Archiv für 6 vor 9

Die Akte Richard Schmitt, Die Methoden von “Spiegel TV”, “Rums”

1. Die Akte Richard Schmitt
(kobuk.at, Helge Fahrnberger)
Der ehemalige Chefredakteur von Krone.at und aktuelle Chefredakteur von Oe24.at Richard Schmitt ist für seine tendenziöse und fehlerhafte Berichterstattung bekannt. Als Helge Fahrnberger, Leiter des Medienwatchblogs “Kobuk”, Schmitts Arbeitsweise in einem vergleichsweise harmlosen Tweet kritisierte, verklagte dieser ihn wegen angeblicher Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung. Doch Fahrnberger setzte sich erfolgreich zur Wehr und nutzt nun die Gelegenheit, einige der “journalistischen Höchstleistungen des Richard Schmitt” vorzustellen. Eine Chronik des journalistischen Grauens, nach deren Lektüre man sich mehr denn je fragt, wie ein Mann mit einem derartigen Berufsverständnis den Weg zum Gericht antreten konnte.

2. “Spiegel TV” schmückt sich mit fremden Mord­drohungen – und lässt den Bedrohten im Stich
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Soeben von der Paywall befreit und unbedingt lesenswert: Stefan Niggemeier berichtet über einen jungen Libanesen, der dem Fernsehmagazin “Spiegel TV” bei Recherchen und Dreharbeiten in Beirut geholfen hat und nun um sein Leben und seine Existenz fürchten muss – während sich die Redaktion mit einer an ihn gerichteten Morddrohung schmückt. “Ich kann nicht beschreiben, wie enttäuscht ich bin. Ich hasse jeden Tag, den ich mit ‘Spiegel TV’ verbracht habe, und bereue es.”

3. Vogelfrei
(message-online.com, Camila Weiss Franco)
Freie Journalisten und Journalistinnen haben es in Corona-Zeiten besonders schwer: überall wird gespart, verkleinert und gekürzt. Sie sind den Sparmaßnahmen der Redaktionen relativ schutzlos ausgeliefert. Camila Weiss Franco über die prekäre Lage der Freien, die vielfach ohne weitere Jobs nicht überleben können, und die Notwendigkeit besserer Honorare sowie krisenfester Tarifverträge.

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4. Schon entdeckt? RUMS
(mmm.verdi.de, Bärbel Ruben)
Die Medienlandschaft in und um Münster wird von einem Verlagshaus dominiert, das im Besitz beider örtlichen Tageszeitungen ist. Doch der Platzhirsch hat seit einigen Monaten Konkurrenz: Mit dem Digitalangebot “Rums” versorgt ein engagiertes Team die Leserinnen und Leser mit Nachrichten aus der Region und stärkt die publizistische Vielfalt. Nach einer ausgedehnten kostenlosen Phase wird das Angebot nun kostenpflichtig.
Transparenzhinweis: Die “Rums”-Redaktion wird von Ralf Heimann und Katrin Jäger geleitet. Ralf Heimann ist auch BILDblog-Autor und hat bei uns beispielsweise die Serie “Kleine Wissenschaft des Fehlers” über die Fehlerkultur in den Medien veröffentlicht.
Weiterer Hörhinweis: Der Deutschlandfunk hat sich mit “Rums”-Redakteurin Katrin Jäger unterhalten: Konkurrenz für die Münsteraner Tageszeitungen (deutschlandfunk.de, Christopher Ophoven, Audio: 5:41 Minuten).

5. “Die Dimension der Krise ist gewaltig”
(journalist.de, Catalina Schröder)
Das Fachmagazin “journalist” hat sich mit Dirk Steffens unterhalten, einem der bekanntesten Wissenschaftsjournalisten Deutschlands. Das Interview ist empfehlenswert, da es einige Kernprobleme und aktuelle Kernthemen des Wissenschaftsjournalismus anspricht, und Steffens kein Blatt vor den Mund nimmt. Es geht unter anderem um den Umgang mit Klimawandel-Leugnern, die Tücken der Pro-und-Contra-Berichterstattung und das Label des “Umweltaktivisten”, das man ihm gelegentlich verpasse und das er für sich ablehne: “Eine Politikjournalistin, die sagt: Natürlich bin ich für die Demokratie und Meinungsfreiheit, würde man ja auch nicht als Aktivistin bezeichnen, nur weil sie Diktaturen blöd findet.”

6. So überwacht Amazon seine Beschäftigten in den USA
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Amazon ist nicht nur Onlineversandhändler, sondern vertreibt unter eigener Marke auch Lesegeräte für elektronische Bücher und intelligente TV-Sticks. Außerdem bietet das Unternehmen die Infrastruktur für Cloud-Computing und ist mit Prime Video selbst zum Medienplayer avanciert. Ein neuer Bericht des Open Markets Institute schildert, auf welche Weise Amazon in den USA mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgeht. Der Internationale Gewerkschaftsbund habe Amazon-Chef Jeff Bezos zum “schlechtesten Arbeitgeber der Welt” gekürt. Eine nachvollziehbare Entscheidung, wenn man liest, wie die Firma ihre Angestellten behandelt.

Corona-Zweifler und die Medien, Klarnamen, Höcke muss unterlassen

1. Wieder Angriffe auf Journalisten bei Anti-Corona-Demos
(dju.verdi.de, Jörg Reichel)
Bei den Protesten der Corona-Zweifler am Wochenende in Berlin ist es erneut zu Angriffen auf und Bedrohungen gegen Medienschaffende gekommen. Laut der Journalistengewerkschaft dju seien “zwei Redaktionen bedroht, fünf Fernseh-Kamerateams (mit jeweils zwei bis drei Personen) sowie 12 weitere Journalistinnen und Journalisten” bedrängt, beleidigt, bespuckt und geschlagen worden: “Besonders brutal war ein Angriff auf vier Journalistinnen und Journalisten durch eine Gruppe von 10 bis 15 rechtsextreme Aktivisten der ‘Identitären Bewegung’ in der Nähe des Brandenburger Tor am Samstagnachmittag. Sie wurden massiv angegriffen, bedrängt, beleidigt und mit den Worten ‘Ihr werdet totgemacht’ beschimpft.”

2. ARD-Korrespondent reist aus Belarus aus
(sueddeutsche.de)
Wie bereits gestern in den “6 vor 9” berichtet, geht die Staatsführung in Belarus massiv gegen inländische und ausländische Medien vor. Das betrifft auch Vertreter öffentlich-rechtlicher Sender aus Deutschland. Da ihm in Minsk die Drehmöglichkeiten entzogen worden seien, verlasse der ARD-Korrespondent Jo Angerer nun das Land. Die Belarus-Berichterstattung werde bis auf Weiteres aus dem ARD-Studio in Moskau erfolgen.

3. Mehrere AfD-Rechtsaußen …
(twitter.com, Wolf Wiedmann-Schmidt)
Laut Wolf Wiedmann-Schmidt vom Hauptstadtbüro des “Spiegel” soll Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag, behauptet haben, das Nachrichtenmagazin habe das “Ibiza-Video” gekauft. Da dies nicht der Fall sei, habe der “Spiegel” den AfD-Politiker erfolgreich zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert, in der sich Höcke verpflichtet, diese Unwahrheit nicht mehr zu verbreiten.

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4. Die Sache beim Namen nennen
(taz.de, Carolina Schwarz)
Carolina Schwarz hat sich für die “taz” angeschaut, wie Medien über die Proteste der Corona-Leugner berichtet haben. Viele Redaktionen hätten in ihren Artikeln rechtes Framing übernommen und die Teilnehmer und Teilnehmerinnen verharmlost. Die “Bild” habe beispielsweise von “Chaoten” gesprochen, eine Bezeichnung, die Schwarz in diesem Zusammenhang unpassend findet: “Wer mehrmals am Tag einer Demo sein Pappschild liegen oder seinen Kaffee im Rucksack auslaufen lässt, kann guten Gewissens als ‘Chaot’ bezeichnet werden. Rechtsextreme Parolen zu brüllen und Reichsflaggen zu schwenken, macht einen jedoch nicht zum Chaoten, sondern zum Rechtsextremen.”

5. Paradigmenwechsel: ARD zeigt Serien immer zuerst online
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Als Antwort auf verändertes Nutzungsverhalten und konkurrierende Streamingdienste wie Netflix, wolle die ARD ihre Mediathek mit zahlreichen neuen Serien füttern. Bemerkenswert: Die Produktionen sollen zuerst in der ARD-Mediathek zu sehen sein und erst danach im TV ausgestrahlt werden. Uwe Mantel verrät, welche Formate und Serien in den nächsten Monaten auf die Zuschauerinnen und Zuschauer zukommen.

6. Justiz prüft Klarnamen-Pflicht bei Facebook
(horizont.net)
Facebook verlangt in seinen Nutzungsbedingungen die Verwendung von Klarnamen. Dennoch geben viele Nutzer und Nutzerinnen Pseudonyme an und werden dafür gelegentlich von dem Sozialen Netzwerk gesperrt. Über die Rechtmäßigkeit dieser Sperrungen haben bereits die Landgerichte Traunstein und Ingolstadt verhandelt und sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Jetzt muss das Oberlandesgericht München in der Frage entscheiden.

Facebook versus “Compact”, Tagesthemen XL, Faktencheck Demo

1. Facebook nimmt “Compact” vom Netz
(tagesschau.de, Sebastian Pittelkow & Katja Riedel)
Die in rechten Kreisen gern gelesene Verschwörungspostille “Compact” warb nicht nur im Heft, sondern auch in den Sozialen Medien für die Anti-Coronapolitik-Demo in Berlin. Nun habe Facebook den Facebook- sowie den Instagram-Account des Magazins ohne Ankündigung gelöscht. Die Begründung: “Compact” habe gegen das interne Regelwerk verstoßen. Ein schwerer Schlag für das Magazin, das bereits im März vom Verfassungsschutz als sogenannter Verdachtsfall eingestuft worden war und über seine Social-Media-Seiten auch Verkäufe generierte.
Weiterer Lesehinweis: “Fragen gelten als scharfe Waffe der Aufklärung. Aber Verschwörungserzähler, Rechtspopulisten und Twitter-Wichtigtuer beweisen: Manche dummen Fragen sind sogar gefährlich” – Das wird man ja wohl noch fragen dürfen!?, ein Essay von Maja Beckers (zeit.de).

2. Faktencheck zur Teilnehmerzahl
(spiegel.de, Holger Dambeck)
Anlässlich der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen vom Wochenende gibt es erneut Streit um die Teilnehmerzahl. Die Veranstalter würden von Hunderttausenden oder gar von mehr als einer Million Teilnehmenden sprechen, laut Polizei seien knapp 40.000 Demonstrierende zugegen gewesen. Holger Dambeck ist dem Zahlenrätsel auf den Grund gegangen und hat nachgerechnet.

3. ARD-Kamerateam vorübergehend in Minsk festgenommen
(faz.net)
Die Berichterstattung aus Belarus gestaltet sich zunehmend schwieriger. So wurde ein Kamerateam der ARD in der Hauptstadt Minsk vorübergehend festgesetzt, anschließend erfolgte der Entzug der Akkreditierung. Korrespondenten und Korrespondentinnen ausländischer Nachrichtenagenturen ging es ähnlich. Außenminister Heiko Maas, WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn und Deutsche-Welle-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge verurteilten den Angriff auf die Pressefreiheit.

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4. “Es wird noch härter”
(sueddeutsche.de, Alexander Mühlauer)
In der britischen Printmedien-Landschaft droht ein gewaltiger Kahlschlag. Ein britisches Branchenmagazin führe Buch über die Stellenabbaupläne der Verlagshäuser: Beim linksliberalen “Guardian” würden demnächst 180 Jobs wegfallen, die Gratiszeitung “Evening Standard” wolle 69 redaktionelle Stellen streichen, und bei der größten britischen Zeitungsgruppe Reach (unter anderem “Daily Mirror” und “Daily Express”) sollen 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Haus verlassen.

5. Nichtlineare Radiozukunft
(taz.de, René Martens)
Im Podcast “Corona Virus Update” (NDR) kommt zukünftig neben Christian Drosten eine weitere Stimme zu Wort: Sandra Ciesek ist Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt und wird sich mit Drosten wöchentlich abwechseln. Die “taz” hat sich mit der NDR-Hörfunkdirektorin Katja Marx nicht nur über diese Personalie unterhalten, sondern auch über Einsparmaßnahmen und den in wenigen Tagen stattfindenden Deutschen Radiopreis.

6. “Tagesthemen mittendrin”: Expedition ins Unbekannte
(dwdl.de, Peer Schader)
Die “Tagesthemen” (ARD) sind ab heute fünf Minuten länger. In der neuen Regional-Rubrik “mittendrin” wolle man “die gesamte Republik” porträtieren und “Geschichten aufbereiten, die wir alle voneinander wissen sollten, um uns besser kennenzulernen”. Peer Schader hält dies für eine im Kern gute Idee, hat aber angesichts der bislang schon gelaufenen Testbeiträge Sorgen, was die Umsetzung betrifft: “Bei manchen Geschichten hab ich das Gefühl, sie werden nur deshalb erzählt, damit der Reporter im sächsischen Örtchen Amerika, wo die zu selten genutzte ÖPNV-Verbindung in die nächste Stadt gestrichen wird, den zurechtgelegten Satz sagen kann: ‘Heute Nachmittag fuhr der allerletzte Bus nach Amerika.'”

Olaf Scholz und die Pressefreiheit, Holocaust auf TikTok, Corona-Netz

1. Olaf Scholz und die Pressefreiheit
(berliner-zeitung.de, Kai-Hinrich Renner)
Das “Financial Times”-Duo Stefania Palma und Dan McCrum hat zu einem Zeitpunkt über Unregelmäßigkeiten beim Finanzdienstleister Wirecard berichtet, als Politik und Wirtschaftsprüfer noch Loblieder auf das vermeintliche Vorzeige-Unternehmen gesungen haben. Anstatt sich für die journalistische Aufklärungsarbeit der beiden zu bedanken, erstattete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Strafanzeige gegen sie. Und obwohl Wirecards Luftschlösser mittlerweile eingestürzt und fast zwei Milliarden Euro Bilanzsumme auf wundersame Weise verschwunden sind, ermittelt die Staatsanwaltschaft anscheinend weiter gegen Palma und McCrum. Kai-Hinrich Renner hat dazu beim Bundesfinanzministerium nachgefragt – erfolglos. Sein Fazit: “Eigentlich kann das Rumgeeiere von Scholz und seinem Ministerium der SPD nicht gefallen. Wenn bezweifelt werden müsste, dass ihr Kanzlerkandidat ohne wenn und aber zur Pressefreiheit steht, wäre das für die Partei fatal.”

2. Alles automatisch: über die Tücken eines Journalismus ohne Menschen
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Die Website msn.com von Microsoft ist eine der meistbesuchten Nachrichtenseiten der Welt. Dort, wo früher Menschen über die Nachrichtenauswahl entschieden haben, tun dies heute Algorithmen: MSN habe unlängst seine Redaktion entlassen und lasse das Newsportal automatisch bespielen. Die Folge könnte eine Prioritätenverschiebung bei der Auswahl der Themen sein, wie Adrian Lobe erläutert: “Wenn es wirklich ein Strukturmerkmal algorithmischer Auswahl ist, eher weiche Themen zu selektieren, könnte es für Medienunternehmen grössere Anreize geben, solche Inhalte zu produzieren, um eine entsprechende Reichweite zu erzielen. Die Algorithmisierung der Nachrichtendistribution könnte also langfristig auch zu einer Boulevardisierung führen.”

3. Im Netz der Corona-Gegner
(correctiv.org, Till Eckert & Matthias Bau & Alice Echtermann)
Das Recherche-Team von “Correctiv” hat sich im Lager der Corona-Maßnahmen-Gegner umgesehen und ist dort auf “ein bundesweites Netzwerk von Wissenschaftlern, Meinungsmachern und Anwälten” gestoßen. Der Verbund wirke inzwischen auch direkt auf die Politik ein. “Correctiv” stellt die wichtigsten Köpfe der Bewegung vor und zeigt, mit welchen Mitteln man dort arbeitet, um den Kampf gegen das Coronavirus zu torpedieren.

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4. Medienhaus Bauer geht an Lensing Media
(verdi.de, Holger Pauler)
Das Medienhaus Bauer (nicht zu verwechseln mit dem Bauer-Verlag in Hamburg – um den geht es im nächsten Link) wechselt aller Voraussicht nach den Eigentümer. Das Dortmunder Medienunternehmen Lensing Media übernehme damit, die Zustimmung der Kartellbehörde vorausgesetzt, sechs Tageszeitungen und 180 Beschäftigte. Was der Besitzerwechsel für die Angestellten konkret bedeutet, sei noch ungewiss. Die Redaktionen sollen fast vollständig übernommen werden, bei den Beschäftigten aus der Verwaltung sei dies jedoch noch unklar.

5. Bauer-Verlag hat in der NS-Zeit von Zwangsarbeitern profitiert
(meedia.de)
In der neuen Hamburg-Ausgabe der “Zeit” soll eine Recherche Klarheit über die Vergangenheit des Bauer-Verlags während des Nationalsozialismus bringen, so eine “Zeit”-Vorabmeldung. In der Bauer-Zentrale sollen während der NS-Zeit mehrere hundert italienische Zwangsarbeiter interniert gewesen sein. Über das dunkle Kapitel der Verlagsgeschichte hatten Anfang des Jahres bereits “Spiegel” (nur mit Abo lesbar) und “Zapp” berichtet.

6. Yad Vashem kritisiert Darstellungen von Holocaust-Opfern auf TikTok
(spiegel.de)
Dass gut gemeint nicht automatisch gut gemacht ist, beweist derzeit die angebliche Holocaust-Challenge auf TikTok. Vornehmlich Jugendliche mimen dort Holocaust-Überlebende. Um Aufmerksamkeit für das Leid von Millionen getöteter Juden und Jüdinnen zu erzeugen oder um vornehmlich Aufmerksamkeit für sich selbst zu schaffen – das ist nicht immer klar. Klar ist hingegen die Reaktion der Gedenkstätte Yad Vashem, die darin eine Trivialisierung des Holocaust sieht.

“Hard Talk” auf deutsch?, Bauers Kopierfabrik, Erfolg für Neonazi

1. Braucht es ein neues Interview-Format im deutschen Fernsehen?
(radioeins.de, Daniel Bouhs, Audio: 4:49 Minuten)
Dürfen beziehungsweise sollen die Öffentlich-Rechtlichen mit umstrittenen Rechtsaußenauslegern der AfD reden? Im Prinzip schon, findet Daniel Bouhs, nur womöglich unter anderen Bedingungen – zum Beispiel in einem Format nach britischem Vorbild: “Spätestens jetzt nach dem MDR, vor allem aber auch nach dem Andreas-Kalbitz-Interview der Kollegen vom rbb, das andere Probleme hatte – ist es an der Zeit, dass auch das deutsche Fernsehen ein passendes Format bekommt. Die BBC hat das schon lange – legendär und da ist der Name Programm: ‘Hard Talk’.”

2. So funktioniert Bauers Kopierfabrik für Hollywood-Interviews
(übermedien.de, Mats Schönauer)
Jetzt ohne Paywall abrufbar: Mats Schönauers große Recherche über das zweifelhafte Geschäftsmodell des Hamburger Bauer-Verlags, der seit Jahrzehnten zusammengestrickte Interviews veröffentlicht, die so nie stattgefunden haben. Eine große Rechercheleistung und ein Muss für alle Journalismus-Interessierten.

3. Zwischen Nähe und Distanz
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 5:04 Minuten)
Berichterstattung über Geflüchtete kann sehr persönlich sein, vor allem, wenn es um Einzelschicksale von Personen geht, die mitunter über einen längeren Zeitraum begleitet werden. Persönliche Anteilnahme und professionelle journalistische Distanz befinden sich dann fast zwangsläufig in einem Spannungsverhältnis. Michael Borgers hat bei zwei Journalistinnen nachgefragt, wie viel emotionale Nähe sie sich bei ihren Langzeitreportagen erlaubt haben.

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4. Klage gewonnen: Behörden müssen auch Infos von privaten Plattformen offenlegen
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Die Transparenzinitiative “FragDenStaat” hat eine wichtige Klage gewonnen: Behörden müssen ihrer Informations- und Transparenzpflicht nachkommen, egal welche Kommunikationskanäle sie verwendet haben. Sie dürfen also nicht die Herausgabe mit dem Argument verweigern, die Kommunikation sei beispielsweise über Twitter oder Facebook gelaufen. “Mit dem Urteil könnte es unter Umständen künftig auch möglich werden, amtliche E-Mails anzufragen, die Minister in ihrer offiziellen Funktion von ihren privaten Mailadressen verschicken”, schreibt “FragDenStaat”-Projektleiter Arne Semsrott.

5. Verstöße gegen Richtlinien: Youtube löscht mehr Videos als je zuvor
(rnd.de)
Youtube hat nach eigenen Angaben im vergangenen Quartal mehr als zehn Millionen Videos gelöscht – und damit so viele wie noch nie zuvor. In über einem Drittel der Fälle sei dies aus Gründen des Kinderschutzes erfolgt. Der Großteil der gelöschten Videos stamme aus den USA.

6. Rechtsrocker obsiegte gegen Bild-Zeitung
(mmm.verdi.de, Frank Biermann)
Ein bekennender Neonazi und Frontmann einer Rechtsrock-Band hat sich gegen die Berichterstattung der “Bild”-Redaktion juristisch zur Wehr gesetzt und einen Teilerfolg erzielt. “Bild” hatte schwere Vorwürfe gegen den Mann erhoben, für die es jedoch keine hinreichenden Belege gegeben habe. Der Richter in seiner Urteilsbegründung: “Das hätten sie so nicht schreiben dürfen. Das sind Tatsachenbehauptungen, für die sie Beweise beibringen müssen.” Und weiter: “In 99 Prozent aller Fälle entscheiden wir hier für die Pressefreiheit – in diesem Fall nicht.”

Reichelts nächtliche Nachrichten, Belarus-Präsenz, Höcke-Interview

1. Sind ARD und ZDF in Belarus präsent genug?
(uebermedien.de, René Martens)
Der stellvertretende “Bild”-Chefredakteur Paul Ronzheimer ist für seine Berichterstattung aus Belarus teilweise sehr gelobt worden, gerne auch verbunden mit der Kritik an anderen Medien, die angeblich nicht ausreichend präsent seien beziehungsweise zu wenig berichten würden. Sind Lob und Kritik berechtigt? René Martens sortiert die vielschichtige Debatte um die Belarus-Berichterstattung – ein Sortiervorgang, bei dem die Öffentlich-Rechtlichen besser wegkommen, als es ihr Image in manchen Kreisen erwarten lässt.

2. Kein Interesse an “Deeskalationsteams”
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:15 Minuten)
Am Wochenende wird in Berlin erneut eine Demo gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung stattfinden. Der Veranstalter fordert Medienschaffende dazu auf, sich vor dem Besuch der Proteste bei ihm zu akkreditieren. Man würde ihnen zum besseren Schutz sogenannte Deeskalationsteams zur Seite stellen. Jörg Reichel, Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union Berlin-Brandenburg, rät von dieser Form des “Embedded Journalism” ab: “Wenn die Polizei die Journalistinnen und Journalisten nicht unterstützt in ihrer Arbeit und nicht für einen aktiven Schutz sorgt, wird nur eine Berichterstattung aus der Distanz möglich sein.”

3. “Ach, Herr Sänger”
(sueddeutsche.de, Ulrike Nimz)
Trotz einiger Kritik im Vorfeld hat der MDR das Sommerinterview mit dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke durchgeführt. Ulrike Nimz hat sich das 36-minütige Gespräch angeschaut: “Der Moderator ist vorbereitet, kennt die Corona-Fallzahlen ebenso wie aktuelle Umfragen zur Akzeptanz der Maskenpflicht. In seiner Ruhe bietet er Höcke kaum Anlass zur selbstgerechten Empörung, treibt ihn aber auch nicht in die Ecke.”

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4. Letzte Woche war …
(twitter.com, Christian Miele)
Christian Miele, Präsident des Bundesverbands Deutsche Startups, hat es gewagt, “Bild” zu kritisieren und zwar für eine, seiner Ansicht nach, “in jederlei Hinsicht unglückliche und zumindest als rassistisch interpretierbare” Überschrift. Damit hat er sich ein Telefonat mit “Bild”-Chef Julian Reichelt, ein Treffen mit einem Springer-Vorstand und eine ganze Kaskade nächtlicher Nachrichten eingehandelt, in denen Reichelt eine offizielle Entschuldigung gefordert habe. Miele in seinem Twitter-Thread dazu: “Ich kann das erst einmal nicht glauben. Ist das hier wirklich der Chefredakteur von Deutschlands größtem Medium? Woher kommt diese emotionale Reaktion zu später Stunde?”

5. TikTok reicht Klage gegen Trump-Dekret ein
(zeit.de)
Um einem eventuellen Verbot entgegenzuwirken, haben die Betreiber der chinesischen Video-App TikTok Klage gegen die USA beim Bundesgericht in Los Angeles eingereicht. Sorgen mache dem Unternehmen ein von Donald Trump unterzeichnetes Dekret, das mit der baldigen Stilllegung drohe, sollte der chinesische Mutterkonzern nicht zumindest seine US-amerikanische Dependance abstoßen.

6. Lucas Teuchner: Das ist der Macher hinter Apache 207, Bausa und Loredana
(omr.com, Roland Eisenbrand)
Im Podcast der “Online Marketing Rockstars” ist der 26-jährige Musikmanager Lucas Teuchner zu Gast, der bereits aus einigen Musikern und Musikerinnen Stars gemacht hat, darunter Apache 207, Bausa und Loredana. Im Podcast spricht der Chef von mittlerweile 37 Personen über seine steile Karriere, das Besondere am Geldverdienen in der Musikbranche und absatzfördernde Maßnahmen in Zeiten von Youtube-Views und Spotify-Klicks.

Höcke-Interview, Abgemahnt, Skrupellose Revolverblätter

1. MDR kündigt Höcke-Interview an
(tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Sollen öffentlich-rechtliche Sender mit einem AfD-Vertreter sprechen, der für seine extremen Positionen sowie seine rassistische und antidemokratische Agenda bekannt ist? Hat der Grundsatz der Ausgewogenheit seine Grenzen und sollte man deshalb darauf verzichten, derartigen Personen eine Bühne zu geben? Oder müssen wir das in einer Demokratie schlicht aushalten? Das sind ungefähr die Fragen, die sich anlässlich des bevorstehenden Sommerinterviews des MDR mit AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke stellen.

2. Radio Bremen verklagt Medienkritiker wegen Urheberrechtsverletzung
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
TV-Kritiker Holger Kreymeier hat sich in einem Videobeitrag einen Film von Radio Bremen vorgeknöpft und wenig später eine Abmahnung des Senders erhalten. Hat sich Kreymeier falsch verhalten und, wie von der Gegenseite behauptet, das Zitatrecht überreizt? Oder will da ein übermächtiger Sender einen Kritiker juristisch in die Knie zwingen? Matthias Schwarzer ist dem Konflikt nachgegangen, der Mitte November vor dem Landgericht Berlin verhandelt wird.

3. Der Duden im Kreuzfeuer identitärer Sprachpolitik. Eine Randbemerkung
(scilogs.spektrum.de, Henning Lobin)
Kaum etwas steht für die deutsche Sprache wie das Nachschlagewerk Duden. Leider wird es von Ultrarechten gerne für deren nationalidentitäre Politikagenda instrumentalisiert. Sprachwissenschaftler Henning Lobin zeigt anhand von drei markanten Beispielen, dass dafür keine Unterstellung zu grob sein kann.

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4. Embedded Berichterstatter
(djv.de, Hendrik Zörner)
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union hat bereits von der Akkreditierung zur Corona-Demo, die am Wochenende in Berlin stattfinden soll, abgeraten (siehe gestrige “6 vor 9”). Nun äußert sich auch der Deutsche Journalisten-Verband in einem Kommentar: “Kein Journalist und keine Journalistin muss sich in Deutschland zu einer Demonstration im öffentlichen Raum anmelden. Und ‘Deeskalationsteam’ stinkt geradezu nach ‘Embedded Journalism’. Wir sind aber nicht im Irak, wo Kriegsberichterstattung lebensgefährlich war, sondern in Berlin. Für die Sicherheit von Journalisten ist hierzulande immer noch die Polizei verantwortlich. Wer sich auf diesen Unsinn einlässt, ist selber schuld.”

5. Verleger Ippen übernimmt Buzzfeed Deutschland
(sueddeutsche.de, Aurelie von Blazekovic)
Nach Monaten der Ungewissheit ist nun klar: Bei “Buzzfeed Deutschland” kann es weitergehen, es wird Teil des Redaktionsnetzwerks Ippen Digital. Das Verlagskonglomerat von Dirk Ippen ist mit Publikationen wie dem “Münchner Merkur”, der “Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen”, der “tz” und der “Frankfurter Rundschau” die fünftgrößte Zeitungsgruppe in der Bundesrepublik. Anmerkung des “6 vor 9”-Kurators: Das Beitragsbild zeigt rechts Karsten Samland (vormals Schmehl), der bereits Mitte vergangenen Jahres “Buzzfeed” verlassen hat und zu TikTok gewechselt ist.
Weiterer Lesehinweis: Auf Twitter feiert Redaktionsleiter Daniel Drepper die Nachricht: “Wir sollen unter gleichen Bedingungen weiter unsere Unterhaltung und unseren Journalismus machen. Alle Mitarbeiter*innen behalten ihre Jobs und Verträge, ohne Einbußen.”

6. Burda-Zeitschrift retuschiert sich Michael Schumacher zurecht
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Mats Schönauer berichtet von einem perfiden Geschäftsmodell: In einer Mischung aus Skrupellosigkeit und nahezu krimineller Energie versuchen Blätter wie “Die Aktuelle” (Funke Mediengruppe), “Woche heute” (Bauer Verlag) und “Freizeit Revue” (Burda), mit dem Ex-Rennfahrer Michael Schumacher Geld zu verdienen.

Keine Strache-Wende, Youtube für Neonazis, Lieber nicht akkreditieren

1. Stellungnahme der SZ-Chefredaktion vom 23.08.2020
(facebook.com, Süddeutsche Zeitung)
Gibt es tatsächlich eine Wende im Fall des ehemaligen österreichischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache, wie manche Medien mit Verweis auf angeblich entlastende Aussagen behaupten? Nein, davon könne nicht die Rede sein, so die “Süddeutsche Zeitung” und der “Spiegel”. Man habe in der Berichterstattung auf die entsprechenden Passagen “konsequent und wiederholt” hingewiesen.
Weiterer Lesehinweis: Für den “Spiegel” erklärt Wolf Wiedmann-Schmidt auf Twitter: “Die angeblich neuen Passagen aus dem #Ibiza-Video sind weder unbekannt, noch hat sie @derspiegel verschwiegen. Im ersten Text zur Affäre vom 17. Mai 2019 haben wir just jene Abschnitte, die nun als neu präsentiert werden, teils wörtlich zitiert.”

2. Ein Youtube für Nazis: Was hinter der Plattform Bitchute steckt
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Viele Radikale verbreiten ihr extremes Gedankengut über den Messengerdienst Telegram – in dem Bewusstsein, dort einigermaßen sicher vor technischen Sanktionen wie Sperrungen und Blockaden zu sein. Als Youtube-Alternative vor allem für rechtsextreme Videos erweist sich derzeit die Plattform Bitchute. Matthias Schwarzer erzählt, was es mit dem “Ausweichkanal für rechtsextremes Gedankengut” auf sich hat.
Weiterer Hörtipp: Analyse der Berichterstattung: Rechtsextreme Netzwerke und die Behörden (deutschlandfunkkultur.de, Vera Linß & Marcus Richter, Audio: 12:59 Minuten).

3. “Die Prozesse sind kompliziert”
(taz.de, René Martens)
Turnusgemäß hat Deutschland aktuell die EU-Ratspräsidentschaft inne. Wie wirkt sich das auf die Berichterstattung aus Brüssel aus? René Martens hat mit Anne Gellinek, Leiterin des Brüsseler ZDF-Studios, über Polit-Journalismus aus der und über die EU gesprochen: Worin liegen die Unterschiede zwischen nationaler und europäischer Politikberichterstattung? Warum hat die nachmittägliche Europa-Sendung des ZDF (“heute – in Europa”) manchmal genauso viele Zuschauerinnen und Zuschauer wie das “heute-journal”? Und gibt es bald “Brüssel direkt”?

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4. #b2908 Wir raten Journalist:innen von einer Akkreditierung über hp #Querdenken711 dringend ab.
(twitter.com, Jörg Reichel)
Im Namen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union rät Landesgeschäftsführer Jörg Reichel Medienschaffenden davon ab, sich beim Veranstalter der bevorstehenden “Querdenker”-Demo zu akkreditieren (die Akkreditierung ist mit einer Begleitung durch ein “Deeskalationsteam” verbunden). Reichel dazu: “Wir rechnen an dem Wochenende mit einer zweistelligen Anzahl von Angriffen durch TN der Demonstration auf Journalist:innen – bis hin zu Körperverletzungen. Es liegen z.Z. keine Infos vor, ob und wie die @polizeiberlin die Pressefreiheit an dem Tag schützen will. Die Veranstalter lehnten #b0108 die Zusammenarbeit mit Polizei in Fragen #Pressefreiheit ab.”

5. Der Killer von Konstanz – True Crime | Als ein Vergewaltiger plötzlich zwei Morde gesteht
(swr.de, Viktoria Merkulowa, Holger Schmidt, Thomas Fischer)
Im True-Crime-Podcast des SWR “Sprechen wir über Mord?!” unterhalten sich Moderatorin Viktoria Merkulova, ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt und Bundesrichter a. D. Thomas Fischer über wahre Verbrechen. In der aktuellen Folge geht es um den “Killer von Konstanz”, doch das ist eigentlich sekundär. Interessant sind die Passagen, in denen es um die Zuschreibungen und Bewertungen von Straftaten durch Medien, aber auch durch uns Mediennutzer und -nutzerinnen geht. Hörenswert, weil es interessante Denkimpulse liefert.

6. Wenn Männer meinen, Frauen hätten ihren Witz nicht kapiert
(faz.net, Ursula Scheer)
Mansplaining bezeichnet laut Wikipedia “herablassende Erklärungen eines Mannes, der fälschlicherweise davon ausgeht, er wisse mehr über den Gesprächsgegenstand als die – meist weibliche – Person, mit der er spricht.” Die amerikanische Comedy-Autorin Nicole Tersigni illustriert auf ironische Art typische Fälle – anhand von klassischen Motiven der Kunstgeschichte.

Studie kritisiert Sondersendungen, Twitternde Abgeordnete, Radiopreis

1. Studie kritisiert Sondersendungen von ARD und ZDF
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:42 Minuten)
Wissenschaftler der Universität Passau haben über 90 Corona-Nachrichtensondersendungen von ARD und ZDF ausgewertet und in ihrem Fazit die Sender deutlich kritisiert. Hauptkritikpunkte: In der Berichterstattung sei ein permanentes Krisen- und Bedrohungsszenario vermittelt worden, außerdem seien die Regierungsmaßnahmen zu wenig hinterfragt worden. ARD und ZDF weisen die Kritik zurück.
Weiterer Lesehinweis: Haben ARD und ZDF die Corona-Angst geschürt? Sender wehren sich gegen Medienstudie (rnd.de, Imre Grimm).

2. “Für junge Kollegen ist Corona eine Katastrophe”
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Der 68-jährige Helge Timmerberg gilt als einer der schillerndsten Reiseschriftsteller Deutschlands. Der Journalist und Autor zahlreicher Bücher ist für seine subjektiven Reisereportagen in Ich-Form bekannt (“Gonzo-Journalismus”). Welche Eigenschaften sollte man als Reisejournalist mitbringen? Was sollte man vermeiden? Wie wirkt sich Corona auf den Reisejournalismus aus? Im Magazin “Fachjournalist” gibt Timmerberg Antworten auf all diese Fragen und beklagt die zunehmende Konkurrenz: “Im Prinzip fühlt sich jeder zum Reisejournalisten berufen, alle möglichen Leute schreiben von unterwegs, jeder kann reisen, Fotos und Texte fabrizieren. Das ist eine Riesen-Konkurrenz für uns ausgebildete Journalisten. Social Media ist ein Grab für den Journalismus.”
Weitere Guckempfehlung: Noch mehr Helge Timmerberg gibt es zum Beispiel in diesem Videointerview von “Weltwach TV” aus dem Jahr 2018 (Erik Lorenz, 1:39 Stunden).

3. Wer wir sind und was wir wollen
(medieninsider.com, Marvin Schade & Matthias Bannert)
Mit “Medieninsider” startet heute ein neues, unabhängiges Informationsangebot für Medienschaffende. Hauptaufmacher (aber hinter der Paywall): ein Bericht über die Dreharbeiten einer Amazon-Doku über “Bild”. Hinter dem “Medieninsider” stehen mit Marvin Schade (früher unter anderem bei “Meedia”) und Matthias Bannert (früher unter anderem bei “Bild”) zwei Kenner der Branche.

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4. Boom für die Gaming-Branche in der Pandemie
(spiegel.de)
Es gibt nicht nur Corona-Verlierer: Die Pandemie hat der Gaming-Branche einen wahren Boom beschert. Immer mehr Deutsche verbrächten seit Beginn der Corona-Krise mehr Zeit mit Videospielen und gäben dafür auch mehr Geld aus. Das habe jedenfalls eine Umfrage des Digital-Branchenverbandes Bitkom ergeben. Demnach hätten mehr als 55 Prozent der Befragten erklärt, mehr zu spielen als zu Vor-Corona-Zeiten. Die deutsche Spielewirtschaft profitiere davon jedoch nur wenig. Lediglich fünf Prozent des Umsatzes stamme von deutschen Spieleherstellern.

5. Erste Nominierungen für den Deutschen Radiopreis stehen fest
(meedia.de)
Am 10. September wird in Hamburg der Deutsche Radiopreis 2020 verliehen. Die Veranstaltung werde von mehr als 50 deutschen Radiosendern übertragen, komme jedoch coronabedingt ohne Gala und ohne Gäste aus. Die unabhängige Jury des Grimme-Instituts hat bereits die ersten Nominierungen bekanntgegeben in den Kategorien “Beste*r Newcomer*in”, “Beste Innovation am Morgen”, “Beste Programmaktion”, “Beste Reportage” sowie “Bestes Nachrichten- und Informationsformat”.

6. Die kleine Welt des Populismus
(de.ejo-online.eu, Gerret von Nordheim)
Gerret von Nordheim und Jonas Rieger haben untersucht, zu welchen Themen Bundestagsabgeordnete auf Twitter Links teilen, und das ist recht spannend, insbesondere, was das Social-Media-Verhalten von AfD-Zugehörigen betrifft. Bei ihnen gehe es vor allem um die vier Kernthemen Migration, Kriminalität, Rechtsextremismus und Minderheiten. Viele andere Themenbereiche wie Daten-, Klima- und Umweltschutz oder Fragen des Mietmarktes spielen in AfD-Tweets, die auf Medieninhalte verweisen, keine Rolle.

Hochgekochtes Satirevideo, Namensnennung, Kotzender Kühnert

1. Polizisten als Mörder: Wie “Bild” aus einer Satire einen ARD/ZDF-Skandal macht
(rnd.de, Imre Grimm)
Ein rund zweieinhalbminütiges Satire-Video beim öffentlich-rechtlichen Jugendportal Funk zum Thema Rassismus bei der Polizei lässt die Emotionen hochkochen. Imre Grimm hält das Filmchen nicht für besonders gelungen, aber daraus ein Generalversagen von ARD und ZDF abzuleiten, sei falsch: “Der Clip ist blöd und beleidigend. Ihn aber – wie mancher Zeuge der Anklage – als weiteren Baustein einer linksgrünmedialen Diffamierungskampagne gegen die Polizei zu brandmarken, schießt weit über das Ziel hinaus.”

2. RBB schafft Sommerinterview-Reihe ab
(sueddeutsche.de)
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) kassierte wegen seines weitgehend unkritischen Sommerinterviews mit Brandenburgs früherem AfD-Chef Andreas Kalbitz viel Kritik. Nun stellt der Sender seine Sommerinterview-Reihe mit brandenburgischen Spitzenpolitikern ein.
Weiterer Lesehinweis: “Das Sommerinterview des RBB mit Andreas Kalbitz sorgte für einen Skandal. Nun hat der MDR den nächsten AfD-Rechtsaußen eingeladen: Björn Höcke. Und will alles besser machen.” Anne Hähnig und Martin Machowecz fragen in der “Zeit”: “Gehört er ins Fernsehen?”

3. Mit Verlaub: Ich kotze im Strahl.
(twitter.com, Kevin Kühnert)
Der SPD-Politiker Kevin Kühnert hat der Newsseite “Watson” ein Interview gegeben, aus dem sich die “Welt”-Redaktion einen Teilaspekt herausgepickt und zugespitzt hat (genauer: eine dpa-Überschrift weitergedreht hat). Entsprechend frustriert reagiert Kühnert auf Twitter: “Wenn der Versuch, differenzierte Antworten zu geben, in solch bewusstem Missverstehen mündet, dann braucht sich niemand wundern, dass Politiker*innen in Interviews nur Blabla von sich geben.” Kühnert weiter: “Diese ‘Zuspitzung’ ist leider auch ein erneutes Beispiel für das verbreitete Desinteresse an politischen Inhalten. Wer mit wem? Wer gegen wen? Welche Koalition hätten’s denn gern? Welches Ministerium wollen Sie führen? Das alles klickt sich leider besser als Steuern/Rente/Klima.”

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4. So geht die tagesschau mit der Nennung von Namen in Gerichtsprozessen um
(blog.tagesschau.de, Marcus Bornheim & Helge Fuhst & Juliane Leopold)
“Tagesschau” und “Tagesthemen” gelten als “Dokumente der Zeitgeschichte”, wodurch den Sendungen eine besondere Verantwortung in der Berichterstattung zukommt: Sie dürfen unbegrenzt online gestellt werden und bleiben unter Umständen Jahrzehnte sichtbar. Ein besonders sensibler Bereich ist die Nennung von Namen in Berichten über Gerichtsprozesse. Für den Verzicht auf Namensnennung kann der Schutz des Persönlichkeitsrechts sprechen, aber auch das Bestreben, sich von einem Angeklagten nicht instrumentalisieren zu lassen, wie ein aktueller Fall zeige. Die Chefredaktion von ARD-aktuell schreibt über das Spannungsfeld dieses Teilbereichs ihrer Arbeit.

5. Aktivisten wollen Facebooks Falschmeldungs-Spreader “bändigen”
(spiegel.de, Max Hoppenstedt)
Die Online-Bewegung Avaaz hat zahlreiche Facebook- und Webseiten untersucht, die falsche oder irreführende Informationen zu medizinischen Themen verbreiten. Avaaz fordert Facebook auf, nicht nur Warnhinweise, sondern auch Richtigstellungen zu veröffentlichen. Studienautor Christoph Schott dazu: “Facebook hat bis heute jenen Nutzerinnen und Nutzern keine spezifischen Korrekturen angezeigt, die die Falschinformation gesehen hatten, dass es als Covid-19-Test ausreiche, zehn Sekunden die Luft anzuhalten. Das ist schon grob fahrlässig aus unserer Sicht.”

6. Vom Newsroom zum Newszoom
(deutschlandfunk.de, Samira El Ouassil, Audio: 3:44 Minuten)
Coronabedingt sind derzeit viele Newsrooms verwaist. Wie kann unter diesen Bedingungen Journalismus gelingen? Können virtuelle Treffen das persönliche Gespräch ersetzen? Samira El Ouassil hat eine einfache Antwort: “Journalismus wird nicht an Orten gemacht, sondern von Menschen”. Außerdem erzählt sie die hübsche Anekdote, wie sie einmal in einem vollbesetzten Newsroom einen O-Ton vom Konsul von Georgien einholen wollte, aber jemanden aus den USA an der Strippe hatte …

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