicht veröffentlicht werden.”

2. “Rechte Regionalzeitungen”
(taz.de, Andreas Speit)
Durch den Abbau von Lokalredaktionen auf dem Land breiten sich von der NPD finanzierte und organisierte Zeitungen aus.

3. “Das Lokale lieben lernen: Eine Lektion”
(benjamin-runge.de)
Der 24-jährige Journalist Benjamin Runge versucht, Fußgänger in Dieburg zu “Spontan-Portraits” zu bewegen.

4. “Wir brauchen ein neues Medienbewusstsein”
(oeffingerfreidenker.blogspot.com, Stefan Sasse)
Stefan Sasse glaubt, dass die Meinung von “Bild” vor vierzig Jahren “noch keinem Politiker mehr als ein abwertendes Grunzen wert gewesen” sei. Doch heute gelte sie “als eines der, wenn nicht das politische Leitmedium in der Hauptstadt, an dessen erregtem Pulsschlag sich der ohnehin derzeit nicht durch besonders überlegte Ruhe auszeichnende Politikbetrieb orientiert”.

5. “Herr Löw greift sich ans Kinn”
(wintermaerchen2010.com, Kai Schächtele)
Ein Besuch im Hauptquartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Erasmia, einem Vorort von Pretoria. “Es würde für den Tross, der nach Südafrika allein wegen des Fußballs gekommen ist, keinen Unterschied machen, ob diese WM in Afrika, auf einer Eisscholle in Alaska oder hinter dem Mond ausgetragen wird.”

6. “Back to the Future fans fooled by Twitter hoax”
(telegraph.co.uk, Murray Wardrop, englisch)
“Thousands of Back to the Future fans mistakenly celebrated July 5, 2010 as a crucial date in the hit film trilogy after a hoax circulated on Twitter.”

Bild  

Schwein gehabt

“Bild” darf Menschen – auch Verbrecher – nicht als “Schwein” oder “Dreckschwein” bezeichnen, das hat der Presserat mehrfach betont.

Trotzdem ist es wenig überraschend, dass “Bild” heute mit dieser Überschrift aufwartete:

Hat dieses Schwein den Mann an der A5 ermordet?

Wahrscheinlich haben sie in der Redaktion feixend unter den Tischen gelegen und diese Überschrift für noch unangreifbarer gehalten als die mit dem durchgestrichenen “Schwein”.

Aber sehen Sie selbst:

Motivationstrainer Detlef S. (50) im Schweinchenkostüm beim Marathonlauf

Der Tatverdächtige war so unvorsichtig gewesen und hatte sich zu einem früheren Zeitpunkt bei einem ganz anderen Anlass in einem Schweinekostüm fotografieren lassen.

Interessanterweise endet der längere Artikel auf Bild.de übrigens so:

Die Beweislage gegen Detlef S. und seinen Freund ist laut Fahndern erdrückend – doch ob und, wenn ja, warum sie dann die Tat begingen, wird wohl erst ein Prozess klären können…

… aber bis dahin hat man den Mann wenigstens schon mal medial verurteilt.

Mit Dank an Dennis und Spot.

Ein zweites Mal zum Opfer werden

Pressekodex, Richtline 8.1:

(1) Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (s. auch Ziffer 13 des Pressekodex) veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. […]

(2) Opfer von Unglücksfällen oder von Straftaten haben Anspruch auf besonderen Schutz ihres Namens. […]

Pressekodex, Richtlinie 11.3:

Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.

*** Wurde sie tagelang eingesperrt und missbraucht? *** aus *** ist vermutlich eine Woche lang gefangen gehalten und sexuell missbraucht worden.Aber das ist graue Theorie. Bunt hingegen sind die Fotos, mit dem die Angehörigen einer verschwundenen jungen Frau aus Norddeutschland in der vergangenen Woche nach ihr gesucht hatten. Inzwischen ist die Frau wieder aufgetaucht, aber das hält die “Hamburger Morgenpost” natürlich nicht davon ab, die Fotos weiterhin auf ihrer Internetseite zu zeigen.

Und wenn die Polizei den Verdacht äußert, dass es sich um einen Fall von Freiheitsberaubung und ein Sexualdelikt handeln könnte, dann nennt die “MoPo” natürlich weiterhin den vollen Namen und Wohnort der jungen Frau und reichert diese Meldung mit mehreren Bildergalerien an, auf deren Fotos sie gut zu erkennen ist.

Mit Dank an Magnus K.

Dichand, Holland, Titanic

6 vor 9

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1. “Wann wird’s mal wieder richtig lustig?”
(haz.de, Imre Grimm)
Imre Grimm sieht das Satiremagazin “Titanic” in einer tiefen Schaffenskrise: “Im 31. Jahr ihres Bestehens ist die ‘Titanic’ egal geworden.”

2. Interview mit Matthias Prinz
(merkur.de, Antje Hildebrandt)
Medienanwalt Matthias Prinz über Medien, Prominente, Leserreporter, Staatsanwälte und den Presserat.

3. “Problem Klickstrecke”
(heikerost.com)
Heike Rost hält auch Bilder von Unfällen für eine grundlegende journalistische Aufgabe. Die Dokumentation und Information von aktuellem Geschehen benötige aber klare redaktionelle Entscheide, nicht Wahllosigkeit. “Redundante Bildmotive in zweistelliger Zahl, von denen maximal zwei oder drei relevant hinsichtlich ihres Informationsgehalts sind, werden zu einer sinnentleerten Galerie des Horrors.”

4. “Der Angstmacher”
(politwatch.at, Christoph Baumgarten)
Christoph Baumgarten kommentiert den Tod von “Kronen Zeitung”-Verleger Hans Dichand: “Er war und blieb Kleinbürger und die Zeitung, die ihm zu Macht und Einfluss verhalf, machte ihn wehrhaft. Nur wäre die Behauptung unrichtig, er allein hätte die etwa drei Millionen Krone-Leser verführt und zu den verängstigten Spießern gemacht, die sie zu einem großen Teil sind.”

5. “Wie ein neues Linkverhalten die Blogosphäre beleben könnte”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
“Wenn alle Blogger im deutschsprachigen Raum es sich zum Ziel setzen würden, mindestens einmal pro Woche zu einem ihnen bisher unbekannten, z.B. über eine Suchmaschine gefundenen Blog zu verlinken, dann könnte dies der Blogosphäre eine völlig neue Dynamik verleihen.”

6. “Kurz gefragt: Holland oder die Niederlande?”
(ciemalla.de)
Die Provinzen Nordholland und Südholland bilden gemeinsam Holland, was oft anstelle von Niederlande verwendet wird, auch von “Bild”.

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