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Der öffentliche Tod einer “Nymphomanin”

Anfang Dezember 2012 wurde eine 47-jährige Frau tot in ihrem Bett aufgefunden. Die Frau war nicht das, was man gemeinhin als “prominent” bezeichnet, Hinweise auf Fremdverschulden gab es keine — dennoch berichteten “Bild” und Bild.de groß über den Fall:

Wie starb Nymphomanin ***?

Ein bisschen prominent war die Frau laut “Bild” nämlich schon:

Sonnenbrille, Kette, tiefes Dekolleté – und ein verruchtes Lächeln: Wir sehen […] († 47), die Frau, die im Frühjahr als “Nymphomanin von München” Schlagzeilen machte.

Damals schloss sie einen Discjockey (43) in ihrer Wohnung ein, wollte immer wieder Sex mit ihm – bis der Mann aus ihrem Bett auf den Balkon floh, die Polizei rief.

JETZT IST DIE FRAU TOT.

Ihr letzter Liebhaber (31, ein Nachbar) wachte am Freitag gegen 6.30 Uhr neben ihrem leblosen Körper auf.

Er versuchte noch Mund-zu-Mund-Beatmung, rief den Notarzt. Dieser konnte aber nichts mehr tun.

Fremdverschulden schließt die Polizei aus. Doch wie starb […]? Kann Dauer-Sex die Ursache sein?

Ein Leser sah in der Berichterstattung einen Verstoß gegen den Pressekodex, da sie massiv Opfer- und Persönlichkeitsrechte verletze, und beschwerte sich über Bild.de beim Deutschen Presserat. Es bestehe kein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung des Fotos der Frau.

Die Rechtsabteilung der BILD digital GmbH & Co. KG sah das wieder mal anders: Die Betroffene habe in den vergangenen Monaten häufig mit ihrer Nymphomanie für Aufstehen gesorgt und sei bundesweit Thema in den Medien gewesen. Sie sei erstmals aufgefallen, weil sie einen ihrer Liebhaber im April 2012 acht Mal zum Liebesakt getrieben habe, bis dieser auf den Balkon geflohen sei, um die Polizei zu rufen. Über den “ausgesprochen kuriosen Fall” hätten damals zahlreiche Medien berichtet, darunter auch “Bild”, die sich auf die entsprechende Pressemitteilung der Polizei bezogen habe. Obwohl die Redaktion auch damals im Besitz eines Fotos der Betroffenen gewesen sei, habe sie sich bewusst gegen eine Veröffentlichung dieses Fotos entschieden.

Das stimmt. Die Berichterstattung von “Bild” sah im April 2012 so aus:

Nymphomanin* lockte Discjockey in Sex-Falle

Die Zeitung hatte ihren Lesern damals sogar erklärt, was so eine “Nymphomanin” überhaupt ist:

* Bezeichnung für eine Frau mit übermäßigem Verlangen nach Geschlechtsverkehr

Danach habe sich noch ein weiterer Vorfall ereignet, über den wieder zahlreiche Medien aus der gesamten Republik berichtet hätten: Die Betroffene habe einen Mann eineinhalb Tage lang eingesperrt, ihm das Handy abgenommen und ihn zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Auch hier habe “Bild” wieder bewusst auf die Veröffentlichung des Fotos verzichtet.

Erst als die Betroffene in Folge ihres Rauschmittelkonsums gestorben sei, hätten “Bild” und Bild.de das Foto nach sorgsamer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen und dem öffentlichen lnteresse veröffentlicht.

Die Rechtsabteilung baute sich zu diesem Zweck ein argumentatives Perpetuum Mobile: Zum Zeitpunkt ihres Todes sei die Betroffene nämlich bereits durch ihre monatelange exzessive Sexsucht in der Öffentlichkeit bekannt gewesen. Aufgrund der aufsehenerregenden Vorgeschichte habe ein hohes Interesse der Öffentlichkeit bestanden, zu erfahren, was aus der Betroffenen geworden sei.

Die Frau sei auf dem Foto* aufgrund einer Sonnenbrille nicht für Außenstehende erkennbar, ihr Name sei immer abgekürzt worden. Im Text habe die Redaktion nicht abwertend berichtet, weil Drogenkonsum und Sexsucht mit einer Krankheit zu tun haben könnten.

Vielleicht nicht “abwertend”, aber so:

In der Bar, so berichtet ein Bekannter, trinken die beiden ein paar Bier, zwei Wodka und etwas Wein. Auch “weißes Zeug” sollen sie geschnupft haben.

Dann nimmt […] den Heizungsmonteur mit nach Hause. Doch anders als sonst geht es nicht gleich zur Sache. Stattdessen sitzen die beiden zusammen und reden – und plötzlich schläft die Blondine ein.

Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats sah in der Berichterstattung von Bild.de einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex.

Die Betroffene sei durch die Angaben zu ihrer Person und das Foto für einen großen Personenkreis erkennbar geworden. Für das Verständnis des Unfallgeschehens sei das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Über den Todesfall hätte daher nur in vollständig anonymisierter Form berichtet werden dürfen, da es sich weder um ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung gehandelt habe, noch besondere Begleitumstände vorgelegen hätten. Vielmehr habe die Redaktion über Ereignisse aus der lntimsphäre berichtet, deren Schutz von besonderer Bedeutung sei.

Einstimmig sprach der Ausschuss eine öffentliche Rüge aus und bat die Redaktion darum, die Rüge “zeitnah zu veröffentlichen und in dem Online-Beitrag eine Anonymisierung vorzunehmen”.

Bild.de kam dieser Bitte nach, wies auf die Rüge hin und ersetzte den Vor- und den abgekürzten Nachnamen der Verstorbenen an den meisten Stellen der Berichterstattung.

*) Übrigens haben auch die Münchener Boulevardzeitung “tz” und diverse ausländische Medien das Foto verwendet. Die “Daily Mail” gibt als Quelle “BILD-Zeitung/privat” an.

Beate Zschäpe, Hitlerjugend, Spielplatz

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Gratis-BILD am Wahlwochenende – ein Schurkenstück in Sachen Manipulation”
(nachdenkseiten.de, Jens Berger)
Jens Berger kommentiert das Vorhaben von “Bild”, 40 Millionen Exemplare der Zeitung an deutsche Haushalte zu verteilen, einen Tag vor der Bundestagswahl am 22. September: “Auch wenn man bei Springer bemüht ist, die ‘Neutralität’ hervorzuheben und die Gratisausgabe damit zu begründen, den Menschen ‘Lust auf Politik’ zu machen, ist dies natürlich vollkommen unglaubwürdig.”

2. “Ein wohlfrisierter Nazi”
(zeit.de, Lenz Jacobsen)
Von der im NSU-Prozess angeklagten Beate Zschäpe gab es bisher “nur eine Hand voll Bilder”: “Auf fast allen sah sie mindestens streng aus, wenn nicht böse. Nett und sympathisch jedenfalls nicht. Die Haare hatte sie zum Zopf zurückgebunden oder sie hingen ihr fettig ins blasse Gesicht. (…) Die vorherigen Bilder waren bequem für uns Betrachter, weil sie besser zu ihren schrecklichen Taten passten. Wenn das Äußere dem Inneren, den Handlungen einer Person, nichts entgegensetzt, dann haben wir nichts, woran wir uns stören müssen, worüber wir nachdenken müssen. So konnten wir Zschäpe zum Monster machen.”

3. “Medien am Pranger”
(nzz.ch, Stephan Russ-Mohl)
Media accountability sei eigentlich gar nicht teuer, findet Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl: “Die freiwillige Berichtigung von Fehlern ist nicht teuer – sie benötigt allenfalls Aufmerksamkeit seitens der Redaktionen. Die Kosten wiederum für den Presserat werden unter den Beteiligten gesplittet und lassen sich aus der Portokasse bezahlen. Und Jobs für Medien-Ombudsleute sind Teilzeitstellen und sind auch ehrenamtlich denkbar. Einzig und allein Medienjournalisten sind teuer.”

4. “Der Charme des Südens”
(demografie-blog.de, Björn Schwentker)
Björn Schwentker prüft von der ARD-Tagesschau präsentierte Zuwanderungszahlen: “Der Prozentanteil der Einwanderung aus den EU-15-Staaten (dazu gehören auch Spanien, Italien, Griechenland und Portugal) hat auf längere Sicht bisher keinen ungewöhnlichen Sprung nach oben gemacht. Dauerhaft steigt aber die Kurve für die Beitrittsstaaten von 2007, das sind Rumänien, und Bulgarien.”

5. “Die Leichtigkeit des Neins”
(matthias-schumacher.com)
Matthias Schumacher denkt nach über Kinder in Diktaturen: “Ich wurde Pionier. Ich wäre Hitlerjunge geworden. Es hätte kein Entrinnen gegeben. In Nazideutschland gehörten 98 Prozent der Kinder und Jugendlichen dem Jungvolk und der Hitlerjugend an, in der DDR 98 Prozent der Pionierorganisation. Ich weiß noch gut, wer nicht spurte, wer nicht die geforderten Leistungen erbrachte, sich asozial verhielt, dem blieb in der 4. Klasse das rote Halstuch verwehrt. Eine Schande!”

6. “Da können wir keine Ausnahme machen!”
(herrmeyer.ch)
“Dieser Spielplatz ist ausschliesslich für die Kinder unserer Mieter vorgesehen. Da können wir keine Ausnahme machen.”

Hautnah an den Stars

Die Welt ist voller Fragen: “Woher kommen wir?”, “Wohin gehen wir?”, “Hab ich das Bügeleisen angelassen?” und natürlich:

Warum trägt Robben eigentlich so enge Trikots?

Beim 6:1-Sieg der Bayern gegen Wolfsburg sei eines “wieder einmal” aufgefallen, so Bild.de:

das hautenge Trikot des Niederländers.

Alljährlich dürfen die Spieler zwischen verschiedenen Trikot-Schnitten wählen, bei Robben fällt die Wahl regelmäßig auf die körperbetonte Variante – sehr zur Freude seiner weiblichen Fans. Die wissen natürlich schon lange um das Geheimnis der hautengen Teile.

Und was ist das “Geheimnis”? Offenbar, dass das “hautenge Teil” besonders teuer ist, wie Bild.de detailliert erklärt:

Robbens kurzärmeliges Trikot, Modell “TechFit Limited Edition”, ist derzeit in Weiß für 149,95 Euro im Bayern-Fan-Shop erhältlich. Zum Vergleich: Ein normal geschnittenes Trikot kostet den Fan in Erwachsenen-Größe 79,95 Euro (kurzärmelig) bis 84,95 Euro (langärmelig).

Das dürfte neben den weiblichen Fans auch den Presserat interessieren, beantwortet aber immer noch nicht die Frage, warum Arjen Robben so enge Trikots trägt.

Aber keine Angst, das erklären die Servicejournalisten von Bild.de natürlich auch noch — auf ‘ne Art. Jedenfalls lassen sie dabei jemanden zu Wort kommen, der es wissen muss:

Was ist so besonders am “TechFit”-Modell?

“Das Gewebe ist hauteng geschnitten und sorgt für eine bessere Durchblutung der Muskulatur”, erklärte Adidas-Sprecher Oliver Brüggen “Bild am Sonntag”. Die enge Passform und die “TechFit mit Powerweb”-Technologie fördere durch Kompression die Körperwahrnehmung und erhöhe das Körperbewusstsein. Das bedeutet: Robbens Oberkörper bleibt nach dem Aufwärmen gut durchblutet, das Verletzungsrisiko sinkt. Dazu trägt er auf dem Platz körpernahe Funktionsunterwäsche. Die verstärkt den Effekt noch – den auf die Damen übrigens auch.

Und wenn die Damen das Dingen jetzt erwerben wollen, wissen sie auch, wo und zu welchem Preis.

Mit Dank an Pascal P., Christian G. und Mark G.

Hubert Spiegel, Ralph Grosse-Bley, NSU

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Über Gebühr: Streit um den neuen Rundfunkbeitrag”
(ndr.de, Video, 44:12 Minuten)
Ein Beitrag über die berechtigte und unberechtigte Kritik am Rundfunkbeitrag. Siehe dazu auch den Text von Stefan Niggemeier.

2. “‘Der Biber ist der neue Hauptfeind’ – Botho Strauß in der Uckermark”
(blogs.nmz.de/badblog, Moritz Eggert, Video, 9:26 Minuten)
Moritz Eggert liest das FAZ-Stück “Der alte Junge”, für das FAZ-Redakteur Hubert Spiegel den Schriftsteller Botho Strauß in der Uckermark besucht hatte.

3. “NSU-Morde: Auch die Medien waren auf dem rechten Auge blind”
(derblindefleck.de, Miriam Bunjes)
Miriam Bunjes erinnert daran, dass bei den Morden des NSU nicht nur die Ermittlungsbehörden auf der falschen Fährte waren, sondern auch die Medien: “Es gab gar nicht wenige Stimmen, die – so laut sie konnten – über einen rechtsextremen Hintergrund sprachen. Und man konnte sie hören, wenn man es wollte – ohne geheime Verfassungsschutzquellen, monatelanges Aktenstudium und ein riesiges Recherchebudget.”

4. “Wie verlässlich sind Pressefreiheits-Rankings?”
(de.ejo-online.eu, Stephan Russ-Mohl)
Medienwissenschaftler hinterfragen Rankings zur Pressefreiheit: “Mit keinem noch so ausgefeilten Fragebogen dürfte sich empirisch zweifelsfrei erheben lassen, ob in Finnland tatsächlich mehr Pressefreiheit ‘gelebt’ wird als in Österreich oder der Schweiz. Mit noch viel weniger Aussicht auf Wahrhaftigkeit lassen sich solche Rangunterschiede im letzten Drittel des Index feststellen. Aussagekraft hat indes gewiss, ob sich ein Land im ersten oder im letzten Drittel oder im Mittelfeld befindet.”

5. “Nun denn Adieu, Herr Grosse-Bley”
(edito-online.ch)
Die Zeitschrift “Edito + Klartext” schreibt an Ralph Grosse-Bley, der kürzlich als “Blick”-Chefredakteur abgetreten ist: “Wenn wir richtig gezählt haben, gab es in Ihrer Amtszeit 22 Beschwerden gegen ‘Blick’ beim Presserat, bei 12 hiess der Rat die Beschwerde gegen ‘Blick’ ganz oder teilweise gut.”

6. “‘Die Aufgabe des Journalisten ist, Geld für seinen Eigentümer zu verdienen'”
(djv.de)
Aussagen von Alexey Wolin, dem nach Protesten entlassenen stellvertretenden Minister für Kommunikation und Massenmedien in Russland.

Bild  

“Bild” muss Schmerzensgeld zahlen

Es gibt Dinge in unserem Rechtsstaat, die will “Bild” einfach nicht akzeptieren. Vor allem die Tatsache, dass selbst Mörder und Kinderschänder grundlegende Rechte haben.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Beispiel. Das spricht die “Bild”-Zeitung Menschen, die ein schweres Verbrechen begangen haben, in der Regel kurzerhand ab – und tut dann sogar so, als müsste man ihr dafür auch noch dankbar sein:

“Die Identität eines Straftäters ist grundsätzlich zu schützen”, sagt der Deutsche Presserat, der oberste Sittenwächter der Presse – und kritisiert aus diesem Grund immer wieder die BILD-Zeitung. Weil wir ganz anderer Meinung sind. Weil wir glauben, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu erfahren, wie ein Vergewaltiger, ein Kinderschänder und ein Mörder aussehen. Und wir deshalb Vergewaltiger, Kinderschänder und Mörder auch zeigen.

Aber all das ist ja nichts Neues.

Und es wird sich auch in naher Zukunft vermutlich nicht viel daran ändern. Auch deshalb, weil “Bild” in solchen Fällen – abgesehen von den Maßnahmen des Presserats, die das Blatt in der Regel sowieso ignoriert – nur selten irgendwelche Konsequenzen zu erwarten hat, erst recht keine juristischen. Denn, wie wir schon vor ein paar Jahren mal geschrieben haben, ist …

(…) die Wahrscheinlichkeit, dass sich z.B. eine junge Frau, die gerade wegen des Verdachts, ihr eigenes Baby getötet zu haben, in Untersuchungshaft sitzt, juristisch gegen die Veröffentlichung eines Fotos von ihr zur Wehr setzt, für “Bild” ebenso überschaubar, wie es die aus einem eventuellen Gerichtsprozess resultierenden Schmerzensgeldforderungen sind.

Aber auch wenn sich nur selten jemand traut oder überhaupt befähigt fühlt, in so einer Situation juristisch gegen “Bild” vorzugehen – die Erfolgschancen eines solchen Prozesses sind gar nicht mal gering. Denn vor Gericht zieht die wackelige Argumentation der “Bild”-Juristen offenbar nur wenig. Das jedenfalls zeigt ein Urteil des Landgerichts Verden, das nun rechtskräftig geworden ist.

Verurteilt wurde der Axel-Springer-Verlag wegen der “Bild”-Berichterstattung über einen Prozess, in dem eine junge Frau angeklagt war, ihr neugeborenes Baby ermordet zu haben. Sie wurde wegen Totschlags in einem minderschweren Fall verurteilt.

“Bild” hatte den Prozess von Anfang an begleitet und die Frau, eine Polizistin, schon ab dem ersten Verhandlungstag im Januar 2011 ohne jede Unkenntlichmachung gezeigt sowie Details aus ihrem Privatleben veröffentlicht. Später klagte die Frau gegen die identifizierende Berichterstattung – und bekam Recht: Dem Axel-Springer-Verlag wurde gerichtlich untersagt, ungepixelte Fotos der Frau zu verbreiten. Außerdem muss er ihr 6000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Laut einer Pressemitteilung des Landgerichts argumentierte die Frau vor Gericht, “die Berichterstattung verstoße gegen die Unschuldsvermutung, weil sie den Tatvorwurf des Mordes nie gestanden und dieser sich auch im Verlaufe des Verfahrens nicht erwiesen habe”. Der Verlag hingegen hatte unter anderem eingewendet, bei der Frau “handele es sich um eine Person der Zeitgeschichte, weil sie Polizistin gewesen sei und eine schwerwiegende, außergewöhnliche Tat begangen habe”.

Die Richter betonten, bei Gewaltverbrechen sei “in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information” über den Täter und den Tathergang erforderlich, um eine identifizierende Berichterstattung zu rechtfertigen. Grundsätzlich sei hierbei also – das fordert im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht – “eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten und der Pressefreiheit vorzunehmen”. In diesem Fall …

(…) überwiegten die berechtigten Interessen der Klägerin. Es sei schon nicht ersichtlich, dass es für die Berichterstattung auch auf die Identifizierbarkeit der Klägerin ankam. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Lichtbildes habe weder eine (erstinstanzliche) Verurteilung der Klägerin vorgelegen, noch habe diese sich in der Hauptverhandlung überhaupt schon zur Sache eingelassen.

Der Verlag ging zwar in Berufung, doch das Oberlandesgericht Celle bestätigte das Urteil des Landgerichts. Und die Kritik der dortigen Richter galt nicht nur den ungepixelten Fotos:

Der Senat beanstandet darüber hinaus die mit dem Lichtbild versehene Schlagzeile der Zeitung. Auch diese könnte bei Abwägung der Interessen zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden.

Die auf das Lichtbild aufgebrachte Schlagzeile sei “tendenziös und vorverurteilend”, die Informationen aus der Pressemitteilung des Landgerichts Verden über diesen Fall seien in einer Art umgestaltet und umformuliert worden, dass hieraus eine  “marktschreierische, sensationsheischende und vorverurteilende Überschrift” geworden sei.

“Umgestaltet” und “umformuliert” wurden die Informationen übrigens von “Bild”-Reporterin Astrid Sievert, die ihr, sagen wir: Talent darin schon mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. In der angesprochenen Pressemitteilung hatte es damals jedenfalls geheißen:

Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeklagten vor, das Kind getötet zu haben, weil sie durch die ungewollte Schwangerschaft befürchtete finanzielle Einschränkungen nicht habe hinnehmen und ihren “bis dahin geführten hohen Lebensstandard” nicht habe reduzieren wollen.

In “Bild” lautete die Überschrift dann: “Polizistin ersticht ihr Baby mit Schere …weil sie ihr schönes Leben nicht aufgeben wollte”.

Und auf Bild.de:FÜR IHR LUXUS-LEBEN! Polizistin (25) ersticht Baby mit Schere

Mit Dank an den Hinweisgeber.

taz, taz.de  

Alte Kotze, neu erbrochen

Deniz Yücel hat bei der “taz” ungefähr den Posten inne, den bei “Bild” Franz Josef Wagner, beim “Tagesspiegel” Harald Martenstein und bei der “Welt” Henryk M. Broder bekleiden: Er pfeift als Kolumnist auf Politische Korrektheit, Logik oder auch einfach nur Fakten, bricht mit Konventionen und in die Tastatur und gefällt sich als Mischung aus Wutbürger, Stammtischgänger und ADHS-Grundschüler.

Vom Deutschen Presserat bekam Yücel im Dezember eine “Missbilligung”, weil er über Thilo Sarrazin geschrieben hatte:

So etwa die oberkruden Ansichten des leider erfolgreichen Buchautors Thilo S., den man, und das nur in Klammern, auch dann eine lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur nennen darf, wenn man weiß, dass dieser infolge eines Schlaganfalls derart verunstaltet wurde und dem man nur wünschen kann, der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten.

(Das mit dem “Schlaganfall” war auch noch sachlich falsch.)

Nach der Landtagswahl in Niedersachsen schreibt Yücel heute einen Abgesang auf den vermutlich scheidenden Innenminister Uwe Schünemann, den er, wie es so seine Art ist, mit “Tschüss, Kotzbrocken!” überschrieben hat.

Yücel bezeichnet Schünemann als “beste[n], weil dümmste[n] Innenminister der westlichen Welt” und führt aus:

Ob Handyverbote für Terroristen, Bundeswehreinsätze gegen Killerspiele oder Fußfesseln für Schulschwänzer, ob Nachtischverbot für Stützeempfänger, Arbeitsdienst für Fünfjährige oder Hymnenpflicht für Blogger – keine Forderung, die zu absonderlich oder zu faschistoid gewesen wäre, als dass Schünemann im Laufe seiner zehnjährigen Amtszeit sie nicht erhoben hätte oder bei der man hätte sicher sein können, dass er sie nicht noch irgendwann erheben würde.

Wer das zweifelhafte Vergnügen hatte, Anfang Juli 2012 Yücels Kolumne über den niedersächsichen Innenminister Uwe Schünemann lesen zu müssen, könnte an dieser Stelle ein Déjà-vu erlitten haben, denn damals hatte Yücel geschrieben:

Ob Handyverbote für Terroristen, Bundeswehreinsätze gegen Killerspiele, Fußfesseln für Schulschwänzer, Knast für Fünfjährige, Nachtischverbot für Stützeempfänger – keine Forderung, die nicht zu abwegig oder autoritär wäre, als dass Schünemann sie nicht schon erhoben hätte oder sie nicht noch erheben würde.

Wenig später fährt Yücel heute fort:

“Lieber ein harter Hund als ein Warmduscher”, sagte er über sich und bekannte sich, um auch mal so etwas wie eine menschliche Seite zu zeigen, zu seiner “Leidenschaft für Gummibärchen”.

Vor einem halben Jahr klang das bei ihm so:

“Lieber ein harter Hund als ein Warmduscher”, sagt er über sich. Und um sich auch mal von einer menschlichen Seite zu zeigen, bekennt er sich auf seiner Homepage zu seiner “Leidenschaft für Gummibärchen” – und spätestens jetzt weiß man, dass die einzige Leidenschaft, zu der so einer fähig ist, der präfaschistische Furor des entfesselten Kleinbürgers ist.

Heute witzelt Yücel vor sich hin:

Doch während andere niedersächsische Politiker später Karriere machten und Bundesminister (Trittin, von der Leyen), Bundesvorsitzende (Rösler, Gabriel), Bundeskanzler (Schröder) oder Wulff (Wulff) wurden, blieb Schünemann in Niedersachsen.

Im Sommer hatte er geschrieben:

Er hadert damit, dass andere niedersächsische Politiker später Karriere machten. Sie wurden Bundesminister (Trittin), Bundeskanzler (Schröder) oder Wulff (Wulff). Nur Schünemann blieb, was er immer war. Und seit dort eine Frau Ö. oder Ü. am Kabinettstisch sitzt, ist er nicht einmal mehr der bekannteste niedersächsische Minister der Welt.

Sogar den – auf Aygül Özkan bezogenen – Umlaut-Kalauer hat er heute an anderer Stelle noch einmal aufgewärmt:

Denn der war kein Dutzendminister in der deutschen Provinz; er ist auch nicht so leicht zu ersetzen wie die andere (zumindest in Fachkreisen) halbwegs bekannte niedersächsische Ministerin, für die sich gewiss eine andere Frau Ö. oder ein Herr Ü. finden lassen wird.

Nun ist es nicht so, dass Deniz Yücel seine gesamte Kolumne aus dem Juli 2012 recycelt hätte: Ein paar Passagen hat er nicht wiederholt — vielleicht, weil er sie zuvor schon einmal wiederholt hatte.

So schrieb er vor einem halben Jahr:

Doch Schünemann genügt sein toller Job in Niedersachsen und die Freizeit, die er im Sportschützen-Club Holzminden vielleicht auch mit ein paar Betriebsräten von VW verbringt, nicht.

Also ziemlich genau das, was er schon im Januar 2006 in der “Jungle World” in einem Text über Schünemann geschrieben hatte:

Doch Uwe Schünemann (CDU) genügen sein toller Job in Niedersachsen und die Freizeit, die er im Sportschützen-Club Holzminden, vielleicht auch mit ein paar Betriebsräten von VW verbringt, nicht.

“taz”, 2012:

Vielleicht wird seiner Ehefrau Ines im Supermarkt hinterhergetuschelt: “Die Ärmste, ihr Mann ist schon bald 50 und immer noch nur Landesminister!” – “Wie sie das bloß aushält?” – “Wenn meiner immer nur so was bliebe, würde ich die Kinder nehmen und gehen.”

Darum gibt Schünemann alles, damit sich seine Frau Ines (47) und die Kinder Milena (17) und Timo (13) nicht für den Papi (sie dürften ihn alle drei so nennen) schämen müssen.

“Jungle World”, 2006:

Mög­lichweise wird im Supermarkt hinter seiner Ehefrau getuschelt: “Die Ärmste, ihr Mann ist nur Landesminister!” – “Wie sie das aushält?” – “Wenn meiner immer nur sowas bliebe, würde ich die Kinder nehmen und gehen.”

Doch Schünemann gibt alles, damit sich seine Ehefrau Ines (40) und die Kinder Timo (6) und Milena (10) für den Papa (vermutlich werden alle drei ihn so nennen) nicht schämen müssen.

So gesehen ist Deniz Yücel doch nicht der Broder oder Wagner, sondern nur der Wolfram Weimer der Linken.

Mit Dank an Michael F. und ungeruehrt.

Newtown im deutschen Onlinejournalismus

Heute vor einem Monat erschoss ein Mann in Newtown, Connecticut 27 Menschen, darunter 20 Kinder einer Grundschule.

Nach dem Amoklauf von Winnenden hatte der Deutsche Presserat im Jahr 2010 einen Leitfaden für die Berichterstattung über Amokläufe (PDF) veröffentlicht, in dem die deutschen Medien zur Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Opfer, Angehörige und Täter aufgerufen werden.

In welcher Form und in welchem Ausmaß deutsche Onlinemedien wie Bild.de, “Spiegel Online”, “Focus online”, FAZ.net oder sueddeutsche.de in der ersten Woche über die Ereignisse von Newtown berichtet haben, haben wir in einer Übersicht zusammengefasst:

  • Die deutsche Online-Berichterstattung über den Amoklauf in Newtown (PDF)

Stil, Elbphilharmonie, Volontär/in

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Stil ist… ein eingebauter narrensicherer Scheiss-Detektor”
(blog.tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
“Sobald man in einem Text alle Scheusslichkeiten und Dummheiten streicht und nur den Rest stehen lässt, so hat dieser Rest automatisch Stil”, schreibt Constantin Seibt. “Tatsächlich sind Sie ab dem Moment ein guter Schreiber, in dem Sie keinen Scheiss schreiben. Oder genauer: ihn nicht publizieren.”

2. “‘Zufrieden bin ich nicht'”
(journalist.de, Monika Lungmus)
Ein Interview mit Lutz Tillmanns, dem Geschäftsführer des Deutschen Presserats: “Verstöße stellen wir stärker beim Umgang mit den Persönlichkeitsrechten fest, die in Ziffer 8 und 9 des Pressekodex behandelt sind: Schutz des Privatlebens und der Intimsphäre von Menschen, Schutz der Ehre. Weitere Verstöße registrieren wir gegen das Trennungsgebot zwischen Redaktion und Werbung. Hier ist die Trefferquote auch höher zwischen dem, was uns die Beschwerdeführer vortragen, und dem, was auch der Presserat moniert.”

3. “Kurios: Sat.1 ließ seine Models schon mal jubeln”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Das Finale der Sat.1-Sendung “Million Dollar Shootingstar” wurde in drei Varianten aufgezeichnet, das Telefonvoting entscheidet, welche gezeigt wird. “Jede der potenziellen Gewinnerin durfte im Vorfeld schon einmal über den möglichen Gewinn jubeln – obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar war, dass sie überhaupt gewinnen würde.”

4. “Neue Maßeinheit für Großprojekte”
(netzfundbuero.de, Tom Hillenbrand)
Zur besseren Einschätzung, welches Ausmaß die Kosten von Großprojekten eingenommen haben, will Tom Hillenbrand die Maßeinheit Elbphilharmonie einführen.

5. “Was ist denn schlimm an dem Wort ‘Arzthelferin’?”
(zeit.de, Harald Martenstein)
“In der politisch korrekten Sprachverschiebung” sei inzwischen “die zweite Ebene erreicht, ähnlich wie bei der zweiten germanischen Lautverschiebung um 500 nach Christus”, glaubt Harald Martenstein zu beobachten. “Alles wird immer mehr verfeinert und verschnörkelt, wie in der Kultur des Rokoko.”

6. “Ausbildung zur/zum Volontär/in”
(facebook.com/CiceroMagazin)
Nordkurier.de bietet in einer Anzeige eine Ausbildung zum Volontär an (wurde inzwischen geändert).

Alle verrügt geworden

Die Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats tagten diese Woche in Berlin und sprachen anschließend drei öffentliche Rügen, eine nicht-öffentliche Rüge, acht Missbilligungen und 17 sogenannte Hinweise aus.

Die nicht-öffentliche Rüge erging an Bild.de für die Berichterstattung über einen Jagdunfall. Ein Jäger hatte einen Mann für ein Wildschwein gehalten und versehentlich erschossen, Bild.de zeigte bei der Berichterstattung ein Foto des Opfers, das nach Ansicht des Presserats nicht hätte gezeigt werden dürfen.

Einen schweren Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte eines Opfers sah der Beschwerdeausschuss bei der Münchener “tz” gegeben, die bei der Berichterstattung über ein Familiendrama den Vornamen, die Adresse, den Beruf und die Herkunft des Opfers genannt und sein Foto gezeigt hatte. Dafür erhielt die Zeitung eine öffentliche Rüge.

Eine solche gab es auch für die “Wetzlarer Neue Zeitung”, die nach dem Autounfall eines ehemaligen Handball-Nationalspielers fälschlicherweise berichtet hatte, dieser sei zu Tode gekommen. Am Tag danach berichtigte sie sich und erklärte, der Mann habe den Unfall überlebt, aber schwere Hirnverletzungen erlitten. Auch das war allerdings falsch. Der Presserat sah darin einen schweren Verstoß gegen die Ziffer 2 des Pressekodex, die Journalisten auffordert, Informationen sorgfältig auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Schließlich gab es auch noch eine öffentliche Rüge gegen die Online-Ausgabe des “Münchner Merkur”, die in ihrer Rubrik “Outdoorteil der Woche” positiv über eine Stirnlampe berichtet und dabei Preis und Website des Herstellers genannt hatte. Der Beschwerdeausschuss sah die Grenze zur Schleichwerbung überschritten, da “ohne erkennbare redaktionelle Begründung eine einzelne Lampe aus einer Palette ähnlicher Produkte hervorgehoben wurde”.

In seiner Pressemitteilung erwähnt der Presserat auch einen Text von Deniz Yücel auf taz.de, zu der 25 Beschwerden eingegangen waren. In seiner Kolumne “Besser” hatte Yücel unter der Überschrift “Der Ausländerschutzbeauftragte” über einen Mann namens “Thilo S.” geschrieben: “[…] dem man nur wünschen kann, der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten.” Der Beschwerdeausschuss hielt es “für unvereinbar mit der Menschenwürde, jemandem eine schwere Krankheit oder Schlimmeres zu wünschen” und sprach eine “Missbilligung” aus.

Ja, bloß eine “Missbilligung”, keine “Rüge” (s. Kasten). Und damit kommen wir zu den Mediendiensten, die über die neuesten Entscheidungen des Presserates berichteten:

"Bild.de" und "taz.de" handeln sich Rügen ein

dwdl.de titelt zwar fälschlicherweise von einer “Rüge” für taz.de, bekommt es im Artikel selbst aber richtig hin und schreibt dort von einer “Missbilligung”.

Presserat: Rügen für taz.de und Bild.de

meedia.de war bei der Aufbereitung richtig glücklos und spricht in Überschrift und Text von einer “Rüge”.

Mit Dank an Florian G.

Nachtrag, 16.15 Uhr: “Meedia” hat seine Überschrift in “Presserat: Rügen für Bild.de und TZ” geändert und den Artikel überarbeitet:

Anmerkung:
In einer früheren Version dieses Textes stand fälschlicherweise, dass die taz eine Rüge kassiert hätte. Das war falsch und wurde korrigiert.

dwdl.de spricht in der Überschrift (und im Vorspann, wie uns erst jetzt aufgefallen ist) immer noch von einer “Rüge” für taz.de.

2. Nachtrag, 17.10 Uhr: Jetzt lautet die Überschrift bei dwdl.de “Presserat nimmt sich u.a. ‘Bild.de’ und ‘taz.de’ vor” und auch im Vorspann ist jetzt von der “Missbilligung” die Rede.

Brennende Phantasie

Am vergangenen Mittwoch hat sich ein Mann in einem Kölner Supermarkt mit Benzin übergossen und selbst angezündet. Er wurde lebensgefährlich verletzt.

Viele Medien berichten seitdem über den Fall. Vermutlich sind es die besonderen Begleitumständen der Tat – insbesondere die Tatsache, dass der Mann auch andere Menschen in Gefahr gebracht hat –, die aus Sicht der Journalisten eine Berichterstattung rechtfertigen.

Einige Medien hielten sich dabei sogar (mehr oder weniger) an das, was der Presserat und Psychologen seit Jahren immer wieder fordern, nämlich zurückhaltend über (versuchte) Suizide zu berichten.

“Bild” gehörte nicht dazu.

Die Zeitung schilderte nicht nur sämtliche Details der Tat, sondern zeigte auch ein nicht unkenntlich gemachtes Foto des Mannes beim Kauf des Benzins. Dazu werden im Text sein Vorname sowie weitere Einzelheiten aus seinem Privatleben genannt.

Und dann war da noch das:

Mann zündet sich in Supermarkt an

So sah die Seite drei der “Bild”-Bundesausgabe vom letzten Freitag aus.

Und so die Startseite von Bild.de:

Mann zündet sich in Supermarkt an

Warum tut sich das ein Mensch an?

Bei “Bild” ist das eine gängige Masche, vor allem bei tödlichen Unfällen, Morden und anderen brutalen Geschichten: Wenn die Redakteure schon kein grausames Foto auftreiben können, lassen sie eben eine grausame Zeichnung anfertigen.

All denjenigen, die sich nicht vorstellen können, wie eine Kinderleiche oder ein brennender Mann aussehen, hilft “Bild” also nach. Ob sie wollen oder nicht.

Mit Dank auch an David und Afra.

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