Suchergebnisse für ‘LINK’

Tell him that they don’t like Mondays

Alfred Draxler hat’s nicht leicht.

Ausriss Bild-Zeitung - Ich fühle mich nur noch als Fan zweiter Klasse!

Der “Bild”-Sport-Chefkolumnist schrieb am Samstag:

Die 2. Liga hat beschlossen, ihr Montagsspiel, das seit 1993 zur Tradition geworden ist, wieder abzuschaffen.

Zurückzuführen ist dies auf massive Proteste der Fans in der Kurve, die Montagsspiele grundsätzlich ablehnen. Und kritisieren, dass die Anhänger der Auswärtsmannschaft aus logistischen Gründen benachteiligt werden.

Ich mag diese Spiele am Montagabend. Ich schaue sie mir zu Hause auf dem Sofa oder in einer Sky-Kneipe an. Aber ich bin wegen der Abschaffung nicht gefragt worden. Und deshalb fühle ich mich nur noch als Fan 2. Klasse.

Hach ja, so ein gemütlicher Fernsehabend auf der Couch. Was beklagen sich die rund 2000 Anhängerinnen und Anhänger des FC St.Pauli beispielsweise eigentlich, die gestern bei wenigen Grad im Stadion in Bochum standen, nachdem sie tagsüber, an einem Montag, 350 Kilometer aus Hamburg bis in den Ruhrpott gefahren sind und bevor sie spätabends 350 Kilometer wieder zurück nach Hamburg fahren mussten, um es heute zur Arbeit zu schaffen?

Nun kann man gegen Alfred Draxlers Gefühlswelt erstmal nichts sagen. Aber gegen seine abenteuerliche Argumentation:

Dabei sind wir doch eindeutig in der Mehrheit. Das Spiel HSV gegen Köln haben an einem Montagabend bei Sky 505 000 Zuschauer gesehen. Die gesamte 2. Liga bringt es bei neun Partien pro Spieltag durchschnittlich “nur” auf 175 000 Stadionbesucher.

Weil viele Fußballfans am Montagabend den Fernseher einschalten, wenn dort die 2. Liga läuft, soll das automatisch bedeuten, dass sie es befürworten, dass die Spiele am Montagabend stattfinden? Es bräuchte mal eine Umfrage, in der Fans — ob nun Kurvensteher oder Draxlers Sofa-Kompagnons — sagen könnten, was sie von den Montagsspielen halten …

Moment, die gibt’s ja! Der Verein FC PlayFair!, der “kicker” und das Deutsche Institut für Sportmarketing haben im Februar dieses Jahres die Ergebnisse einer gemeinsamen Umfrage präsentiert. Und die waren eindeutig: Das Spiel am Montagabend um 20:30 Uhr lehnen 91,4 Prozent der 186.254 Fans, die teilgenommen haben, ab. Die restlichen 8,6 Prozent bilden Alfred Draxlers “eindeutige” “Mehrheit”.

Mit Dank an Patrick B. für den Hinweis!

Nachtrag, 16:46 Uhr: Die von uns verlinkte Umfrage von FC PlayFair!, “kicker” und dem Deutschen Institut für Sportmarketing bezieht sich auf die Anstoßzeiten in der 1. Fußball-Bundesliga. Es ist sicher nicht auszuschließen, dass unter den 186.254 Teilnehmern auch Anhänger von Vereinen der 2. Bundesliga waren. Die Montagsspiele in der 2. Bundesliga starten ebenfalls um 20:30 Uhr.

In Alfred Draxlers Text geht es außerdem auch um die beschlossene Abschaffung der Montagsspiele in der 1. Bundesliga.

Mit Dank an @gerth_micha für den Hinweis!

Soko Chemnitz, Schal mit schalem Beigeschmack, Non Paper

1. Provokation gelungen: #SokoChemnitz nimmt Ermittlungen auf
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Markus Reuter beschäftigt sich mit der neuesten Aktion des Künstler- und Politkollektivs “Zentrum für politische Schönheit”, dem Online-Pranger auf soko-chemnitz.de. Reuter kommentiert: “Wer sich heute das laue mediale Lüftchen anschaut, das die Hannibal-Enthüllungen auslösten — und den Sturm der Entrüstung, der auf diese grenzwertige und umstrittene Kunstaktion folgt, der sieht eben auch gesellschaftliche Konfliktlinien und Defizite. Diese sichtbar zu machen, ist dann wieder Kunst, auch wenn es wehtut und möglicherweise justiziabel ist.”

2. Alles für den guten Zweck?
(taz.de, Anne Fromm)
Käuferinnen und Käufer des “Spendenschals” der “Brigitte”, glauben, dass sie damit in allererster Linie syrische Kinder unterstützen. Die größten Profiteure des Charityverkaufs könnten jedoch die “Brigitte” selbst und ein an der Aktion beteiligtes Unternehmen sein. Anne Fromm hat für die “taz” den Taschenrechner angeworfen, die Materialpreise addiert und ist auf merkwürdige Kalkulationsdifferenzen gestoßen. Auffällig sei zudem, dass seit einiger Zeit nur noch die Rede davon ist, dass alle Beteiligten die Aktion unterstützten. Das bei früheren Schalverkäufen verwendete Wort “unentgeltlich” sei unauffällig eliminiert worden.

3. Wie ein virtueller Mitarbeiter die t-online.de-Redaktion unterstützt
(t-online.de, Björn Schumacher)
t-online.de hat sich einen Bot programmieren lassen, der die Redaktion bei ihrer täglichen Arbeit unterstützt. “Buddy”, so der Name des virtuellen Kollegen, klinkt sich in die Chat-Software Slack ein und informiert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort über Seitenaufrufe, meldet Rechtschreibfehler und Floskeln und schlägt Alarm, wenn besonders viele Leser aus einem Artikel abspringen.

4. Non Paper: Dokumente, die offiziell nicht existieren
(investigativ.welt.de, Manuel Bewarder)
In der Politik existieren Geisterpapiere, die zwar von Beamten in Ministerien geschrieben werden, aber offiziell nicht existieren. Derartige “Non Papers” kommen ohne Stempel, Unterschrift oder Aktenzeichen aus, was bedeutet, dass sie nicht zugeordnet werden können, und sich niemand für sie rechtfertigen muss. Manuel Bewarder vom Investigativressort der “Welt” erklärt, was es damit auf sich hat.

5. Für Leugner ist kein Platz mehr
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz & Michael Borgers, Audio, 5:15 Minuten)
Muss man für eine ausgewogene Berichterstattung über den Klimawandel auch Klimawandelleugner einbeziehen? Bei der BBC gibt es dazu eine interne Richtlinie, die vor einem “falschen Gleichgewicht” warnt. Doch wie verfahren die deutschen Medien? Der “Deutschlandfunk” hat mit dem Wissenschaftsjournalisten Christopher Schrader über das Thema gesprochen.
Weiterer Lesehinweis: Neutralität mit Nebenwirkungen (riffreporter.de, Christopher Schrader): “Wer in der Debatte über die Klimakrise partout keinem Lager angehören will, gerät womöglich gerade damit auf eine Seite.”

6. Warum der Influencer-Hype bald vorbei sein könnte
(spiegel.de, Florian Gontek)
Ist der Hype um die Influencer bald vorbei? Nun, es könnte zumindest schwerer für sie werden, wie eine Studie der Werbeagentur Werbeagentur Jung von Matt/Sports besagt. Der Markt stoße an seine Grenzen, ein Verdrängungswettbewerb setze ein. Facebook spiele für Personen- und Influencer-Marketing kaum noch eine Rolle. Außerdem gebe es ein Glaubwürdigkeitsproblem. “Die Follower und vor allem die Unternehmen lassen sich immer seltener für dumm verkaufen”, so der Jung-von-Matt-Werber Toan Nguyen.

“Seid ihr einfach nur bescheuert oder habt keinen Anstand?”

Skirennläufer Thomas Dreßen gewann im Januar die prestigereiche Hahnenkammabfahrt auf der Streif in Kitzbühel, und plötzlich interessierten sich Redaktionen für ihn, die seinen Namen bis dahin gar nicht kannten.

In der “Stuttgarter Zeitung” erzählt Dreßen von einer Erfahrung, die er in dieser Zeit mit dem Boulevard gemacht hat:

Nach Kitzbühel nahm ein deutsches Boulevardblatt seinen Sieg zum Anlass, die Seilbahntragödie, bei der sein Vater 2005 in Sölden ums Leben kam, noch einmal haarklein darzustellen — mit sehr viel Text und noch mehr Bildern. “Die haben wieder alles ausgegraben. Da habe ich mich gefragt: ‘Seid ihr einfach nur bescheuert oder habt keinen Anstand?'”

“Ein deutsches Boulevardblatt”. Welches das sein könnte? Am 20. Januar dieses Jahres, also an dem Tag, als Dreßen auf der Streif siegte, erschien bei Bild.de ein Beitrag mit dieser Überschrift:

Screenshot Bild.de - Sein Vater starb bei einem Seilbahn-Unglück - Die traurige Geschichte von Streif-Gigant Dreßen

Auf einen Link verzichten wir. Denn in dem Artikel erzählt die “Bild”-Redaktion von der Seilbahntragödie in Sölden, bei der auch Dreßens Vater starb, “mit sehr viel Text und noch mehr Bildern”.

Der “Stuttgarter Zeitung” sagte Thomas Dreßen mit Blick auf das “deutsche Boulevardblatt” noch:

“Die können zahlen, was sie wollen, die bekommen mein Lebtag kein Interview von mir.”

Mit Dank an Thomas (allerdings nicht Thomas Dreßen) für den Hinweis!

Nachtrag, 30. November: Entweder unterscheidet Thomas Dreßen sehr genau zwischen “Bild” und “Bild am Sonntag” — oder seine Behauptung “Die können zahlen, was sie wollen, die bekommen mein Lebtag kein Interview von mir” war nicht besonders viel wert. Am 18. November, also drei Tage bevor Dreßens Aussagen in der “Stuttgarter Zeitung” erschienen, brachte “BamS” nämlich ein längeres Doppel-Interview mit Dreßen und Skispringer Andreas Wellinger. Einen Abend zuvor erschien das Interview bereits bei Bild.de.

Mit Dank an Jens und Marian für die Hinweise!

Mafia-Berichterstattung, Sprache der Politik, “Partnerprogramm” für Hass

1. Unter Verdacht – Gericht verbietet MDR-Ausstrahlung
(ndr.de, Timo Robben)
Wer zum Thema organisierte Kriminalität und Mafia recherchiert, hat zu den normalen Schwierigkeiten noch eine weitere, juristische: Die Beweislage muss für eine Verdachtsberichterstattung ausreichen, und das ist oft Auslegungssache. Das mussten gerade zwei MDR-Journalisten auf schmerzliche Weise erfahren, deren Film “Paten in Deutschland — die armenische Mafia und Diebe im Gesetz” aus eben diesen juristischen Gründen nicht ausgestrahlt werden konnte.

Siehe dazu auch den “Zapp”-Beitrag: “Recherche über Mafia schwierig”, in dem der MDR-Journalist Ludwig Kendzia die Schwierigkeiten bei der Mafia-Berichterstattung erklärt. (ndr.de, Video, 14:02 Minuten).

2. Russlands linke Offensive
(faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing & Silvia Stöber)
Von Berlin aus operieren Onlinemedien mit politischen Inhalten, berichten über “das ausbeuterische globale System”, das die Menschheit “versklavt und unseren Planeten zerstört”, und rufen die Menschen dazu auf, “ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen”. Finanziert werden die durchaus erfolgreichen Seiten aus Russland. Der ARD-“Faktenfinder” hat sich auf Spurensuche begeben.

3. Rechte Verlage zahlten wohl Geld an Betreiber von Hetzseiten
(sueddeutsche.de, Katja Riedel & Sebastian Pittelkow)
Mario R. betrieb Hassportale im Netz und steht wegen unerlaubten Waffenhandels vor Gericht. Nun hat sich herausgestellt, dass Hintermänner des Kopp Verlags und des rechten Magazins “Compact” ihm offenbar mehr als 100.000 Euro überwiesen haben und zwar im Rahmen eines “Partnerprogramms”.

4. Die Sprache der Politik
(wdr.de, Achim Schmitz-Forte, Audio, 27:44 Minuten)
Der Grünen-Politiker Robert Habeck war bei der WDR-“Redezeit” zu Besuch und hat dort erzählt, dass gute Politik vor allem eine Frage der richtigen Sprache sei: “Wie in der Politik etwas gesagt wird, entscheidet, was in der Politik gedacht und was gemacht wird”.
Weiterer Lesehinweis zum Thema Sprache: Welche Strategien verwenden die Rechten mit ihrer Sprache? Zur Rhetorik der AfD: Der rechte Redner befiehlt, die Zuhörer folgen (fr.de, Heinrich Detering).

5. “Zehn Morde. Sind ihnen völlig egal”
(spiegel.de, Arno Frank)
Die Journalistin Annette Ramelsberger hat volle fünf Jahre den NSU-Prozess begleitet. In einem Gemeinschaftsprojekt mit drei weiteren Journalistinnen und Journalisten entstand das 2000-seitige Werk “Der NSU-Prozess. Das Protokoll”. Im Interview erzählt Rammelsberger von den Merkwürdigkeiten des Prozesses, ihren schwersten Momenten aber auch über den bewegenden Moment, als es stehenden Applaus für die Aussage einer Frau mit iranischen Eltern gab. Diese habe sich trotz eines Bombenanschlags nicht unterkriegen lassen und arbeite mittlerweile als Chirurgin an einer Kölner Klinik.

6. Regulierung von Social Media und Suchmaschinen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen (ROG) hat einen Bericht mit Empfehlungen für die öffentliche Kontrolle von Diensten wie Facebook, Google und Twitter veröffentlicht. Der Bericht geht davon aus, dass diese Dienste heute keine rein privaten Unternehmen mehr seien, sondern essenzieller Bestandteil moderner Öffentlichkeit, und daher in besonderer Weise kontrolliert werden müssten. Er richte sich an die Bundesregierung und Vertreter des Bundestages und sei diesen bereits zugestellt worden. Wer sich dazu weiter einlesen will: Es gibt eine Kurzfassung (PDF) wie auch den vollständigen Bericht (PDF).
Weiterer Lesehinweis: Der große Facebook-Medien-Report: So extrem schaden die Algorithmus-Änderungen deutschen Medien-Seiten (meedia.de, Jens Schröder).

“B.Z.” füttert AfD mit falschen Fakten für Fragestunde im Parlament

Wie schafft man es, mit nur einem Artikel gleich zweimal danebenzuliegen, rechtes Wutvolk und noch rechtere Hetzer zu füttern und der AfD eine Grundlage für eine faktisch falsche Anfrage im Parlament zu liefern? So:

Gunnar Schupelis füllt im Springer-Boulevardblatt “B.Z.” regelmäßig eine Aufreger-Kolumne. Titel: “Mein Ärger”. Schupelius’ Ärger basiert in diesem Fall auf zwei Zahlen, die für ihn nicht zusammenpassen wollen. Am Dienstag schrieb er:

Ausriss BZ - Gunnar Schupelius – Mein Ärger - Der gerechte Zorn des Gunnar Schupelius - Justizsenator weiß nicht, warum Haftbefehle nicht vollstreckt werden

Auch in Berlin sind viele Straftäter auf freiem Fuss, die eigentlich hinter Gitter gehören. Auf eine Anfrage der B.Z. teilte [Berlins] Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) mit, aktuell würden 1633 Personen per Haftbefehl gesucht.

Schupelius fragte in der Sache auch noch bei Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) nach. Dieser verwies allerdings auf den Justizsenator. Schupelius:

Beide Senatoren stehen nun allerdings im Verdacht, nicht die Wahrheit oder nicht die ganze Wahrheit gesagt zu haben. Denn nach Angaben der Bundesregierung liegt die Zahl der nicht vollstreckten Haftbefehle in Berlin bei 8585 (Stichtag: 31. März 2018).

Das sind knapp 7000 mehr als von Justizsenator Behrendt angegeben. Wer also sagt die Wahrheit? Das konnten wir trotz intensiver Nachfragen bisher nicht vollständig klären.

Das Duell, das Gunnar Schupelius ausruft: Berlins Justizsenator vs. Bundesregierung. 1633 Haftbefehle vs. 8585 Haftbefehle.

Ein bisschen was konnte Schupelius dazu aber doch klären: Während sich der Justizsenator bei seiner Antwort auf das sogenannte MESTA-System bezieht, die Mehrländer-Staatsanwaltschafts-Automation, stammen die Zahlen der Bundesregierung aus dem bundesländerübergreifenden System INPOL-Z. Schupelius:

Befinden sich also im MESTA-System der Staatsanwälte ganz andere Angaben als im INPOL-Z der Polizei und wenn dem so wäre, warum?

Erstmal: ja. Und “warum” das so ist: Die Zahl aus der MESTA, die Berlins Justizsenator Behrendt genannt hat (1633 Haftbefehle), bezieht sich auf per Haftbefehl gesuchte Personen, gegen die ein Prozess stattfinden soll. Sie sind also erstmal nur Tatverdächtige, die noch nicht verurteilt sind, aber in Untersuchungshaft sollen. Das passt auch ziemlich gut zu dem, was Schupelius laut Vorspann seines eigenen Textes gefragt hatte:

Gunnar Schupelius fragt sich, warum so viele tatverdächtige Straftäter frei herumlaufen, obwohl ein Haftbefehl gegen sie vorliegt.

Die Zahl aus INPOL-Z, die die Bundesregierung nennt (8585 Haftbefehle), hat Schupelius offenbar aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen (PDF, Seite 3). Allerdings, und das steht eindeutig in dieser Antwort, bezieht sich INPOL-Z auf einen viel größeren Personenkreis als MESTA:

Die Gesamtzahl der zum Stichtag 31. März 2018 im Polizeilichen Informationssystem (INPOL-Z) verzeichneten Fahndungsnotierungen mit dem Zweck der Festnahme aufgrund einer Straftat, zur Strafvollstreckung, Unterbringung oder Ausweisung sowie zur Festnahme entwichener Strafgefangener belief sich [deutschlandweit] auf 175 397.

Neben den Tatverdächtigen also auch Leute, die schon verurteilt sind, aber ihre Haftstrafe nicht angetreten haben; Leute, die in einer Psychiatrie untergebracht werden sollen; Leute, die wegen Straftaten ausgewiesen werden sollen. Kurzum: viel mehr Leute. Daher die große Differenz zwischen den Angaben des Berliner Justizsenators und der Bundesregierung.

Für Gunnar Schupelius’ Ärger gibt es allerdings noch einen weiteren Grund. Am Ende seines Textes schreibt er:

Justizsenator Behrendt konnte nicht sagen, wie viele religiös motivierte Straftäter aktuell in Berlin gesucht werden. Es sind genau 3151. Das steht im polizeilichen System INPOL-Z. Hat Behrendt in diese Statistik gar nicht reingeschaut?

Weiß in diesem Senat eine Hand überhaupt noch, was die andere tut?

Hier hat der “B.Z.”-Kolumnist endgültig alles durcheinandergebracht.

Die Zahl, die Schupelius nennt, stammt ebenfalls aus der Antwort der Bundesregierung (PDF, Seite 4). Nur: Sie bezieht sich nicht, wie er schreibt, auf Berlin, sondern auf ganz Deutschland. Und: Betrachtet man sie näher, sieht man, dass sie sich bemerkenswert zusammensetzt.

Eine religiös motivierte Straftat gehört in der INPOL-Z-Statistk zur PMK, der politisch motivierten Kriminalität. Laut Antwort der Bundesregierung wurden zum Stichtag 26. März 2018 deutschlandweit 4411 Personen im PMK-Zusammenhang per Haftbefehl gesucht (neben “religiöse Ideologie” auch: “links”, “rechts”, “ausländische Ideologie”, “Spionage/Proliferation/Landesverrat” sowie “nicht zuzuordnen”). Jeder dieser 4411 Fälle ist in der Antwort der Bundesregierung aufgelistet (ab Seite 7), unter anderem aufgeschlüsselt nach “Grund des Haftbefehls”, “dem HB zugrunde liegendes Delikt” und PMK-“(Phänomen)Bereich”.

In den Zeilen 295 bis 3055 der Tabelle findet man in der Spalte “(Phänomen)Bereich”, mit wenigen Ausnahmen, nur “PMK religiöse Ideologie”. Und bei fast allen von ihnen steht als “Grund des Haftbefehls”: “SIS II / Interpol-Rotecke”. Als “dem HB zugrunde liegendes Delikt” ist notiert: “Haftbefehl ausländischer Behörden — Delikt unbekannt”. Das sieht dann zum Beispiel so aus:

Screenshot aus der Antwort der Bundesregierung - Es sind viele Spalten der Auflistung der offenen Haftbefehle zu sehen, darunter ständig SIS II / Interpol-Rotecke und PMK religiöse Ideologie

Das heißt: Der Großteil der 3151 Haftbefehle für “religiös motivierte Straftäter” (noch mal: in ganz Deutschland, nicht nur in Berlin), die Schupelius nennt, sind keine deutschen Haftbefehle. Es sind internationale Haftbefehle, entweder aus dem Schengener Informationssystem, kurz SIS II, oder von einem anderen Interpol-Mitgliedsstaat.

Bei einem “Red Notice” beziehungsweise einer Rotecke von Interpol läuft das beispielsweise so: Ein Interpol-Mitgliedsstaat hat einen nationalen Haftbefehl gegen Person X und gibt dazu eine Ausschreibung an Interpol. Interpol leitet diese Ausschreibung dann an die zuständigen Behörden in allen anderen Mitgliedsstaaten weiter. In Deutschland ist das das Bundeskriminalamt, also die Behörde, bei der auch das INPOL-Z-System angesiedelt ist, auf das sich Schupelius bezieht. Der Vermerk “SIS II / Interpol-Rotecke” bedeutet also erstmal nur, dass die jeweilige Person weltweit — auch in Deutschland, aber nicht nur in Deutschland — von irgendeinem anderen Staat gesucht wird. Warum auch immer — “Delikt unbekannt”.

Wie problematisch und fragwürdig Interpol-Rotecken sein können und dass sie von autoritären Regimen und Despoten gern als Repressionsmittel eingesetzt werden, kann man hier und hier und hier und hier und hier nachlesen.

Schupelius’ Text (von dem eine abgespeckte Version auch in der Berlin-Ausgabe der “Bild”-Zeitung erschien) und die Fehler darin drehten vergangene Woche die große Social-Media-Runde, wie das Analyse-Tool “CrowdTangle” zeigt:

Screenshot des Analyse-Tools Crowdtangle, das zeigt, wer bei Facebook oder Twitter einen Beitrag geteilt hat

Die “Bild”-Redaktion verbreitete den Beitrag unter ihren knapp 2,5 Millionen Fans bei Facebook. AfD-Abgeordnete teilten ihn, genauso AfD-Kreisverbände, AfD-Stadtverbände, “BadenWürttemberg freiheitlich-patriotisch-traditionsbewusst”, “Viktor Orban Fanclub”, “Aus Liebe zu Deutschland”, “Reale Verschwörungen!”, “Völker dieser Welt erheben sich !!”, “Die Patrioten für Deutschland” und so weiter. Der zornige Gunnar Schupelius und die “B.Z.” haben ihnen allen mit falschen Fakten neues Futter für ihre Stimmungsmache gegen Staat und Politik geliefert.

Schupelius’ Fehler schafften es sogar ins Berliner Abgeordnetenhaus. Marc Vallendar von der AfD nutzte sie dort am vergangenen Donnerstag in der Fragestunde des Parlaments (ab Minute 42:02):

Nach Angaben des Justizsenators werden derzeit in Berlin 1633 Personen mit Haftbefehl gesucht. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums belief sich die Zahl der nicht vollstreckbaren Haftbefehle in Berlin per 31. März dieses Jahres aber auf 8585, darunter allein 3151 Personen, die wegen religiös motivierter Straftaten gesucht werden. Ich frage den Senat: Wie ist diese erhebliche Differenz von fast 7000 Personen zu erklären?

Antwort: siehe oben.

Nachtrag, 20. November: Das BKA hat inzwischen auf eine Anfrage von uns geantwortet. Wir wollten wissen, warum fast alle Haftbefehle mit dem Grund “SIS II / Interpol-Rotecke” dem Bereich “PMK religiös motiviert” zugeordnet sind. Die Antwort der Behörde:

Bei diesen Fahndungsnotierungen handelt es sich überwiegend um Red Notices, die für Mitglieder des so genannten Islamischen Staates ausgestellt wurden. Nach dem militärischen Sieg über den IS sind viele Kämpfer geflohen, unter anderem auch ins europäische Ausland. Entsprechend hoch ist die Zahl der internationalen Fahndungsnotierungen. Daher handelt es sich bei dem weit überwiegendem Teil der dem Phänomenbereich PMK -religiöse Ideologie- zugeordneten Haftbefehlen um Interpol-Rotecken anderer Staaten zu Personen, die sich an Kampfhandlungen in Jihad-Gebieten beteiligt haben sollen.

Lindensackgasse, Gegen stille Diplomatie, Niemand ist eine Insel

1. Warum die ARD die “Lindenstraßen”-Lücke füllen muss
(dwdl.de, Ulrike Klode)
Die Programmverantwortlichen der ARD haben beschlossen, dass die legendäre “Lindenstraße” nach 34 Jahren eingestellt werden soll. “DWDL”-Kolumnistin Ulrike Klode hat aufgeschrieben, warum es Pläne für die Zeit nach der “Lindenstraße” geben muss: “Die grundlegenden Inhalte der “Lindenstraße” sind nicht verhandelbar — sie entsprechen dem Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender. Die Frage kann nur sein: Wie kann man diese Inhalte verpacken, damit sie das Publikum erreichen?”
Weitere Reaktionen auf das “Lindenstraßen”-Aus: In Die Zeit ist an der “Lindenstraße” vorbeigezogen (sueddeutsche.de) kommentiert Hans Hoff: “Es ist eben auch eine Herkulesaufgabe, jede Woche das ganze Elend der Bundesrepublik im gequetschten Kosmos einer Münchner Straße spiegeln zu müssen.” Auf “Indiskretion Ehrensache” empört sich Thomas Knüwer: “Diese Entscheidung ist eine Schande für die ARD.” Und Christian Meier schreibt auf Welt.de: Mit der “Lindenstraße” stirbt die alte Bundesrepublik. “taz”-Redakteurin Susanne Memarnia denkt an die 17 Jahre zurück, in denen sie selbst ein Teil des Lindenstraßen-Ensembles war. Und an die Zeit danach: “Das Leben ohne Serie war am Anfang nicht ganz leicht — aber schließlich habe ich meinen Weg gefunden. Das Einzige, was ich heute bereue: Mein Opa hatte all meine Auftritte vom Fernseher abfotografiert, einmal im Jahr bekam ich ein Album mit körnigen Fotos, am Ende waren es mehrere Regalmeter. Leider habe ich sie irgendwann alle weggeschmissen.“ Und last but not least hat “Übermedien” der Serie eine besondere Würdigung zuteil werden lassen und einige der berühmt-berüchtigten Lindenstraßen-Cliffhanger zu einem Fünf-Minuten-Video zusammengeschnitten. Eine Horror-Kompilation cineastischen Grusels.

2. Wir sind dann mal weg (und dieser Titel muss auch weg! Oder?)
(tageswoche.ch, Ronja Beck)
Die “TagesWoche” stellt ihren Betrieb ein: Der Stiftungsrat der Stiftung für Medienvielfalt versagte dem Medienprojekt nach sieben Jahren die weitere Finanzierung. Die etwa 30 Arbeitsverhältnisse werden aufgehoben. Der Sozialplan sei großzügig und federe die daraus entstehenden Härten ab. Ronja Beck notiert in einem letzten Blogbeitrag: “In ihren letzten Tagen wandelt sich die TagesWoche zum Loriot-Sketch. Alltag ad absurdum. Die Akteure sind gefangen zwischen Realität und Unfassbarem, gemeinsam streifen wir durch grossen Unsinn. Und wir lachen dabei, ohne zu wissen, was zur Hölle es da eigentlich zu lachen gibt.”

3. Wenn die Gemeinschaft zahlt
(taz.de, Peter Weissenburger)
Die Onlinezeitung “Texas Tribune” im amerikanischen Austin beschäftigt ein Team von 40 Jour­nalistinnen und Journalisten und finanziert sich komplett durch Spenden. “taz”-Redakteur Peter Weissenburger erklärt, warum das Modell so gut funktioniert.

4. “Wenn man in seiner Zelle ausharrt und schweigt, passiert nichts”
(spiegel.de)
Als die Journalistin Mesale Tolu in der Türkei im Gefängnis saß, wurde ihr geraten, stillzuhalten und auf die Kräfte der stillen Diplomatie im Hintergrund zu vertrauen. Das hält Tolu in der Nachbetrachtung für keine gute Idee: “Wenn man einfach in seiner Zelle ausharrt und schweigt, passiert nichts. Die Türkei ist kein Rechtsstaat. Abwarten heißt, sein Schicksal anderen in die Hand legen. Und jeder Tag da drinnen ist ein Tag zu viel. Wenn man Unrecht erfährt, muss man das auf die Tagesordnung setzen.”

5. Wie misst man journalistischen Erfolg?
(journalist-magazin.de, Sonja Peteranderl)
Wie misst man journalistischen Erfolg? Klicks und Marktanteile sind das eine, Einfluss auf Politik und Gesellschaft das andere. In den USA beschäftigt man sich schon seit Längerem mit der Impact-Messung. Sonja Peteranderl erklärt in ihrem Aufsatz die Besonderheiten von Erfolgsmessung und Wirkungszuschreibung bei der Impact-Analyse und schlägt eine Brücke von den USA nach Deutschland.

6. Zum Tod von “Mallorca-Jens”: Niemand ist eine Insel
(haz.de, Imre Grimm)
Jens Büchner (“Mallorca-Jens” beziehungsweise “Jenser”) war neben Daniela Katzenberger die wohl erfolgreichste Figur der TV-Auswanderer, eine verwegene Mischung aus Loser und Hero, der dem TV-Sender Vox unzählige Filmchen und tolle Einschaltquoten beschert hat. Und sich ein paar intensive Jahre als schlagersängernder Trash-Star, gefeierter Überlebenskünstler und Dschungelcamp-Berühmtheit. Nun ist Büchner im Alter von nur 49 Jahren gestorben, vermutlich an Lungenkrebs. In Imre Grimms Nachruf geht es auch um die Frage, wie es jemandem wie Büchner gelingen konnte, zu einer TV-Berühmtheit zu werden: “Die Mechanik der Medienwelt braucht auch Normalos”.
Weitere Lesehinweise: 
Anja Rützel befindet in ihrem Nachruf bei “Spiegel Online” : “Jens Büchner war ein Fernsehgeschöpf, eine für die Bedürfnisse des Trash-Genres geschnitzte Figur und ein oft schlecht beratenes, von Format zu Format trudelndes Teilchen, dem diese Abhängigkeit völlig klar zu sein schien.” Johanna Bruckner schreibt bei Süddeutsche.de: “Viele liebten “Malle-Jens”, weil er so offen zugab, ein Verlierer zu sein. Vielleicht weil er in seinen Misserfolgen zutiefst menschlich wirkte. Manche verachteten ihn wohl genau dafür.”

7. Spiegel-Cover: “Leben ohne Schmerzen”
(facebook.com, Lorenz Meyer)
Weil unter Beteiligung des “6 vor 9”-Kurators, ausnahmsweise ein siebter und daher zusätzlicher Link: Auf Facebook kommentiert Lorenz Meyer den aktuellen “Spiegel”-Titel über ein “Leben ohne Schmerzen”: “Lieber “Spiegel”, es würde schon mal deutlich weniger schmerzen, wenn Ihr nicht bei gefühlt jedem Gesundheitsthema eine nackte Frau aufs Cover packen würdet. Es nützt nämlich nichts, wenn Ihr in Sachen sexistischer Covergestaltung schmerzfrei seid, wir aber jedesmal schmerzerfüllt ächzen, wenn wir ein solches Titelbild sehen.”
Weiterer Lesehinweis: Auch Richard Gutjahr hat Rücken und befindet: “Von Radio, TV bis zur Zeitung habe ich im Journalismus so ziemlich alles durchgespielt. Was mir fehlt: Erfahrung als Zeitschriftenmacher. Ohne jemals für eine Illustrierte gearbeitet zu haben, habe ich aber eine vage Idee, mit welcher Titelstory ich den deutschen Qualitätsjournalimus rocken könnte …”

Bürgerkrieg in Amerika, Erbrechende “Welt”, Bauhaus-Krisenberater

1. “Wir haben in Amerika eine Art Bürgerkrieg”
(deutschlandfunk.de, Michael Köhler, Audio, 11:48 Minuten)
“Es ist eine Art Krieg geworden. Wir haben in Amerika eine Art Bürgerkrieg” — die deutsch-amerikanische Schriftstellerin Irene Dische findet im “Deutschlandfunk” deutliche Worte zur Ära Trump. Teile der Presse seien mittlerweile eingeknickt, die Demokratie bedroht. Disches Optimismus sei der Angst gewichen, dass alles noch viel schlimmer kommen könne.

2. “Welt”-Redakteur erbricht sich in Debatte über rechte Bücher
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Die “Welt am Sonntag” hat ihren Autor Frédéric Schwilden nach München geschickt, um dort jener Buchhandlung einen Besuch abzustatten, in der Autorin Margarete Stokowski wegen des Angebots rechter Schriften nicht lesen wollte. Bei der Lesungsabsage hatte es sich um eine individuelle und persönliche Entscheidung gehandelt, die nachträglich zum Skandal hochgejazzt wurde. Man könnte über Schwildens Text, der sich teilweise wie eine mehr oder weniger gelungene Popliteratur-Parodie liest, lachen, wenn er nicht so viel Falsches und Böses enthielte. Boris Rosenkranz hat es auf sich genommen, sich mit dem Beitrag auseinanderzusetzen. Ein Beitrag, in dem nicht nur im übertragenen Sinn viel rumgekotzt wird.

3. Tagessatz von 1.428 Euro Krisenberater soll überforderter Bauhaus-Führung beistehen
(mz-web.de, Hagen Eichler)
Eigentlich sollte vor drei Wochen ein vom ZDF übertragenes Konzert der linken Punkband Feine Sahne Fischfilet stattfinden, doch die Direktorin des Bauhaus Dessau sagte ab. Sie befürchtete Demonstrationen vor der Tür, die von rechten Gruppierungen im Falle des Konzerts angekündigt waren. Die Absage wurde stark kritisiert, auch mit Hinweis auf die Tradition und Geschichte des Hauses. Um das medial angeschlagene Image von Haus und ihr selbst wieder aufzubessern, hat die Direktorin nun für einen Tagessatz von 1.428 Euro einen “Krisenberater” angeheuert. Rund zwei Wochen soll der nun im Einsatz sein.

4. Plagiatsfall: Warum dpa die «Taxi-Queens»-Berichte zurückgezogen hat
(dpa.com, Froben Homburger)
Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat Ende vergangener Woche vier Versionen eines Korrespondentenberichts aus Südafrika zurückgezogen. Bei der Story einer Hospitantin aus dem dpa-Büro Johannesburg habe es sich um ein Plagiat eines Artikels aus dem Jahr 2010 gehandelt. Nachrichtenchef Froben Homburger erklärt, wie es dazu kommen konnte, wie die Agentur reagiert hat und wie man solche Pannen zukünftig vermeiden will.

5. «Chinesen sehen Europa auf dem Weg in den Ruin»
(nzz.ch, Ronnie Grob)
Kaum jemand im Westen kennt sich dermaßen gut mit Chinas größtem sozialen Netzwerk Weibo aus wie die Japanologin und Sinologin Manya Koetse, die dazu ein eigenes Blog unterhält. Im Gespräch mit der “NZZ” geht es unter anderem um die Themen bei Weibo, das chinesische Social-Credit-System, Zensur und den Blick der Chinesen auf Europa. Aber es geht auch um den Blick westlicher Journalisten auf China, den Koetse wie folgt charakterisiert: “Es ist eine Beobachtung, die ich häufig mache: Entweder wird anklagend berichtet, oder man will sich lustig machen. Wer aber stets nur mit westlichem Bias und Framing an Storys herangeht, verpasst wichtige Entwicklungen: zum Beispiel, wie sehr die innerchinesische Propaganda ihre Form ändert, wie sie spielerischer wird, witziger, geschickter. Propaganda findet längst nicht mehr auf dumpfen Propagandapostern statt, sondern in Apps, im Internet, in TV-Shows.”
Weiterer Lesetipp: Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua hat ein virtuelles Programm vorgestellt, das in Zukunft die Arbeit von Moderatoren übernehmen könnte: Der gefügigste Nachrichtensprecher der Welt (sueddeutsche.de, Lea Deuber).

6. Danny da Costa FTW!
(twitter.com/sportschau)
Der 25-jährige Fußballspieler Danny da Costa steht beim Bundesligisten Eintracht Frankfurt unter Vertrag. Dass da Costa nicht nur gut Fußball spielen, sondern auch bestens Interviews geben kann, beweist er auf besonders eindrückliche Weise: Er stellt sich einfach selbst die zu erwartenden Reporterfragen.

Streit um Absage, Mission Wahrheit, YouTube-Paniker

1. Wir veröffentlichen: Wie sich die AfD ihre eigene Verfassungsfeindlichkeit bescheinigen lässt
(netzpolitik.org, Andre Meister & Anna Biselli)
Die AfD will verständlicherweise vermeiden, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Auch weil dies Wählerstimmen kosten könnte. Die Partei hat deshalb ein Gutachten erstellen lassen. Dort gibt es 31 Handlungsempfehlungen, wie sich eine Beobachtung vermeiden ließe. Ohne zu viel zu verraten: Wenn sich die AfD an die Empfehlungen hält, könnte sich eine wohltuende Stille ausbreiten.

2. Margarete Stokowski zur Absage ihrer Lesung (28.11.2018)
(rowohlt.de, Margarete Stokowski)
Die Schriftstellerin und “Spiegel Online”-Kolumnistin Margarete Stokowski hat eine Lesung in einer Buchhandlung abgesagt, die auch Bücher von rechten und rechtsextremen Autoren zum Verkauf anbietet. Zwei Dinge stören sie: Die Normalisierung rechten Denkens und die finanziellen Gewinne für diese Autoren und Verlage. Die Buchhandlung reagierte auf die Absage mit einer öffentlichen Stellungnahme, auf die Stokowski nun ihrerseits öffentlich einsehbar reagiert hat.

3. YouTube-Stars verbreiten gerade massenhaft Panik ums ‘Ende von YouTube’
(motherboard.vice.com, Sebastian Meineck)
Wenn erfolgreiche YouTuber derzeit Videos verbreiten, in denen sie aufgeregt von der angeblich drohenden Stilllegung ihres Kanals berichten, liegt das an einem Missverständnis, das mit der angekündigten Urheberrechtsreform der EU zu tun hat. Es liegt aber auch daran, dass mit den überdrehten Panik-Videos massiv Klicks und Geld erzeugt werden. Sebastian Meineck erklärt die Sachlage und lässt verschiedene YouTuber zu Wort kommen.

4. Laudatio zur Verleihung der “Goldenen Kartoffel” 2018 an BILD-Chef Julian Reichelt
(neuemedienmacher.de, Sheila Mysorekar)
Die Verleihung des Negativpreises “Goldene Kartoffel” an “Bild”-Chef Julian Reichelt hatte für einigen Wirbel gesorgt, weil Reichelt zur Preisverleihung persönlich erschienen war und die Entgegennahme mit Hinweis auf einen angeblichen Rassismus gegen Deutsche verweigert hatte. Die Kartoffel-verleihenden “Neuen Deutschen Medienmacher” haben nun die komplette Laudatio zum Nachlesen online gestellt.

5. “Niemand kennt Hamburgs Straßen besser”
(deutschlandfunk.de, Stefan Koldehoff, Audio, 4:51 Minuten)
Das Hamburger Straßenmagazin “Hinz & Kunzt” wird 25 Jahre alt. Im “Deutschlandfunk” erzählt Chefredakteurin Birgit Müller, wie es zur Gründung des Magazins kam, welche Ziele man verfolgt und spricht über die zunehmende Verelendung auf Hamburgs Straßen.

6. Härtetest
(sueddeutsche.de, Holger Gertz)
Die Regisseurin Liz Garbus hat ein Jahr lang verschiedene Journalisten und Journalistinnen der “New York Times” bei ihrer Berichterstattung über Donald Trump begleitet. Herausgekommen ist die empfehlenswerte vierteilige Dokuserie “Mission Wahrheit – Die New York Times und Donald Trump”, die der Fernsehsender Arte heute Abend ausstrahlt.
Servicetipp: Man kann die Serie bis zum 5. Dezember 2018 auch online anschauen: Hier die Links:

Teil 1: Die ersten hundert Tage
, Teil 2: Aufschlag Trump, Teil 3: Zur Lage der Nation und Teil 4: Die Welt der Fakten.

Brasiliens Rechtsruck, Habecks “Bild”-Interview, Contenträuber

1. Bolsonaro ist Gefahr für Pressefreiheit
(reporter-ohne-grenzen.de)
Am Freitag hatte “Reporter ohne Grenzen” besorgt über die bevorstehenden Stichwahl zur Präsidentschaft in Brasilien berichtet. Favorit war der Rechtspopulist Jair Bolsonaro, dessen Wahlkampf in den vergangenen Wochen von Hassreden, Desinformation und Gewalt gegen Journalisten geprägt war. Nun ist das eingetreten, was viele befürchtet haben: Der Rechtsextremist Bolsanaro wurde zum Präsidenten gewählt.

Weiterer Lesehinweis: Brasilien rückt nach rechts (Ivo Marusczyk, tagesschau.de)


2. Sensation mit Habeck
(faz.net, Oliver Georgi)
Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hat der “Bild”-Zeitung ein Interview gegeben, in dem er Angela Merkel dafür kritisiert, die Flüchtlingskrise zu lange unterschätzt zu haben. Daraus wurde dann die reißerische und falsche Meldung: “Wegen offener Grenzen: Grünen-Chef greift Merkel an”. Im Beitrag selbst wurde der Eindruck erweckt, unter Habeck hätten die Grünen plötzlich ihre Haltung gegenüber Merkels Flüchtlingspolitik geändert. Robert Habeck kommentierte auf seinem Facebook-Profil: “Als ich heute morgen die #Bild las, dachte ich, ich bin im falschen Film. Ich habe kritisiert, dass die Bundesregierung die Warnungen und Fluchtbewegungen über lange Zeit ignoriert hat. Das haben wir schon oft festgestellt — ist also nichts Neues. Bild stellt einen falschen Zusammenhang her.”

3. Ich bin trans und ich lasse mich nicht zum Schweigen bringen! Wie die Ärzte Zeitung versucht, Kritik zu verhindern
(nollendorfblog.de, Jonas Recker)
Mitte des Monats erschien in der Onlineausgabe der “Ärzte Zeitung” der Artikel “Im falschen Körper geboren: Ist es jetzt Mode, transgender zu sein?”. Jonas Recker hat die “Ärzte Zeitung” dafür kritisiert, seine Kommentare seien jedoch vom Social-Media-Team gelöscht worden. Recker wiederholt seine Kritik und gibt der “Ärzte Zeitung” eine Empfehlung mit auf den Weg: “Wenn Sie nicht transfeindlich genannt werden wollen, dann geben Sie doch transfeindlichen Inhalten keine Plattform.”

4. ARD und ZDF überprüfen Werbung von Linken, Grünen, FDP und CDU
(t-online.de, Jonas Mueller-Töwe)
Politischen Parteien bedienen sich bei ihrer Werbung fleißig bei den Öffentlich-Rechtlichen. Manches scheint vom Zitatrecht gedeckt zu sein, vieles könnte aber auch einen Verstoß gegen das Urheberrecht darstellen. Gelegentlich wird das fremde Material sogar nachbearbeitet und mit eigenem Logo versehen. Auf Anfrage von t-online.de gaben alle Sender an, keine Genehmigungen für die Nutzung durch die Parteien erteilt zu haben. Es drohen rechtliche Schritte.

5. Was haben sie gelacht
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Die AfD hatte zur Diskussion um “Populisten” und “Lügenpresse” geladen, und die Nachrichten-Chefs der öffentlich-rechtlichen Sender waren der Einladung nach Dresden gefolgt. Boris Rosenkranz berichtet von der Veranstaltung, bei der “Tagesschau”-Chef Kai Gniffke und ZDF-Chefredakteur Peter Frey anscheinend alles gaben, um auch nur den Ansatz von Streit zu vermeiden.

6. Die Politik der Entmenschlichung
(spiegel.de, Christian Stöcker)
Trägt US-Präsident Donald Trump eine Mitschuld daran, dass jemand in den USA Paketbomben an seine Kritiker schickt? Ja, findet “Spiegel Online”-Kolumnist Christian Stöcker und hat dabei die einschlägige Forschung auf seiner Seite.

“Bild”s Renten-Sabotage, Handyfreie Schule, Bouffiers Presseboykott

1. Riester wirft Bild-Zeitung vor, allgemeine Zusatzrente verhindert zu haben
(deutschlandfunk.de)
Der frühere Arbeitsminister Walter Riester wirft der “Bild”-Zeitung vor, eine allgemeine und verpflichtende Zusatzrentenversicherung verhindert zu haben. Riester habe alle Arbeitnehmer und Selbstständige zur Rentenzahlung verpflichten wollen, darauf habe “Bild” eine Kampagne zu seiner Ablösung angedroht und gegen sein Vorhaben angeschrieben.

2. Ohne Smartphone in die Schule – ja, das geht
(zeit.de, Annika Joeres)
Seit September sind an Frankreichs Schulen Handys verboten. Und das funktioniert erstaunlich gut, wie Annika Joeres in ihrer Reportage für “Zeit Online” berichtet. Die Schülerinnen und Schüler würden wieder mehr spielen, weniger mobben und seien konzentrierter. Ihre Eindrücke vom südfranzösischen Collèges Paul Langevin könnten einen über eine ähnliche Regelung in Deutschland nachdenken lassen: “Am Tag, als die Handys verboten wurden, fingen die Schülerinnen und Schüler wieder an, über den Hof zu rennen, Fangen zu spielen, lauthals zu quatschen. Und inzwischen, so erzählt es der Schulleiter Eric Clausen mit ernstem Erstaunen, spielten die Schüler sogar wieder Karten. ‘Wahnsinn. Das haben wir hier seit Jahren nicht mehr gesehen.'”

3. Hinter den Beschimpfungen: Medienstrategie des FC Bayern
(ndr.de, Daniel Bouhs & Inga Mathwig)
Reibereien zwischen dem Fußballklub FC Bayern München und Journalisten gab es schon immer. Der peinliche Auftritt der Bayern-Bosse auf der letzten Pressekonferenz läute dennoch ein neues Zeitalter ein: Der Zugang für klassische Medien werde zunehmend eingeschränkt. Die Bayern seien ein eigener Medienkonzern geworden, der in Konkurrenz zu den etablierten Medien stehe. Das Ergebnis könne eine weitgehend kritikfreie Berichterstattung über die eigenen Hausmedien sein.

4. Bouffiers Presseboykott
(taz.de, Christoph Schmidt-Lunau)
Eigentlich würde der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) gerne Interviews geben, sagen seine Mitarbeiter. Doch ausgerechnet einer der wichtigsten Zeitungen in Hessen verweigert der Ministerpräsident jedes Gespräch: der linksliberalen “Frankfurter Rundschau”. Und das sei so, seit das Blatt über einen Prozess gegen Bouffiers Neffen berichtet habe, vor sechs Jahren …

5. Millionenklage abgewiesen
(sueddeutsche.de, Claudia Henzler & Annette Ramelsberger)
Erleichterung bei der “Süddeutschen Zeitung”: Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat eine Schadensersatzklage in Höhe von 78 Millionen Euro abgewiesen, die ein Geschäftsmanns gegen das Blatt angestrengt hatte. Ein Unternehmer hatte der “SZ” vorgeworfen, durch ihre Berichterstattung ein Geschäft vereitelt zu haben, das ihm “nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge” 78 Millionen Euro Gewinn eingebracht hätte. Der Anwalt der “SZ” hatte die Klage als Einschüchterungsversuch und Angriff auf die Pressefreiheit bezeichnet.

6. Wie “The Daily” zum erfolgreichsten News-Podcast der Welt wurde
(horizont.net, Sebastian Moll)
Während des US-Wahlkampfs 2016 startete die “New York Times” ihren Podcast “The Daily”. Zwei Jahre später erreicht die Redaktion damit täglich bis zu eine Million Hörerinnen und Hörer, “The Daily” ist der erfolgreichste News-Podcast der Welt. In den USA machen derartige Formate mittlerweile sogar dem Radio und dem populären Frühstücksfernsehen Konkurrenz.

Blättern:  1 ... 49 50 51 ... 286