Archiv für Bild.de

Urahnungslos

Seit Tagen kämpfen “Bild” und Bild.de gegen den angeblichen Verfall der deutschen Sprache. Dabei übersehen die Redakteure, dass die Gefahr nicht nur von englischen Fremdwörtern und in ihren Landessprachen parlierenden Migrantenfamilien ausgeht, sondern auch von Leuten, die mit deutschen Vokabeln nicht vernünftig umgehen können. Also zum Beispiel von ihnen selbst:

Mörder hängt seit 189 Jahren am Strick. Makabres England: Seit 189 Jahren steht das Skelett eines Mörders in der Uni von Bristol. Seine Haut wurde als Bucheinband verwendet. Ur-Ahnen geschockt!

Es ist jedenfalls biologisch äußerst unwahrscheinlich, dass die Ur-Ahnen eines vor 189 Jahren verstorbenen Mannes heute noch “geschockt” sein können. Sie dürften vielmehr längst zu Staub zerfallen sein.

Mit Dank an Thomas B. und Fr.-Jo. K.

Nachtrag, 11. November: Mehrere unserer Leser weisen darauf hin, dass das Partizip Perfekt von “schockieren” eigentlich “schockiert” lautet. “Geschockt” ist ein Anglizismus.

Und außerdem müsste es natürlich “Makaberes England” heißen.

Modellflugzeug

Nach dem Triebwerkschaden und der Notlandung eines Airbus A 380 der australischen Fluglinie Qantas sowie Abstürzen mit Todesopfern in Pakistan und Kuba fragen sich viele Reisende:

WIE SICHER IST EIGENTLICH DIE MASCHINE, MIT DER ICH FLIEGE?

So weit, so naheliegend.

Bild.de griff also auf die Statistiken einer privaten Flugzeugkatastrophen-Website zurück und präsentiert den Lesern jetzt Zahlen und Fakten.

Und damit das nicht zu langweilig wird und die Leser auch wissen, wie die entsprechenden Flugzeuge aussehen, gibt es eine kleine Grafik dazu:

Vom Airbus-Modell A320 gab es bisher 20 Totalverluste, von der Boeing 757 acht und von der Tupolev Tu-154 insgesamt 60 Totalverluste. Allerdings wurden auch unterschiedlich viele Maschinen gebaut

Der Nutzen dieses Schaubilds wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass das mit “Boeing 757” bezeichnete Flugzeug gar keine Boeing 757 ist. Die Lufthansa hat gar keine 757 in ihrer Flotte. Bei dem abgebildeten Flugzeug handelt es sich wahrscheinlich um einen Airbus A 320.

Mit Dank an Guido K. und David N.

Nachtrag, 22.18 Uhr: Bild.de hat die Grafik überarbeitet — und siehe da: Auch der Airbus A 320 war keiner:

Schlecht organisiertes Verbrechen

Bestialische Details zum Mord am Stuttgarter Porsche-Tuner Uwe Gemballa († 52) in Südafrika: Sein Mörder hat ihn auf besonders brutale Weise erstickt! Bisher ging man davon aus, er sei erschossen worden.

so Bild.de gestern Abend.

Dabei soll es gar nicht darum gehen, dass auch “Bild” und Bild.de bereits in der letzten Woche verkündet hatten, dass Gemballa erstickt worden war. Und auch nicht darum, dass “Bild” und Bild.de diese “bestialischen Details” natürlich mit ihren Lesern teilen.

Gehen soll es viel mehr um den Link im folgenden Satz:

Gemballa war südafrikanischen Medien zufolge tief in das international organisierte Verbrechen verwickelt.

Der Link führt nicht etwa zu einer Übersichtsseite, auf der Bild.de alle Meldungen zum international organisierten Verbrechen versammelt hätte — sondern auf eine Fanseite des Computerspiels “Mafia II”.

Mit Dank an Daniel T. und Christian G.

Nachtrag, 9. November: Bild.de hat den Link ersatzlos entfernt.

Die zehn Stadien der Exklusivität

“Google Street View” ist böse, daran ließen “Bild” und Bild.de keinen Zweifel: Mit merkwürdigen Methoden, falschen Fotos und Argumenten schürten die beiden Medien die Bedenken und Ängste einiger Deutscher vor Googles Straßenfoto-Dienst.

Und heute dann das:

Google Street View exklusiv bei Bild.de: Wandern Sie durch die Stadien der Bundesliga

“Exklusiv” zeige Bild.de diese ersten Bilder, schreibt Bild.de gleich mehrfach.

Andererseits schreibt Bild.de auch:

Und so funktioniert’s: Nach Klicken des Banners öffnet sich ein Pop-Up-Fenster. An der rechten Seite können Sie das Stadion ihrer Wahl aussuchen. Oder Sie gehen direkt auf die Street View–Seite von Google.

Und das ist natürlich eine tolle Sache: Google Street View, exklusiv bei Bild.de und bei Google Street View.

Nachtrag, 12.24 Uhr: Bild.de hat in seinem Startseiten-Teaser das Wörtchen “exklusiv” gestrichen:

Google Street View bei Bild.de: Wandern Sie durch die Stadien der Bundesliga

Im Artikel taucht es aber weiterhin auf.

2. Nachtrag, 14.15 Uhr: Inzwischen sind die Bilder auch im Artikel nicht mehr “exklusiv”.

ER war’s*

Da hat Wikileaks den Journalisten etwas eingebrockt. Über 390.000 Dokumente aus dem Irak hat die Plattform veröffentlicht. Wer soll das denn alles lesen? Aber keine Sorge — zum Glück gibt es die Story hinter der Story.

Wie zum Beispiel Bild.de am Montag:

ER verriet die brisanten Geheimnisse. Folter, Mord, Missbrauch: Der Soldat Bradley Manning enthüllte die schlimmsten Gräueltaten des Irak-Kriegs

Ja, ER war es. Ganz bestimmt. Vielleicht. Zumindest war irgendwo zu lesen, dass er Dokumente an Wikileaks gegeben hat. Andere Dokumente. Also warum nicht auch die aus dem Irak?

Oder um es mit Bild.de zu formulieren:

Bradley Manning: Er soll dafür gesorgt haben, dass 391 832 geheime Feldberichte der US-Truppen auf der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks erschienen.

Auf deutsch: Bisher weiß niemand außer Manning selbst so genau, welche Dokumente er an Wikileaks gegeben hat — Wikileaks sagt dazu nichts, die US-Regierung hält sich bedeckt. Aber wen interessiert das schon? Bild.de hatte seine Schlagzeile und musste die 391.832 Akten nicht lesen.

* (vielleicht)

Sehen alle gleich aus (3)

Sehen alle gleich aus

Mit der Aktion “Raus mit der Sprache — Rein ins Leben” sollen Migranten ermutigt werden, die deutsche Sprache zu erlernen. Die Deutschlandstiftung Integration macht mit, die Axel Springer AG und zahlreiche Prominente, wie Bild.de erklärt:

Im Videoclip vom Making Of sieht man, neben anderen, …


… Rapper Sido …


… den Fußballer Jerome Boateng …


… die Turnerin Magdalena Brzeska …


… und Moderatorin Jana Ina Zarrella.

Nur: Das ist gar nicht Jerome Boateng. Das ist der Musiker Dennis “Denyo” Lisk.

Via meinrap.de, mit Dank an Jan.

Nachtrag, 18.40 Uhr: Bild.de hat den Mann sicherheitshalber ganz aus dem Clip herausgeschnitten.

Werbepost mit Expressversanten

Oliver Santen ist Wirtschaftschef bei “Bild” und kümmert sich meist sehr persönlich um die großen, tollen Unternehmen.

Vor zwei Tagen durfte Frank Appel, Vorstandschef der Deutschen Post und “Bild”-“Gewinner” am 4. August, im Gespräch mit Santen erklären, wie wichtig China für Deutschland und die Deutsche Post ist — und weil Santen eh schon in China war, hat er auch gleich noch ein kleines UrlaubsWerbevideo gedreht.

Die Deutsche Post sei schon seit über 24 Jahren hier (also auf dem Wachstumsmarkt China), erzählt eine Off-Sprecherin über wacklige Handkamera-Bilder, dann darf Frank Appel noch mal berichten, wie wichtig China für Deutschland ist und welche wichtige Rolle die Post für den Warenverkehr zwischen China und Deutschland spielt:

Dann widmet sich Santen dem Warenverkehr in Hongkong:

Einen Expresszusteller der deutschen Post werde man heute begleiten, erzählt Santen in die Kamera und stapelt dabei ordentlich tief. Denn es ist nicht irgendein Zusteller, Nein!

ER ist der schnellste Post-Flitzer der Welt – obwohl er täglich mit Taxis, Bussen, Stau und Chaos zu kämpfen hat!

Und da ist er auch schon: Barry Lau.

Ganz so schnell, wie Santen schreibt, ist Lau offenbar aber nicht — das Video von seiner Ankunft hat man vorsichtshalber mal beschleunigt. Lau ist stolz, für den wichtigen Bezirk Zentral-Hongkong verantwortlich zu sein. Für eine deutsche Firma zu arbeiten, mache für ihn “keinen großen Unterschied”, so Lau bzw. der Übersetzer.

Lau packt die Sendungen und Santen auf seinen Roller und dann geht’s los:

Doch schon bald meldet sich Santen zu Wort: Die Expresszustellung sei heute ein bisschen langsamer als sonst, “weil: ‘ne Menge Stau” (mit dem Lau doch angeblich jeden Tag zu kämpfen hat). Doch Santen ist sich “ziemlich sicher”, dass “Barry” “sein Zeug” rechtzeitig zustellen wird.

Damit es ein bisschen schneller geht, sind die folgenden Fahrszenen wieder mal beschleunigt:

Und dann sind “wir” endlich am Ziel: Ein Päckchen wird ausgeliefert, der Empfang bestätigt “und dann ist die Arbeit getan”.

Noch schneller wäre es vermutlich gegangen, wenn Santen und Lau nicht erst durch die ganze Stadt gegurkt wären, sondern das Päckchen direkt da abgegeben hätten, wo sie es auch abgeholt haben:

Abholung:

Auslieferung:

Mit Dank an Christopher K.

Nachtrag/Hinweis, 18.50 Uhr: Mehrere Leser haben uns darauf hingewiesen, dass Santen und Lau in einer ganz anderen Straße losfahren, als sie ankommen. Andererseits trifft der Reporter den Kurier (“Und hier kommt schon Barry Lau”) scheinbar schon vor der Fahrt am Ziel.

Symbolbill

Bild.de hat eine ganz besondere Entdeckung gemacht:

Eine neue Anwendung (App) für das iPhone misst, wie schön oder hässlich ein Gesicht ist.

“Ugly Meter” heißt die App, die laut Bild.de “ganz sicher eher Party-Spaß als seriöse Anwendung” ist:

Bei mehreren Scans des gleichen Menschen hat die App im BILD.de-Test unterschiedliche Ergebnisse ausgegeben.

Darüber beschweren sich auch die Kunden im deutschen und amerikanischen iTunes-Store und fordern ihr Geld zurück.

Dieses kleine Detail hat Bild.de nicht davon abgehalten, “einige bekannte Prominente” durch das Programm zu jagen und ihren “Hässlichkeits-Wert” zu veröffentlichen. Darunter Iris Berben (9,4 von 10 möglichen Hässlichkeitspunkten), Lena Meyer-Landrut (6,0), Menowin Fröhlich (0,0), Dieter Bohlen (10,0) und …

Die zweite Höchstnote im Test bekommt Bill Kaulitz. Der Sänger von Tokio Hotel schafft wie auch Dieter Bohlen eine glatte 10.0. Kommentar der App "Ugly Meter": "Du bist so hässlich, Leute können sich nur an Halloween so anziehen wie du"

Auch hier übergeht Bild.de ein kleines Detail: Das Foto, das die Redakteure durch das “Ugly Meter” gejagt haben, zeigt gar nicht Bill Kaulitz.

Es zeigt die Komödiantin Martina Hill (“Switch Reloaded”) als Bill Kaulitz. Zu finden z.B. in einer Bildergalerie auf … Bild.de:

Hill als Bill Kaulitz: "Nach der Verwandlung hat mich meine Mutter nicht mehr erkannt!"

Damit steht es zwischen Bild.de und “Switch Reloaded” jetzt 0:2.

Mit Dank an Jörg F.

Nachtrag, 17.25 Uhr: Bei Bild.de ist der komplette Artikel verschwunden.

Old Before They Die

Die häufigste Todesursache in Deutschland war in den vergangenen Jahren eine Erkrankung des Herz-/Kreislauf-Systems, das hat das statistische Bundesamt heute mitgeteilt.

Bild.de fasst zusammen:

Insgesamt verstarben 2009 in Deutschland 854 544 Menschen, davon 404 969 Männer und 449 575 Frauen. Im Vergleich zu 2008 stieg die Zahl der Todesfälle um 1,2 Prozent. Das durchschnittliche Sterbealter betrug 55 Jahre bei Männern und 58 Jahre bei Frauen.

Ein durchschnittliches Sterbealter, das um mehr als 20 Jahre von der durchschnittlichen Lebenserwartung abweicht, ist einigermaßen unwahrscheinlich. Dafür bräuchte es in der Regel Kriege oder verheerende Naturkatastrophen. Oder eben Bild.de.

Dabei stehen die zitierten Zahlen wirklich in der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes. Nur in einem etwas anderen Kontext:

9 571 Personen schieden im Jahr 2009 freiwillig aus dem Leben. (…) Das durchschnittliche Sterbealter betrug hier 55 Jahre bei Männern und 58 Jahre bei Frauen.

Mit Dank an Heitmeier, Mario S., Hannes Sch. und Nicolaj.

Nachtrag, 19. Oktober: Bild.de hat das mit dem Alter vorsichtshalber ganz aus dem Artikel entfernt.

A Streetcar Named Desire

In Leipzig sind heute Morgen zwei Straßenbahnen zusammengestoßen. Die “Leipziger Volkszeitung” hat fleißig fotografiert und eine zwölfteilige Bildergalerie angelegt, damit man mal von allen Seiten sehen kann, wie es so aussieht, wenn eine Straßenbahn auf eine andere auffährt.

Doch trotz einiger kaputter Scheiben und zweier deformierter Bahnen war das alles für Bild.de offenbar nicht spektakulär genug. Die dortige Bildergalerie wird daher mit einem Foto eröffnet, das aus dem Mai 2006 stammt und mit dem aktuellen Unfall nichts zu tun hat:

Spektakulärer Straßenbahn-Unfall (Archivbild).

Mit Dank an Daniel K., Clemens, Oleg W. und Torsten.

Nachtrag, 23.10 Uhr: Bild.de hat das Foto entfernt.

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