Und hier mal ein bisschen Smalltalk-Wissen für die nächste Cocktailparty: Fotoagenturen wie “Corbis” oder “Getty Images” bieten lizenzpflichtiges Bildmaterial digital und frei einsehbar auf ihrer Homepage an. Um zu verhindern, dass sich dort jeder nach Lust und Laune bedient, haben diese Agenturen verschiedene Schutzmechanismen entwickelt, bei denen ein sichtbares Wasserzeichen noch zu den offensichtlicheren Varianten zählt.
Wie so ein Wasserzeichen aussieht? Ziemlich genau so wie oben links bei dieser eindrucksvollen Grafik auf Bild.de:
Seit Tagen berichten “Bild” und Bild.de über den “Machtkampf beim DFB”. Besonders die Person des Teammanagers Oliver Bierhoff hat es den Sportredakteuren angetan: Für den “BamS”-Kolumnisten Günter Netzer ist Bierhoff “verzichtbar”, in der Gegenüberstellung “Liebling und Prügelknabe” kommen vor allem Bierhoffs Kritiker zu Wort und für Mathias Sonnenberg UND Walter M. Straten ist es “unvorstellbar”, dass Bierhoffs Vertrag nach der WM verlängert wird.
Heute Mittag, zwei Stunden vor der Pressekonferenz, auf der der Bierhoff und Bundestrainer Joachim Löw, aber auch der DFB-Vorstand allesamt zerknirscht eigene Fehler eingestanden (was Bild.de etwas irreführend mit “Bierhoff: Es tut mir leid!” zusammenfasst), hatte Bild.de einen neuen Kronzeugen gegen Bierhoff gefunden:
Auch Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge (54) teilt heftig gegen Bierhoff aus.
Rummenigge am Montagabend in der TV-Sendung “Blickpunkt Sport”: “Dass Oliver Bierhoff ein Vetorecht wollte, war ein Riesenfehler von ihm.”
Dass Rummenigge das Vetorecht als “Riesenfehler” bezeichnet hat, kann jeder Interessierte im Mitschnitt des Interviews (ab Minute 8:22) selbst nachsehen. Danach wird man die Meinung von Bild.de, dass Rummenigge “heftig austeile” womöglich nicht mehr teilen.
Vor allem aber wird man auch das sehen und hören, was Rummenigge vorher gesagt hat:
Ich glaube, wenn man populistisch ist, dann könnte man das so sehen, wie das die Boulevardpresse sieht: Dass der Oliver Bierhoff der Buhmann in der ganzen Veranstaltung ist. Aber ich glaube, das wäre zu kurz gesprochen. Ich glaube, der DFB hat ja auch gravierende Fehler gemacht. […]
Den größten Fehler hat man ohne Frage beim DFB selbst gemacht, indem man Internes nach außen durchgereicht hat.
Dass “der größte Fehler” größer ist als ein “Riesenfehler”, müsste selbst Bild.de-Sportredakteuren einleuchten — wenn sie es denn zur Kenntnis nehmen wollten.
Jedes Jahr veröffentlicht das Halbnackt-Magazin “FHM” das Ergebnis einer Leserumfrage zu den “100 unsexiesten Frauen der Welt”. Die “FHM”-Redaktion scheint einen Weg gefunden zu haben, die Kollegen der üblichenOnline–Trash–Portale dazu zu zwingen, über diese (laut FHM-Chefredakteur Christian Kallenberg “mit einem Augenzwinkern” zu verstehende) Umfrage zu schreiben — gerne mit dem Hinweis, das dazugehörige Magazin sei jetzt am Kiosk zu haben.
Auch Bild.de berichtet heute über die Liste. Und mal davon ab, dass Lilly Kerssenberg, deren Hochzeit mit Boris Becker im vergangenen Jahr von “Bild”, “Bild am Sonntag” und Bild.de groß begleitet wurde, plötzlich wieder “Boris Beckers ebenso sympathische wie hübsche Freundin” ist, kann man sich bei Bild.de nicht so recht mit der Liste (deren Plätzen 1 bis 50 prima als Klickstrecke taugen) anfreunden.
Besonders das Entsetzen über Platz 2 ist groß:
Neben dem Auftauchen vieler Frauen, darunter die “Bild”-Darlings Heidi Klum (“eine natürliche Schönheit”) und Sandy Meyer-Wölden (“die schöne Freundin von Oliver Pocher”), kann Bild.de vor allem eines nicht verstehen:
Auf Platz 13 wieder ein männlicher Kandidat: Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz (20). Offenbar ist für das Magazin und manche seiner Leser jeder, der nicht dem gängigen Klischee eines Mannes entspricht, gleich eine Frau.
Und das geht natürlich nicht an, dass das Magazin und manche seiner Leser Bill Kaulitz als Frau bezeichnen, nur weil er nicht dem gängigen Klischee eines Mannes entspricht.
Diese Aufgabe kommt schließlich immer noch “Bild” zu:
Blonde Spitzen, zweifarbig lackierte Fingernägel und ein umwerfendes fliederfarbenes Augen-Make-up. Schönes Mädchen, oder?
Nein, im absoluten Girlie-Look zeigte sich Bill Fraulitz – Entschuldigung! – Kaulitz (19) von “Tokio Hotel” am Samstagabend.
Mit Dank an noir, Rainer T. und Maria.
Nachtrag, 8. Februar: Boris Beckers “ebenso sympathische wie hübsche Freundin” Lilly Kerssenberg ist inzwischen auch von Bild.de zu seiner Ehefrau erklärt worden.
Für die Mitarbeiter von “Bild” ist Mahmud Ahmadinedschad, der Präsident des Iran, seitlangem lediglich “der Irre von Teheran”. Inzwischen scheint man ihn für derart irre zu halten, dass man ihm sogar unterstellt, sich nicht einmal mehr an die Regeln von Zeit und Logik zu halten.
Anders nämlich ist kaum zu erklären, wie Bild.de auf die Idee kommt zu melden:
Dass in der Sprache von “Bild” das kleine Wörtchen “jetzt” ungefähr so viel wie “irgendwann” bedeutet, ist mittlerweile eine Binse. Wie Bild.de dieses “jetzt” selber demontiert, ist allerdings schon auffällig:
Die IAEA hatte bereits vor zwei Jahren Unterlagen gezeigt, die belegen, dass der Iran bis Anfang des Jahrzehnts an Atomwaffen gearbeitet hat.
Bild.de muss darüber hinaus das Raum-Zeit-Kontinuum krümmen, um die Unterstützung des iranischen Militärs durch einen ehemaligen sowjetischen Wissenschaftler zwischen den 1990ern und spätestens 2003 nicht einfach dem Iran zuzuschreiben, sondern Ahmadinedschad persönlich in die Schuhe zu schieben:
Er soll Mahmud Ahmadinedschad bei der Entwicklung moderner Kernwaffen assistiert haben…
Das ist einigermaßen unwahrscheinlich. Nicht nur, dass die Formulierung (“assistiert”) den albernen Anschein erweckt, Ahmadinedschad höchstpersönlich habe an Atomsprengköpfen herumgeschraubt — die Behauptung ist auch mit der Biographie Ahmadinedschads nur schwer in Einklang zu bringen ist: Er ist nämlich erst seit Juni 2005 iranischer Präsident. In den betreffenden Jahren soll er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Teheraner Universität der Wissenschaft und Industrie beschäftigt gewesen sein — als Bauingenieur.
Bild.de hat einen neuen schockierenden, brutalen, ja gar perversen Trend entdeckt:
Illustriert wird das – wie sollte es auch anders sein? – mit einem Video aus der Bild.de-Redaktion: Einem Zusammenschnitt der besten brutalsten Szenen, in denen Mädchen hemmungslos aufeinander einschlagen, sich ins Gesicht treten, sich auf dem Boden wälzen.
Mit sonorer Stimme betont der Off-Sprecher die Gefährlichkeit dieser Netz-Videos — denn die Mädchen sind nicht aus eigenem Antrieb so brutal:
Meist wollten sie damit Aufmerksamkeit erhaschen, so die Experten. Und spätestens im Netz bekommen die Ausrasterinnen das auch. Millionen Klicks verstärken damit den Trend.
Wie recht diese Experten haben, kann man derzeit auf der Startseite von Bild.de betrachten:
Warum Bild.de bei diesem offensichtlich so perversen Trend mitmacht? Es liegt nicht etwa an den Millionen Klicks, die man damit ergattern kann — Nein, die Kinderfreunde haben alleine pädagogische Gründe:
Diesem Rat können wir uns nur anschließen. Sollten Eltern ihre Kinder beim Ansehen der “meistgeklickten Videos” auf Bild.de ertappen, sollten sie nicht sofort mit Strafen und Verboten, sondern mit Verständnis und penetranter Neugier reagieren.
Sprechen Sie mit ihnen darüber, wie sie auf die Webseite gelangt sind. Wollten sie vielleicht nur sehen wie ein weiblicher Fußball-Fan “blank zieht”, sich den “voll krassen” Redaktionsbesuch von Bushido anschauen? Oder hofften sie Nachrichten, wenn nicht gar verantwortungsvollen Journalismus auf der Webseite zu finden?
Reden Sie darüber! Denn nur so können wir unsere Kinder vor den Perversionen des Internets bewahren.
Sunniten oder Schiiten, Naher Osten oder Wilder Westen, Irak oder Iran – wer soll da noch den Überblick behalten?
Offenbar hat der Fehler seinen Ursprung in einer falschen dpa-Meldung, im Gegensatz zu fast allen anderen Medien hat Bild.de den Fehler aber auch 14 Stunden später nicht korrigiert.
Im Juni 2007 verschwand in Trier die damals 21-jährige Lehramtsstudentin Tanja Gräff.
Schon im ersten Artikel über den Fall lieferte “Bild” die übliche, sehr eigene Interpretation der Formulierung “Die Polizei kann ein Verbrechen nicht ausschließen” und fragte unter einem Foto der jungen Frau:
Einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Tanja Gräff (21), seit 5 Tagen vermisst.
Nachdem vor kurzem ein belgischer Serienmörder verhaftet worden war, prüft die Polizei weitere ungeklärte Fälle, was “Bild” zu folgender Frage verleitete:
Der Leitende Oberstaatsanwalt sagte dem “Trierischen Volksfreund” übrigens auf Anfrage, dass es bislang keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die beiden Fälle etwas miteinander zu tun haben könnten, man “routinemäßig” (eine Einschränkung, die für “Bild” ähnlich egal ist wie “nicht ausschließen können”) aber auch in diese Richtung ermittle.
Aber nicht nur das: Obwohl die Studentin nach wie vor als vermisst gilt und ihre Angehörigen davon ausgehen, dass sie noch lebt, hat sich Bild.de für eine ganz besondere Kennzeichnung ihres Namens entschieden:
Mit Dank an Sarah K., Ecko und Katti.
Nachtrag, 17.29 Uhr: … und schon hat Bild.de das Kreuz aus der Dachzeile entfernt.
Diese Überschriften – und die dazugehörigen Artikel – haben alle ein Problem: Sie sind falsch. In der Studie, auf die sich “B.Z.”, “Welt Online” und Bild.de angeblich berufen, (hier als PDF) geht es gar nicht um Haarfarben, das Wort “blond” (bzw. “blonde” auf Englisch) taucht dort überhaupt nicht auf.
Wie ein völlig verzerrender Artikel der englischen “Sunday Times” seine Reise um die Welt angetreten hat, hat der Wissenschaftsjournalist Marcus Anhäuser in seinem Blog Plazeboalarm aufgeschrieben:
Gestern Abend unserer Zeit hat die Computerfirma Apple ihr “iPad” vorgestellt, ein nach Meinung einiger Beobachter revolutionäres Gerät. Dieser historische Moment musste auf der Startseite von Bild.de natürlich gebührend gewürdigt werden.
Die folgende Galerie von Teaser-Grafiken, die alle (nacheinander) auf Bild.de zu sehen waren, ist möglicherweise unvollständig: