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Leeres Gauland, Protestkündigung bei “Vice”, Ahnungslose “Freizeitwoche”

1. Wie Thomas Walde den AfD-Chef ins Straucheln brachte
(dwdl.de, Alexander Krei)
Im Sommerinterview sprach ZDF-Journalist Thomas Walde mit AfD-Chef Alexander Gauland, und der zeigte sich erstaunlich ahnungslos, wenn es um Dinge abseits der Flüchtlingsthematik ging. Digitalisierung? Renten? Wohnungsnot? Klimawandel? Zu all diesen Themen glänzte der 77-jährige Parteiführer mit Nichtwissen.
Weiterer Lesetipp: Wie die AfD mit kritischen Fragen umgeht: Die Alternative auf Antworten. “taz”-Autor Frederik Schindler weist dort auf eine Analyse des Datenjournalismus-Projekts “Einfacher Dienst” hin: In den neun Sommerinterviews, die vor Gauland ausgestrahlt wurden, sei es in mehr als 61 von insgesamt 267 Minuten über die Themen Flucht, Asyl und Migration gegangen, während für Europa knapp zwölf Minuten und für Bildung gerade einmal 18 Sekunden übrig geblieben seien.

2. Abgänge aus Protest: “Vice Österreich” muss neue Redaktion suchen
(derstandard.de, Oliver Mark)
Bei “Vice” Österreich haben alle acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kündigung eingereicht. Einer der Gründe: Die “Entmachtung der Landes-Chefredaktionen”. Auf Facebook haben sich Noch-Chefredakteur Markus Lust und Noch-Vizechefredakteurin Hanna Herbst mit Stellungnahmen von ihren Leserinnen und Lesern verabschiedet.

3. “Ich fühle mich angestachelt”
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Der aus China ausgewiesene Journalistik-Student David Missal ist wieder zurück in Deutschland. Missal ist wahrscheinlich ein Videobeitrag über Menschenrechtsanwälte zum Verhängnis geworden, den er im Rahmen seines Studiums an einer chinesischen Universität gedreht hat. Hans Hoff hat den 24-jährigen Studenten direkt vom Flughafen abgeholt und mit ihm gesprochen. Es entsteht das Bild eines mutigen, wenn auch etwas naiven jungen Mannes.
Weiterer aktueller Lesetipp: Kritik von allen Seiten für Googles chinesische “Zensurmaschine” (netzpolitik.org, Simon Rebinger).

4. Darum sollten Sie RSS nutzen
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Der Digital-Experte der “SZ” Simon Hurtz kann sich ein Leben ohne RSS nicht vorstellen. Die Technik ermöglicht es, unzählige Nachrichtenquellen gleichzeitig zu verfolgen. Dies gelinge mittels RSS und RSS-Reader weit besser als zum Beispiel über Portale oder Soziale Netzwerke: “Facebook ist wie eine Kantine: Indem Sie bestimmten Seiten folgen und Ihre Freunde selbst auswählen, können Sie zumindest die Grundzutaten Ihres Medienmenüs selbst bestimmen. Sie haben die Wahl zwischen Fleisch, Vegetarisch und Salat. Manchmal schmeckt es, manchmal ist es versalzen. Wer RSS-Reader nutzt, kocht selbst: Er weiß genau, was in den Topf kommt, und kann jeden Tag neu entscheiden, worauf er Lust hat.”

5. Wohnwagen, Inzucht
(freitag.de, Peter Kuras)
Im amerikanischen “Rust Belt”, der ehemals mächtigen Industrieregion im Nordosten der USA, steht es nicht gut um die Medienversorgung. Viele lokale Zeitungen haben dicht gemacht, Tausende Journalisten wurden entlassen. Regionale Radio- und Fernsehsender wurden oft von Großkonzernen geschluckt und fungieren jetzt als Abspielstationen mit wenig Regionalbezug. Das Onlinemagazin “Belt” stemmt sich dem journalistischen Abwärtstrend entgegen und schreibt gegen die Klischeebilder der Region an.

6. „Freizeitwoche“ findet keine Belege für Bullock-Interviews, aber Penis-Facials
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Über viele Jahre veröffentlichte die “Freizeitwoche” Interviews mit der US-Schauspielerin Sandra Bullock. Interviews, die es anscheinend nie gegeben hat. Das behauptet jedenfalls der Hollywood-Star, der die “Freizeitwoche” in Deutschland verklagt hat. Im Prozess geht es auch darum, ob die Redaktion hätte merken müssen, dass es sich um gefälschte Interviews handelte. Dafür spricht so einiges, aber die Verantwortlichen weisen alle Vorwürfe weit von sich. Wenn es sich um gefälschte Interviews handeln sollte, so die treuherzige Argumentation, sei man vom Autor hintergangen worden. Und dies jahrelang … Am 7. September soll das Gericht seine Entscheidung verkünden.

Trump unbeschämbar, Untergang interessiert nicht, Insta-Repeat

1. “Journalisten werden die Öffentlichkeit selbst verteidigen müssen”
(zeit.de, Tobias Haberkorn & Dirk Peitz)
Jay Rosen ist einer der führenden Medienwissenschaftler der Vereinigten Staaten und derzeit im Rahmen seiner Arbeit in Deutschland. Die “Zeit” hat mit ihm über die “Washington Post”, Trump und die AfD gesprochen. In Bezug auf den medialen Umgang mit Rechts sieht Rosen die USA als mahnendes Beispiel: “Eine Lehre ist: Wer über Rechtspopulismus einfach nur berichtet, wird ein Teil von ihm. Es reicht nicht aus zu sagen: “Das ist passiert, also berichten wir darüber.” Eine andere Mahnung lautet: Weil Trump ein völlig schamloser Politiker ist, ist es unmöglich, ihn mit irgendetwas zu beschämen. Es bringt nichts, ihm vorzuhalten, wie viel negatives Feedback er für diese oder jene politische Maßnahme bekommen würde. Denn Trump lebt von der Kontroverse. Gewissermaßen lebt er sogar vom Hass gegen ihn, denn der hilft ihm, das Land weiter zu polarisieren. Wenn ein Medium nicht zu einem Teil der rechtspopulistischen Agenda werden möchte, dann muss es eine eigene reporting agenda entwickeln und öffentlich machen.”

2. Amazon nimmt Nazi-Symbole aus dem Sortiment
(wired.de)
Auf Druck von Anti-Rassismus-Vereinigungen dürfen Drittanbieter bei Amazon keine Produkte mehr verkaufen, die Symbole der Nazis und anderer Hassgruppen aufweisen. Amazon hat seine Regeln überarbeitet und will derlei Produkte zukünftig aus dem Angebot entfernen. Das wurde aber auch höchste Zeit, möchte man der Meldung hinterherseufzen.

3. Die Katastrophe hätte verhindert werden können
(spiegel.de, Georg Diez)
Georg Diez fragt sich in seiner aktuellen Kolumne über die Folgen des Klimawandels, wie es sein kann, “dass der Untergang der Menschheit so wenig Interesse erweckt und die Titelseiten sich in dieser Woche, wie in den Wochen und Jahren zuvor, eher mit der Partymetropole Berlin oder dem Elend der Patchwork-Familie beschäftigen als mit der im Grunde einzigen und überwölbenden und schrecklichen Realität unserer Zerstörung des Planeten”.

4. Zahlen, bitte!
(taz.de, Daniel Bouhs)
Google arbeitet schon seit Jahren intensiv mit Medien zusammen, unterstützt Verlage und Start-ups mit Millionensummen und spendiert Stipendien für DatenjournalistInnen. Natürlich nicht uneigennützig: JournalistInnen sollen ihre Datenbanken so aufbereiten, dass Google sie versteht. Wie es zum Beispiel bei der Zusammenarbeit mit dem deutschen Recherchebüro “Correctiv” geschah.

5. Feindselig
(faz.net, Ursula Scheer)
Ursula Scheer beschäftigt sich in der “FAZ” mit Trumps gebetsmühlenartig vorgetragener Medienschelte: “Fake News sind für Trump, was Trump zu Fake News erklärt. Die immer neuen Runden, in denen er mit solch tautologischen Manövern das Publikum und die Medienschaffenden wie am Nasenring durch die Manege führt, dienen seinem Zweck: Sie ermüden, sie verwirren, sie lassen es am Ende so aussehen, als wüsste wirklich niemand, was Fakt und was Fake ist, oder als wäre das letztlich ohnehin egal, weil der große Volkstribun immer recht hat. Dafür gibt es auch eine Bezeichnung, eine ganz sachliche. Sie lautet: “demokratiefeindlich”.”
Weiterer Lesehinweis: Horst Seehofer will künftig twittern — weil die Medien so gemein zu ihm sind (vice.com, Christina Hertel)

6. Das Bild kenn ich doch
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Marc Baumann)
Viele Motive und Bildkompositionen auf Instagram wiederholen sich auf geradezu ernüchternde Weise: Ob die baumelnde Füße über der Schlucht, der Schuss aus dem Zelt oder der nachgestellte Caspar David Friedrich. Der Account “insta_repeat” stellt besonders beliebte Motive als Bildreihungen vor, was, wie Marc Baumann zu Recht anmerkt, zugleich traurig und sehr witzig ist.

Medien über Mesut Özil: der Rassismus der Anderen

Kurz nach dem Ausscheiden bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland berichteten viele Medien vor allem über einen deutschen Nationalspieler: Mesut Özil. Es war schließlich auch etwas passiert nach dem letzten Gruppenspiel gegen Südkorea: Eine Person auf der Tribüne beleidigte Özil, vermutlich ausländerfeindlich. Der DFB schrieb uns auf Nachfrage, dass dem Verband Informationen vorliegen, die diesen Vorgang bestätigen. Özil ließ sich das nicht bieten. Torwarttrainer Andreas Köpke und ein Bodyguard mussten einschreiten.

Doch statt zu schreiben “Eklige Attacke gegen Mesut Özil” oder “Rassistischer Angriff auf Nationalspieler”, titelten die Redaktionen:

Screenshot BZ - Pleite gegen Südkorea - Özil legt sich nach WM-Aus mit deutschen Fans an
(bz-berlin.de)
Screenshot T-Online - Nach WM-Debakel - Özil legt sich mit deutschen Fans an
(t-online.de)
Screenshot Sky Sport - Der Weltmeister ist raus - Nach Peinlich-Aus: Özil legt sich mit den Fans an
(“Sky Sport”)
Screenshot Rheinische Post - Nach dem Spiel gegen Südkorea - Özil und Köpke legen sich mit deutschen Fans an
(“RP Online”)
Screenshot Focus Online - Nach WM-Debakel - Mesut Özil gerät mit deutschen Fans aneinander
(“Focus Online”)
Screenshot Express.de - Auch das noch - Mesut Özil gerät in Auseinandersetzung mit deutschen Fans
(Express.de)
Screenshot Huffington Post - Bodyguard musste ihn beruhigen - Özil zofft sich mit deutschen Fans
(“Huffington Post”)
Screenshot Mitteldeutsche Zeitung - Nach WM-Aus gegen Südkorea - Özil gerät mit deutschen Fans aneinander
(“Mitteldeutsche Zeitung”)
Screenshot Reviersport.de - Özil zofft sich nach der DFB-Pleite mit Deutschland-Fan
(“Reviersport”)

So, als ginge die Aggression von Özil aus; als hätte nicht zuerst irgendein Holzkopf ausländerfeindlichen Dreck von sich gegeben; als müsste ein Nationalspieler nach dem Ausscheiden bei einer WM alles hinnehmen, auch rassistische Anfeindungen; als dürfte er sich gegen die Beleidigung nicht wehren, ohne mit dieser Reaktion für Ärger zu sorgen.

Genau das behaupten “Bild” und Bild.de, wenn sie zwei Tage nach der Niederlage schlagzeilen:

Ausriss Bild-Zeitung - Özil - Zweimal Ärger und sonst nix

Ärger Nummer 1 laut “Bild”-Medien: das unsägliche Treffen von Mesut Özil und dessen Nationalmannschaftskollegen Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Ärger Nummer 2: die Szene nach dem Südkorea-Spiel:

Emotionen zeigte Özil bei der WM nur einmal: Als er nach dem Aus vorm Spielertunnel von einem “Fan” beleidigt wurde, musste er von Torwart-Trainer Andy Köpke zurückgehalten werden.

Köpke zu BILD: “Der Fan hat ihn beschimpft. Ich habe Mesut zurückgezogen und zu dem Fan gesagt, er soll den Schnabel halten.” Nach BILD-Info sollen ausländerfeindliche Beleidigungen gefallen sein.

Die bewusste Teilnahme an einem Treffen mit einem Autokraten auf der einen Seite, eine Beleidigung durch eine fremde Person auf der anderen — für die Mitarbeiter von “Bild” und Bild.de alles dieselbe kritikwürdige Soße, die sie Özil vorhalten:

Es begann mit Zoff und endete mit Zoff. Und dazwischen war sportlich leider nix los.

“sportlich leider nix los” ist dann auch eine ausgesprochen negative Auslegung dessen, was Mesut Özil beispielsweise gegen Südkorea auf dem Spielfeld gezeigt hat. Er hat sicher kein überragendes Spiel gemacht, aber laut Statistiken deutlich mehr als “nix”: mit 110 Ballberührungen die zweitmeisten im deutschen Team, mit 95 Pässen ebenfalls die zweitmeisten, darunter sieben sogenannte “Key Passes”, also solche, die direkt zu guten Chancen führen. Mesut Özil war, glaubt man den Zahlen, gegen Südkorea einer der Besten einer insgesamt schwachen Mannschaft.

Und dennoch suchten zahlreiche Redaktionen Fotos von Özil aus, um das Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft zu bebildern: Die “Welt” zeigte, “wie schwach Deutschland wirklich war”, und wählte für den Artikel ein Foto von Özil. Bei der “FAZ” brachten sie die Schlagzeile “Der deutsche Untergang” und wählten ein Foto von Özil (was die Redaktion später änderte). “Bild” schrieb bei Instagram “Peinlicher Auftritt” und wählte dazu ein Foto von Özil. “Pro Sieben” forderte ausschließlich Mesut Özil per Twitter zum Rücktritt auf (wofür sich der Sender später entschuldigte). “11 Freunde”-Chefredakteur Philipp Köster hat das alles drüben bei “Übermedien” detailliert aufgeschrieben.

Mit der sportlichen Leistung allein lässt sich die Wucht der Kritik an Mesut Özil nicht erklären. Vielleicht spielt eine angestaute Wut darüber, dass er die deutsche Nationalhymne nicht mitsingt, eine Rolle. Vielleicht das generelle Misstrauen gegenüber, der Hass auf Türken. Auf jeden Fall immer noch das Foto mit Erdogan. Karim Benzema, französischer Fußballer mit algerischen Wurzeln und früher Stürmer in Frankreichs Nationalmannschaft, sagte mal: “Wenn ich ein Tor schieße, bin ich Franzose, aber wenn ich keins schieße oder wenn es Probleme gibt, dann bin ich Araber.”

Am Sonntag erschien in “Bild am Sonntag” und bei Bild.de (dort inzwischen gelöscht) ein Kommentar von Hatice Akyün:

Ausriss Bild am Sonntag - Der Rassismus gegen Özil hat mich umgehauen

Sie kritisiert völlig zurecht die ausländerfeindlichen Parolen von AfD-Politikern gegen Mesut Özil. Zur Rolle der Medien verliert sie hingegen kein Wort, leider auch nicht zur Kampagne von “Bild” und Bild.de, die für den “Rassismus gegen Özil” mindestens ein nützliches Klima geschaffen hat.

Angstmacher Seehofer, Wahlumfrage, Das Quaken der toten Ente

1. “Seehofer befeuert Misstrauen und Ängste”
(donaukurier.de, Klaus Meier)
Innenminister Horst Seehofer hat in einem Interview behauptet, es gäbe immer mehr Falschmeldungen. Die meisten Fake News würden seiner Ansicht nach in Deutschland produziert werden. Dem widerspricht der Eichstätter Journalismus-Professor Klaus Meier: “Horst Seehofer befeuert das Misstrauen und die Ängste von etwa 15 bis 20 Prozent der Menschen in Deutschland, die der Propaganda der Rechten aufsitzen und denken, sie würden permanent manipuliert. Das ist für eine informierte und diskursive Öffentlichkeit nicht hilfreich, ohne die die Demokratie nicht atmen kann.”
Weiterer Lesehinweis: Auch der Vorsitzende des “Deutschen Journalisten Verbands” ist über die Aussagen Seehofers empört: “Ausgerechnet der Minister, der kraft seines Amtes die Grundwerte der Verfassung schützen soll, stellt die Pressefreiheit auf den Kopf, indem er uns Journalisten vorsätzliche Falschmeldungen unterstellt — unglaublich!” (djv.de, Hendrik Zörner)

2. „Heute“ und die Tiefen des „guten Boulevards“
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Das österreichische Gratisblatt “Heute” machte mit der Aufsehen erregenden Meldung auf, nach der eine 91-jährige “Oma” von einem Flüchtling vergewaltigt worden sei. Dabei handelte es sich jedoch um eine Falschmeldung, wie das Blatt in einem Anhang eingestehen musste. Hans Kirchmeyer lobt das Blatt für seine transparente Dokumentation, es sei jedoch ein erheblicher Schaden angerichtet worden: “Kaum ein Leser kehrt zurück und liest die kleine Korrektur ganz am Ende des Artikels. Und in den “sozialen” Medien quakt die Ente untot weiter.”

3. Muss man bei der WM zu viele bittere Pillen schlucken, Frau Freitag?
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
“Planet Interview”-Macher Jakob Buhre hat sich mit der Vorsitzenden des Sportausschusses Dagmar Freitag (SPD) unterhalten. In dem Gespräch geht es u.a. über die laufende WM, den Zwang, die FIFA zu finanzieren, die Verbindung von Coca-Cola und Sport und den Umgang des DFB mit der Trikot-Affäre.
Weiterer Lesehinweis, ebenfalls bei “Planet Interview”: das Gespräch mit Markus Harm, dem Sportpolitik- und FIFA-Experten des ZDF: Die Fußball-WM ist ein Corporate Event, es geht fast nur noch um Geld.

4. CSU bundesweit bei 18 Prozent?
(faktenfinder.tagesschau.de, Konstantin Kumpfmüller)
Würde die CSU bei bundesweiten Neuwahlen wirklich bei 18 Prozent liegen, wie “Bild” unter Berufung auf eine Umfrage des INSA-Instituts berichtete? Daran bestehen Zweifel, auch weil die Fragestellung problematisch ist. Heiko Gothe vom Meinungsforschungsinstitut Infratest kritisiert die Frage nicht nur wegen ihres Framings, sondern auch ganz grundsätzlich: “Mit der Abfrage von Parteien, die bisher im jeweiligen Wahlgebiet gar nicht wählbar sind und mit denen die befragten Personen gar keine Erfahrung haben, wird der hypothetische Charakter massiv gesteigert und die Befragten letztlich überfordert.”
Weiterer Lesehinweis: Keine eindeutige Mehrheit für CSU-Politik – Spiegel online interpretiert das aber anders (stefan-fries.com)

5. 18 Wege, über die dich Facebook trackt und verfolgt
(basicthinking.de, Christian Erxleben)
Vielen ist bekannt, dass Facebook seine Nutzer trackt, analysiert und verfolgt. Wie ausgeklügelt Facebooks Tracking-Verhalten funktioniert, zeigt ein 225-seitiges PDF-Dokument mit Antworten an den US-Kongress. Danach gebe es 18 Methoden und Verhaltensweisen, über die das Netzwerk seine Nutzer ausspäht. Das reicht von technischen Daten, wie dem Batteriestand des Geräts und den installierten Plugins, bis hin zu Mausbewegungen und Einkäufen.

6. “Guten Tag, bin ich da in der Sportredaktion?”
(spiegel.de)
Als ZDF-Redakteurin Claudia Neumann im deutschen Fernsehen ein WM-Spiel kommentierte, gab es wütende Reaktionen in den sozialen Medien. Einige (männliche) Zuschauer können es anscheinend nicht ertragen, wenn eine Frau als Sportreporterin arbeitet. Das ZDF berichtete von “Hass, Häme und Beleidigungen”. Ein Einzelfall? “Spiegel Online” hat Sportjournalistinnen nach ihren Erfahrungen gefragt. Und die erzählen u.a. von Vorhaltungen, Vorurteilen und blöden Kommentaren.

7. Leserbrief an den FAZ-Herausgeber Holger Steltzner
(facebook.com, Lorenz Meyer)
Außerhalb der 6-vor-9-Zählweise, weil aus der Feder des Kurators: Ein Leserbrief an den “FAZ”-Herausgeber Holger Steltzner wegen dessen Behauptungen zur Asyl- und Flüchtlingspolitik. “Ich ärgere mich gerade über Ihren Beitrag, weil er verzerrt, mit Unwahrheiten operiert und das gesellschaftliche Klima vergiftet.”

Russland vs. Seppelt, Maffay vs. “Spiegel”, Erdogan vs. Böhmermann

1. Einreise mit Unwägbarkeiten
(tagesschau.de)
Russland verweigerte dem ARD-Dopingexperten Halo Seppelt zunächst das für den Besuch der Fußball-WM notwendige Visum. Dagegen erhob sich von verschiedenen Seiten Protest. Nun vermeldete Außenminister Heiko Maas auf Twitter einen Zwischenerfolg: „Russische Seite hat uns soeben mitgeteilt, dass @hajoseppelt zumindest zur WM einreisen kann.“ Damit ist die Sache jedoch nicht ausgestanden, denn es ist unklar, ob und in welchem Umfang Seppelt von Russland aus berichten darf. Außerdem will die staatliche Ermittlungsbehörde Seppelt als Zeugen in dem Strafverfahren gegen den Ex-Chef des Moskauer Anti-Doping-Labors befragen. Dazu werde man „Maßnahmen ergreifen“.

2. SPIEGEL gegen Maffay – 5:0
(spiegel.de)
Im Juli 2017 berichtete der „Spiegel“ über die Peter Maffay und seine „fragwürdige Stiftung“, die traumatisierten Kindern Urlaub auf Mallorca ermöglichen will. Die Hauptvorwürfe: Der Biohof sei verwahrlost, Maffays Geschäftspartner und Fans seien verärgert. Dagegen setzte sich Peter Maffay juristisch zur Wehr. Nun teilte sein Anwalt mit, dass sein Mandant die Klage zurücknimmt. Der „Spiegel“ dazu im hauseigenen Blog: „Damit hat Maffay das Unterlassungsverfahren verloren, wie zuvor schon alle vier Gegendarstellungsverfahren in Hamburg. Auf die Richtigstellungsansprüche hat er bereits verzichtet. Und um die Redlichkeit von Maffay wird sich die Staatsanwaltschaft Köln kümmern, Aktenzeichen 981 Js 538/18.“

3. Tumult beim Presserundgang im Transitzentrum
(donaukurier.de)
Im bayrischen Oberstimm wurde aus einer ehemaligen Kaserne eine „Ankunft- und Rückführungseinrichtung“ für Asylbewerber gemacht. Bei einem Presserundgang kam es am Dienstag zu Tumulten. Zunächst hätten sich die Asylbewerber mit den etwa 50 Journalisten über die ihrer Meinung nach menschenunwürdigen Zustände in dem Lager unterhalten. Dann kam es zu einer Spontandemonstration, die jedoch unterbunden wurde: „Danach ging der Presserundgang weiter, als wäre nichts gewesen. Den Journalisten wurden die leeren Zimmer der Bewohner präsentiert. Mit diesen unterhalten durften sich die Pressevertreter aber nicht mehr.“

4. Über jeden “Mist” berichten?
(deutschlandradio.de, Janko Tietz & Henning Hübert, Audio, 6:05 Minuten)
Angesichts der umstrittenen Äußerungen von Dobrindt (CSU) und Lindner (FDP) fand „Spiegel-Online“-Redakteur Janko Tietz auf Twitter direkte Worte: „Wenn wir als Medien solchen Mist verbreiten, sind wir mit Schuld.” Der „Deutschlandfunk“ hat sich mit Dietz über seinen Tweet unterhalten. Im Gespräch geht es um den Umgang mit Provokationen in einem gesellschaftlich aufgeheizten Klima und die Verantwortung von Journalisten.

5. Regierung: Geheimnis um ein Geschenk für Verleger
(ndr.de, Philipp Hennig & Kaveh Kooroshy)
Die Zeitungsverlage können sich über eine nur für sie geltende Sonderregelung freuen: Laut Koalitionsvertrag wird der Arbeitgeberanteil für die Rentenversicherung bei minijobbenden Zeitungszustellern von 15 auf 5 Prozent abgesenkt. „Panorama 3“ wollte wissen wie der für die Verleger so attraktive Passus in den Koalitionsvertrag gekommen ist und hat die Mitglieder der zuständigen Arbeitsgruppe kontaktiert.

6. Dreiviertelsieger Erdoğan
(taz.de, Christian Rath)
Nachdem schon das Hamburger Landgericht so entschieden hatte, hat nun auch das Oberlandesgericht Hamburg Jan Böhmermann untersagt, 18 von 24 Zeilen seines Erdogan-Gedichts zu wiederholen. Damit ist die Sache jedoch nicht am Ende angelangt: Böhmermanns Anwalt habe klargemacht, dass sein Mandant auf jeden Fall auch das Bundesverfassungsgericht anrufen wird.

Verdacht in der Berichterstattung, Lügen lohnen, Kampagnen-“Bild”?

1. Dürfen die das?
(deutschlandfunk.de, Philip Banse)
Am Beispiel des Falls Dieter Wedel beschäftigt sich Philip Banse im „Deutschlandfunk“ mit dem Thema Verdachtsberichterstattung. Wann dürfen Journalisten was berichten? Banse hat mehrere Experten dazu befragt.
Zusätzlicher Gucktipp: Georg Mascolo über Verdachtsberichterstattung (facebook.com, Video, 2:55 Minuten).

2. “Es geht wirklich um etwas”
(horizont.net, Ulrike Simon)
Als ehemalige SRG-Mitarbeiterin kennt die MDR-Programmchefin Nathalie Wappler-Hagen die Rundfunksysteme und Mentalitäten in der Schweiz und Deutschland. Im Gespräch mit Ulrike Simon vergleicht sie die Lage in den beiden Ländern: „Den Schweizern ist bewusst geworden, dass durch Sparmaßnahmen und Medienkonzentration einiges an Vielfalt verloren gegangen ist und dass das nicht zum gesellschaftlichen Klima beigetragen hat. In Deutschland geht es dagegen immer nur darum, was die Verleger wollen, was die KEF sagt oder wer auf welche Sendung verzichten könnte. Das überlagert die viel wichtigere Frage, wo öffentliche Meinungsbildung stattfindet und inwiefern Medien eher ein wirtschaftliches oder eben ein kulturelles Gut sind.“

3. S. Fischer vs. Project Gutenberg: Die Sperre des E-Book-Portals kennt nur Verlierer
(irights.info, Johannes Haupt)
Die Betreiber der amerikanischen Gemeinfrei-Bibliothek „Project Gutenberg“ wurden von einem deutschen Gericht dazu verpflichtet, 18 Romane von 18 auf Gutenberg.org verfügbare Romane von Heinrich Mann, Thomas Mann und Alfred Döblin aus ihrem Bestand zu entfernen. Statt die Bücher auszulisten, blockiert die Seite nun alle deutschen Nutzer. Dabei handele es sich um eine Vorsichtsmaßnahme; man habe allen Grund zur Annahme, der Verlag werde „mit Hilfe deutscher Gerichte“ weitere Titel beanstanden.
Bei dem Streit gibt es nur Verlierer, kommentiert Johannes Haupt: „Der S. Fischer Verlag hat einen sicherlich längerfristigen Reputationsschaden erlitten, ohne wirklich etwas gewonnen zu haben. Die Umsatzverluste durch die Gratis-Verfügbarkeit der 18 betroffenen Titel dürften nahe Null gelegen haben. Auf Gutenberg.org kommen juristische Kosten zu, die die sicherlich nicht allzu prall gefüllten Kassen weiter belasten und anderswo besser investiert wären.“

4. Lügen wird belohnt
(spiegel.de, Eva Wolfangel)
MIT-Forscher haben mehr als 4,5 Millionen Tweets der vergangenen zwölf Jahre ausgewertet. Ziel der Untersuchung: Herauszufinden, wie sich Falschmeldungen und Gerüchte über Twitter verbreiten. Der Erfolg von Falschmeldungen ist vor allem auf die Vorliebe der Menschen für Überraschendes und auf Belohnungsmechanismen zurückzuführen. Die sozialen Netzwerke sind im Zwiespalt: Einerseits schaden derartige Nachrichten ihrer Reputation, andererseits generieren sie geldwerte Klicks.

5. Verbotene Liebe
(sueddeutsche.de, Dunja Ramadan)
Eine große saudische Sendergruppe hat alle Seifenopern aus der Türkei aus ihrem Programm verbannt, obwohl diese eigentlich sehr beliebt sind. Offiziell soll es sich um den Versuch handeln, die türkischen Dramen durch arabische Produktionen von hoher Qualität zu ersetzen. Dunja Ramadan vermutet hinter dem Schritt allerdings politische Motive.

6. Kampagnenjournalismus bei BILD?
(daniel-bouhs.de)
Matthias Döpfner ist Vorstandsvorsitzender von Axel Springer SE und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Und er sagt manchmal Dinge, bei denen man nicht weiß, ob man betrübt schluchzen oder lauthals loslachen soll.

Eingeknickt, Briefmarken für Dummies, Endlosschleife

1. Weniger Text, mehr Bild
(taz.de, Daniel Bouhs)
ZDF und WDR haben offenbar auf die Kritik des Verleger-Chefs Mathias Döpfner reagiert und schränken den Textanteil auf ihren Startseiten ein. Daniel Bouhs wirft einen Blick auf das Thema, bei dem sich ein immer deutlicherer Riss durch die Öffentlich-Rechtlichen zeige — zwischen Textanhängern und Textvermeidern. Im Frühjahr könnte es zu einem neuerlichen Showdown kommen. Dann wollen die Ministerpräsidenten neue Spielregeln beschließen.

2. Der Facebook-Jahresrückblick 2017
(de.newsroom.fb.com)
Facebook betrachtet in seinem Jahresrückblick die “Momente des Jahres, die Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt bewegt und bei denen sie sich gegenseitig unterstützt haben”. Diese Momente zeichnen sich durch eine recht unterschiedliche inhaltliche Tiefe aus: Auf den ersten drei Plätzen rangieren der G20-Gipfel, der Tod von “Linkin Park”-Sänger Chester Bennington und das Programmupdate für “Final Fantasy XV” … Ein weiterer Teil des Jahresrückblicks: der sogenannte “Safety Check” und Spendenaktionen.

3. Wir brauchen eine Algorithmen-Ethik – Interview mit Konrad Lischka
(dirkvongehlen.de)
Konrad Lischka beschäftigt sich im Projekt “Algorithmenethik” mit den gesellschaftlichen Folgen algorithmischer Entscheidungsfindung. Im Mailinterview mit Dirk von Gehlen spricht er darüber, ob Algorithmen gut oder böse sind, woher das schlechte Image rührt und warum wir eine Ethik für Algorithmen brauchen.

4. BILD-Zeitung: Geschäft mit Briefmarken für Dummies
(spiesser-alfons.de)
“Spießer Alfons” ist über eine “Bild”-Aktion gestolpert. Das Blatt bietet seinen Lesern unter der Überschrift “Anpfiff für das Briefmarken-Wunder von Bern” 11.111 “exklusive” Briefmarkenbögen an. Die Exklusivität ist jedoch relativ, denn jeder kann sich derlei Privatdrucke von der Post herstellen lassen. Außerdem ist der Spaß nicht billig: Für den Gesamtportowert von 7,70 Euro seien 24,99 Euro für die “Bild”-Version fällig.

5. Stille Post
(sueddeutsche.de, Julian Hans)
In Russland lastet auf den traditionellen Medien ein großer Druck. Julian Hans berichtet auf Süddeutsche.de von einer alternativen, aber nicht unumstrittenen Informationsquelle: Dem Messengerdienst “Telegram”. Das Whatsapp-ähnliche Programm bietet Kanäle, über die Nachrichten, Gerüchte und Falschmeldungen verbreitet werden. Der riesige Erfolg der Chat-Nachrichten sei nicht verwunderlich: Je stärker die traditionellen und inzwischen auch die Sozialen Medien in Russland unter Druck geraten, desto beliebter würden derlei Schlupflöcher.

6. 600.000 Gefangene
(couchblog.de, Nico Brünjes)
Nico Brünjes fragt sich in der heutigen Ausgabe des “Rantventskalenders”, wie es sein kann, dass sich immer noch 600.000 Leute in der virtuellen Parallelwelt von “Second Life” tummeln: “Man muss sich natürlich ernsthaft fragen: was machen die da? Möglicherweise ist dort ja die Zeit stehen geblieben, Trump, Klimawandel, Koalitionsverhandlungen, alles kein Thema in Second Life. Nur 600.000 Leute die sich gegenseitig dabei stalken, wie sie in einer Endlosschleife gegen einen virtuellen Laternenpfahl laufen.”

AfD-“FAZ”-Jargon, Umfrageunsinn, Journalisten als Politikberater

1. “Staatliche Sender” – auch #FAZ-Herausgeber macht sich jetzt #AfD-Jargon zu eigen. Bedenklich.
(twitter.com, Kai Küstner)
Der WDR/NDR-Korrespondent im ARD-Studio Brüssel, Kai Küstner, kritisiert eine Formulierung von “FAZ”-Herausgeber Holger Steltzner. Dieser hat in seinem “Konjunktur-Kommentar” “Land der wirtschaftlichen Wunder” statt von den Öffentlich-Rechtlichen von den “staatlichen Sendern” gesprochen. Eine Wendung, die Küstner dem AfD-Jargon zurechnet und bedenklich findet.

2. Begeisterung für Umfragen über Jamaika-Koalition nimmt ab
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier ist genervt von den vielen sinnlosen Umfragen der Meinungsforscher zur sogenannten Jamaika-Koalition: “Die Leute sollen sagen, ob sie eine Koalition gut finden, von der zum Zeitpunkt der Frage kein einziges konkretes Vorhaben bekannt ist. Was ist das für ein Unsinn? Was für Rückschlüsse soll das auf irgendwas erlauben? Wäre nicht die einzige richtige Antwort, die man dem Mann von Infratest Dimap oder der Forschungsgruppe Wahlen geben könnte: Weiß noch nicht, rufen Sie mich nochmal an, wenn klar ist, welche Steuern die erhöhen, wie die mit Flüchtlingen umgehen, welcher Klima-Kompromiss da am Ende rauskommt?”

3. Politisches Rauchen
(taz.de, Raphael Piotrowski)
Am Dienstagabend pünktlich um 18 Uhr füllte sich der Bürgersteig vor dem “taz”-Gebäude in der Rudi-Dutschke-Straße in Berlin mit Protestrauchern, die damit an den ehemaligen “taz”- und heutigen “Welt”-Autoren und passionierten Raucher Deniz Yücel erinnern wollten. Und an seine fortdauernde Haft in der Türkei. Auch vor dem “Spiegel”-Redaktionsgebäude in Hamburg hätten Kollegen solidarisch für Deniz Yücel gequalmt.

4. „Österreich“ vervierfacht Cybermobbing-Opfer
(kobuk.at, Angelika Eva Kapeller)
Die Tageszeitung “Österreich” behauptet, “64 Prozent sind Cybermobbing-Oper”, und beruft sich dabei auf eine Studie der “AK Steiermark”, der gesetzlichen Interessenvertretung aller ArbeitnehmerInnen des österreichischen Bundeslandes Steiermark. Warum die Aussage ziemlicher Quatsch ist, erklärt “Kobuk”-Autorin Angelika Eva Kapeller: In der Studie sei zwar von 64 Prozent die Rede, dabei handele es sich jedoch um die Schüler, die von Cybermobbing-Fällen in ihrem Umfeld wüssten. Außerdem seien die Angaben für Mobbingopfer und Cybermobbing-Opfer vermischt worden.

5. Politikberatungsjournalismus
(wolfgangmichal.de)
Wolfgang Michal nennt es eine “journalistische Übergriffigkeit”, wenn sich Journalisten zu Politikberatern aufschwingen: “Ist es die Aufgabe politischer Journalisten, ständig zu erklären, was jetzt zu tun ist? Müssen sie täglich hinausposaunen, was “wir” jetzt am dringendsten brauchen? Wie Merkel die Krise noch meistern kann? Wie Jamaika zum Erfolg wird? Der politische Journalismus bietet heute ein solches Übermaß an Politikberatung, dass man bisweilen den Eindruck hat, die Redaktionen fungierten als Planungs- und Krisenstäbe des Kanzleramts und der Parteien.”

6. Montana Black: Wie PewDiePie, nur noch unreflektierter (Special)
(spieletipps.de)
In Youtube-Videos der Gamerszene herrscht schon mal ein rauer Ton, das mag man oder nicht. Bedenklich wird es jedoch, wenn sich rassistische Töne in die Videos einschleichen, wie es dem schwedischen Youtube-Star “PewDiePie” vorgeworfen wird. In einem ähnlichen Fahrwasser scheint sich ein deutscher Youtuber bewegen zu wollen, der eine Spielefirma als “Zigeuner-Söhne” bezeichnet, ein Spiel als “Drecks-Zigeuner-Spiel” beschimpft. Die Macher der Seite “Spieletipps” haben den Vorgang aufgegriffen und kommentieren: “Jemand, der ein Millionenpublikum erreichen kann, sollte sich überlegen, welche Wörter er benutzt — und vor allem auch, welche er nicht benutzen möchte. Denn so ein junges Publikum ist beeinflussbar. Es wird auch durch solche Videos sozialisiert. So entsteht eine Normalität, die nicht normal sein sollte.”

Yücel-Interview, #Metoo-Verdrehung, Realfakeopfer Dunja Hayali

1. Klagt mich endlich an
(taz.de, Doris Akrap)
Doris Akrap ist “taz”-Redakteurin und enge Freundin des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel. Sie kennt ihn seit dem Abitur in den frühen Neunzigern. Nun hat sie ihn auf ungewöhnliche Weise interviewt: “Meine Fragen habe ich schriftlich über Deniz’ Anwälte gestellt und Deniz hat sie über die Anwälte schriftlich beantwortet. Meine Rückfragen und seine Antworten dazu gingen dann auf demselben Weg noch zwei Mal hin und her. Dazwischen lagen jeweils mehrere Tage.” Yücel wartet bereits seit acht Monaten auf seine Anklageschrift. Er wünscht sich: “Ich will einen fairen Prozess. Und den am besten gleich morgen. Nicht mehr. Nicht weniger.”
Wir vom BILDblog schließen uns dem mit einem #FreeDeniz an und wünschen ihm bis dahin alles Gute.

2. Hauptsache, es ist laut und krass
(spiegel.de, Georg Diez)
Georg Diez beschäftigt sich in seiner Kolumne mit den Gegenstimmen zur #MeToo-Debatte. Es habe sich so etwas wie ein “Post-truth-Journalismus” entwickelt mit unlauteren Absichten: “… das Ziel scheint ein generelles Klima von Verdacht und Verschwörung, in dem dann die eigenen Argumentationen und Wahrheiten platziert werden können. Es ist immer das gleiche Muster. Die einen sagen: Es gibt ein System von Missbrauch. Die anderen sagen: Es gibt ein System von Verdacht.”

3. Einer kämpft gegen „Unter drei“
(taz.de, Christian Rath)
Jost Müller-Neuhof ist rechtspolitischer Korrespondent des “Tagesspiegels” und dessen Justiziar. Neuhof setzt sich immer wieder dafür ein, dass der Staat alle Journalisten gleichermaßen informiert. Nicht nur diejenigen, die man zu Hintergrundrunden einlädt: “Das ist staatliches Informationshandeln, also müssen es auch alle Journalisten erfahren können — zumindest wenn sie sich ebenfalls zu Vertraulichkeit verpflichten.” Gerichte scheinen für diesen Wunsch mehr Verständnis zu haben als seine Kollegen aus dem Journalismus, die schon mal vom “Terror der Transparenz” sprechen.

4. Benjamin Piel über Bestechung im Lokaljournalismus
(kress.de, Benjamin Piel)
Manchmal braucht es keine goldene Armbanduhr, um Journalisten zu bestechen, es muss sich noch nicht mal um materielle Güter oder Geld handeln. Manchmal reicht schon soziale Anerkennung im Ort als Schmierstoff, so Benjamin Piel, Redaktionsleiter der “Elbe-Jeetzel-Zeitung”: “Ein Mann von einigem Ansehen sagte mir immer wieder, wenn wir uns sahen, wie sehr er meine Arbeit schätze. Das sei wahrhaftiger Journalismus, der den Anspruch habe, nichts zu verschweigen, sondern ans Licht bringe, was ans Licht gehöre. Es sind Sätze wie diese, die in mir die Alarmglocken anwerfen. Welche Maschinerie bedient der, der so lobt?”

5. #Netzwende Award 2017 für RiffReporter
(vocer.org)
“Vocer”, der “Thinktank für Medieninnovation”, hat in Kooperation mit der “August Schwingenstein Stiftung”, der “Rudolf Augstein Stiftung” und der “ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius” den ersten “#Netzwende Award 2017” verliehen. Preisträger des mit 10.000 Euro dotierten Medienpreises für nachhaltige Innovation im Journalismus ist das Autoren-Kollektiv “RiffReporter”.

6. Thomas existiert nicht
(zeit.de, Dunja Hayali)
Die Journalistin und Fernsehmoderatorin Dunja Hayali stand über Twitter, Mail und Co. mit verschiedenen Leuten in Kontakt, die sich später als eine einzige Person erwiesen. Angefangen hatte die Sache mit einem angeblichen Krankenpfleger namens Thomas Lehmann. Nach Hinweisen von außen keimte in Hayali ein Verdacht auf — und siehe da, besagter “Thomas” stand mit ihr auf Twitter auch unter anderen Namen in Kontakt: als “Leandro Tressko”, “Berlingirl”, “Axel Graf”, “Pia Carreras” und “Bernd Lechner”. Wie sich nun herausstellt, sind alle dieser Fake-Identitäten auf eine Frau zurückzuführen, die von Hayali längst blockiert worden war. Hayali dazu: “Man schämt sich für seine Gutgläubigkeit und für seine Offenheit. Man fühlt sich betrogen. Da geht es mir wie allen anderen auch, die von Realfakes verladen werden: Man möchte schreien.”

Rechte Reden, Lauschrausch, Irreführung mit Algen

1. “Blut und Feuer um dich – das ist Krieg”
(spiegel.de, Markus Becker)
Zum Tod der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia, die durch eine Autobombe umgebracht wurde, schreibt Markus Becker bei “Spiegel Online”: “Der Mord an einer regierungskritischen Bloggerin auf Malta erschüttert das Land, EU-Politiker reagieren entsetzt. Ändert sich jetzt etwas an den Verhältnissen in dem Inselstaat? Vermutlich nicht.” Ein kompromittiertes Rechtssystem und Polizisten, die sich über Caruanas Tod freuen, geben wenig Grund zur Hoffnung. Mehr zu dem Fall: Süddeutsche.de mit “Tod einer unermüdlichen Journalistin” und “Zapp” mit dem Videobeitrag (4:43 Minuten) “‘Malta Files’: Autobombe tötet Journalistin”.

2. Sie reden doch die ganze Zeit
(zeit.de, Mely Kiyak)
Nach dem Eklat bei der Frankfurter Buchmesse (nein, nicht dem zwischen Roberto Blanco und seiner Tochter Patricia, über den “Bild” berichtet hat, sondern dem mit den rechtsextremen Verlagen) widmet sich Mely Kiyak in ihrer Kolumne “Deutschstunde” den Klassikerfragen “Wie umgehen mit Rechten?” und “Dürfen sie reden, müssen sie reden, können sie reden?” Der Witz dabei sei, “dass sie permanent reden” würden: “Die rechtsextremen Netzwerke sind politisch, gesellschaftlich und finanziell enorm einflussreich. Es handelt sich nicht um Benachteiligte. Wer rechtsextrem ist, hat beste Chancen, gehört zu werden.”

3. Fahndungsfotos noch online: Google vs. Medien
(ndr.de, Sabine Schaper, Video, 3:50 Minuten)
Um einen mutmaßlichen Sexualstraftäter zu fassen, hatte das Bundeskriminalamt auch Fotos eines missbrauchten Mädchens veröffentlicht. Viele Redaktionen halfen dem BKA bei der Öffentlichkeitsfahndung, indem sie die Aufnahmen in ihre Onlineartikel einbanden. Nun ist der — inzwischen geständige — Täter geschnappt, und das BKA bittet, die Fotos des Mädchens zu löschen. “Zapp” zeigt, dass einige Bilder durch den sogenannten Google Cache noch immer zu finden sind. Laut Google müssten die Redaktionen aktiv werden, damit die Fotos verschwinden. Doch deren Löschanträge wurden von Google teilweise abgelehnt. Für alle, die sich das Video gerade nicht angucken können oder wollen: Hier gibt es auch einen Artikel zum Thema.

4. “Vertrauliche Quellen sind eingeschüchtert”
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf, Audio, 5:12 Minuten)
Im Zuge von Telefonüberwachungen gegen das Umfeld von Fußball-Oberligist BSG Chemie Leipzig wurden auch Berufsgeheimnisträger abgehört. Soll heißen: Unter anderem wurden Journalisten bei ihrer Recherche von Polizisten belauscht. Alexandra Gerlach erzählt im Gespräch mit Sebastian Wellendorf vom Ausmaß der Abhöraktion und den Fehlern, die die sächsische Justiz zugegeben hat. Dazu auch: Süddeutsche.de mit “Lauschrausch”.

5. ExxonMobil: Mit den Algen spielen
(klima-luegendetektor.de)
In Werbeanzeigen, unter anderem erschienen in der “Berliner Zeitung”, will sich der Ölkonzern “ExxonMobil” einen grünen Anstrich geben — mit Algen, die in Zukunft Treibstoff produzieren “könnten”. “Der Klima-Lügendetektor” erinnert sich an eine ganz ähnliche, sechs Jahre alte “ExxonMobil”-Kampagne: “Was das ganze nun mit dem Klimaschutz zu tun hat? Nichts! Das erklärte zumindest im Jahr 2011 die Advertising Standards Authority ASA, die Werbeaufsichtsbehörde in Großbritanien. So wie jetzt in Deutschland hatte ExxonMobil damals auch mit seinen Algen im Vereinigten Königreich für den Klimaschutz geworben und als Lösung gefeiert, was die Werbeaufsicht als irreführend einstufte und verbot.”

6. Luftnummer (II)
(noemix.twoday.net, Michael Nöhrig)
“Auto 20 Meter in die Luft geschleudert”! “Pkw 20 Meter hochgeschleudert”! “Laut Augenzeugen wurde das Fahrzeug eines 29-jährigen Klagenfurters nach einem Crash 20 Meter in die Luft katapultiert und fiel danach wie ein Stein auf die Fahrbahn zurück”! Michael Nöhrig hat sich die Flugbahn, die in diesen Meldungen österreichischer Medien versprochen wird, mal angeschaut.

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