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Chemnitz im Würgegriff, Verpanschte Sprachkritik, Youtubes Werberausch

1. +++ »Nazis werden Tag als Sieg verbuchen« +++
(neues-deutschland.de, Sebastian Bähr & Robert D. Meyer)
In Chemnitz marschierten Tausende gewaltbereiter Hooligans und Rechtsradikale auf. Ein gefährliches Pflaster auch für erfahrene Journalisten, die sich teilweise akut gefährdet sahen und den Rückzug antraten. Sebastian Bähr war vor Ort und hat das Geschehen protokolliert.
Weitere Lesehinweise: Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach stört sich an der Erzählweise von den “rechten und linken Demonstranten”. Auf seinem Blog schreibt er: “Es ist nicht links, gegen Nazis zu sein und aufzustehen, wenn sie marschieren oder rennen. Es ist normal.”
Thomas Laschyk kommentiert beim “Volksverpetzer”: “Durch selektive Wahrnehmung, Bots und Fake-Accounts und Fake News wurde in den letzten Jahren der Grundstein für den Faschismus gelegt. 2015 wurde zur Dolchstoßlegende des 21. Jahrhunderts konstruiert. Ein austauschbarer Anlass wurde genutzt, um die Früchte des Hasses zu ernten und auf die Straße zu tragen. Und jetzt, wird in Chemnitz auf der Straße ausgetestet, ob sich der Faschismus auch da draußen halten kann.”

2. Die Fabrikantin
(sueddeutsche.de, David Denk)
Wenn ihren Namen auch nur Insider kennen: Ute Biernat ist so etwas wie die Frontfrau der deutschen Fernsehunterhaltung. Die 58-Jährige ist Geschäftsführerin der Showsparte des Produktionsriesen Ufa und verantwortet dort Formate wie “Bauer sucht Frau” und “DSDS”. Anlässlich des aktuell bei Sky anlaufenden “X-Factor” hat David Denk die Schnellarbeiterin und Spezialistin für leicht verderbliche TV-Ware porträtiert.

3. Sprachkritik am DFB: Verband distanziert sich von eigenem Sponsor
(stefan-fries.com)
Der “Verein Deutsche Sprache” verleiht jedes Jahr einen Negativpreis. Dieses Jahr ging die Auszeichnung “Sprachpanscher des Jahres” an den Deutschen Fußballbund (DFB). Stein des Anstoßes: Das Motto “Best never rest”, das man mit dem DFB in Zusammenhang gebracht hatte. Der Sportverband reagierte verschnupft, denn das Motto stamme nicht vom DFB, sondern von DFB-Sponsor Mercedes. Stefan Fries kommentiert den in mehrfacher Hinsicht unglücklichen Vorgang: “Es ist schon eine bemerkenswerte Übung in Kritikfähigkeit, die der DFB hier zeigt. Da geht praktisch komplett unter, dass der Verein Deutsche Sprache den Urheber des Slogans tatsächlich falsch ausgemacht hat. Er müsste sich an Mercedes richten. Dass der DFB aber nun plötzlich nichts mehr damit zu tun haben will, wie er hier behauptet, ist von einer interessanten Verantwortungslosigkeit.”

4. „Wir geben nicht auf!“
(message-online.com, Mirjam Bittner & Pia Seitler)
Der französische Journalist Laurent Richard gründete das Netzwerk “forbidden stories”, das die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten weiterverfolgen will, die sich bedroht fühlen oder bereits getötet wurden — wie die bekannte Journalistin Daphne Caruana Galizia, die auf Malta einer Autobombe zum Opfer fiel. Das sogenannte Daphne-Projekt war das erste Projekt von “forbidden stories”: Journalisten von 18 Medienorganisationen aus 15 Ländern recherchierten gemeinsam, um die Arbeit der ermordeten Kollegin weiterzuführen.

5. Youtube: Nicht überspringbare Werbung wird ausgeweitet
(t3n.de)
Bei Youtube wird’s für die Zuschauer ungemütlicher: Das Videoportal weitet seine nicht überspringbare Werbung aus. Das hat natürlich einen handfesten wirtschaftlichen Hintergrund: Man will die Werbeerlöse steigern, aber auch Nutzer für die werbefreien Abo-Modelle Youtube Music und Youtube Premium gewinnen.

6. Die Buchgestalterin und Schriftstellerin Roswitha Quadflieg
(deutschlandfunk.de, Audio, 90 Minuten)
“Die unendliche Geschichte” von Michael Ende kennen Millionen: Das 1979 im Thienemanns Verlag erschienene Buch hat eine ganze Generation von Lesern und Leserinnen geprägt. Gestaltet wurde es von der Schriftstellerin und Diplom-Designerin Roswitha Quadflieg, die seinerzeit kein Pauschalhonorar, sondern einen Anteil von zwei Prozent vereinbart hatte. (Was eine ziemlich gute Entscheidung war, um es zurückhaltend zu formulieren.) Im “Deutschlandfunk” spricht sie über diese Episode, aber auch ihre weiteren schriftstellerischen Projekte.

Jan Ullrich und die Vielleicht-Journalisten

Wenn man bei “Zeit Online” nach “Jan Ullrich” sucht, findet man aus den vergangenen Wochen vier Beiträge.

Wenn man bei Stern.de sucht, findet man vierundfünfzig.

[Collage mit etwa zwei Dutzend Überschriften von Stern.de]

Als Ullrich nach seinem Ausraster auf Til Schweigers Grundstück erklärte, dass er nun eine Therapie machen wolle, erschien bei Stern.de:

Jan Ullrich - Nach dem Absturz will er eine Therapie machen

Und ein paar Stunden später:

Früherer Radprofi Jan Ullrich will nach Vorfall auf Mallorca Therapie machen

Und ein paar Stunden später:

Für seine Kinder: Jan Ullrich will eine Therapie machen

Als Ullrich ein paar Tage darauf nach einem mutmaßlichen Angriff auf eine Escort-Dame in Frankfurt festgenommen wurde, erschien bei Stern.de:

Jan Ullrich - Er wurde am Morgen in Frankfurt festgenommen

Und ein paar Stunden später:

Jan Ullrich in Frankfurter Luxus-Hotel festgenommen

Und ein paar Stunden später:

Ex-Radprofi Jan Ullrich in Frankfurt festgenommen

Und ein paar Stunden später:

Ex-Radprofi Jan Ullrich in Frankfurt festgenommen

In den Beiträgen (die von verschiedenen Agenturen stammen) steht zwar überall das gleiche, aber hey, mehr Artikel bedeuten schließlich: mehr Klicks.

Und viel mehr Artikel bedeuten viel mehr Klicks. Das weiß niemand besser als das Team von “Focus Online”. Ganze 65 Artikel hat das Portal in den zweieinhalb Jan-Ullrich-Skandal-Wochen veröffentlicht — fast doppelt so viele wie “Zeit Online” (4), “Spiegel Online” (12) und FAZ.net (19) zusammen. Und sogar deutlich mehr als Bild.de (43).

Denn “Focus Online” veröffentlicht nicht nur endlos Agenturmaterial, sondern auch Beiträge von anderen Medien. Zum Beispiel:

Dieser Inhalt wird bereitgestellt von Mallorca Magazin: Mit Bettlaken verhüllt und in Handschellen - Hier wird Jan Ullrich auf Mallorca zum Haftrichter gebracht

Von “GQ” nacherzählte Witze des “Postillon” nochmal recyceln. “Focus Online” weiß eben, wie man mit minimalem Aufwand maximale Klicks einfährt.

Aber: Hin und wieder macht die Redaktion tatsächlich mal was selbst.

Gefallener Radsport-Star - Hier wurde Jan Ullrich festgenommen: Meine Nacht im Frankfurter Luxus-Hotel - Erst Polizeigewahrsam auf Mallorca nach einer Rangelei auf dem Grundstück seines Villa-Nachbarn Till Schweiger, dann Zwangseinweisung in eine Psychiatrie, nachdem er eine Escort-Dame in einem Frankfurter Luxus-Hotel gewürgt haben soll: Die Ausfälle des gefallenen Radsport-Stars Jan Ullrich nehmen kein Ende. FOCUS-Online-Reporter Ulf Lüdeke hat eine Nacht später im selben Hotel übernachtet.

Da schläft also ein Reporter von “Focus Online” eine Nacht später im selben Hotel, und was passiert? Nix.

Wen man im Hotel zum Vorfall fragt, erklärt freundlich, nichts zu wissen.

Auch am Bar-Tresen, wo man normalerweise viel über das Leben in einem Hotel erfährt, halten sich die Angestellten bedeckt zu den Vorgängen der letzten Nacht.

Was macht der Reporter also? Setzt sich bis nachts an die Bar.

1.30 Uhr, Freitagnacht: Der allerletzte Gast ist aus der Bar verschwunden. Das Klirren der letzten Gläser, die vom Tisch geräumt werden, läutet den Feierabend für die Nachtschicht am Tresen ein. Der Fahrstuhl kommt so geräuschlos, wie der dichte Teppich jeden Schritt im Haus schluckt.

Aber damit “Focus Online” die “bis zu 6000 Euro”, die hier pro Nacht fällig werden, nicht völlig umsonst ausgegeben hat, schreibt er noch schnell:

Mein Deluxe-Zimmer ist hell und freundlich. 35 Quadratmeter Wohlfühlzone mit Sitzecke und schwerem Holzschreibtisch, ein elegantes Milchglasfenster lässt Licht in das riesige Badezimmer fallen.

Die Matratze vom Doppelbett ist dick und solide. Vielleicht war es genau dieses Bett, auf das sich Ullrich sich mit der Escort-Dame legte?

Vielleicht!

Und vielleicht darf sich der Reporter ja bald über ein Jobangebot der “FAZ” freuen, denn auch für die ist am wichtigsten, dass sie Zeilen gefüllt bekommt. Was drinsteht, ist wumpe:

Tweet von @hauckundbauer - Für Qualitätsjournalisten ist es z. Zt. nicht ganz leicht, den für die Jan-Ullrich-Berichterstattung vorgesehenen Platz auch vollzukriegen. Dazu ein Zeitungsausriss der FAZ: ... für eine Inhaftierung lägen nicht vor. Ullrichs Anwälte äußerten sich zunächst nicht zu dem Vorfall. Überhaupt ist am Freitag von der Aufregung nichts mehr zu erahnen. Kaum vorstellbar, dass hier in dem Fünf-Sterne-Hotel an der Kennedyallee vor ein paar Stunden noch viel los war. Nun herrscht wieder Ruhe. Wochenend-Gäste checken ein, die Concierges nehmen ihnen die Koffer ab. Im Innenhof schützen Schirmae und ein Baum zwei Gruppen vor der Sonne. Ein Springprunnern plätschert, Wind fährt durch das Blumenbeet. Die einen trinken Kaffee, zwei Asiatinnen essen zu Mittag. Ihr Hund wedelt mit dem Schwanz - ermöchte auch etwas abhaben.

In welchem Ausmaß deutsche Onlinemedien sonst noch über Jan Ullrich berichtet haben, haben wir in dieser Übersicht (PDF, mit Links zu den jeweiligen Artikeln) zusammengestellt:

Dazu auch:

Bild  

Die Gedanken sind frei, nur bei Julian Reichelt sind sie strafbar

Manchmal ist “Bild”-Chef Julian Reichelt auch zuvorkommend. Denn eigentlich hätten wir zu seinem besorgniserregenden Tweet von gestern Abend erstmal den passenden Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch raussuchen müssen, um ihm die Falschheit seiner Überlegungen zeigen zu können. Reichelt war aber so freundlich, diesen Paragrafen, der ihm widerspricht, als vermeintliches Argument selbst mitzuliefern:

Screenshot eines Tweets von Bild-Chef Julian Reichelt - Es ist besorgniserregend, wie verbreitet die Lesart ist, terroristische Planspiele (oder Träume von Gefährdern in der Diktion der FAS) wären erlaubt und vom deutschen Rechtsstaat geschützt. Dazu ein Link zu Paragraf 89a Strafgesetzbuch

Natürlich sind “‘Träume’ von Gefährdern” vom deutschen Rechtsstaat geschützt, wie Träume jeder anderen Person vom deutschen Rechtsstaat geschützt sind. Das zeigt auch Paragraf 89a des Strafgesetzbuchs, den Reichelt in seinem Tweet verlinkt und der ziemlich klar regelt, wann es sich um eine strafbare “Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat” handelt. In Absatz 2 steht dazu:

Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er

1. eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,

2. Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder

3. Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.

Das Träumen von einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat wird in dem Paragrafen, den Julian Reichelt zum Beweis der Strafbarkeit vom Träumen von einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat anführt, nicht erwähnt.

Nach der Reicheltschen Selbstwiderlegung bleiben noch die “terroristischen Planspiele”, von denen er schreibt. Diesen Ausdruck hat allerdings nicht eine andere Person in die Debatte eingebracht, sondern Reichelt selbst.

Harald Staun schrieb in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” mit Bezug auf einen Reichelt-Text, der am vergangenen Freitag in “Bild” erschienen ist:

Besonders schlimm aber findet Reichelt das bekannte Dilemma, dass der Rechtsstaat auch jene schützt, die ihn verachten, solange sie nicht gegen die Gesetze verstoßen. Er schützt auch jene Menschen, die “das Bier in der Kneipe und die Bikinis an den Stränden” verachten, seien es Weintrinker, Kulturtouristen oder Islamisten. Und er verbietet nicht einmal, davon zu träumen, Busse, Bahnen oder Verlagshäuser in die Luft zu sprengen. Doch einen Rechtsstaat, der nicht schon böse Absichten bestraft, würde Reichelt gerne abschaffen

Reichelt ärgerte sich bei Twitter über Stauns Text und wandelte dabei innerhalb von zwei Sätzen das Träumen in “Planspiele” um:

Screenshot eines Tweets von Bild-Chef Julian Reichelt - Die FAS würdigt heute die Freiheit von Gefährdern, davon zu träumen, Verlagshäuser in die Luft zu sprengen. Ich glaube nicht, dass terroristische Planspiele von Gefährdern vom Rechtsstaat geschützt sind.

Nur haben Harald Staun und die “FAS” nie von “Planspielen” gesprochen — diese Umdeutung stammt allein von Julian Reichelt.

In den Antworten auf seinen Tweet von gestern versuchen andere Twitter-Nutzer, Julian Reichelt zu erklären, was bei seinen Überlegungen alles schiefläuft. Aber ob ihn überhaupt interessiert, was für einen Unsinn er verzapft?

Bild.de versetzt Tochter an Tatort

In Offenburg soll gestern ein Mann einen Arzt in dessen Praxis mit einem Messer erstochen haben. Bei Bild.de erzählten sie auf der Startseite diese falsche Geschichte dazu:

Screenshot Bild.de - 26-Jähriger tötet Hausarzt mit Messer - Tochter (10) war dabei, als ihr Vater in der Praxis starb

Der vermeintliche Umstand, dass die Tochter vor Ort gewesen ist, macht den ohnehin schon dramatischen Fall noch dramatischer. Das findet auch Bild.de-Autorin Stephanie Keber:

Am Donnerstagmorgen stürmte ein Mann (26) in eine Hausarztpraxis in Offenburg (Baden-Württemberg), tötete einen Mediziner und dessen Assistentin mit einem Messer. Schrecklich: Die Tochter (10) des Arztes war dabei, als ihr Vater in den Räumen der Praxis starb.

Dass auch die Assistentin getötet wurde, stimmt nicht — sie wurde verletzt und musste ins Krankenhaus. Diese Stelle hat Bild.de inzwischen korrigiert.

Doch zurück zu der Tochter. Dass die ebenfalls in der Praxis gewesen sein soll, berichteten auch anderen Medien. Darunter “Focus Online”:

Screenshot Focus Online - Sie rief noch Papa! Mann ersticht Arzt in Offenburger Praxis - zehnjährige Tochter sieht Drama mit an

HNA.de:

Screenshot HNA.de - Angriff ohne Vorwarnung - Messerattacke in Offenburg: Arzt vor seiner Tochter (10) getötet - Haftbefehl erlassen

Merkur.de:

Screenshot Merkur.de - Messerattacke in Offenburg: Arzt vor seiner Tochter (10) getötet - Haftbefehl erlassen

Sie alle beziehen sich dabei auf die “Bild”-Medien.

Da der mutmaßliche Täter aus dem Ausland stammt, interessiert sich auch die AfD für den Fall. Ein Landtagsabgeordneter der Partei startete noch gestern einen Demo-Aufruf, unter anderem mit der Behauptung:

Anlass ist der feige Mord […] an einem deutschen Arzt vor den Augen seiner 10-jährigen Tochter

Woher die Partei die Information mit der Tochter hat, wird nicht direkt klar. Da aber nur Bild.de und die von Bild.de abschreibenden Redaktionen dieses Detail erwähnten, dürfte auch die AfD es von dort haben.

Das Portal “Baden online” berichtet heute* von der Pressekonferenz der zuständigen Staatsanwaltschaft. Dort ging es auch um die angebliche Anwesenheit der Tochter:

Entgegen diverser Berichte hat die Staatsanwaltschaft keine Hinweise darauf, dass sich Familienangehörige während der Tat in der Praxis aufgehalten haben, sagte [Staatsanwaltschaftsleiter] Schäfer. Unter anderem die AfD Ortenau behauptet auf einem Flyer, dass der Arzt vor den Augen seiner Tochter getötet worden sein soll. Das war den Ermittlern zufolge nicht so.

Mit Dank an Fabian für den Hinweis!

*Nachtrag, 18. August: “Baden online” hat den verlinkten Beitrag in der Zwischenzeit überarbeitet. Daher findet man die oben zitierte Passage nicht mehr in dem Artikel. Stattdessen heißt es dort nun:

Falsch waren Medienberichte und Kommentare in den sozialen Medien, denen zufolge die zehnjährige Tochter des Hausarztes die Tat beobachtet haben soll. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tat unter den Augen eines Angehörigen stattgefunden habe, betonte Schäfer. Tatsächlich scheint sich das Kind aber in unmittelbarer Nähe des Tatorts befunden zu haben.

Wer im “Bild”-Haus sitzt, sollte nicht mit Shitstorms werfen

“Wir haben alle in den letzten Jahren etwas zu oft und auch zu dankbar über Shitstorms berichtet”, erklärte Julian Reichelt am 28. Dezember 2016 — und verkündete darum groß:

Screenshot Bild.de - Warum Bild 2017 den Shitstorm abschafft

Wenn wir nach dem Begriff Shitstorm bei BILD suchen, zeigt die Google-Suche mehr als 2500 Treffer: Die Links führen zu Artikeln mit Zeilen wie “Neid Shitstorm bei ‘Das ProSieben Auswärtsspiel'” oder “Mindestlohn-Tweet löst Shitstorm aus.”

Zwei von vielen Beispielen, bei denen wir uns selbstkritisch fragen: Sind eine Handvoll negativer Kommentare immer gleich ein Shitstorm? Wir finden: Nein!

Deshalb schafft BILD den Begriff Shitstorm im Jahr 2017 ab.

Und weil “Bild” ein Ehrenblatt ist, das zu seinem Wort steht, hat die Redaktion den Begriff seitdem auch nie wieder ben…

Der Shitstorm lies nicht lange auf sich warten (sic!)

(30. Dezember 2016)

Shitstorm gegen Lidl in Tschechien

(6. Januar 2017)

Shitstorm nach dem Bikini-Einsatz

(7. Januar 2017)

Die Folge: ein böser Shitstorm auf Calhanoglus Facebook-Seite.

(3. Februar 2017)

Die Jugendgruppe der AfD löste daraufhin bei Facebook einen Shitstorm gegen den OB aus

(4. Februar 2017)

(…) einen regelrechten „Pack die Brüste ein“-Shitstorm löste sie damit aus.

(10. Februar 2017)

NOCH hat Katy Perry nicht auf den Shitstorm reagiert.

(14. Februar 2017)

Ihre peinlichen Momente auf der Bühne entfachten prompt einen Shitstorm auf Twitter.

(5. März 2017)

Hollywood-Promis wie Colin Farrell (40) und Nicole Kidman (49) schüttelten im Publikum nur die Köpfe, auf Twitter entfachte ein Shitstorm.

(5. März 2017)

Shitstorm wegen dieses Busen-Bilds!

(7. März 2017)

Bodybuilderin kassiert Shitstorm

(16. März 2017)

Nach Shitstorm gegen Klaus Burgers Biber-Delikatessen

(1.April 2017)

Im Internet erntete United umgehend einen enormen Shitstorm.

(11. April 2017)

Der Sender reagierte damit auf den mächtigen Shitstorm, der nach Alphonsos überraschendem Ausscheiden im Internet losbrach.

(15. April 2017)

Dafür kassierte das Freilichtmuseum einen Shitstorm.

(21. April 2017)

Jetzt steht Van der Bellen in einem Shitstorm der Empörung

(28. April 2017)

Der Münchner Homeshopping-Sender ist nach dem ersten Auftritt von Alexander „Honey“ Keen (34) in einen schweren Shitstorm geraten.

(2. Mai 2017)

Auf die Twitter-Nutzerin, die Madison beschimpft hat, ging ein Shitstorm los.

(4. Mai 2017)

Das gab sogar einen kleinen Shitstorm bei ihren 61 000 Instagram-Fans.

(12. Mai 2017)

Auch wenn es im Internet mal wieder einen Shitstorm gibt, perlt das an ihr ab

(17. Mai 2017)

Die Folge: ein Shitstorm gegen den Bücher-Discounter.

(21. Mai 2017)

Ein unglaublicher Shitstorm unter dem Hashtag #donutgate kam über die Sängerin

(23. Mai 2017)

Im Netz brach ein Shitstorm aus.

(18. Juni 2017)

Auf Instagram löste diese Werbung einen Shitstorm aus.

(30. Juni 2017)

Vox hatte dafür einen Shitstorm erlebt.

(27. Juli 2017)

Was folgt, ist ein heftiger Shitstorm für den Star von Real Madrid.

(4. September 2017)

Über Meghan ergoss sich so mancher Shitstorm

(5. September 2017)

Panthers-Quarterback Cam Newton (28) antwortet auf den Sexismus-Shitstorm unter der Woche mit einer Gala-Vorstellung

(9. Oktober 2017)

Doch in den sozialen Netzwerken kam es zu einem richtigen „Shitstorm“.

(9. Oktober 2017)

In den sozialen Netzwerken setzte sofort der vorhersehbare Shitstorm ein.

(23. Oktober 2017)

Der Käse-Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten!

(30. Oktober 2017)

Luther erlebt auch einen Shitstorm

(30. Oktober 2017)

Prompt brach ein Shitstorm der „Trump-Trolle” in den sozialen Medien gegen ihn los.

(7. November 2017)

Der Shitstorm ist noch lange nicht zu Ende!

(28. November 2017)

Kurz vor ihrem Tod hatte die gebürtige Polin einen Shitstorm ausgelöst

(8. Dezember 2017)

Folge: Shitstorm!

(19. Dezember 2017)

Auf den Ikea-Facebook-Seiten in Schweden und Dänemark ist inzwischen ein Shitstorm ausgebrochen.

(22. Dezember 2017)

Der Shitstorm, der sich in England daraufhin über die geborene Baronin von Reibnitz ergoss, war gewaltig.

(27. Dezember 2017)

Er hat einen Shitstorm dafür geerntet, und das fand er gut.

(30. Dezember 2017)

Nach einem Shit-Storm gegen ihn, entschuldigte er sich öffentlich

(2. Januar 2018)

Das ging nach hinten los. Shitstorm.

(30. Januar 2018)

Shitstorm auf Facebook gegen den Nürnberger Sender Hitradio N1.

(1. Februar 2018)

Hat sie der Shitstorm, der über sie hereinbrach, zu sehr mitgenommen?

(1. Februar 2018)

Shitstorm gegen die „Zeit“

(2. Februar 2018)

Das Pöbel-Playmate erlebte einen Shitstorm

(6. Februar 2018)

Justin Bieber bekommt Shitstorm ab

(7. Februar 2018)

Ein gigantischer Shitstorm hat sich entladen über der SPD

(9. Februar 2018)

Tor gegen den Trainer-Shitstorm

(12. Februar 2018)

Auf Twitter tobt ein Shitstorm, Fans sind empört.

(14. Februar 2018)

Mutter erntet Shitstorm wegen Still-Videos

(19. Februar 2018)

Fieser Fuß-Shitstorm

(25. Februar 2018)

Als Fia-Präsident Jean Todt auf Twitter Fotos aller zehn Wagen postet und dazu schreibt „Viel Erfolg all diesen wunderbaren neuen Autos“, erntet er einen heftigen Shitstorm

(26. Februar 2018)

Und auf den Wirt geht ein Shitstorm nieder.

(12. April 2018)

Am Freitag hatte es nach dem Bekanntwerden seines Wechsels noch einen Shitstorm („Schäm dich!“, „sofortige Freistellung“) in den sozialen Netzwerken gegeben.

(14. April 2018)

Das Unternehmen kämpft derzeit wegen eines Postings – untertitelt mit den Worten „Unsere Osterhöschen“ – gegen einen Shitstorm.

(20. April 2018)

Die Folge: ein Shitstorm von frustrierten Fans im Netz!

(25. April 2018)

DJ Khaled erntet Shitstorm nach Machospruch

(7. Mai 2018)

Folge: ein Shitstorm auf Facebook.

(17. Mai 2018)

Im Internet tobte derweil ein Shitstorm.

(23. Mai 2018)

Als sie ein Treffen mit einem Imam verweigerte, der Frauen nicht die Hand gibt, ging ein rot-grüner Shitstorm auf sie nieder.

(7. Juni 2018)

Comedian Ricky Gervais tritt Shitstorm gegen Giraffen-Killerin los

(23. Juni 2018)

Entnervt vom Shitstorm nahm er das Video von seinem Instagram-Account.

(10. Juli 2018)

Das Gay Center Rom veröffentlichte das Foto der Rechnung am Donnerstag und trat damit einen Shitstorm gegen das Restaurant los.

(21. Juli 2018)

Aber da war es natürlich schon zu spät, das unerbittliche Internet hatte längst zum Shitstorm angesetzt.

(27. Juli 2018)

Das Ende der RTL2-News, Tiefer Fall, Das Arschgeweih des ZDF

1. Die letzten bunten Wochen
(sueddeutsche.de, Jan Schwenkenbecher)
Die 15-minütige Nachrichtensendung RTL2-News galt beim Sender lange Zeit als das Nachrichtenkonzept der Zukunft. Damit ist es nun vorbei: Das Berliner Studio wird aufgelöst, den mehr als 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde gekündigt. In einem Berliner Biergarten haben einige von ihnen ihre Sicht der Dinge erzählt, die sie aus Angst um ihre Abfindungen bisher für sich behalten haben. Der Sender sei hochprofitabel, die Sendung intern stets gelobt worden. Warum es trotzdem zum Aus gekommen ist? Die Biergarten-Runde tippt auf das Profitinteresse der Gesellschafter.

2. Ulle from the block
(taz.de, Anne Fromm)
Anne Fromm beschäftigt sich mit der Medienhetze des Boulevards gegen den Ex-Radprofi Jan Ullrich: “Ullrichs Geschichte ist nicht nur “der tiefe Fall” eines Ex-Sportlers, es ist vor allem der tiefe Fall des Sommerlochs.”

3. Osnabrücker Student aus China ausgewiesen
(ndr.de)
Der 24-jährige Journalismus-Student David Missal ist aus China ausgewiesen worden. Missal geht davon aus, dass die Ausweisung mit seiner Arbeit über die Verfolgung von Menschenrechtsanwälten in China zusammenhängt.

4. Geschäftsmodell – Leben zerstören
(spiegel.de, Christian Stöcker)
Der ultrarechte Online-Verschwörungstheoretiker und “Infowars”-Betreiber Alex Jones hat eine schlechte Woche hinter sich: Apple, YouTube, Pinterest, LinkedIn und Spotify schmissen ihn bzw. einige seiner Inhalte von ihren Plattformen: “Die augenscheinlich konzertierte Aktion aller großen Plattformen außer Twitter gegen Jones könnte ein Wendepunkt sein: Vielleicht ist man im Silicon Valley jetzt doch zu dem Schluss gekommen, dass man nicht Leuten beim Geschäftemachen helfen sollte, zu deren Geschäftsmodell es gehört, das Leben anderer Menschen mit Lügen zu zerstören.”

5. “Zur Medienkompetenz gehört, nicht immer online zu sein”
(golem.de, Tobias Költzsch/dpa)
Was in Frankreich schon gilt, fordert nun auch die Landesmedienanstalt Niedersachsen: Ein verpflichtendes Smartphone-Verbot an Schulen. Das in Frankreich jüngst beschlossene Gesetz verbietet grundsätzlich das Nutzen von Mobiltelefonen in allen Vor- und Grundschulen sowie in der Sekundarstufe I.

6. Am Arsch
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Der ZDF-“Fernsehgarten” könnte die Kultsendung der Gegner des gebührenfinanzierten Fernsehens werden: In der vergangenen Ausgabe des Fremdschäm-Klassikers haben sich Zuschauer und Gäste ein Arschgeweih mit “Fernsehgarten”-Logo aufsprühen lassen. Unter Aufsicht der hyperventilierenden Moderatorin Andrea Kiewel und der Sängerin Jasmin “Blümchen” Wagner.

“Bild”-Brückenbauer von #aufstehen zum Nationalsozialismus

Die Friedensbewegung. Die Anti-Atomkraft-Bewegung. Die Bewegung Podemos in Spanien. Die Lesbenbewegung. Die Bewegung Occupy Wall Street. Die Tierrechtsbewegung. Emmanuel Macrons En Marche in Frankreich. Die Schwulenbewegung. Die Bürgerrechtsbewegung in den USA. Die Frauenbewegung. Die Arbeiterbewegung. Die Bewegung Pulse of Europe.

Und? Denkt hier jetzt auch gerade jeder an die Nazis unter Adolf Hitler?

Vermutlich nicht. Einer aber schon: Michael Wolffsohn. Der ist Historiker, darf öfter mal in “Bild” schreiben und äußert sich derzeit in den “Bild”-Medien (bei Bild.de hinter der Bezahlschranke) zur neuen Bewegung #aufstehen von und mit Sahra Wagenknecht:

Screenshot Bild.de - Sahra Wagenknecht - Wie rechts ist ihre linke Bewegung?

Wolffsohn weiter: “Wenn ich ‘BEWEGUNG’ höre, klingeln bei mir alle Alarmglocken. Die Nazis legten seinerzeit auch Wert darauf, keine herkömmliche Partei zu sein, sondern ‘Bewegung’. Wissen das Wagenknecht und ihre Mit- plus Nachläufer nicht? Wollen sie ganz bewusst und scheinbar unverfänglich solche Gedankenverbindungen herstellen? Wollen sie damit signalisieren, dass sie die bessere AfD wären? Also eine Partei der “Kleinen Leute”. “Sozial. Und natürlich (siehe “Bewegung”) national. Also national-sozial.

Da sich Frau Wagenknecht als Sozialistin bezeichnet, bewirkt das phrasenhafte Mischmasch des Internetauftritts auch ohne Gedankenkrücken wohl nicht zufällig Gedankenbrücken zum Begriff “National-Sozialismus” oder gar Nationalsozialismus. Davon hatten Deutschland und die Welt genug. Selbst ohne Krieg und Holocaust nie wieder das!

Manche Website-Akteure dienen wissentlich oder nicht der “Bewegung” als Tarnmittel: Die Journalistin Nada “mit syrischen Wurzeln”. Oder der farbige DJ René. Pastor Kurt sorgt für “Christlichkeit”, wobei daran erinnert sein (sic), dass vor allem die Evangelische Kirche alles andere als ns-immun war.”

Irgendwo unterwegs muss der Bild.de-Redaktion ein abschließendes Anführungszeichen verloren gegangen sein. Daher ist nich so ganz klar, was alles direktes Zitat von Michael Wolffsohn ist und was paraphrasiert.

Aber auch so kann man sich fragen: Wie bitte? Wolffsohn baut seine “Gedankenbrücken” von #aufstehen in Richtung “national-sozial”, “‘National-Sozialismus'” und “Nationalsozialismus” komplett auf dem Umkehrkurzschluss Nazis = Bewegung, Bewegung = Nationalsozialismus auf. Es gibt ganz gewiss ernstzunehmende Kritik an Wagenknechts Bewegung. Wolffsohns Argumentation aber ist selbst für “Bild”-Verhältnisse bemerkenswert gaga.

Wie ist das denn beispielsweise mit der spanischen Bewegung Podemos? Ebenfalls “national-sozial”, “‘Nationalsozialismus'”, “Nationalsozialismus”? Und Macrons En Marche? Und die ganzen anderen genannten gesellschaftlichen Bewegungen, die sich selbst als Bewegungen sahen und sehen? Wollten und wollen die auch “ganz bewusst und scheinbar unverfänglich solche Gedankenverbindungen” zu den Nazis herstellen? Und tarnen die sich alle auch nur mit Menschen mit ausländischen Wurzeln und Pastoren?

Die Sache ist “Bild” und Bild.de übrigens nicht einfach nur durchgerutscht. “Bild”-Chef Julian Reichelt findet Michael Wolffsohns Gedanken zu #aufstehen ganz toll:

Screenshot eines Tweets von Bild-Chefredakteur Julian Reichelt - National-sozial. Der großartige Michael Wolffsohn in Bild über die Bewegung von Sahra Wagenknecht. PS: Wer sich für Aufstehen richtig in Stimmung bringen will, sollte sich ein paar Fotos von Regalen in Venezuela anschauen.

Die Verbindungen von “Compact” zu Rechtspopulisten und Rechtsradikalen

Eine der obskursten Behauptungen, die die “Compact”-Redaktion immer wieder verteidigt: Ihr Magazin stehe politisch nicht weit rechts. Sie verlinkt in ihrer Selbstbeschreibung auf eine eigens dafür vorgesehene FAQ, in der die Redaktion versucht zu erklären, sie sei weder rechtspopulistisch noch rechtsradikal. Zuletzt empörte sie sich im Mai darüber, in die Sonderausstellung “Nie wieder. Schon wieder. Immer noch. Rechtsextremismus in Deutschland seit 1945” des NS-Dokumentationszentrums München als Exponat aufgenommen worden zu sein. Geht es nach “Compact”, ist diese Verortung in der rechten Ecke eine bösartige Verleumdung.

Die Münchner Kuratoren nannten das Cover der Oktober-Ausgabe von 2016 “rassistisch”. Hier im BILDblog hatten wir ausführlich über das Heft berichtet. Unter anderem riss die “Compact”-Redaktion darin Bilder aus einer Aufklärungsbroschüre aus dem Zusammenhang und behauptete fälschlicherweise, es handele sich um eine an Geflüchtete gerichtete Anleitung für Vergewaltigungen. Derartige Hetze ist wahrlich keine Ausnahme bei “Compact”.

Neben der inhaltlichen Analyse lässt sich die weit rechte Ausrichtung des Blatts noch auf anderem Wege nachweisen: über personelle Verbindungen. Das Magazin “gilt als AfD- und Pegida-nah”, hieß es unter dem Cover in der Ausstellung in München. “Compact” entgegnete:

Der Kommentar der Kuartoren (sic) lautet lediglich: “Rassistisches Cover des rechtspopulistisches (sic) und verschwörungstheoretischen Magazins ‘COMPACT’, 2016”. Darunter noch der Hinweis, dass es AfD- und “Pegida”-nah gelte. Die üblichen Zuschreibungen also. Nichts weiter. Was für eine erbärmliche Recherche für eine geschichtswissenschaftliche Ausstellung.

Tatsächlich ist die Formulierung “gilt als”, die die Kuratoren gewählt haben, nicht ganz angebracht. Sie ist unnötig vage und defensiv. Mit etwas mehr Platz als nur drei Zeilen Museumstext lässt sie sich aber konkretisieren: “Compact” ist definitiv AfD- und “Pegida”-nah. Das Magazin pflegt enge Verbindungen zu Rechtspopulisten und Rechtsradikalen.

AfD-Mitarbeiterinnen mit Nebenjob

Zu sehen ist das zum Beispiel in der Sendung “Die Woche Compact”, die bei Youtube läuft. Das etwa 20-minütige Format ist eine Werbesendung für “Compact”, die mit einer Studio-Optik und Video-Einspielern zu Themen aus dem Heft wie eine Nachrichtensendung gestaltet ist. Eine von drei Moderatorinnen ist Lisa Lehmann:

Screenshot eines Compact-Videos - Moderatorin laut Bauchbinde: Lisa Lehmann

Dass Lehmann auch stellvertretende Vorsitzende der Jungen Alternative Sachsen-Anhalt ist, könnte Zuschauer interessieren. Sie ist außerdem die Lebensgefährtin von André Poggenburg, Mitbegründer der völkischen AfD-Gruppierung “Der Flügel”, und Tochter von Mario Lehmann, AfD-Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt. Dass Poggenburg seine Partnerin als Auszubildende in die Landtagsfraktion holte, hielten selbst Parteikollegen für Vetternwirtschaft.

Lisa Lehmann ist nicht die einzige AfD-Frau mit direkter Verbindung zu “Compact”, deren Parteizugehörigkeit das Magazin nicht transparent macht. Einzelne Folgen von “Die Woche Compact” moderierte Linn Kuppitz, die sich auf Twitter selbstironisch “Frontfrau” der AfD-Landesliste Nordrhein-Westfalen für die Bundestagswahl 2017 nennt. Sie trat, hinter 22 Männern, auf dem vorletzten Listenplatz an und arbeitet als Büroleiterin des AfD-Bundestagsabgeordneten Johannes Huber.

Screenshot eines Compact-Videos - Moderatorin laut Bauchbinde: Linn Kuppitz

Und dann ist da noch die Frau, die in den meisten “Compact”-Videos als Moderatorin auftritt, Katrin Nolte. Auch sie ist mit einem AfD-Politiker liiert, Jan Nolte, Vorsitzender der Jungen Alternative Hessen. Seit der Wahl 2017 sitzt er als Abgeordneter im Bundestag. Und auch seine Frau hat einen Platz in Berlin gefunden, als Mitarbeiterin von Noltes Fraktionskollegen Martin Hohmann.

Screenshot eines Compact-Videos - Moderatorin laut Bauchbinde: Katrin Nolte

Somit arbeiten alle drei “Compact”-Moderatorinnen für die AfD. Sie sind selbst AfD-Politikerinnen, mit AfD-Politikern familiär verbandelt oder beides gleichzeitig. Mehr Nähe zur Partei geht kaum. “Compact” aber nennt die Videos “unabhängige Nachrichten”. 57.000 Youtube-User haben den Kanal, in dem die Sendung läuft, abonniert.

Die AfD hat sich mit “Compact” bestens arrangiert — und umgekehrt.

“Compact” betreibt gewissermaßen Content-Marketing für AfD-Inhalte und nutzt selbst wiederum Parteiveranstaltungen als Werbefläche für sich. Etwa die von der AfD getragene “Merkel muss weg”-Demonstration Ende Mai in Berlin. Stolz kündigte “Compact”-Chefredakteur Jürgen Elsässer vorher an, dass die von seinem Blatt im April zur “Schönen des Monats” gekürte Marie-Thérèse Kaiser eine Rede halten werde. Auch sie ist AfD-Mitglied. Die Demo selbst begleitete Elsässer schließlich mit seinen Moderatorinnen und weiteren Sympathisantinnen in “Compact”-T-Shirts, unter ihnen die AfD-Politikerinnen Jessica Bießmann und Jeannette Auricht. Er nannte sie die “Compact-Frauenbrigade”.

Screenshot Compact-Online - Einsatz für die COMPACT-Frauenbrigade mit „Sieg für Deutschland“-Shirt: Jessica Bießmann und Jeannette Auricht, AfD-Abgeordnete in Berlin

Bei einem von der AfD Falkensee organisierten Public Viewing des WM-Spiels Deutschland gegen Mexiko präsentierte “VIP-Gast” Elsässer sein Magazin. Im Februar sprach er beim politischen Aschermittwoch der AfD ein Grußwort, bevor André Poggenburg dort Türken als “Kümmelhändler” und “Kameltreiber” beleidigte.

Am Abend der Bundestagswahl hatte “Compact” eine Liveübertragung von der Party der AfD organisiert. Wohlgemerkt: Elsässer berichtete ausschließlich von der AfD-Wahlparty. Die Partei war dann auch das zentrale Thema der über drei Stunden langen Sendung. Elsässer sprach mit verschiedenen AfD-Politikerinnen und -Politikern sowie Vertretern des Vereins “Ein Prozent”, den Elsässer persönlich unterstützt und der die AfD auch mit Gruppen rechts von ihr vernetzt. Bei der Übertragungen ebenfalls dabei war Michael Stürzenberger, den “Compact” als Journalisten und “Pegida”-Redner bezeichnete:

Screenshot Compact-Video - Bauchbinde: Michael Stürzenberger, Journalist

Stürzenberger ist Autor des islamfeindlichen Blogs “Politically Incorrect”. Für seine Hetze bei “Pegida”-Veranstaltungen wurde er in Deutschland und in Österreich verurteilt. Auch bei den mitunter rechtsextremen “Hooligans gegen Salafisten” war er zugange. Im bayerischen Verfassungsschutzbericht wird Stürzenberger namentlich erwähnt (PDF, ab Seite 189).

“Compact”-Veranstaltungen als Plattform für Rechtspopulisten

Bei einem solchen Umfeld ist es kein Wunder, dass der völkisch-nationalistische Flügel der AfD die jährlichen “Compact”-Konferenzen gerne als Forum nutzt. Ohne befürchten zu müssen, kritisiert zu werden, konnten dort in den vergangenen Jahren Alexander Gauland (2014), André Poggenburg (2015, 2016) und Björn Höcke (2017) Reden halten. Hinterher werden diese unkommentiert in “Compact” abgedruckt. So lassen sich ohne aufwändige journalistische Arbeit billig Heftseiten füllen.

Aktive Führungsfiguren anderer deutscher Parteien, die in Landtagen oder im Bundestag sitzen, treten bei “Compact”-Konferenzen nicht auf, allenfalls dürfen sich ehemalige Mitglieder als Dissidenten gerieren. Stattdessen lädt “Compact” Vertreter europäischer rechtspopulistischer Parteien ein: Oskar Freysinger von der Schweizer SVP (2014, 2016) beispielsweise oder Susanne Winter, deren Auftritt bei der “Compact”-Konferenz 2015 wohl ihr letzter als Mitglied der FPÖ war. Am Wochenende darauf hieß sie öffentlich einen antisemitischen Facebook-Kommentar, der von Europa bedrohenden “Geldjuden” sprach, mit den Worten “schön, dass Sie mir die Worte aus dem Mund nehmen” gut. Daraufhin wurde sie aus der Partei ausgeschlossen. Heute ist Winter Mitglied der europäischen Neonazi-Partei “Allianz für Frieden und Freiheit”, an der unter anderem die NPD beteiligt ist.

“Pegida”-Gründer Lutz Bachmann sprach 2016 und 2017 auf “Compact”-Konferenzen. Martin Sellner, einer der Köpfe der rechtsextremen “Identitären Bewegung Österreich”, tritt seit 2015 jährlich auf, zudem schreibt er regelmäßig für “Compact” die Kolumne “Sellners Revolution”. Bevor er für die “IBÖ” aktiv wurde, war Sellner Teil der österreichischen Neonazi-Szene. Er leugnet das alles nicht, tut es aber als Jugendsünde ab. Der deutsche und der österreichische Verfassungsschutz (PDF, ab Seite 52) beobachten die “Identitäre Bewegung”.

AfD-Mitglieder als Moderatorinnen. AfD-Politikerinnen als “Compact-Frauenbrigade”. Auftritte des Chefredakteurs bei AfD-Veranstaltungen. Anti-Islam-Hetzer als Studiogäste. Gastredner, die heute in Neonazi-Parteien aktiv sind. Ein Mitglied der “Identitären Bewegung” als Kolumnist. Aber rechtspopulistisch oder rechtsradikal wollen sie bei “Compact” nicht sein.

Bringt Julian Reichelt die Familien anderer Menschen in Gefahr? (2)

Wir erinnern uns: “Bild”-Oberchef Julian Reichelt fand es überhaupt nicht in Ordnung, als die Redaktion des Medienmagazins “kress pro” in ihrer Oktoberausgabe die Jahresgehälter von Verlagsmanagern und Chefredakteuren schätzte. Darunter war nämlich auch das geschätzte Gehalt von Reichelt, das “irgendwo zwischen 500.000 Euro und 1 Million liegen” soll.

“kress pro”-Chefredakteur Markus Wiegand schrieb in der darauffolgenden November-Ausgabe:

Einige der Betroffenen kommentierten die Schätzung informell, die meisten verzichteten jedoch auf einen Kommentar.

Julian Reichelt war der einzige Chefredakteur, der uns bat, auf eine Schätzung zu verzichten. Er argumentierte, dass eine Schätzung seines Gehalts das Risiko finanziell motivierter Straftaten gegen seine Familie erhöhen würde.

Folgen wir mal kurz dieser Logik.

Dann bringen Julian Reichelt und die von ihm verantwortete “Bild am Sonntag” heute die Familien vieler Menschen in Gefahr:

Ausriss der Titelseite von Bild am Sonntag - Geheime Gehaltsliste aus der Bundesliga - Fette Grundgehälter, satte Sonderzahlungen, üppige Prämien: Bild am Sonntag enthüllt das Lohnsystem einer ganzen Mannschaft

Die “ganze Mannschaft” ist der HSV, und die “geheime Gehaltsliste” stammt aus der Saison 2015/2016. Eine Frau soll im August 2015 im Hamburger Jenischpark den Rucksack des damalige HSV-Managers Peter Knäbel gefunden haben. Darin auch die Liste mit den Spielergehältern, die “Bild am Sonntag” heute komplett veröffentlicht, mit monatlichem Grundgehalt, fixen Sonderzahlungen, Siegprämien, flexiblen Sonderzahlungen und so weiter. Die erwarteten Jahresvergütungen der 28 Spieler liegen zwischen 48.000 Euro und 3,8 Millionen Euro. Alles ausführlich nachzulesen auf einer “BamS”-Doppelseite:

Ausriss Bild am Sonntag - Hier sehen wir, warum der HSV so klamm ist - Doppelseite mit der HSV-Gehaltsliste
(Unkenntlichmachungen durch uns.)

Auch bei Bild.de bringen Julian Reichelt und sein Team die Familien der damaligen HSV-Spieler nach Reichelt-Logik in Gefahr: “Die geheime Gehaltsliste des HSV” ist ganz oben auf der Startseite verlinkt:

Screenshot Bild.de - Ex-HSV-Manager Knäbel verlor sie im Rucksack im Park - Die geheime Gehaltsliste des HSV

An diesem In-Gefahr-bringen will Julian Reichelt natürlich noch verdienen: Der Artikel befindet sich hinter der Bezahlschranke.

Dazu auch:

Tichys Fehlblick, Geh sterben!, 100.000 erfundene Rehkitze

1. Wie „Tichys Einblick“ fast einen Skandal beim ZDF-“Politbarometer” aufdeckte
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Ein Stamm-Autor des rechten Online-Magazins “Tichys Einblick” meint einen Skandal um das ZDF-Politbarometer aufgedeckt zu haben, doch der eigentliche Skandal ist, dass es keiner ist. Oder um Stefan Niggemeier zu zitieren: “Es handelt sich dabei, freundlich formuliert, um ein Missverständnis.”
Weiterer Lesehinweis: Der Ex-CDU-Politiker Friedrich Merz lehnt die Annahme des Ludwig-Erhard-Preises ab (turi2.de). Er wolle nicht mit dem Stiftungsvorsitzenden Roland Tichy auf einer Bühne stehen. Nach der Absage von Merz seien die Journalisten Rainer Hank, Ursula Weidenfeld, Ulric Papendick und Nikolaus Piper aus der Jury des Preises zurückgetreten, denen nach der Absage von Merz anscheinend aufgefallen ist, für wen sie da in der Jury sitzen.

2. Beliebt, bedroht, beschossen – Leben mit Morddrohungen
(ennolenze.de)
Enno Lenze ist Verleger, Autor und Journalist, aber auch Museumsdirektor und politischer Aktivist. Und er zahlt für sein Engagement einen hohen Preis: Derzeit hätten 581 Personen angekündigt, ihn töten zu wollen. (“Wie sie die Reihenfolge festlegen wollen, ist mir unklar — aber wäre für mich dann ja auch das gleiche.”) In einem Blogbeitrag beschreibt Lenze, was das für ihn im Alltag bedeutet, ob in Berlin oder in Kriegsgebieten wie der Autonomen Region Kurdistan.

3. Twitter sperrt meinen Account für zwölf Stunden
(internet-law.de, Thomas Stadler)
Rechtsanwalt Thomas Stadler ist wegen eines Tweets zu Horst Seehofer (“Geh endlich sterben, menschenverachtender Zyniker”, verbunden mit einem Link) mit einer zwölfstündigen Twitter-Sperre belegt worden. Zu Unrecht wie er findet: “Mein Tweet bewegt sich äußerungsrechtlich ganz klar im zulässigen Bereich. Mit dem Tweet habe ich Seehofer keinesfalls den Tod gewünscht. Es handelt sich vielmehr um eine drastische Aufforderung endlich zu verschwinden, ähnlich einer Formulierung wie “Fahr zur Hölle”. Der Tweet setzt sich mit kontroversen politischen Aussagen des Innenminsters auseinander und stellt somit eine Kritik an öffentlichen Äußerungen eines Spitzenpolitikers dar.” Stadler hat seinen Beitrag mittlerweile zweimal aktualisiert und um Bemerkungen zu Debattenkultur und Meinungsfreiheit ergänzt.

4. David Berger: Ein Theologe im Kampf gegen „Islamisierung” und „Nanny-Medien”
(correctiv.org, Caroline Schmüser)
Der Blog “Philosophia Perennis” ist ein Leitmedium der rechten Szene und in Kreisen der sogenannten “alternativen Medien”. Im Mai habe es die Seite auf Platz 18 der Seiten mit den meisten Social-Media-Interaktionen geschafft, noch vor n-tv.de, taz.de oder Tagesspiegel.de. Die Plattform fällt besonders durch spekulative Berichterstattung, Falschmeldungen und AfD-Nähe auf. Hinter der Seite steckt David Berger, ein katholischer Theologe, der gewissermaßen zum Islamhasser konvertiert ist. “Correctiv” hat die Hintergründe um Person und Seite recherchiert.

5. Drei Pressemitteilungen und eine Abschiebung
(keienborg.de)
Der Jurist Marcel Keienborg ist Spezialist für Asyl- und Aufenthaltsrecht und hat deshalb besonders aufmerksam registriert, dass vergangene Woche ein Tunesier abgeschoben wurde, obwohl ein Gericht die Abschiebung untersagt hatte. In einem Blogbeitrag widmet er sich den Pressemitteilungen, die zu diesem Thema vom Verwaltungsgericht veröffentlich wurden. Der Vorgang sei in jeder Beziehung ungeheuerlich: “Wenn Behörden sich nicht mehr verpflichtet fühlen, Gerichten gegenüber vollständige und wahre Angaben zu machen, was eben auch eine gewisse Sorgfalt bei der Lektüre der eigenen Akten voraussetzt, ist letztlich die Effektivität der gerichtlichen Kontrolle der Behörden insgesamt in Frage gestellt.”

6. Unser Hospitant ist Landwirt. Und er hat sich gefragt, ob eigentlich die immer wieder genannte Zahl stimmt, dass jedes Jahr 100 000 Bambis gekillt werden.
(twitter.com/vierzueinser, Jonas Jansen)
Erik Hecht ist für die “FAZ” der Frage nachgegangen, woher die jährlich in den Medien auftauchende Zahl von 100.000 von Mähdreschern getöteten Rehkitzen stammt. Die Antwort ist verblüffend: Die “Deutsche Wildtier Stiftung” habe sie nach eigenen Angaben irgendwann mal erfunden. Der Wert sei viel zu hoch. Die Hälfte sei wohl wahrscheinlicher, “wenn überhaupt”.

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