Archiv für Unsportliches

F. J. Wagner schreibt Fußballgeschichte. Um.

Mit dem Briefeschreiben an Einzelpersonen hält sich Franz Josef Wagner schon lange nicht mehr auf (“Liebes Afrika, …”). Heute geht die Post an das “liebe Sommermärchen 2006”, das dieser Tage seinen ersten Geburtstag feiert.

Und so schwärmt Wagner noch einmal von der guten alten Zeit vor zwölf Monaten:

Alles und jeder sah aus wie in Glück getaucht, selbst Toten hätte man Kredit gegeben.

In was man Wagner getaucht hat, wissen wir nicht, aber die Toten hatten gestern offenbar Dienst in der “Bild”-Schlussredaktion:

Wir wurden glücklich, als Klose in der Nachspielzeit ein Tor gegen Polen in der 92. Minute schoss.

Hach, beinahe. Denn dass das Tor gegen Polen (“in der Nachspielzeit”, “in der 92. Minute”) nicht von Miroslav Klose geschossen wurde, weiß eigentlich jedes Kind – zumindest hätte man es bei “Bild” ahnen können.

Das ist peinlich, kann aber mal passieren. Peinlicher wird’s nur, wenn man einen Aussetzer des eigenen Erinnerungsvermögens zum Aufhänger befördert:

Ja, so war es. Erinnert Euch. Es war so haarscharf damals, dass Deutschland unglücklich werden könnte. Klose schoss uns damals aus der Scheiße und heute ist er ein Verzweifelter.

Ja, haarscharf. Trotzdem wird das Wagner’sche Erinnerungsmantra aus Oliver Neuville keinen Miroslav Klose machen. Und auch die “Scheiße” riecht nicht mehr ganz so schlimm, wenn man im Nachhinein nachrechnet, dass Deutschland auch mit einem 0:0 gegen Polen noch Gruppensieger geworden wäre. Aber wie man ein Eigentor schießt, das zeigt uns Wagner. Mit Anlauf. Und ohne Torwart:

Das geschah vor einem Jahr — und wenn Klose das Tor nicht geschossen hätte, wären wir Deutschen dann heute blöder, sauertöpfischer, pessimistischer?

Nun: Die heutige “Post von Wagner” wäre sicher um einiges weniger blöd geworden, wenn Klose das verdammte Tor wirklich geschossen hätte.

Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 13.15 Uhr. In einigen Druckausgaben scheint jemand Wagner korrigiert zu haben. Dort lautet der zentrale Satz:

Wir wurden glücklich, als Klose im Viertelfinale gegen Argentinien den Ausgleich schoss und Deutschland so das Halbfinale rettete.

Neue EM-Trikots des DFB jetzt auch in “Bild”

Gut möglich, dass sich inzwischen herumgesprochen hat, dass das Wort exklusiv in “Bild” gelegentlich etwas anderes bedeutet als im allgemeinen Sprachgebrauch.

Gut möglich aber auch, dass “Bild” sich davon nicht beirren lässt — und auch heute wieder (mit entsprechender Ankündigung auf der Titelseite) in einer angeblich “exklusiven” Meldung behauptet:

Es ist geheime Kommandosache, soll erst im November vorgestellt werden. BILD enthüllt es jetzt: Das Deutschland-Trikot für die Europameisterschaft 2008!

Dabei findet sich z.B. im offiziellen Forum des FC Schalke 04 offenbar bereits seit Freitag letzter Woche ein Link, der die “Bild”-Behauptung (“jetzt”, “exklusiv”, “enthüllt”) eindeutig widerlegt.

Mit Dank an Sascha M. für den Hinweis.
 
Nachtrag, 10.40 Uhr (mit Dank an Alex W., Heiko E. und andere): Auch hier und hier wird bereits seit dem 31. Mai in aller Öffentlichkeit über das neue Trikot-Design diskutiert.

Nachtrag, 8.6.2007: Auch einen Tag nach der angeblichen “Exklusiv”-Meldung blieb die “Bild”-Zeitung bei ihrer Darstellung und behauptete unter der Schlagzeile “Riesen-Diskussion um das neue Deutschland-Trikot”:

BILD hat es gestern exklusiv enthüllt — und jetzt diskutiert Fußball-Deutschland (…).

Nachtrag, 10.6.2007: Auch Bild.de beharrt auf der nachweislich falschen Behauptung, dass das neue Trikot erst durch “Bild” öffentlich geworden sei und schreibt:

BILD hat das Design des neuen Nationaltrikot exklusiv enthüllt.

Kurz korrigiert (422)

"Schiri Fandel: Meine Horror-Nacht"Beim Fußballspiel Schweden gegen Dänemark wurde der Schiedsrichter Herbert Fandel von einem Fan attackiert, der aufs Spielfeld rannte. “Bild” schreibt dazu (siehe Ausriss) in einer Fotounterzeile: “Schlag an den Hals”. Und in der Unterzeile zu einem weiteren Foto: “Schlag ins Gesicht”. Im Text behauptet “Bild”:

Mit dem linken Arm schlug er Deutschlands ‘Schiedsrichter des Jahres’ zuerst ins Gesicht, dann an den Hals.

Tatsächlich wurde Fandel jedoch nur einmal getroffen, bevor ein dänischer Spieler den Angreifer abdrängen konnte.

So gesehen muss man wohl froh sein, dass “Bild” nicht noch mehr Fotos derselben Szene zeigt — sonst wäre aus dem Vorfall womöglich noch eine Massenschlägerei geworden.

Mit Dank an Martin K., Mike S., Julian B. und viele andere für den sachdienlichen Hinweis.

Kurz korrigiert (420)

Bei Bild.de ist man fast ein Jahr nach der Fußball-WM (Deutschland wurde Dritter) offenbar immer noch “schwarzrotgeil“:

Mit dem Weltmeister der Herzen vielleicht. Fußballweltmeister ist Philipp Lahm, der im Februar 2004 zum ersten mal für die Nationelf spielte, jedenfalls nicht.

Mit Dank an Johannes B. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 14.53 Uhr: Bei Bild.de hat man sich offenbar entschieden, den Fehler auf recht drastische Weise zu korrigieren: Der Artikel ist verschwunden.

“Bild” unterschlägt D’Honts Dementi

Schwer zu sagen, was man von Jef D’Honts widersprüchlichen Doping-Aussagen halten soll. Erst erklärt der ehemalige Betreuer des Team Telekom gegenüber der “Bild am Sonntag”, er persönlich habe Jan Ullrich einmal mit EPO gedopt: “Ich habe es ihm in den Arm gespritzt (…).” Nur einen Tag danach sagt er im niederländischen Rundfunk NOS, er selbst habe Ullrich nie eine Spritze gesetzt.

Am Montag gegen 15.45 Uhr berichtet die Nachrichtenagentur dpa erstmals über das Dementi (“D’Hont relativiert Doping-Vorwurf gegen Jan Ullrich”). Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” spricht deshalb heute von “widersprüchlichen Äußerungen”, der “Tagesspiegel” schreibt: “Jetzt erinnert sich Jef d’Hont auf einmal wieder anders”, die “Berliner Morgenpost” formuliert: “der Belgier ruderte wieder ein Stück zurück”.

Ja, schwer zu sagen, was man davon halten soll. Die “Bild”-Zeitung bewahrt ihre Leser glücklicherweise vor diesem Dilemma. Sie verrät ihnen einfach nicht, dass d’Hont die Äußerungen, mit denen er in der “Bild am Sonntag” zitiert wird, inzwischen teilweise zurückgenommen hat, und bleibt auch am Dienstag demonstrativ auf dem Stand von Sonntag:

In BILD am SONNTAG verriet der Belgier D’Hont auf die Frage nach EPO-Doping bei Ullrich: “In Frankreich habe ich ihm das Mittel einmal gespritzt. Ich habe es ihm in den Arm gespritzt. Das dauert ungefähr zehn Sekunden. (…)”

Die Überschrift des Artikels lautet übrigens: “Jan, DEINE Beichte brauchen wir nicht mehr”. Anscheinend haben die “Bild”-Ermittler den Fall abgeschlossen. Eventuelle Widersprüche konnten leider nicht mehr berücksichtigt werden.

Danke an Alexander S. für den sachdienlichen Hinweis!

Beckmesserei

Im Raum Bremen berichtet “Bild” heute über ein Basketballspiel der Eisbären Bremerhaven gegen die Oldenburger EWE Baskets und zitiert “Baskets-Coach Beck (Foto)” mit den Worten: “Ich bin sehr traurig.” Und angesichts der gewählten Bebilderung sind wir es auch:

Wobei …

… eigentlich könnten wir auch froh sein, dass die Meldung nicht noch ganz anders bebildert wurde.

Mit Dank an Guido F., Andy S. und Daniel O. für Hinweis und Scans.

Nachtrag, 8. Mai (Mit Dank an Guido F.!): Alle Achtung! “Bild”-Bremen bittet heute “vielmals um Entschuldigung” für den falschen Beck.

Die irre Titelzeile ohne Stuttgart

Bei Bild.de kann man seit gestern Abend spaßeshalber einen Tipp abgeben, ob der FC Schalke 04, Werder Bremen oder der VfB Stuttgart am 19. Mai Deutscher Fußballmeister wird, denn:

Noch vier Spieltage bis zum Saisonende. Spätestens dann wissen wir, ob die Schale nächstes Jahr in Schalke, Bremen oder Stuttgart steht…

Und angepriesen wird der “Meister-Klick-Tipp” seit gestern Abend von Bild.de unter dieser Überschrift:

"Das irre Titelfinale ohne Bayern - Schalke, Werder oder Bremen: Machen Sie den Meister-Klick-Tipp!"

Mit Dank an J.W., Andreas S., Markus S., Michael K. und andere.

Nachtrag, 10.20 Uhr: Bild.de hat’s korrigiert.

Gute Nachrichten für den 1. FC Köln

An manchen Stellen ist “Bild” entgegen anderslautenden Gerüchten dann doch genau. Irgendwelche groben Tipps, welche drei Bundesliga-Mannschaften vermutlich absteigen werden und welche vermutlich nicht, kann ja jeder abgeben. Bei “Bild” wird die jeweilige Wahrscheinlichkeit genau analysiert und in exakte Prozentangaben umgerechnet, bevor “‘Bild’ sagt, wen es erwischt”.

Dann gehen wir die Ergebnisse mal durch:

Verein Abstiegswahrscheinlichkeit laut Bild”
Gladbach 100 %
Bielefeld 88 %
Mainz 85 %

Na, das ging ja schnell. Da ist die Sache klar. Die anderen neun der, laut “Bild”, “noch 12 (!!!) Klubs”, die vor dem Abstieg zittern, können aufatmen. Bei ihnen muss es — schon rein rechnerisch — wahrscheinlich sein, dass sie nicht absteigen. Es sind ja nur noch 27 Prozent zu verteilen (bei drei Absteigern müssen sich die Wahrscheinlichkeiten insgesamt zu 300 Prozent addieren).

Verein Abstiegswahrscheinlichkeit laut “Bild”
Frankfurt 83 %
Aachen 80 %

Hö? Wieviele steigen denn da ab?

Verein Abstiegswahrscheinlichkeit laut “Bild”
Dortmund 60 %
Wolfsburg 60 %
Bochum 55 %

Moment mal —

Verein Abstiegswahrscheinlichkeit laut “Bild”
HSV 45 %
Hertha 25 %
Cottbus 25 %
Hannover 20 %

Na, holla. Damit hat “Bild” insgesamt Wahrscheinlichkeiten in Höhe von 726 Prozent verteilt. Mit anderen Worten: Die “Bild”-Analyse hat ergeben, dass am Ende der Saison nicht weniger als sieben Bundesliga-Vereine in die zweite Liga absteigen müssen, und ein trauriger achter nur zu knappen Dreivierteln erstklassig bleibt.

Kein Wunder, dass die alle zittern. Und der 1. FC Köln schafft den Aufstieg vielleicht doch noch.

Vielen Dank an die vielen Hinweisgeber!

Neu: Nichts Neues von Beckenbauer über “Klinsi”

Auf Bild.de steht heute, dass Ex-Fußballbundestrainer Jürgen Klinsmann “nach Informationen der BILD-Zeitung” offenbar doch Trainer des britischen Fußballclubs Chelsea London werden könnte. Weiter heißt es dort, Franz Beckenbauer habe sich in der britischen “Sun” von heute zu dem Thema geäußert:

Kaiser Franz in der “Sun”: “Er müsste aus Kalifornien nach England umziehen. Ein Klub in einer Liga mit 20 Mannschaften, die auch Weihnachten und Neujahr spielt, dazu die nationalen Cup-Wettbewerbe und die Champions League — das ist nicht aus der Ferne zu handhaben. London frisst dich auf mit Haut und Haaren. Da kann man nicht wie als deutscher Teamchef zwischendurch in Amerika ausspannen.” Beckenbauer weiter: “Zwei Jahre in Chelsea können dich genauso fertig machen wie vier Jahre bei einem anderen Klub.”

Das kommt uns irgendwie bekannt vor:

Chelsea bedeutet: Komplett-Umzug von Kalifornien nach London. Eine Liga mit 20 Klubs, Spiele am zweiten Weihnachtstag und Neujahr, mehrere nationale Pokalwettbewerbe und die Champions League. Als Zugabe noch die wenig zimperliche englische Presse. London frisst dich auf mit Haut und Haaren, da hat man keine Zeit — wie als Bundestrainer — in Amerika zu entspannen. (…) Bei den Erwartungen in Chelsea sind zwei Jahre als Trainer so aufreibend wie vier bei einem anderen Klub.

"Exklusiv: Kaiser Franz schreibt in BILD"So stand’s gestern in “Bild”. “Exklusiv” aufgeschrieben von “Kaiser Franz” (siehe Ausriss). Und es sind bei Weitem nicht die einzigen Beckenbauer-Zitate aus der heutigen “Sun”, die quasi identisch sind mit dem, was Beckenbauer gestern in der “Bild”-Zeitung geschrieben hatte. Das hätte man leicht rausfinden können, denn der exklusive “Bild”-Text von Beckenbauer ist auf Bild.de sogar direkt verlinkt.

Aber offenbar zitiert man bei “Bild” lieber die “Sun” als sich selbst. Man weiß ja nie.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Andreas U.

Zum Verwechseln ähnlich

Bekanntermaßen verlor ja der als “Russen-Riese” bekannte, größte und schwerste Box-Champion aller Zeiten, Nikolai Valuev, in der Nacht zum Sonntag seinen Weltmeistertitel im Schwergewicht – an Ruslan Chagaev.

Und Chagaev sah, so findet die heutige “Bild”, beim Jubel über seinen Sieg so aus “wie Dariusz Michalczewski, der erfolgreichste Halbschwergewichts-Weltmeister aller Zeiten”.

Bild.de findet das offenbar auch, wie ein Teaser im “Seite 1”-Ressort von Bild.de eindrücklich beweist, indem er neben der Chagaev-Überschrift nicht Chagaev, sondern den Michalczewski zeigt:

Mit Dank an Ingo K.

Nachtrag, 17.17 Uhr: Bild.de hat das Michalczewski-Foto im Chagaev-Teaser gegen ein Chagaev-Foto ausgetauscht.

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