Archiv für 6 vor 9

Twitters Sperr-Wut, Kevin Kühnerts Abiturprüfung, Duell um “Motorwelt”

1. Twitter sperrt erste Accounts wegen Wahlwitzen
(golem.de, Friedhelm Greis)
Twitter hat Nutzer gesperrt, weil sie Wahlwitze mit Bezug zur AfD gemacht haben. Der bekannte IT-Rechtsanwalt Thomas Stadler wurde wegen einer drei Jahre alten Äußerung gesperrt, die er ausdrücklich mit einem Zwinkersmiley als ironisch gekennzeichnet hatte. Siehe dazu auch “Twitter sperrt meinen Account wegen eines drei Jahre alten Tweets”. Auch die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli hatte es erwischt. Siehe dazu auch: Twitter sperrte zwischenzeitlich Account von SPD-Politikerin Chebli (spiegel.de).

2. Wie sich öffentlich-rechtliche Angebote verändern
(deutschlandfunkkultur.de, Tim Wiese)
Seit dem 1. Mai gilt der neue Rundfunkstaatsvertrag, und mit ihm gelten für ARD, ZDF und Deutschlandradio neue Regeln im Netz. Texte würden auf den öffentlich-rechtlichen Portalen immer weniger eine Rolle spielen, so der Medienjournalist Daniel Bouhs. Dafür dürfen die öffentlich-rechtlichen Sender nun auch Plattformen wie Facebook, Youtube oder Instagram mit speziell dafür entwickelten Inhalten bespielen. Die Hinwendung zu den sozialen Netzwerken berge jedoch Gefahren, so Bouhs.

3. In Hamburg durchgefallen
(faz.net, Patrick Bahners)
Das Interview der “Zeit” mit dem Juso-Chef Kevin Kühnert hat wegen dessen Äußerungen zu Enteignungen für viel Aufsehen gesorgt. Patrick Bahners fragt sich, wer die Enteignungen ins Gespräch gebracht hat und kommentiert: “Es war wie eine Abiturprüfung — hier zwei unterschütterliche Routiniers, dort ein gewitzter Prüfling.”

4. Duell um die “Motorwelt”
(sueddeutsche.de, Uwe Ritzer)
Die Mitgliederzeitschrift “ADAC Motorwelt” ist mit einer Druckauflage von 14 Millionen Exemplaren Europas auflagenstärkste Zeitschrift. Der ADAC hatte bereits vor längerer Zeit Umbau- und Sparmaßnahmen angekündigt. Anscheinend soll von 2020 an der Medienkonzern Burda das Mitgliedermagazin produzieren und vertreiben. Aber auch Springer sei an dem lukrativen Deal interessiert.

5. Überfall auf Enthüllungsjournalist
(taz.de, Bernhard Clasen)
In der Ukraine ist ein Journalist von Unbekannten überfallen und schwer verletzt worden. Man vermutet einen Zusammenhang mit seinen Recherchen zum Thema Korruption städtischer Beamter. Vor drei Jahren hatte es schon den Versuch gegeben, ihn zu erschießen. Nun liegt er schwer verletzt im Koma und ringt um sein Leben.

6. Tausche Liebe gegen Geld
(zeit.de, Meike Laaf)
Die Podcastszene professionalisiert sich. Das hat Vor-, aber auch Nachteile, denn jetzt geht es auf einmal ums große Geld. Unternehmen wie Luminary und Spotify pumpen gewaltige Beträge ins System und sperren ihre Podcasts hinter Paywalls und Anmeldeschranken. Meike Lauf analysiert die Situation und erklärt die Vermarktungswege.

7. BILDblog auf der re:publica: Best-/Worst-of 15 Jahre BILDblog
(19.re-publica.com)
IN EIGENER SACHE: Wir bespielen heute Abend um 20 Uhr Stage 2 auf der re:publica in Berlin. Es wird ein wilder Ritt durch 15 Jahre “Bild”- und Boulevardbeobachtung, mit den übelsten Kampagnen, der schlimmsten Hetze und dem falschesten Katzenbenzin. Kommt gerne vorbei. Wir freuen uns auf Euch!

Des “Guardians” Gewinn, Neues “Zeit”-Ressort, Capital-Bra-Story

1. Und die Zukunft der Zeitung ist doch digital
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz)
Seit 1998 hat der britische “Guardian” nur Verluste eingefahren. Nun scheint es, als sei der Umschwung geschafft: Der Verlag hat für den “Guardian” einen operativen Gewinn von 800.000 Pfund für das Wirtschaftsjahr 2018/19 vermeldet. Die positive Geschäftsentwicklung beruhe vor allem auf der konsequenten Digitalstrategie der Redaktion und einer treuen und spendenbereiten Leserschaft.

2. Warum wir X gründen
(blog.zeit.de, Jochen Wegner)
“Zeit Online” hat ein neues Ressort ohne festgelegten thematischen Fokus gegründet, dem man den Namen “X” gegeben hat. Alle paar Wochen sollen ressortübergreifenden Schwerpunkte entstehen, die sich aus den Inhalten der verschiedenen anderen Ressorts speisen und sich aus Features, Reportagen, Foto- und Videoessays sowie Datenvisualisierungen zusammensetzen. Der erste “X”-Schwerpunkt beschäftigt sich mit der “großen Wanderung” von Ost- nach Westdeutschland. Dort ist auch eine aufwändige Datenvisualisierung zu sehen, die eine dramatische demographische Entwicklung für die Zeit nach der Wende zeigt: Sechs Millionen Menschen haben dem Osten den Rücken zugewendet und sind in den Westen gezogen. Eine Entwicklung mit Folgen.

3. Können Gehirnfunktionen Stunden nach dem Tod wiederhergestellt werden? Wie weit kann Mikroplastik mit dem Wind reisen? Science Media Newsreel No. 46
(meta-magazin.org)
Im Wochenrückblick des “Science Media Center” geht es um die Forschungsergebnisse, über die in letzter Zeit besonders häufig in den Medien berichtet wurde. Dieses mal dabei: “Perfusionssystem lässt in Schweinehirn einige Zellen Stunden nach dem Tod wieder funktionieren” (“Nature”) und: “Mikroplastik gelangt durch Atmosphäre auch in entlegene Bergregionen” (“Nature Geoscience”).

4. Macht Netflix den Serien-Konsum internationaler?
(netzfeuilleton.de, Till Frommann)
Westliches Fernsehen und hiesiges Kino sind überwiegend von den USA und den dortigen Sehgewohnheiten geprägt. Seit es Streaming-Angebote wie Netflix gibt, besteht jedoch die Möglichkeit, einen Blick auf internationale Produktionen zu werfen. Dort findet sich kommerzieller Mainstream, aber auch manche Besonderheit, wie Till Frommann feststellt.

5. Zuckerberg baut Facebook um: Was der Komplettumbau des sozialen Netzwerkes für Publisher bedeutet
(meedia.de, Robert Tusch)
Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz F8 einige strukturelle und inhaltliche Änderungen angekündigt. Robert Tusch erklärt auf “Meedia”, was auf Publisher und Werbetreibende, aber auch auf die normalen Facebook-Nutzer zukommt.

6. Die verschollene Capital Bra-Story
(johannvoigt.de)
Capital Bra gilt als der erfolgreichste Künstler der Musikgeschichte Deutschlands und Österreichs, jedenfalls wenn man es an der Anzahl der Nummer-eins-Hits festmacht. Der Journalist Johann Voigt hat den Rapper für eine Geschichte getroffen, die jedoch nicht erschienen ist. Die Gründe sind einigermaßen kurios: Der Text “durfte nicht veröffentlicht werden, weil Capital Bra die während des Fotoshootings in Berlin entstandenen Fotos nicht freigegeben hat, stattdessen ein Handybild von seinen Kindern geschickt hat und zu einem neu organisierten Fotoshooting nicht auftauchte.” Voigt hat das redigierte und korrekturgelesene Stück auf seiner privaten Seite veröffentlicht.

Web-Reportagen, Unglückliche Studie, Assanges Verurteilung

1. Serie: Wie Web-Reportagen entstehen
(journalist-magazin.de, Stefan Heijnk)
Journalistik-Studierende der Hochschule Hannover haben sich in 17 Werkstatt-Beiträgen die Produktion von aufwändigen Web-Reportagen angeschaut. Journalismus-Professor Stefan Heijnk gibt einen Überblick über die (verlinkten und nachlesbaren) Beiträge und weist auf einige interessante Details und Entwicklungen hin.

2. Darf’s ein bisschen rechtsextremer sein?
(uebermedien.de, Juliane Wiedemeier)
Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat ihre “Mitte Studie” über die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen veröffentlicht und dabei einiges vermasselt. Juliane Wiedemeier rekonstruiert den Fall und die Folgen: “Eine Studie, die voreingenommen an ihr Thema herangeht und ihren Fragebogen unglücklich formuliert. Medien, die aus anderen Medien abschreiben, statt die Original-Quelle selbständig auszuwerten, und die bereitwillig den Alarmismus der Autor:innen übernehmen. Eine Reaktion, die dann wiederum übertrieben die deutsche Bevölkerung vor jedem Vorwurf des Ressentiments in Schutz nimmt.”

3. Nazidenke, verpixelt
(taz.de, Peter Weissenburger)
In Neuseeland steht demnächst der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter von Christchurch an. Im Vorfeld haben sich die fünf größten Nachrichtenmedien des Landes auf einen Pressekodex verständigt: Man werde den Attentäter nur äußerst beschränkt zitieren und rechtsextreme Symbole wie Handzeichen nicht zeigen oder zumindest verpixeln.

4. Über 30 Journalisten erstatten Anzeige
(deutschlandfunk.de, Margit Hillmann)
In Frankreich häufen sich die Beschwerden von Journalistinnen und Journalisten, die in Zusammenhang mit den Gelbwesten-Protesten über Behinderungen ihrer Arbeit, Einsatz von Gewalt und willkürliche Festnahmen durch die Polizei berichten. Der Journalistengewerkschaft SNJ seien seit November über 80 derartige Fälle gemeldet. Gewerkschaftsvorstand Dominique Pradalié: “Wir haben noch nie eine solche Repression gegen Journalisten in unserem Land gesehen. Und ich bin schon sehr lange Journalistin und Gewerkschafterin. Das hat es so noch nie gegeben.”

5. Wikileaks-Gründer Julian Assange zu 50 Wochen Gefängnis verurteilt
(heise.de, Detlef Borchers)
WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist wegen des Verstoßes gegen die Kautionsauflagen von einem britischen Gericht zu einer Gefängnisstrafe von 50 Wochen verurteilt worden. Er war 2012 in die Botschaft Ecuadors in London geflüchtet, um einer drohenden Verhaftung zu entgehen. Außerdem muss Assange die Auslieferung an die USA befürchten.

6. “Die Oma ist irgendwann weg. Aber das Grundgesetz, das bleibt.” Interview mit Oliver Wurm zum Grundgesetz als Magazin
(dirkvongehlen.de)
Wie kommt man auf die Idee, das Grundgesetz als Magazinversion in Kioskregale zu bringen? Dirk von Gehlen hat sich mit dem Journalisten und Magazin-Macher Oliver Wurm unterhalten. Es geht um die Entstehung der Idee, Wurms Lieblingsstelle im Grundgesetz, Reaktionen auf das Heft und das bevorstehende Grundgesetz-Jubiläum.

DW-Türkei-Kanal, Steingarts Podcast-Expansion, Ungültiges Baby

1. “Journalismus ohne Risiko gibt es nicht.”
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Die Deutsche Welle (DW) hat sich mit einigen internationalen Partnern zusammengetan und einen YouTube-Kanal für die Türkei gestartet. In Anlehnung an die türkische Ländervorwahl hat man den Kanal “+90” getauft. “Kontakt halten, Meinungsfreiheit und Vielfalt stärken” sei das Ziel. Man setze auf längere Erklärstücke und wolle keinen “Billigramsch” anbieten, so Intendant Peter Limbourg über die Pläne des Senders.

2. Phoenix lässt über Misstrauen gegen Medien diskutieren
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Am 3. Mai wird der Internationale Tag der Pressefreiheit begangen. Bereits am Vorabend bietet der Fernsehsender Phoenix einen Themenabend unter dem Motto “Wie mächtig sind Medien?” an. Zunächst gibt es drei Dokus über die Situation in den USA. Um 21:45 Uhr geht es dann in einer Diskussion um das gewachsene Misstrauen gegenüber den Medien und die Frage, inwiefern diese selbst dazu beigetragen haben.

3. Was für ein Job!
(twitter.com, Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs, Video: 1 Minute)
Die Redaktion von “Zeiglers wunderbarer Welt des Fußballs” (WDR) hat einen wunderbaren Filmschnipsel von 1977 aus dem Archiv ausgegraben: “Was für ein Job! Dieser Mann betreibt alleine einen Fussball-Ergebnisdienst. Er hört mit Kurzwellengeräten ausländische Radiosender ab und verkauft die Ergebnisse an deutsche Sender.”

4. Diese Instagram-Accounts gingen im April durch die Decke
(horizont.net, Giuseppe Rondinella)
“Horizont Online” lässt regelmäßig die wachstumsstärksten deutschsprachigen Instagram-Accounts ermitteln. Im April kommen die Top 4 der Kanäle mit dem größten Follower-Zuwachs aus Heidi Klums Model-Rekrutierungsmaschine “Germany’s Next Topmodel”.

5. Ohne Werbung: Gabor Steingart baut an einem Medienimperium mit 30 neuen Leuten.
(turi2.de, Markus Trantow & Peter Turi)
Gabor Steingart war zwei Jahrzehnte beim “Spiegel” und danach einige Jahre in führender Position beim “Handelsblatt”. Vergangenes Jahr hat Steingart ein eigenes Medienunternehmen gegründet und bietet den täglichen Newsletter “Morning Briefing” und einen begleitenden Podcast an. Nun will er expandieren und für fünf bis zehn neue Podcasts sein Personal von 20 auf 50 Mitarbeiter aufstocken.
Weiterer Lesehinweis: Podcast Logbuch: Netzpolitik feiert 300. Ausgabe mit einer Gala in Berlin (netzpolitik.org, Markus Reuter).

6. Glücks-Tragödie bei Harry & Meghan: Ist ihr Baby ungültig?
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Yellow-Press-Experte Mats Schönauer pflegt beim medienkritischen Onlineportal “Übermedien” die Rubrik “Topf voll Gold”. Anlässlich der Schwangerschaft von Herzogin Meghan lädt Schönauer zum lustigen Schlagzeilenbasteln ein: Anhand einer vorgegebenen, eher nüchternen bis langweiligen Meldung darf man raten, was ein Regenbogenblatt Knalliges daraus gemacht hat. Die Ergebnisse dürften überraschen.

FPÖ und die “Folgen”, Paywall-Links, Kriminalität: das Böse und wir

1. “Etwas, das nicht ohne Folgen bleiben kann”
(arminwolf.at)
Österreichs rechtspopulistische FPÖ hat sich auf den ORF-Journalisten Armin Wolf eingeschossen. Wolfs “Vergehen”: Er hatte den FPÖ-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Harald Vilimsky, zu einem rassistischem Plakat der FPÖ-Jugendorganisation befragt. Bereits während des Interviews hatte Vilimsky dafür “Folgen” angekündigt. Im Nachgang echauffieren sich nun weitere FPÖ-Politiker. Außerdem verlangt man lautstark die Entlassung Wolfs.

2. Sind Tweets, in denen auf eine Paywall verlinkt wird, kennzeichnungspflichtig?
(internet-law.de, Thomas Stadler)
Oft verlinken Journalisten und Medien in Tweets und Postings eigene Inhalte, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um Bezahlartikel hinter einer Paywall handelt. Dies ist nach Ansicht des IT-Rechtlers Thomas Stadler nicht zulässig. Es müsse ausreichend deutlich gemacht werden, dass es sich um kommerzielle beziehungsweise werbliche Hinweise handelt.

3. Und das Netz vergisst doch: Die Utopie vom ewigen Speicher
(nzz.ch, Felix Simon)
Das angeblich niemals vergessende Internet habe ein Archivproblem: Es gebe keine zentrale Stelle für die Archivierung von Inhalten, die Gefahr des “digitalen Gedächtnisschwundes” drohe. Vor allem Medienhäuser seien hier in der Pflicht, allerdings würden sie oftmals Aufwand und Kosten scheuen. Felix Simon kommentiert: “Der Gedanke an Archive mag nicht so “sexy” sein wie Vorstellungen von der schönen neuen Welt digitaler Möglichkeiten. In Zeiten, in denen die Presse mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat, ist er nicht weit oben auf der Agenda. Doch ohne verlässliche Archive riskieren wir nicht nur, dass bestimmte Versionen der Geschichte später die Oberhand gewinnen, wenn es nichts gibt, mit dem sie korrigiert werden können — wir riskieren auch, dass die historischen Wissenslücken, die sich zwangsläufig in Zukunft auftun werden, noch grösser sind als die der Vergangenheit.”

4. Vorschau in die Vergangenheit: Geschlechterverteilung auf dem Buchmarkt
(einfacherdienst.de)
Der Anteil an Autorinnen im Sachbuch-Bereich führender Verlage liegt bei gerade mal 20 Prozent. Dies ergibt eine Auswertung der Verlagsvorschauen für den Frühling 2019. Einziger Trost: Bei Romanen sieht es mit 42 Prozent deutlich besser aus.
Dazu ein Lesetipp aus dem Jahr 2015: Frauen auf dem Buchmarkt: Es sich selbst machen (taz.de, Fatma Aydemir).

5. Das Böse und wir
(zeit.de, Tonio Walter)
Obwohl die Zahl der Gewalttaten heute deutlich niedriger ist als vor zwanzig Jahren, sind viele Menschen vom Gegenteil überzeugt. Dies liege auch daran, wie Polizei und Medien berichten. Strafrechtsprofessor Tonio Walter erklärt, warum keinesfalls alles immer schlimmer wird und warum volle Gefängnisse die Kriminalität erhöhen. Es geht um Beobachterfehler, Untergangsempfinden und selektive Erinnerung.

6. Die netzpolitischen Highlights auf der re:publica 2019
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Nächsten Montag startet in Berlin die re:publica, Europas größte Konferenz rund um Digitalisierung und Internet. Das Angebot umfasst etwa 600 Sessions mit 1000 Sprechern und Sprecherinnen. Mitgründer Markus Beckedahl von netzpolitik.org hat eine Auswahl lohnenswerter Veranstaltungen mit dem Fokus “Netzpolitik” getroffen. 
Hinweis in eigener Sache: Wir vom BILDblog sind in Berlin auch dabei: Am Montag, 6. Mai, um 20 Uhr starten wir auf Stage 2 zu einem wilden Ritt durch 15 Jahre “Bild”- und Boulevardbeobachtung, mit den übelsten Kampagnen, der schlimmsten Hetze und dem falschesten Katzenbenzin.



Die Legende vom “Bamf-Skandal”, EU-Wahl-Ein-Mann-Show, Leere Worte

1. “Bamf-Skandal” schrumpft weiter
(taz.de, Stefan Simon)
Im Frühjahr 2018 erschütterte der sogenannte Bremer Bamf-Skandal die Republik: Von mehr als 1.200 Asyl-Betrugsfällen war die Rede. Die Zahl ist mittlerweile auf einen Bruchteil zusammengeschrumpft: Es geht derzeit um gerade mal 50 strittige Asylentscheidungen. Obwohl nicht eine Entscheidung rechtskräftig aufgehoben worden sei, würde die Bremer Staatsanwaltschaft unverdrossen nach angeblichen Missständen im Bremer Flüchtlingsamt forschen.

2. Ein-Mann-Show
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein)
Bei der Europawahl wird indirekt auch über das Amt des neuen EU-Kommissionspräsidenten entschieden. Während Kandidaten wie Margrethe Vestager, Frans Timmermans oder Ska Keller wenig mediale Beachtung finden, stehe der Spitzenkandidat des konservativen Parteienbündnisses Manfred Weber oft im Fokus der Berichterstattung. “SZ”-Redakteur Alexander Hagelüken spekuliert über die Gründe und ordnet die Zusammenhänge ein.

3. Facebook ist ein schwarzes Loch
(blog.clickomania.ch, Matthias Schüssler)
Der Journalist und Blogger Matthias Schüssler hat einen interessanten Vorschlag, wie man verhindern könne, dass Facebook die Aufmerksamkeit von verlinkten Originalquellen abzieht: “Man könnte Facebook zum Beispiel schlicht verbieten, Diskussionen zu Beiträgen von Newsplattformen und Blogs abzuhalten: Wer sich darüber auslassen will, muss sich wohl oder übel auf die Originalplattform bemühen. Nur dort wird kommentiert — und sonst nirgendwo. Das hätte nebenbei auch zur Folge, dass viele Debatten gesitteter stattfinden würden.”

4. Angesagte Teenie-App TikTok: Deutsche Publisher experimentieren – doch es fehlt ein Geschäftsmodell
(meedia.de, Robert Tusch)
An den sensationellen Erfolg der Video-Clip-App TikTok wollen sich nun auch deutsche Publisher und Marken hängen und experimentieren mit Inhalten und Communities. Die Aussichten sind derzeit völlig unklar, wie Robert Tusch für “Meedia” berichtet: Keiner wisse, wie lange der Hype anhalte und wie damit Geld verdient werden könne. Zudem sei die Plattform anfällig für Mobbing und Hass.

5. Neue Sicht auf die Dinge
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Immer mehr Fernsehsender sparen sich Kamerateams und statten ihre Reporter mit Smartphones aus. Kritiker finden den Trend bedenklich. Es bleibe all das auf der Strecke, was die Kunst eines jahrelang ausgebildeten Kameramannes oder einer jahrelang ausgebildeten Kamerafrau ausmache. Hans Hoff wägt Vor- und Nachteile der neuen Technik gegeneinander ab und lässt Bedenkenträger und Fürsprecher zu Wort kommen.

6. Hey Siri, wie viele Menschen hören mich ab?
(vice.com, Sebastian Meineck)
Es ist fast ein wenig lustig, mit wie viel Worten man nichts sagen kann. Die Unternehmen Apple, Microsoft, Google und Amazon beherrschen diese Kunst meisterlich, wie “Motherboard”-Chefredakteur Sebastian Meineck mit nur einer einzigen Frage herausgefunden hat: Meineck wollte wissen, wie viele Menschen im Zusammenhang mit Sprach-Assistenten wie Siri die Audio-Aufzeichnungen ihrer Nutzerinnen und Nutzer abhören.

Glyphosat-Berichterstattung, Sinnlose Sonntagsfrage, Notgeile AfD-Werbung

1. Wie Medien mitbestimmen, was ein Risiko ist: Der Fall Glyphosat
(medienwoche.ch, Martha Kuhnhenn)
Im ersten Teil einer Serie zu aktueller kommunikationswissenschaftlicher Forschung geht es um den medialen Umgang mit dem umstrittenen Herbizid Glyphosat. Für die Kommunikationswissenschaft und den Journalismus würden sich die gleichen Fragen stellen: “Welche Akteure kommen überhaupt zu Wort? Welche Akteure haben eine zentrale Machtposition? Wessen Argumente werden von Journalisten aufgegriffen? Welche Ressourcen verhelfen Akteuren zu (Deutungs-)Macht im Diskurs?” Daher sei die Offenlegung aller Interessen bei gesellschaftlich relevanten Risiken eine Kernaufgabe des Journalismus.

2. Wöchentlich grüßt die Sonntagsfrage
(taz.de, Hanna Lohoff)
Die Ergebnisse von Wahlumfragen sind bei vielen Medien äußerst beliebt und werden gern und oft veröffentlicht. Dabei sind die Zahlen mit größter Vorsicht zu genießen. Häufig würden sie mit einer Prognose verwechselt, sind ungenau oder wegen ihrer minimalen Schwankungen schlicht nicht von Nachrichtenwert.

3. Eine AfD-Wahlwerbung und ihre notgeile Geschichte
(schantall-und-scharia.de, Fabian Goldmann)
Der Politik- und Islamwissenschaftler Fabian Goldmann hat sich mit der Geschichte und Bedeutung des orientalistischen Gemäldes beschäftigt, mit dem die AfD in Berlin Europawahlkampf macht. Mit der Bildauswahl würden die Rechtspopulisten vor allem etwas über ihre eigenen Sex- und Gewaltfantasien verraten. Goldmanns Resümee: “(…) aus der Geschichte lernen, wie es die AfD auf ihrem Wahlplakat schreibt, lässt sich mit Gérômes “Sklavenmarkt” tatsächlich. Nicht etwas über die der arabisch-islamischen Welt. Aber darüber, wie sehr unser Blick auf den “Orient” auch noch heute von Klischees geprägt ist. Nichts über lüsterne und gewalttätige Araber. Aber darüber, wie die Sex- und Gewaltfantasien von Europäern unseren Blick auf eine großen Teil der Welt verfälschen können.”

4. Grindel kann nicht zurück zum ZDF
(faz.net)
Lange Zeit hieß es, der nach Korruptionsvorwürfen zurückgetretene DFB-Präsident Reinhard Grindel könne aufgrund eines gesetzlich geregelten Rückkehrrechts wieder bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem ZDF, arbeiten. Doch nun revidierte der Sender seine zuvor vertretene Rechtsauffassung: Grindel habe kein Rückkehrrecht.

5. Empörio Amani
(zeit.de, Mely Kiyak)
“Zeit Online”-Kolumnistin Mely Kiyak beschäftigt sich mit dem Streit zwischen der Komikerin, Schauspielerin und Moderatorin Enissa Amani und der TV-Kritikerin Anja Rützel: “(…) natürlich ist die Beurteilung von Humor keine alleinige Angelegenheit von Geschmack, sondern hat Regeln und Filter. Das unterscheidet die Meinung, den Like, das Herz und den Daumen von der professionellen Kritik. Rützel sei nicht konstruktiv, klagte Amani. Auch das ist ein seltsames Missverständnis unserer Zeit. Kritik ist kein Seminar dafür, wie man etwas besser macht. Es handelt sich hier um kein DIY-Ding, es gibt auch keine Infobox. Kritik ist Kritik.”
Weiterer Lesetipp: Im “Deutschlandfunk” zeigt sich die Feuilleton-Chefin der “Süddeutschen Zeitung”, Sonja Zekri, erstaunt von Amanis “enormer Humorlosigkeit”.

6. Die Top 30 Magazine – sechs sind im Plus
(wuv.de, Susanne Herrmann)
Die neuesten Auflagenzahlen der IVW für das erste Quartal 2019 bestätigen den Abwärtstrend bei Magazinen: Von den Top 30 sind 24 im Minus und nur sechs im Plus. “W&V” zeigt die wichtigsten Gewinner und Verlierer. Besonders schlimm habe es “Stern” und “Focus” mit zweistelligen Minuswerten getroffen.

Missliebige Missbrauchs-Doku, Mächtige InfluencerInnen, Filter-Omen

1. Arte nimmt Missbrauchs-Doku aus dem Programm
(sueddeutsche.de, Benjamin Emonts)
Der Fernsehsender Arte musste eine vielbeachtete Dokumentation über Missbrauch in der katholischen Kirche (“Gottes missbrauchte Dienerinnen”) aus der Mediathek nehmen. Der Grund: Eine Person habe sich nach Angaben des Senders in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt gefühlt und eine einstweilige Verfügung erwirkt. Arte hält die Entscheidung für falsch und prüft die rechtlichen Möglichkeiten.
Weiterer Lesetipp: Matthias Drobinski hat den Film über sexuelle Gewalt gegen Nonnen für Süddeutsche.de rezensiert. Der Film habe Schwächen, doch die Stärke des Films überwiege: “Das Schweigen ist gebrochen.”

2. Neue gegen alte Mediengeneration
(taz.de, Anne Fromm)
Der Komikerin Enissa Amani passte eine Kritik bei “Spiegel Online” nicht, und so keilte sie auf ihren Social-Media-Kanälen heftig gegen die Verfasserin aus. Der öffentlich ausgetragene Streit zeigt auch die neuen Machtverhältnisse. Heutzutage haben InfluencerInnen dank hunderttausender treuer Fans viele Möglichkeiten, sich zu wehren. Amani konstruierte gar einen Kampf gegen die “Mächtigen”, zu denen sie “Spiegel Online” und “Bild” zählt. “taz”-Redakteurin Anne Fromm kommentiert: “Da tönt eine Form der Elitenkritik, die man sonst eher aus der rechten Ecke kennt. Allerdings sind “die da oben” und “wir hier unten” eben nicht mehr so leicht voneinander zu trennen, wenn man, wie Amani, bei Instagram über eine halbe Million Menschen erreicht.”
Siehe dazu auch: Am längeren Hebel (sueddeutsche.de, Quentin Lichtblau).

3. Ende einer Trolljagd – Compact-Magazin scheitert am BGH mit Nichtzulassungsbeschwerde
(kanzleikompa.de, Markus Kompa)
Für Rechtsanwalt Markus Kompa und seinen Mandanten Richard Gutjahr war 2017 ein aufreibendes Jahr: Journalist Gutjahr war ins Visier einiger besonders bösartiger und hartnäckiger Verschwörungstheoretiker geraten, mit ziemlich unangenehmen Folgen für sich und seine Familie. Nun gelang ein wichtiger juristischer Sieg gegen den Verlag des rechtsdrehenden und verschwörerischen “Compact”-Magazins, der von Kompa und Gutjahr in zwei Instanzen erfolgreich verklagt worden war. Weil das OLG Köln hiergegen keine Revision zuließ, habe der Verlag Beschwerde beim Bundesgerichtshof erhoben. Diese sei vergangene Woche vom 6. Zivilsenat des BGH als unbegründet abgewiesen worden. Ein teurer Spaß für das “Compact”-Magazin, so Kompa: “Dieser Rechtsstreit kostet die Gegenseite damit rund 25.000,- €.”

4. Netzwelt-Newsletter: Nach den Anschlägen
(spiegel.de, Sonja Peteranderl)
Nach den Terroranschlägen in Sri Lanka mit mehr als 300 Toten verhängte die Regierung eine Netzsperre und blockierte unter anderem Facebook, WhatsApp, Instagram und YouTube. Der Grund: Man wolle die Verbreitung von Hass und Falschnachrichten eindämmen. Die Blockade wurde im Netz von vielen Menschen positiv aufgenommen und gelobt. Sonja Peteranderl kommentiert: “Dass die Blockade so viel Zustimmung erhält, entspringt dem Gefühl der Ohnmacht, das sich nach globalen Hasskampagnen und live ins Netz übertragenen Anschlägen wie in Christchurch verbreitet hat. Es gibt aber keine einfache Lösung gegen Gewalt. Statt Netzwerke abzuschalten, müssen sie zu einer stärkeren Moderation des Hasses gezwungen werden. Und das bedeutet eben viel Aufwand, Arbeit und Frust, für Konzerne, Regierungen und die Zivilgesellschaft.”

5. Die Geschichten hinter der Forschung erzählen
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:10 Minuten)
Beim “Deutschlandfunk” geht es um das Wissenschaftsmagazin “Science Notes”, das vor einem Jahr mit einer Startauflage von 5.000 Stück auf den Markt kam. Die Klaus-Tschira-Stiftung fördere das Magazin für mindestens zwei weitere Ausgaben. Annika Schneider ist äußerst angetan von Inhalten und Aufmachung: “‘Science Notes’ ist ein Designheft, das nicht nur zum Schmökern auf dem Sofa einlädt, sondern sich auch auf dem Couchtisch gut macht. Das dicke Papier zieren stilvolle Grafiken und außergewöhnliche Schriftarten. So will die Redaktion eine Brücke aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm mitten in die Gesellschaft schlagen.”

6. Omen für EU-Urheberrechtsreform: Uploadfilter sperren Mueller-Bericht
(heise.de, Martin Holland)
Uploadfilter des Webportals Scribd, einer Art YouTube für Dokumente, sperrten den gemeinfreien Abschlussbericht des US-Sonderermittlers Mueller. Kritiker sehen dies als weiteren Beweis für die Fehleranfälligkeit von Uploadfiltern, die nach der EU-Urheberrechtsreform bald notwendig sein dürften.

Wütende Komikerin, “Society-Expertin”, Dagobert und “Bild”

1. Die Angst vor Echokammern ist übertrieben. Ein Rückblick auf den Wahlkampf 2017 im Netz
(netzpolitik.org, Wolf J. Schünemann & Stefan Steiger & Fritz Kliche)
Forscher der Universität Hildesheim haben den Online-Wahlkampf 2017 unter die Lupe genommen und die Echokammer-Hypothese überprüft. Dazu haben sie 2,9 Millionen Facebook-Posts analysiert. Ihr Resümee: Im Gegensatz zu den USA sei das Echokammer-Phänomen hierzulande nur gering bis gar nicht ausgebildet. Auch für die kommenden Europawahlen sei nichts anderes zu erwarten. Da sich die Medienberichterstattung und Parteienkommunikation in EU-Wahlkämpfen in nationalen Bahnen bewege, gäbe es jedoch ein anderes Problem: den “strukturellen Nationalismus”.
Weiterer Lesetipp: Wie die EU gegen Falschnachrichten kämpft (deutschlandfunkkultur.de, Nico Schmidt & Michael Kreil).

2. Sibylle Weischenberg: Mit der Glaskugel im Kopf der Stars
(dwdl.de, Hans Hoff)
Im ARD-Magazin “Brisant” erscheint regelmäßig eine “Society-Expertin” namens Sibylle Weischenberg, die augenscheinlich Zugang zu den Stars dieser Welt und deren privaten Geschichten hat. Hans Hoff kommentiert auf die ihm eigene ironische Weise: “Nun gibt es böse Zungen, die Sibylle Weischenberg unterstellen, sie könne all das, was sie da von sich gebe, gar nicht wissen, weil die jeweiligen Stars nicht mit ihr geredet hätten, dass sie vielmehr immer dann zum Einsatz komme, wenn “Brisant” der direkte Zugang zu den Prominenten versperrt bleibe und die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich presserechtlich gegen breitgetretenen Quark zur Wehr setzen, eher gering ausfällt. Die verkennen natürlich, dass Sibylle Weischenberg nicht mit jemandem reden muss, um zu wissen, was sie weiß. Sie weiß das einfach, und als Top-Journalistin, die sie natürlich ist, hält sie ihre bisweilen auch telepathisch angezapften Quellen natürlich geheim.”

3. Hauptsache: Gendern
(jetzt.de)
Das Onlinemagazin “Jetzt” widmet sich in einem Themenschwerpunkt der geschlechtergerechten Sprache. Welche Formen der gendersensiblen Sprache gibt es?, Warum ist geschlechtergerechte Sprache so verhasst? und Was müssen sich Studierende von Gender Studies so alles anhören? (Spoiler: “Keine echte Wissenschaft, alle lesbisch und ideologisch versaut.”)

4. Journalistin macht sich über Enissa Amani lustig – deren Fans starten eine Insta-Hetzjagd
(watson.de, Philip Buchen)
Trash-TV-Edelfeder Anja Rützel hat über die Verleihung der About-You-Awards geschrieben und dabei nicht mit Spott und Kritik an den Veranstaltern und auftretenden Influencern gespart. Der von ihr ebenfalls erwähnten “Comedienne” und “Standup-Künstlerin” Enissa Amani gefiel das gar nicht, und so ließ diese ihrem Ärger auf Instagram freien Lauf. Mit unangenehmen Folgen für Rützel, denn einige von Amanis Followern (Gesamtzahl: 500.000) fluteten Rützels Profil mit Beleidigungen. Dies war jedoch nur der Beginn der Eskalation: Die gekränkte Komikerin, die nicht Komikerin genannt werden will, legte weiter nach und beschimpft ihre Kritikerin unter anderem (unzutreffend) als Nazi-Steigbügelhalterin.

5. Ein Waldspaziergang zum Lesen
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf)
Promigestützte Celebrity-Titel scheinen die neue kaufmännische Hoffnung des Verlags Gruner + Jahr zu sein: Ob Barbara Schönebergers “Barbara”, Joko Winterscheidts “JWD”, Guido Maria Kretschmers “Guido” oder Eckhard von Hirschhausens “Stern Gesund leben”. Nun legt der Verlag ein weiteres Promi-Magazin auf. Diesmal “Wohllebens Welt”, benannt nach dem Bestseller Autor Peter Wohlleben (unter anderem “Das geheime Leben der Bäume”). Sebastian Wellendorf fasst den Inhalt wie folgt zusammen: “Wohllebens Welt ist in seiner Heile-Welt- beziehungsweise Heile-Naturdarstellung eine Art flauschige Kuscheldecke für den gehfaulen Outdoorfan. Bilder und Texte von den Problemen der Natur, Monokulturen, Überdüngung, Artenschwund sucht man hier vergeblich.”

6. “Ich bin ja wie ein Zombie durch die Gegend gelaufen”
(spiegel.de, Martin Pfaffenzeller)
“Spiegel Online” hat sich mit Arno Funke zum Interview getroffen, der vor 25 Jahren als Bomben und Brandsätze legender Kaufhaus-Erpresser “Dagobert” Berühmtheit erlangte. Vor allem Funkes technischen Basteleien, die gescheiterten Geldübergaben und sein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei hatten damals für viel mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Schließlich wurde Funke geschnappt und wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Als er nach sechs Jahren wegen guter Führung vorzeitig entlassen wurde, habe vor der Anstalt eine “Bild”-Reporterin auf ihn gelauert, so Funke: “Am nächsten Tag erschien ein großes Foto und die Überschrift: “Designerkleidung, Markenfahrrad und teure Markenschuhe — woher hat er das Geld?” Dabei hatte ich das Rad für 50 Mark vom Schrotthändler und die Schuhe aus dem Quelle-Katalog, die Jacke von C&A.”

Presse(un)freiheit, AfD-Sprecher “lupenreiner Neonazi”, Farbattacke

1. Hetze gegen Medienschaffende
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die “Reporter ohne Grenzen” haben eine neue Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht. Am stärksten verschlechtert habe sich die Lage auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Aber auch in Europa habe sich vieles verschlechtert. Deutschland ist um zwei Plätze nach oben auf Rang 13 gerückt, doch das ist kein Grund, stolz zu sein: Bei uns gab es einen Anstieg der tätlichen Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten, die Pressefreiheit in anderen Ländern nahm jedoch noch stärker ab.
Weiterführender Link: “Rangliste der Pressefreiheit 2019” samt Rang und Vorjahresrang als PDF (reporter-ohne-grenzen.de).

2. Farbattacke auf Heidelberger Fotografen
(swr.de)
In Heidelberg kam es zu einem Farbanschlag gegen einen Fotografen. Eine symbolische Blutspur führt von der Eingangstür fast um das ganze Haus. An einer Wand steht der Name des Kindes des Fotografen, darunter der Satz: “Dein Papa tötet Dich.” Der Verdacht richtet such momentan auf eine politisch motivierte Straftat — der Fotograf war auf Demonstrationen bereits mehrfach von Rechtspopulisten bedroht worden. Laut der Polizei Mannheim habe sich die Kriminalität aus dem rechten Milieu in der Region von 2017 auf 2018 um gut ein Drittel erhöht.

3. Ich will der Frage nicht ausweichen, aber…
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Der Programmchef der ARD Volker Herres spricht im Interview über den rückläufigen Frauen-Anteil unter Drehbuchautoren, weibliche “Tatort”-Regisseure, Geschlechtergerechtigkeit — und bricht dann das Gespräch nach acht Minuten ab. Mehr sei angeblich nicht vereinbart worden. Ärgerlich für den freien Journalisten Jakob Buhre, der extra dafür von Berlin nach Hamburg gereist war. Zu den vielen Merkwürdigkeiten von Gespräch und Veranstaltung kommt die Frage, warum ein Fernsehsender seine eigene Pressekonferenz nicht per Live-Stream anbieten kann.

4. “Glaubwürdigkeit ist was für Weicheier”
(deutschlandfunk.de, Matthias Dell)
“Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche”, sprach dereinst der Lyriker, Zeichner und Satiriker F.W. Bernstein. Eben jenen Spruch könnte man auf den “Zeit”-Journalisten Jochen Bittner anwenden. Dieser plädiert in einem Text gegen den sogenannten Haltungsjournalismus für mehr Objektivität im Journalismus, obwohl er selbst schon ein Beispiel für mangelnde Distanz zur Politik war, wie sich Matthias Dell im “Deutschlandfunk” erinnert.

5. Am Tisch mit der politischen Macht
(kontextwochenzeitung.de, Arno Luik)
Der langjährige “Stern”-Autor und ehemalige “taz”-Chefredakteur Arno Luik hat beim Demokratiekongress der Anstifter eine Rede gehalten, die es in sich hat. Unter anderem ordnet er das Vorgehen des damaligen Burda-Vorstands und Hardliners Jürgen Todenhöfer ein, dem es damals darum gegangen sei, die Politmagazine, “Panorama”, “Monitor” zu zerstören (“… das Angriffsmittel waren Shows, Erotikshows, Quizshows, Krawallshows, Unterhaltungsfilme, Sport, Sport und nochmals Sport.). Auch Harald Schmidt habe bei der Verdummung mitgeholfen: “Sein Auftrag war, das Kabarett, das als prinzipiell linksverdächtig galt, also Hildebrandt & Co, nicht nur zu entschärfen, und als “Gutmenschentum” zu verhöhnen, sondern das Kabarett strukturell in etwas zu verwandeln, das nicht mehr der Aufklärung verpflichtet ist, sondern, etwas platt ausgedrückt: der Verdummung. Harald Schmidt änderte den Charakter des Kabaretts, er machte sich lustig über Minderheiten, verspottete Schwache, machte Polenwitze. Mit dieser rücksichtslosen Enttabuisierung half er mit, dass dieses Land (sozial)-politisch verrohte.”

6. Vor zwei Wochen verhandelten wir einen Fall vor dem Amtsgericht Dresden.
(facebook.com, Rechtsanwaltskanzlei Kasek)
Das Amtsgericht Dresden hat entschieden, dass die Bezeichnung des Pressesprechers der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag als “Neonazi” (genauer Wortlaut: “lupenreiner Neonazi”) im politischen Diskurs zulässig und von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Wie die beteiligte Rechtsanwaltskanzlei ebenfalls mitteilt, habe das Landgericht Dresden entschieden, dass auch die Bezeichnung des sächsischen AfD-Vorsitzenden als “Nazi” im politischen Diskurs zulässig und von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.

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